OGH vom 08.04.1981, 1Ob567/81
Norm
PostSpG § 15;
Kopf
SZ 54/51
Spruch
Zur wirklichen Übergabe einer Postspareinlage genügt die Übergabe des Postsparbuches ohne Berechtigungskarte nicht. Befindet sich diese bei einem Dritten, kann die Forderung dadurch wirklich übergeben werden, daß der Geschenkgeber den Dritten anweist, die Berechtigungskarte an den Geschenknehmer herauszugeben oder für diesen innezuhaben
(OLG Wien 11 R 191, 211/80; LGZ Wien 15 Cg 226/78)
Text
Die Wiederaufnahmsbeklagten sind gesetzliche Erben der am verstorbenen Gabriele L; der Nachlaß wurde ihnen mit Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom , 5 A 356/75, eingeantwortet.
In der am von der Verlassenschaft nach Gabriele L zu 15 Cg 192/76 des Erstgerichtes eingebrachten Klage wurde von der nunmehrigen Wiederaufnahmsklägerin die Herausgabe des von der Österreichischen Postsparkasse ausgestellten Sparbuches 906 626 begehrt. Ihr sei dieses Sparbuch durch den nunmehrigen Erstbeklagten nur zur kurzfristigen Aufbewahrung übergeben worden.
Die Wiederaufnahmsklägerin wendete ein, daß Gabriele L Hedwig P mit mündlichem Testament mit Ausnahme des Postsparbuches und einiger kleinerer Schmuckstücke zur Alleinerbin eingesetzt habe. Sie habe sofort nach Übergabe des Postsparbuches ihren damaligen Vertreter mit der Auflösung des Buches beauftragt; dazu sei es infolge der Verlassenschaftseinleitung aber nicht mehr gekommen. Sie habe auch eine Schenkungsanzeige an das Finanzsrat für Gebühren und Verkehrsteuern erstattet.
Das Erstgericht wies mit Urteil vom , 15 Cg 192/76- 28, dieses Begehren ab. Es könne nicht festgestellt werden, daß Gabriele L das Postsparkassenbuch der Wiederaufnahmsklägerin geschenkt habe. Selbst wenn aber diese Darstellung zuträfe, mangle es an einer wirklichen Übergabe gemäß § 943 ABGB, da sich die Berechtigungskarte zum Postsparkassenbuch immer in Händen des Erstwiederaufnahmsbeklagten befunden habe. Gabriele L habe keine Schritte eingeleitet, um den Erstwiederaufnahmsbeklagten zur Herausgabe der Berechtigungskarte zu veranlassen. Werde aber die Berechtigungskarte nicht übergeben, liege wirkliche Übergabe nicht vor.
Dieses Urteil bekämpfte die Wiederaufnahmsklägerin mit Berufung. Während des Berufungsverfahrens brachte sie eine Wiederaufnahmsklage ein, die darauf gestützt wurde, daß sie zufällig vor drei Wochen Anna M getroffen und von ihr erfahren habe, daß Gabriele L ihr die Schenkung des Sparbuches an die Wiederaufnahmsklägerin bestätigt habe.
Mit Beschluß des Erstgerichtes vom , ON 4, wurde das Berufungsverfahren zu 15 Cg 142/76 gemäß § 544 Abs. 1 ZPO unterbrochen.
Die Wiederaufnahmsbeklagten wendeten ein, daß selbst bei Zutreffen des von der Wiederaufnahmsklägerin behaupteten Wiederaufnahmsgrundes eine für sie günstigere Entscheidung nicht möglich sei, da es weiterhin an einer wirklichen Übergabe mangle. Es wurde auch bestritten, daß die Wiederaufnahmsklägerin ohne ihr Verschulden außerstande gewesen sei, das nunmehr beantragte Beweismittel vor Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz im Hauptprozeß geltend zu machen.
