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OGH vom 09.02.1978, 6Ob801/77

OGH vom 09.02.1978, 6Ob801/77

Norm

ABGB § 920;

ABGB § 936;

ABGB § 1295;

Deutsches Handelsgesetzbuch § 86a;

Handelsgesetzbuch § 346;

Handelsvertretergesetz § 2 Abs 1;

Handelsvertretergesetz § 6 Abs 2;

Handelsvertretergesetz § 10;

Handelsvertretergesert § 28;

Kopf

SZ 51/14

Spruch

Kraft seiner wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit ist der Geschäftsherr zu einer nach der Sachlage gebotenen oder doch zweckmäßigen unternehmerischen Entscheidung auch dann berechtigt, wenn dadurch die Tätigkeit der von ihm beschäftigten Handelsvertreter erschwert oder behindert wird; nur willkürliche, ohne vertretbaren Grund oder gar in Schädigungsabsicht getroffene Maßnahmen dieser Art machen ihn gemäß § 10 Abs. 1 HVG schadenersatzpflichtig

Der Geschäftsherr hat die schutzwürdigen Interessen seines Handelsvertreters gebührend zu berücksichtigen und ihn insbesondere von beabsichtigten Dispositionen, welche die wirtschaftlichen Interessen des Handelsvertreters berühren, rechtzeitig zu informieren. Eine schuldhafte Vernachlässigung dieser Pflicht begrundet Ersatzansprüche des Handelsvertreters

OGH 9. Feber 1978, 6 Ob 801/77 (OLG Innsbruck 1 R 163/77; LG Feldkirch 7 Cg 5000/75)

Text

Der Kläger begehrte von der Beklagten zuletzt einen Betrag von 177 098.05 S samt Anhang und brachte vor:

Er sei für die Beklagte seit 1960 als selbständiger Handelsvertreter tätig gewesen. Am habe ihm die Beklagte schriftlich erklärt, daß sie keine Frühjahrskollektion mehr herausbringen werde. In diesem Zeitpunkt habe der Kläger keine öglichkeit mehr gehabt, für die von der Beklagten erzeugte und von ihm eingefährte Warengruppe für die Frühjahrssaison nahtlos eine andere Firma zu finden. Mit Schreiben vom 27. Feber 1975 habe die eklagte das zwischen den Streitteilen bestehende Vertragsverhältnis "zum ehestmöglichen Termin", das sei der , aufgekundigt.

Dadurch, daß die Beklagte die Frühjahrskollektion 1975 nicht mehr an den Kläger abgefertigt habe, sei dem Kläger am gemäß § 10 Abs. 1 HV ein nach dem dreijährigen Durchschnitt berechneter Entschädigungsanspruch für 10 Monate einschließlich 16% Umsatzsteuer in der Höhe von 124 547.92 S entstanden. Dazu komme noch ein gleichfalls in § 10 Abs. 1 HVG begrundeter Anspruch auf Provision für aus Verschulden der Beklagten nicht ausgelieferte War von 28 105.20 S zuzüglich 16% Umsatzsteuer (4496.83 S). Letzteren Betrag schränkte der Kläger in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom um 5461.20 S (Provision aus Geschäften mit döer in Konkurs geratenen Firma D) ein. Ferner gebühre dem Kläger noch ein von der Beklagten anerkannter offener Provisionsbetrag einschließlich Umsatzsteuer von 40 508.51 S, von dem jedoch verschiedene Abzüge von insgesamt 26 502.60 S vorzunehmen seien. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom dehnte der Kläger sein Provisionsbegehren schließlich mit Rücksicht auf jene Beträge, welche die Beklagte von in Ausgleich geratenen Kunden hereingebracht habe, um 5942.19 S aus. Bei der Berechnung der endgültigen Klagesumme unterlief dem Kläger insofern ein Irrtum, als er die vorerwähnte Klageeinschränkung um 5461.20 S außer acht ließ.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte Klageabweisung und wendete ein:

