OGH vom 21.01.1981, 6Ob815/80
Norm
Kopf
SZ 54/10
Spruch
§ 1 Abs. 3 KSchG ist nicht auf Personen anzuwenden, die bereits allein oder in Gesellschaft mit anderen ein Unternehmen desselben Geschäftszweiges betreiben, dem auch das Unternehmen angehören soll, dessen Betriebsaufnahme vorbereitet wird
(JBl 1981, 482 (Jelinek))(OLG Wien 3 R 183/80; HG Wien 31 Cg 82/80)
Text
Die Klägerin ist eine Handelsgesellschaft, der Beklagte ein Grazer Kaufmann. Das Klagebegehren ist auf Zahlung eines die Gerichtshofgrenze übersteigenden Geldbetrages gerichtet. Es wird auf einen vor dem Inkrafttreten des Konsumentenschutzgesetzes geschlossenen Kauf einer Registrierkasse gestützt. Die Klage wurde am beim Handelsgericht Wien angebracht. Zur (örtlichen) Zuständigkeit dieses Gerichtes berief sich die Klägerin in der Klage darauf, daß als Erfüllungsort und Gerichtsstand Wien vereinbart worden sei. Urkundliche Nachweise dieser behaupteten Vereinbarungen lagen der Klage nicht bei.
Der Beklagte meldete in der ersten Tagsatzung die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit an. Dazu führte er in seiner Klagebeantwortung aus, daß er die Registrierkasse, deren Kaufpreis Klagsgegenstand ist, zur Erstausstattung eines von ihm im Herbst 1979 erworbenen Lokales gekauft habe; er sei Verbraucher im Sinne des Konsumentenschutzgesetzes.
Das Erstgericht führte über die Unzuständigkeitseinrede eine abgesonderte Verhandlung durch. In dieser sagte der Beklagte als Partei zu der damals bereits in den Akten erliegenden Ablichtung des mit datierten Bestellscheines aus, er "ersehe" auf dieser Urkunde seine Unterschrift; zur Zeit seiner Bestellung habe er das gastwirtschaftliche Lokal, in dem etwa ein Jahr kein Betrieb geführt worden sei, renoviert, die gekaufte Kasse sei zwei Tage vor der am erfolgten Lokaleröffnung geliefert und nur in dem neu eröffneten Lokal verwendet worden; er besitze schon seit Jahren gemeinsam mit seiner Ehefrau ein weiteres Lokal.
Während der abgesonderten Verhandlung über die Unzuständigkeitseinrede gelangte die Ablichtung des Bestellscheines zur Verlesung. Sie enthält einleitend einen Hinweis auf allgemeine Geschäftsbedingungen, deren Inhalt dem Gericht allerdings nicht nachgewiesen wurde. Im übrigen enthält diese Urkunde keine Bestimmung über den Erfüllungsort hinsichtlich der Kaufpreisschuld. Unmittelbar vor der Käuferunterschrift enthält der Formularvordruck die Worte: "Gerichtsstand: Wien". Der Beklagte gab zu dieser Urkunde keine Erklärung ab.
Das Erstgericht wies die Klage in Stattgebung der Einrede der örtlichen Unzuständigkeit zurück. Es erachtete die Bestimmung des § 14 KSchG im Zusammenhalt mit § 1 Abs. 3 KSchG nach der Übergangsbestimmung des § 39 KSchG für die Klage auf Zahlung des Kaufpreises auf Grund eines vor dem im § 38 KSchG genannten Tag () geschlossenen Vertrages als unanwendbar und führte aus: Die behauptete Vereinbarung des Erfüllungsortes sei überhaupt nicht, die behauptete Zuständigkeitsvereinbarung aber nicht rechtzeitig (nicht bereits mit der Klage) und nicht gehörig (nicht durch die Originalurkunde) nachgewiesen worden.