Das Erstgericht führte das Aufhebungs- und das Erneuerungsverfahren nicht getrennt durch (für die Zulässigkeit dieser Vorgangsweise:
Pollak[2], 753; Sperl 719; dagegen: SZ 32/144; Fasching IV, 556; Holzhammer, Österreichisches Zivilprozeßrecht[2], 349; Petschek - Stagel, 405; für eine Verbindung in Ausnahmsfällen; RZ 1936, 96; SZ 16/188). Es gab mit Urteil der Wiederaufnahmsklage statt, verurteilte jedoch im Hauptprozeß erneut die Wiederaufnahmsklägerin zur Herausgabe des Postsparkassenbuches. Die Wiederaufnahmsklägerin habe Ende April 1978 zufällig Anna M getroffen. Diese habe ihr gesagt, daß Gabriele L in ihrer Gegenwart die Sachen der Wiederaufnahmsklägerin gegeben habe. Der Wiederaufnahmsklägerin sei die Anschrift der Anna M nicht bekannt gewesen. In der Hauptsache hielt es aber die Aussage der Anna M für unglaubwürdig. Der Wiederaufnahmsklägerin sei nicht der Beweis gelungen, daß Gabriele L ihr das Postsparkassenbuch in Schenkungsabsicht übergeben habe. Im übrigen sei erneut darauf zu verweisen, daß ohne Übergabe der Berechtigungskarte nur eine Schenkung ohne wirkliche Übergabe vorliege.
Gegen dieses Urteil erhoben beide Streitteile Berufung. Die Wiederaufnahmsbeklagten wollten die Abweisung der Wiederaufnahmsklage erreichen, die Wiederaufnahmsklägerin die Abänderung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens in der Hauptsache.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Wiederaufnahmsbeklagten Folge, hob das Urteil und das ihm vorangegangene Verfahren auf und wies die Wiederaufnahmsklage als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung ungeeignet zurück. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 2000 S übersteige. Der Wiederaufnahmsklage könne schon aus rechtlichen Gründen kein Erfolg beschieden sein. Postsparbücher mit Berechtigungskarte seien Rektapapiere. Die Postsparkasse brauche nur an den Buchinhaber zu leisten, der ihr nachweise, daß er der materiell Berechtigte oder dessen Bevollmächtigter sei. Der Berechtigungskarte komme dieselbe Bedeutung wie einem Losungswort zu. Für die Übertragung einer Forderung aus einem Rektapapier genüge Willenseinigung zwischen Überträger und Übernehmer. Bei der schenkungsweisen Abtretung müsse aber die Übergabe im Sinne des § 943 ABGB wirklich erfolgen. Eine wirkliche Übergabe liege aber nur vor, wenn das Losungswort bekanntgegeben oder bei Postsparkassenbüchern die Berechtigungskarte gleichfalls übergeben worden sei. Gegenüber der Postsparkasse sei die Abtretung gemäß § 15 Abs. 4 PostSpG 1969 nur wirksam, wenn der Abtretende vor der Österreichischen Postsparkasse oder auf einem Postamt unter Vorlegung seines Postsparbuches eine Abtretungserklärung abgebe und der Abtretungsempfänger gleichzeitig erkläre, die Abtretung anzunehmen. Dieser Formvorschrift komme eine umso größere Bedeutung für eine schenkungsweise Übertragung zu, weil damit in besonders klarer Weise auch dem sich aus § 943 ABGB ergebenden Publizitätsgedanken Rechnung getragen werde. Eine Behauptung in der Richtung, durch die Aussage der Anna M könne nachgewiesen werden, daß Postsparbuch und Berechtigungskarte übergeben und der Postsparkasse gegenüber die notwendigen Abtretungs- und Annahmeerklärungen abgegeben worden seien, sei nicht aufgestellt worden. Die Wiederaufnahmsklage könne daher von vornherein zu keiner anderen Entscheidung im Vorprozeß führen. In einem solchem Fall sei sie aber gemäß § 538 Abs. 1 ZPO mit Beschluß zurückzuweisen. Diese Vorschrift sei auch im Berufungsverfahren noch anzuwenden.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Wiederaufnahmsklägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Eine Wiederaufnahmsklage ist gemäß § 538 Abs. 1 ZPO auch dann als für die mündliche Verhandlung ungeeignet zurückzuweisen, wenn das nach § 530 Abs. 1 Z 7 ZPO zu einem Beweisthema neu geltend gemachte Beweismittel für die Entscheidung in der Hauptsache nicht relevant ist, weil selbst die Annahme der Wahrheit dessen, was erwiesen werden solle, zu keiner anderen Entscheidung in der Hauptsache führen kann (JBl. 1979, 268; EvBl. 1957/224; JBl. 1932, 525; SZ 7/24 u. a.; Fasching IV, 540). Dies wäre dann der Fall, wenn zur wirklichen Übergabe eines auf Namen mit Berechtigungskarte ausgestellten Postsparbuches die bloße Übergabe des Sparbuches nicht genügte.