Die Frühjahrskollektion sei im Jahr 1974 deshalb nicht mehr abgefertigt worden, weil die Beklagte ohne ihr Verschulden mit auch dem Kläger bekannten und ihm überdies mit Schreiben vom 28. Feber 1974 mitgeteilten wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt habe, so daß das Herausbringen einer eigenen Frühjahrskollektion damals nicht mehr vertretbar gewesen sei. Bereits im Wirtschaftsjahr 1972/73, im Rumpfwirtschaftsjahr 1973 und vor allem im Wirtschaftsjahr 1974 habe die Beklagte erhebliche Reinverluste erwirtschaftet. Erst die Einstellung der eigenen Kleiderproduktion und die Aufnahme von Lohnfertigung habe im Wirtschaftsjahr 1975 wieder zu einem Reingewinn geführt. Überdies habe der Kläger bereits im April 1974 die Kleiderkollektion einer anderen Firma geführt. Der Kläger habe auf Grund der zwischen den Streitteilen getroffenen Vereinbarungen nur Anspruch auf Provision für tatsächlich ausgelieferte und bezahlte Ware, wobei es einerseits keinen Unterschied mache, aus welchen Gründen die Auslieferung der Ware unterblieben sei, und andererseits für Geschäfte mit in Ausgleich oder Konkurs geratenen Kunden ohne Rücksicht auf den Eingang allfälliger Teilbeträge keine Provision gebühre. Hinsichtlich des der Höhe nach außer Streit gestellten Betrages von 5942.19 s werde außerdem Verjährung eingewendet. Davon abgesehen habe die Beklagte die bestellte Ware ohne ihr Verschulden nicht ausliefern können. Schließlich habe der Kläger der Beklagten durch Vernachlässigung seiner Pflicht, die Interessen den Beklagten mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes wahrzunehmen (insbesondere durch die Hereinnahme von Aufträgen dubioser Kunden und durch die Übernahme der Vertretung zu vieler anderer Firmen, so daß er für die Beklagte nicht mehr ausreichend habe tätig werden können), einen Schaden von insgesamt 408 090.22 S zugefügt, der bis zur Höhe der Klageforderung aufrechnungsweise eingewendet werde.

Das Erstgericht fällte nachstehendes Urteil:

"Die Klageforderung besteht mit dem Betrag von 14 005.91 S samt 5% Zinsen seit zu Recht.

Die von der beklagten Partei eingewendete Gegenforderung besteht nicht zu Recht.

Die beklagte Partei ist daher schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen den Betrag von 14 005.91 S samt 5% Zinsen seit zu bezahlen.

Das Mehrbegehren der klagenden Partei, gerichtet auf Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung eines weiteren Betrages von 153 092.14 S samt 5% Zinsen seit , wird abgewiesen ..."

Der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt ist dem Urteil des Berufungsgerichtes zu entnehmen. In rechtlicher Hinsihct führte das Erstgericht im wesentlichen aus:

Seinen Anspruch auf Entschädigung für vertragswidrige Verhinderung am Verdienst habe der Kläger ausdrücklich auf § 10 HVG gestützt. Nach dieser Bestimmung gebühre dem Handelsvertreter eine angemessene Entschädigung, wenn er vom Geschäftsherrn vertragswidrig verhindert werde, Provisionen in dem vereinbarten oder nach den getroffenen Vereinbarungen zu erwartenden Umfang zu verdienen. § 10 HVG lehne sich an § 920 ABGB an. Dementsprechend könne der Geschäftsherr nur dann zum Schadenersatz herangezogen werden, wenn er den handelsvertreter schuldhaft an seinem Verdienst verhindere. Ein solches Verschulden liege aber nicht vor, und zwar weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit. Dem Geschäftsherrn könne nämlich nicht zugemutet werden, bei einer ihm nicht lohnend erscheinenden GEschäftskonkunktur den Geschäftsbetrieb mit Schaden oder doch ohne Gewinn nur zu dem Zweck aufrechtzuerhalten, um damit dem Handelsvertreter die Möglichkeit eines Provisionsverdienstes zu geben. Da es mit dem Geschäft der Beklagten in der eigenen Kleiderproduktion in den Jahren 1971 bis 1974 bergab gegangen sei, sei es der Beklagten nicht zumutbar gewesen, den Betrieb der wirtschaftlich nicht mehr vertretbaren Kleiderproduktion nur deshalb aufrechtzuerhalten, um dem Kläger Gelegenheit zu geben, beim Vertrieb dieser Kleider Provisionen zu verdienen.