Das Rekursgericht verwarf in Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit. Dabei vertrat es die Ansicht, daß mangels Vorliegens einer unheilbaren Unzuständigkeit die Geltendmachung der örtlichen Unzuständigkeit insoweit ausgeschlossen gewesen sei, als der Beklagte diese nicht in der Klagebeantwortung bereits konkret ausgeführt habe. Dem Erstgericht sei es aus diesem Grund verwehrt gewesen, seine Zuständigkeit deshalb zu verneinen, weil es an einer (formellen) Voraussetzung (zum Nachweis) der von der Klägerin behaupteten zuständigkeitsbegrundenden Vereinbarungen im Sinne des § 88 Abs. 1 und im Sinne des § 104 Abs. 1 JN gefehlt habe. Die auf das KSchG gestützten Ausführungen zur Unzuständigkeitseinrede habe dagegen das Erstgericht zutreffend als nicht stichhältig erkannt.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
§ 1 Abs. 3 KSchG bedarf einer teleologischen Reduktion. Grundsätzlich wird derjenige, der den Betrieb seines Unternehmens noch nicht aufgenommen hat, wegen der typischerweise vorausgesetzten fehlenden allgemeinen Geschäftserfahrung sowie besonderen Branchenkunde vom Gesetzgeber noch als schutzwürdig angesehen (vgl. EB zu § 1 Punkt I Z. 2 RV, 744 BlgNR, XIV. GP, 16). Die vorausgesetzte Unterlegenheit eines Unternehmers vor der Betriebsaufnahme muß aber dann verneint werden, wenn der Betriebsinhaber Rechtsgeschäfte zur Schaffung der Voraussetzung für die Betriebsaufnahme eines Unternehmens schließt, das demselben Geschäftszweig angehört wie ein von ihm bereits allein oder in Gesellschaft mit anderen betriebenes Unternehmen. § 1 Abs. 3 KSchG gilt nicht zugunsten von Personen, die bereits allein oder in Gesellschaft mit anderen ein Unternehmen desselben Geschäftszweiges betreiben, dem auch jenes angehört, dessen Betriebsaufnahme vorbereitet werden soll. Das war aber bei Abschluß des der Klage zugrunde liegenden Kaufes für den Revisionsrekurswerber nach seiner eigenen Aussage der Fall.
Aus diesem Grund kann die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung oder einer Vereinbarung des Erfüllungsortes im vorliegenden Fall durch Bestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes keinesfalls berührt werden, so daß die Frage der Anwendbarkeit des § 14 KSchG auf Vereinbarungen des Gerichtsstandes oder des Erfüllungsortes in Verträgen, die vor dem abgeschlossen wurden und kein dem RatG 1961 unterliegendes Rechtsgeschäft betreffen (vgl. § 40 Abs. 1 KSchG), in Rechtsstreitigkeiten über Klagen, die erst nach diesem Stichtag anhängig gemacht werden, unerörtert bleiben kann.
Es ist also zu prüfen, ob die von der Klägerin behaupteten, vom Rekurswerber aber bestrittenen Zuständigkeitstatbestände erfüllt wurden. Der urkundliche Nachweis eines vereinbarten Erfüllungsortes Wien fehlte. Der urkundliche Nachweis der Gerichtsstandsvereinbarung Wien konnte - entgegen der erstrichterlichen Ansicht - bis zur Beschlußfassung über die Unzuständigkeitseinrede nachgetragen werden (Fasching I, 504 in Anm. 10 zu § 104 JN; SZ 12/282; ZBl. 1932/152; SZ 26/146; RZ 1966, 165 u. a.). Der in § 104 Abs. 1 JN geforderte urkundliche Nachweis ist in der Form einer Abschrift oder Ablichtung der Originalurkunde nicht grundsätzlich ausgeschlossen (arg:§ 299 ZPO), wenn er erst in der Verhandlung über die Unzuständigkeitseinrede angetreten wurde und der Beklagte - wie im vorliegenden Fall - die Echtheit seiner Unterschrift anerkennt.
Selbst wenn man daher die Einwendung der Unzuständigkeit, soweit sie auf Rechtzeitigkeit und Form des urkundlichen Nachweises der Zuständigkeitsvereinbarung gestützt werden könnte, nicht - wie dies das Rekursgericht unter Berufung auf Fasching III, 167 in Anm. 3 zu § 240 ZPO tat - als präkludiert erachtete, weil es sich um aktenkundige Umstände handelt, erweist sie sich als nicht stichhältig.