OGH vom 14.05.2008, 5Ob28/08s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. Roch als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache der Antragsteller 1. Ing. Günther K*****, 2. Günther B*****, dieser vertreten durch Mag. Dr. Felix Sehorz, Rechtsanwalt in Wien, 3. Alfred T 4. Wanda R*****, diese vertreten durch den Erstantragsteller, gegen die Antragsgegnerin Stadt Wien, vertreten durch Dr. Peter Rudeck, Dr. Gerhard Schlager, Rechtsanwälte in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 12 (§ 21) MRG, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 41 R 237/06s-55, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Meidling vom , GZ 10 Msch 6/05d-39, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den
Sachbeschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Revisionsrekursbeantwortung des Erstantragstellers wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Antragsteller sind Mieter von Wohnungen auf der Liegenschaft *****, die Antragsgegnerin ist Eigentümerin dieser Liegenschaft. Unter vielen anderen Positionen der Betriebskostenabrechnung des Jahres 2002, die allerdings nicht mehr verfahrensgegenständlich sind, bemängelten die Antragsteller eine Kostenposition von 7.276,24 EUR an Hausbesorgerentgelt für die Beseitigung ekelerregender Verschmutzungen.
Insgesamt sind in der Betriebskostenabrechnung 2002 9.032,66 EUR für die Beseitigung von ekelerregenden Verschmutzungen inklusive Materialkostenersatz enthalten.
Den Hausbesorgern wurde auch die Entfernung ekelerregender und besonders ekelerregender Verschmutzungen übertragen. Sie wurden im Rahmen ihres Arbeitsvertrags angehalten, eine interne Aufzeichnung über diese Verschmutzungen zu führen.
Im Jahr 2002 entfielen auf den Hausbesorger Werner J***** dreizehn Fälle der Beseitigung von besonders ekelerregenden Verschmutzungen und 83 Fälle einer Beseitigung von ekelerregenden Verschmutzungen an Werktagen sowie sechs Fälle der Beseitigung von ekelerregenden Verschmutzungen an einem Wochenende.
Hinsichtlich der Hausbesorgerin Gertrude J***** sind für das Jahr 2002 zwölf Fälle der Beseitigung einer besonders ekelerregenden Verschmutzung verzeichnet sowie vierzig Fälle der Beseitigung ekelerregender Verschmutzungen an einem Wochentag und sechzehn Fälle an einem Wochenende.
Dabei wurde zugrundegelegt, dass die Beseitigung von Urin als Beseitigung von ekelerregenden Verschmutzungen zu werten ist, die Beseitigung von Kot oder Erbrochenem hingegen als Beseitigung von besonders ekelerregenden Verschmutzungen.
Ausgehend davon stellte das Erstgericht fest, dass ein Betrag von 1.756,42 EUR für die Beseitigung ekelerregender Verschmutzungen gerechtfertigt sei, im Ausmaß von 7.276,24 EUR hingegen diese Betriebskostenposition, weil keine besonders ekelerregenden Reinigungsarbeiten damit verbunden waren, zu Unrecht in die Betriebskosten des Jahres 2002 aufgenommen worden war. Das Erstgericht begründete seine Entscheidung damit, dass nur die vereinbarte Beseitigung von Kot oder Erbrochenem als Beseitigung von besonders ekelerregenden Verschmutzungen zu werten sei, die Beseitigung von Urin hingegen zwar als ekelerregend, nicht aber als besonders ekelerregend im Sinn des Mindestlohntarifs für Hausbesorger-Wien.
Einem dagegen von der Antragsgegnerin erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts hinsichtlich der Beurteilung der Verschmutzungskosten. Punkt II. E des Mindestlohntarifs für Hausbesorger-Wien lege das dem Hausbesorger zu leistende Entgelt für die Reinigung von besonders ekelerregenden Verschmutzungen pro Beseitigung mit einem Pauschalbetrag von 40,70 EUR (= 560 S) fest. Das Bundeseinigungsamt habe Verschmutzungen durch Urin nicht als eine besonders ekelerregende Verschmutzung in diesem Sinn gewertet. Dieser Ansicht schließe sich der erkennende Senat an. Eine besonders ekelerregende Verschmutzung liege nämlich dann vor, wenn diese nicht nur erheblichen Widerwillen hervorrufe, sondern darüber hinaus mit deren Beseitigung ein erheblicher, über das bloße Wischen hinausgehender Arbeitsaufwand verbunden sei. Das sei bei der Beseitigung von Stoffen mit fester, zähflüssiger oder breiiger Konsistenz, die auf Exkremente, Erbrochenes oder Blut zurückzuführen seien, der Fall, nicht jedoch bei Urin. Dieser lasse sich bloß durch ein- oder mehrfaches feuchtes Wischen entfernen, ein erheblicher Mehraufwand, weil auch Reinigungsgeräte und Tücher nach der Arbeit speziell gereinigt werden müssten, sei damit nicht verbunden. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR nicht übersteige, der Revisionsrekurs jedoch zulässig sei, weil die Frage, was unter besonders ekelerregender Verschmutzung im Sinn des Mindestlohntarifs für Hausbesorger zu verstehen sei, einer Klärung durch höchstgerichtliche Rechtsprechung bedürfe.
Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Sachbeschlusses im Sinn einer Abweisung des Feststellungsantrags. Den Antragstellern und den übrigen Mietern der Liegenschaft wurde Gelegenheit zur Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung gegeben. Der Erstantragsteller hat davon Gebrauch gemacht, jedoch trotz eines Verbesserungsauftrags keine anwaltliche Unterfertigung seiner Revisionsrekursbeantwortung beigebracht.
Rechtliche Beurteilung
Zufolge § 37 Abs 3 Z 9 MRG müssen sich in dritter Instanz die Parteien entweder durch einen Rechtsanwalt oder Notar oder durch einen besonderen Interessenvertreter vertreten lassen. Die entgegen dieser Bestimmung vom Erstantragsteller persönlich erstattete Revisonsrekursbeantwortung erweist sich damit als unzulässig. Sie war daher zurückzuweisen.
Zum Revisionsrekurs der Antragsgegnerin:
Die Antragsgegnerin macht geltend, dass schon nach der klaren und sprachlich eindeutigen Formulierung des Punktes II. E des zur Anwendung kommenden Mindestlohntarifs für Hausbesorger-Wien ein zusätzliches Entgelt für die Entfernung besonders ekelerregender Verschmutzungen gebühre und daher auf die Mieter als Betriebskosten überwälzbar sei.
Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts gehöre dazu auch die Beseitigung fremden Urins, insbesondere wegen der damit verbundenen Geruchsbelästigung, die bei jedem durchschnittlichen Menschen besonderen Ekel hervorrufe. Gerade bei Reinigungsarbeiten müssten eine räumliche Nähe zur Verschmutzung hergestellt und schließlich auch die Reinigungsgeräte nachher gesondert gereinigt werden. Dass mit der Beseitigung einer solchen Verschmutzung ein besonderer Arbeitsaufwand verbunden sein müsse, lasse sich aus dem Mindestlohntarif nicht ableiten. Wenn man aber darauf abstelle, so sei ein solcher erhöhter Aufwand schon deshalb zu bejahen, weil Reinigungsgeräte und Tücher gesondert gesäubert werden müssten, weil es sonst zu einer unerträglichen Geruchsbelastung käme. Ein bloßes Aufwischen, vergleichbar einer normalen Verschmutzung sei damit nicht vergleichbar.
Der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist aus dem vom Rekursgericht bezeichneten Grund zulässig. Er ist jedoch nicht berechtigt. Der Hausbesorger Mindestlohntarif-Wien in der hier anzuwendenden Fassung (gültig bis ) ist eine Verordnung, deren Auslegung nach den §§ 6, 7 ABGB zu erfolgen hat (vgl RIS-Justiz RS0008777).
Darin wird unter „Dienstleistungen nach § 4 Abs 3 des Hausbesorgergesetzes" Punkt C. E festgesetzt:
„Für die vereinbarte Reinigung von besonders ekelerregenden Verschmutzungen gebührt pro Beseitigung ein Pauschalbetrag von 560 S/40,6968 EUR".
Es steht fest, dass den Hausbesorgern der Wohnhausanlage vertraglich die Entfernung solcher Verschmutzungen überbunden war und die Hausbesorger konkrete Aufzeichnungen darüber zu führen hatten. Wenn auch der Revisionsrekurswerberin zuzugestehen ist, dass die Regelung des Hausbesorger-Wien-Mindestlohntarifs die Zuordnung von Arbeiten unter den Begriff „besonders ekelerregend" nicht vom damit verbundenen Aufwand abhängig macht, ist doch der Aspekt der Dauer der Befassung mit solchen Arbeiten und damit die notwendige Nähe zu den Verschmutzungen nicht außer Betracht zu lassen.
Die Hervorhebung des Begriffs „besonders" macht, wie das Rekursgericht zutreffend ausführte, deutlich, dass nicht bloße Ekelerregung maßgeblich ist, wie dies zweifellos allein durch den Uringeruch gegeben ist, sondern dazu noch eine bestimmte Intensität kommen muss, die eben den besonderen Widerwillen eines Durchschnittsmenschen hervorzurufen vermag.
Der erkennende Senat teilt die Auslegung, die das Rekursgericht vorgenommen hat. Der nicht unbeträchtliche Entlohnungsanspruch eines Hausbesorgers für „besonders ekelerregende" Reinigungsarbeiten gebührt bei der Entfernung von Urinspuren nicht. Weder eine besondere Nähe noch eine besondere Dauer solcher Arbeiten, auch jener der Reinigung der Arbeitsgeräte, rechtfertigt es, solche Verschmutzungen mit weit ärgeren, etwa durch menschlichen Kot oder Erbrochenem gleichzuhalten.
Weil aber der Mindestlohntarif durch die Verwendung des Begriffs „besonders ekelerregend" einen Unterschied zwischen ekelerregend und einer Steigerung davon macht, ist diesem Unterschied auch bei der Auslegung Rechnung zu tragen.
Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.