Das gleiche gelte hinsichtlich der Provision für die nicht ausgelieferte Ware. Auch diesen Anspruch habe der Kläger auf § 10 HVG in Verbindung mit § 920 ABGB und auf den abgeschlossenen Vertrag gestützt. Es sei jahrelange Übung gewesen, daß Provisionen an den Kläger nur dann ausgezahlt worden seien, wenn die Ware tatsächlich an die Kundschaft ausgeliefert und die entsprechende Rechnung von der Kundschaft bezahlt worden sei. Auch wenn diese Nichtlieferungen in den letzten Jahren stark zugenommen hätten, fehle es auch hier an einem Verschulden der Beklagten. Dem Kläger sei jedenfalls der Nachweis nicht gelungen, daß die Beklagte die Waren nur deshalb nicht ausgeliefert habe, um die Provisionsansprüche des Klägers zu schmälern. Andererseits sei auch für die nicht näher konkretisierte Gegenforderung der Beklagten kein Raum, weil der Vorwurf der Beklagten unhaltbar sei, der Kläger habe vorsätzlich oder zumindest fahrlässig für die Beklagte dubiose Kunden acquiriert. Der Beklagten sei der Nachweis irgendeines Verschuldens des Klägers jedenfalls nicht gelungen.

Von der Klageforderung bleibe daher nur die von der Beklagten als zu Recht bestehend fesetgestellte Provisionsforderung für das Jahr 1974 im Betrag von 40 508.51 S übrig. Die von diesem Guthaben in Abzug gebrachten 11 531.16 S seien vom Kläger nicht anerkannt worden, der lediglich Abzüge im Betrag von 7056.96 S als zu Recht bestehend anerkannt habe. Die Berechnung des Klägers könne als richtig angenommen werden, zumal die Beklagte gegen die vom Kläger vorgenommene Berechnung keinen Widerspruch erhoben habe. Unter Zugrundelegung der vom Kläger in der Klage selbst vorgenommenen Abzüge von insgesamt 26 502.60 S verbleibe von diesem Provisionsguthaben von 40 508.51 S ein Restbetrag von 14 005.91 S. Mit diesem Betrag samt Anhang bestehe die Klageforderung daher zu Recht.

Da es zwischen den Parteien langjährige Übung gewesen sei, daß im Fall eines Insolvenzverfahrens dem Kläger nie eine Provision gezahlt worden sei, der Kläger seinerseits aber gegen diese Vorgangsweise nie Einwand erhoben und auch nie eine Abrechnung begehrt habe, stehe ihm ein Provisionsanspruch aus diesem Teil nicht zu.

Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil des Berufungsgerichtes wurde der gegen die Abweisung seines Mehrbegehrens gerichteten und auf die Berufungsgrunde der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der Aktenwirdigkeit, der unrichtigen Beweiswürdigung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten Berufung des Klägers nicht Folge gegeben. Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen der drei erstgenannten Berufungsgrunde, übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und führte zur Rechtsrüge aus:

Bei der rechtlichen Beurteilung der Sache sei das Erstgericht davon ausgegangen, daß das auf die Bestimmungen der §§ 10 HVG und 920 ABGB gestützte Begehren des Klägers auf Zahlung des Betrages von 124 547.92 S an Entschädigung für vertragswidrige Verhinderung am Verdienst deshalb nicht begrundet sei, weil ein schuldhaftes Verhalten der Beklagten diesbezüglich nicht gegeben sei. Es sei dem Geschäftsherrn nicht zuzumuten, bei einer ihm nicht lohnend erscheinenden Geschäftskonjunktur den Geschäftsbetrieb mit Schaden oder doch ohne Gewinn nur darum aufrechtzuerhalten, damit der Handelsvertreter Provisionen verdienen könne.