Der Rekurs führt aus, daß eine Berechtigungskarte dann ein anderes rechtliches Schicksal als ein bloßes Losungswort habe, wenn sich jene aus welchen Gründen immer nicht in den Händen des Geschenkgebers befinde und daher ungeachtet der Willenseinigung zwischen Geschenkgeber und Geschenknehmer nicht ausgehändigt werden könne. Es hätte geklärt werden müssen, ob der Anspruch auf Herausgabe der Berechtigungskarte durch den Geschenknehmer ebenfalls übertragen worden sei.
Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Nach § 15 Abs. 1 PostSpG 1969 hat die Österreichische Postsparkasse an ihren Schaltern, ihren Zahlstellen sowie bei den Postämtern Geldbeträge als Spareinlagen auf Postsparbücher zu übernehmen, die eingelegten Gelder zu verzinsen und sie bei Kündigung des Verfügungsberechtigten gegen Vorlage des Postsparbuches zurückzuzahlen. Das Postsparbuch lautet nach § 15 Abs. 2 PostSpG auf den Sparer. Dieser hat seine Identität nachzuweisen. Nach den im Jahre 1975 geltenden, aber in den hier maßgebenden Teilen auch durch die derzeit geltenden, am kundgemachten nicht wesentlich geänderten Geschäftsbestimmungen für den Sparverkehr, kundgemacht im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom , gibt die Postsparkasse Namenssparbücher mit Berechtigungskarte (§ 3 Abs. 3) und ohne Berechtigungskarte aus (Demelius, Zum österreichischen Wertpapierrecht, JBl. 1976, 68 ff.; Avancini, Das Sparbuch im österreichischen Recht, 106), ohne Berechtigungskarte aber nur, wenn der Sparer beantragte, daß Rückzahlungen ausschließlich an ihn selbst gegen postordnungsmäßigen Nachweis seiner Identität geleistet werden (§ 7 Abs. 2). Sparbuch und Berechtigungskarte sind gemeinsam Legitimationsmittel. Die Postsparkasse ist berechtigt, sich durch Leistung auch an den Nichtberechtigten zu befreien, sofern dieser das Postsparbuch und die Berechtigungskarte (§ 7 Abs. 1) sowie bei einer Rückzahlung nach Kündigung bei der Postsparkasse einen vom Sparer (Erleger) unterfertigten Kündigungsschein oder die Rückzahlungsanweisung (§ 12) vorlegt (Demelius a.a.O.; Avancini a. a.O.).
Namenssparbücher der Postsparkasse sind Rektapapiere (SZ 48/81; Avancini a.a.O.). Forderungen, die nicht in Order- oder Inhaberpapieren verbrieft sind, werden an sich wirksam schon durch die bloße Willenseinigung übertragen (SZ 48/81; SZ 48/2; 5 Ob 755/79; Bydlinski in Klang[2] IV/2, 659; Wolff in Klang[2] VI, 287; Avancini a.a.O., 94 f.). Daran wird auch durch die Bestimmung des § 15 Abs. 4 PostSpG 1969 nichts geändert, wonach die Abtretung einer Einlage auf einem Postsparbuch an einen anderen der Österreichischen Postsparkasse gegenüber nur wirksam ist, wenn der Abtretende vor der Österreichischen Postsparkasse oder vor einem Postamt unter Vorlegung seines Postsparbuches eine Abtretungserklärung abgibt und der Abtretungsempfänger gleichzeitig erklärt, die Abtretung anzunehmen. Durch diese Bestimmung werden keine weiteren Abtretungserfordernisse aufgestellt (SZ 48/81); macht der Sparer von ihr Gebrauch, so erlangt der Zessionar auf Grund der Geschäftsbestimmungen des Postsparkassenamtes die Möglichkeit, ebenso wie der Sparer (Erleger) ohne Berechtigungskarte unter Nachweis seiner Identität Geld zu beheben (Demelius a.a.O., 70).
Die Abtretung war daher nicht schon deshalb unwirksam, weil die Vorschrift des § 15 Abs. 4 PostSpG 1969 nicht eingehalten wurde.