Diese Rechtsansicht lasse der Kläger "grob gesehen" als richtig gelten, wende aber dagegen ein, daß die Beklagte auf Grund des zwischen den Parteien bestandenen Vertragsverhältnisses, nach der Verkehrssitte sowie nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen wäre, ihn rechtzeitig davon in Kenntnis zu setzen, daß keine Frühjahrskollektion 1975 mehr produziert werden würde; dies umso mehr, als es ansonsten unmöglich sei, eine andere Firma für die Frühjahjrskollektion ansonsten unmöglich sei, eine andere Firma für die Frühjahrskollektion zu finden. Obwohl die Geschäftsergebnisse der Beklagten variierend gewesen seien, habe die eklagte in ihrem Rundschreiben vom 28. Feber 1974 nicht etwa die Vertreter von der geplanten Einstellung der Produktion verständigt, sondern diese noch angespornt, ihre Geschäftstätigkeit zu verstärken. Im Vertrauen auf den äußeren Tatbestand habe er sich deshalb um keine andere Firma umgesehen, sondern seinen Einsatz verstärkt. Nach der Verkehrssitte hätte die Beklagte die Pflicht gehabt, den Kläger rechtzeitig über die geplante Produktionseinstellung in Kenntnis zu setzen.

Diesen Ausführungen sei entgegenzuhalten, daß § 10 Abs. 1 HVG nach gesicherter Lehre und Rechtsprechung die allgmeinen Grundsätze des Schadenersatzrechtes wiederhole, denen zufolge nur eine schuldhafte Erfüllungsvereitelung nach § 920 ABGB zu Schadeneersatzansprüchen führe. Der Anspruch des Handelsvertreters auf eine angemessene Entschädigung setze also ein vertragswidriges Verhalten des Geschäftsherrn voraus, als dessen Folge der Handelsvertreter gehindert wurde, Provisionen im vereinbarten oder in dem nach den getroffenen Vereinbarungen zu erwartenden Umfang zu verdienen. Nur eine Vertragswidrigkeit mit dieser Wirkung sei daher eine Grundlage für eine Entschädigungsforderung nach der gemäß § 28 Abs. 1 HVG zwingendes Recht darstellenden Norm des § 10 Abs. 1 des genannten Gesetzes. Die vertragswidrige Verhinderung und der kausale Zusammenhang müßten vom Handelsvertreter erwiesen werden. Der Geschäftsherr brauche nicht den ihm nicht lohnend erscheinenden Geschäftsbetrieb mit Schaden oder doch ohne Gewinn nur darum aufrechtzuerhalten, damit der Handelsvertreter Provisionen verdienen könne.

Auf Grund des seit etwa 1971 anhaltenden Geschäftsrückganges der Beklagten sei es für diese im Jahre 1974 wirtschaftlich nicht mehr vertretbar gewesen, für das Folgejahr eine Frühjahrskollektion zu erstellen. Es könne aber auch nicht gesagt werden, daß die Beklagte den Kläger nicht rechtzeitig hievon verständigt und daß sie ihn über die ihm drohende Situation im unklaren gelassen hätte. Bereits in ihrem Rundschreiben zur Winterkollektion vom 28. Feber 1974 habe die Beklagte unter Hinweis auf die geringen Geschäftsumsätze den Fortbestand ihrer Firma in Frage und die Aufgabe ihrer Tätigkeit in Aussicht gestellt und in diesem Zusammenhang von einer "Alarmstufe Nr. 1" gespreochen. Habe sonach die Beklagte dem Kläger gegenüber wegen der mißlichen Umsatzlage schon den Fortbestand des Unternehmens in Frage gestellt, so habe es für den Kläger keine unvorhersehbare Überraschung sein können, wenn ihm dann mit Schreiben vom mitgeteilt worden sei, daß eine Frühjahrskollektion für 1975 nicht mehr erstellt werde. Daran ändere auch nichts der vom Kläger hervorgehobene Umstand, daß die Beklagte in ihrem "Alarmschreiben" vom 28. Feber 1974 zu erhöhten Anstrengungen aufgerufen habe, um aus der Krise wieder herauszukommen, zeige dies doch gerade, wie sehr es der Beklagten daran gelegen gewesen sei, den in Frage gestellten Fortbestand eines Unternehmens zu sichern. Davon, daß der Kläger schuldhaft nicht rechtzeitig von der Nichterstellung der Frühjahrskollektion 1975 verständigt worden wäre, könne keine Rede sein; jedenfalls sei dem Kläger dieser ihm obliegende Nachweis nicht gelungen.

Auch bezüglich des geltend gemachten Provisionsanspruches des Klägers für die Nichtauslieferung der von ihm hereingebrachten Aufträge durch die Beklagte mangle es am Nachweis eines Verschuldens der Beklagten. Aus den vom Erstgericht getroffenen und vom Kläger in diesem Punkt nicht bekämpften Feststellungen sei nichts zu entnehmen, was diesbezüglich auf ein Verschulden der Beklagten an der Nichtauslieferung schließen ließe. Es liege hier aber auch ein konkludenter Verzicht des Klägers auf einen Provisionsanspruch vor, weil es eben jahrelange Übung (14 Jahre) der Parteien gewesen sei, daß der Kläger Provisionen nur für an die Kundschaft ausgelieferte und von dieser auch bezahlte Ware erhalten habe. Dieser Verzicht müsse auch für die Zeit der starken Zunahme der Nichtauslieferung angenommen werden, weil sich der Kläger auch hier noch nicht gegen diese langjährige Vorgangsweise gewendet habe. Beide Teile seien Kaufleute. Nach der auch vom Kläger zur Beurteilung des Streitfalles herangezogenen Bestimmunge des § 346 HGB wäre der Kläger verpflichtet gewesen, der Beklagten seine Absicht, von der langjährigen Übung abzuweichen und auf eine Provisionszahlung hier nicht mehr zu verzichten, mitzuteilen, wollte er diesen Zweck erreichen. Durch sein weiter beobachtetes Stillschweigen habe er jedenfalls eine Änderung des bisherigen Zustandes nicht erwirken können.

Aus den gleichen Gründen sei auch ein Provisionsanspruch des Klägers aus Insolvenzverfahren zu verneinen. Aus der Bestimmung des § 6 Abs. 2 HVG sei für den Kläger nichts zu gewinnen, weil es sich bei dieser Vorschrift um nachgiebiges Recht handle, das nur dann zur Anwendung komme, wenn es nicht durch eine vertragliche Vereinbarung der Parteien derogiert sei. Diese Derogierung sei vorliegendenfalls durch die langjährige zwischen den Parteien gehandhabte Übung - Verzicht des Klägers auf Provision bei Insolvenzverfahren - erfolgt.

Der Oberste Gerichtshof hab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

In Ausführung der Rechtsrüge wird zunächst geltend gemacht, daß bei der Beklagten eine derart kritische Situation, wie sie in den den Entscheidungen SZ 16/66 und SZ 46/110 zugrunde liegenden Fällen bei den beklagten Geschäftsherren vorhanden gewesen sei (außergerichtlicher Ausgleich bzw. drohende Insolvenz), in denen die Betriebseinstellung durch den Geschäftsherrn nicht als Verschulden im Sinne des § 10 Abs. 1 HVG gewertet worden ist, nicht gegeben gewesen sei. Dies ergebe sich schon daraus, daß die Beklagte das Vertragsverhältnis mit dem Kläger erst mit Schreiben vom 27. Feber 1975 aufgekundigt und die Geschäftsjahre 1971/72 und 1974/75 sogar mit Gewinn abgeschlossen habe.