Das Berufungsgericht erkannte aber zutreffend, daß bei schenkungsweiser Zession einer Spareinlage die Vorschrift des § 427 ABGB eingehalten werden muß, weil sonst von einer wirklichen Übergabe gemäß § 943 ABGB nicht gesprochen werden kann. Nach Lehre und Rechtsprechung erfordert die wirkliche Übergabe im Sinne des § 943 ABGB einen zum Schenkungsvertrag hinzutretenden, von diesem verschiedenen nach außen hin bemerkbaren Akt, aus dem der ernstliche Wille des Schenkers hervorgeht, das Objekt der Schenkung aus seinem in den Besitz des Beschenkten zu übertragen. Wirkliche Übergabe bedeutet nichts anderes als das Gegenteil einer bloßen Zusicherung. Zusicherung und wirkliche Übergabe können dabei zeitlich auseinanderfallen (§ 1432 ABGB). Die wirkliche Übergabe muß so beschaffen sein, daß der Übergang der geschenkten Forderung in das Vermögen des Beschenkten und in seine Verfügungsgewalt unzweifelhaft und nach außen erkennbar zu entnehmen ist (JBl. 1979, 548; RZ 1979/17; SZ 48/75; SZ 45/35; SZ 40/86; SZ 38/227; JB 142 alt u.v.a.; Stanzl in Klang[2] IV/1, 616; Koziol - Welser[5] I, 283); die wirkliche Übergabe soll den empirischen Eigentumswechsel vollziehen, sie soll insbesondere dem Geschenknehmer die verkehrsmäßige unmittelbare Verfügung über den Gegenstand gewähren (Bemerkung der Redaktion in ZBl. 1906, 660). Da eine körperliche Übergabe von Forderungen nicht möglich ist, hat sie gemäß § 427 ABGB durch Zeichen zu erfolgen. Solche Zeichen sind die Übergabe von Urkunden, aber auch die Verständigung des Schuldners durch den Geschenkgeber (EvBl. 1963/465; JB 142 alt u.a.; Bydlinski a.a.O., 659 f.; Avancini a. a.O., 95 f.). Erfolgt eine wirksame, vom Zedenten vorzunehmende Verständigung des Schuldners nicht, müssen die von ihm dem Zessionar übergebenen Urkunden diesen in die Lage setzen, legitimiert die Forderung geltend zu machen. Dies ist gewiß der Fall, wenn nicht nur das Sparbuch übertragen, sondern auch das Losungswort bekanntgegeben wurde (SZ 39/140) oder der Zessionar durch Übergabe von Postsparbuch und Berechtigungskarte der Postsparkasse gegenüber voll legitimiert erscheint. Wird aber nur die Berechtigungskarte (SZ 48/81) oder nur das Sparbuch übergeben, ohne daß das Losungswort mitgeteilt worden wäre (Avancini a.a.O., 97), aber auch sonst kein nach außen unzweifelhaft erkennbarer Akt gesetzt, der auf andere Weise die materielle Berechtigung, über das Sparguthaben zu verfügen, nachweist (SZ 47/24), liegt wirkliche Übergabe nicht vor; ebensowenig aber auch, wenn ein Postsparbuch zwar in Schenkungsabsicht, nicht aber mit der zur vollständigen Legitimierung erforderlichen Berechtigungskarte übergeben wird. Der Zessionar hat in einem solchen Fall noch nicht die erforderliche vollständige Verfügungsgewalt über die zedierte Forderung erreicht. Ihm ist es noch verwehrt, dem Schuldner gegenüber unmittelbare Verfügungsakte zu setzen.
Daran ändert im vorliegenden Fall auch nichts, daß die Berechtigungskarte nicht im Besitz der angeblichen Geschenkgeberin war. Der Besitz an einer Sache, die sich im Gewahrsam eines Dritten befindet, kann auch dadurch übertragen werden, daß der Dritte vom Veräußerer angewiesen wird, künftig für den Übernehmer innezuhaben (Besitzanweisung; HS 7264/50; SZ 20/117; SZ 9/155; 6 Ob 523/80; Ehrenzweig[2] I/2, 78; Gschnitzer, Sachenrecht, 18; Bydlinski a. a.O., 657 ff.). Ist der Geschenkgeber nicht Inhaber des geschenkten Gegenstandes, kann die wirkliche Übergabe im Sinne des § 943 ABGB auch durch eine solche Besitzanweisung erfolgen (RZ 1979/17; SZ 48/81; 6 Ob 523/80; 4 Ob 522/80). Noch näherliegend wäre die Anweisung gewesen, die Berechtigungskarte an die Beschenkte herauszugeben. Die Rekurswerberin brachte nun weder vor noch stellte dies das Erstgericht im Hauptprozeß fest, Gabriele L hätte eine solche Anweisung an den Erstwiederbeklagten erteilt. Das von der Wiederaufnahmsklägerin geltend gemachte neue Beweismittel ist demnach für die Entscheidung im Hauptprozeß aus rechtlichen Gründen irrelevant.