Ganz abgesehen davon, daß der im Juli 1974 gefaßte Entschluß der Beklagten, keine Frühjahrskollektion 1975 mehr zu erstellen, nicht nach der Gewinnlage ihres Unternehmens in den Geschäftsjahren 1971/72 und 1975 beurteilt werden kann (das Geschäftsjahr 1974 erbrachte nach den Feststellungen noch einen Verlust von über einer Million Schilling), müßte dem Geschäftsherrn aber nach der Ansicht des OH mit Rücksicht auf die ihm zustehende wirtschaftliche Dispositionsfreiheit selbst die Einstellung oder Umstellung einer gerade noch rentablen Produktion zugebilligt werden, wenn er dies auf Grund seiner Beurteilung der künftigen Marktaussichten und Konjunkturentwicklung für erforderlich hält, um späteren Verlusten vorzubeugen. Zu einer nach der Sachlage gebotenen oder doch zweckmäßigen unternehmerischen Entscheidung ist der Geschäftsherr auch im Verhältnis zu den von ihm beschäftigten Handelsvertretern berechtigt, selbst wenn dadurch deren Tätigkeit erschwert oder behindert wird; nur willkürliche, ohne ihrgendeinen vertretbaren Grund oder gar in der Absicht, den Handelsvertreter zu schädigen, getroffene derartige Maßnahmen machen den Geschäftsherrn nach § 10 Abs. 1 HVG entschädigungspflichtig (vg. hiezu die bereits in SZ 46/110 zitierte Entscheidung des BGH vom , LM, Nr. 8/9 zu § 89 b HG; Schlegelberger, HGB[5], 454 ff. Anm. 21 bis 23 zu § 86 a HGB; Brüggemann in Staub, Großkommentar zum HGB[3], 769 Anm. 32 zu § 84 HGB). Auch der OGH vermag daher darin, daß die Beklagte bei der nach dden Feststellungebn im Jahr 1974 für sie gegebenen Situation keine Frühjahrskollektion 1975 mehr erstellte, kein Verschulden im Sinne des § 10 Abs. 1 HVG zu erblicken. Aus den vorstehenden Erwägungen ist es der Beklagten auch nicht als Verschulden anzulasten, daß sie die eigene Kleiderproduktion sogleich zur Gänze einstellte und sich nicht erst auf den versuch einließ, ihre Situation durch eine bloße Einschränkung der Produktion auf einzelne gängige Modelle zu verbessern. Im übrigen sind die diesbezüglichen Revisionsausführungen des Klägers, wonach er dann in der Lage gewesen wäre, diese gängigen Modelle weiterhin in Großkaufhäusern unterzubringen, eine im Revisionsverfahren unzulässige und demnach unbeachtliche Neuerung.

Das Schwergewicht der Rechtsrüge liegt auf dem Argument, daß der Beklagten - wenn man davon ausgehe, sie sei durch die wirtschaftliche Situation zur Einstellung der Produktion für die Frühjahrskollektion 1975 gezwungen gewesen - nach der Sachlage der Vorwurf zu machen sei, sie habe es unter Verletzung der ihr aus dem Handelsvertretervertrag erwachsenden Treue- und Sorgfaltspflicht versäumt, den Kläger rechtzeitig von der beabsichtigten Produktionseinstellung in Kenntnis zu setzen, allenfalls den mit ihm aufrecht bestehenden Vertrag rechtzeitig aufzukundigen.

Hiezu ist folgendes auszuführen:

Es ist richtig, daß der Abschluß eines Handelsvertretervertrages ein Dauerschuldverhältnis begrundet, das auf dem gegenseitigen Vertrauen der Vertragspartner beruht und die angemessene Rücksichtnahme jedes Vertragspartners auf die schutzwürdigejn wirtschaftlichen Belange des anderen Vertragspartners auf die schutzwürdigen wirtschaftslichen Belange des anderen Vertragspartners erfordert. Mag auch die Pflicht des handelsvertreters, das Intersse des Geschäftsherrn mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes wahrzunehmen, im Gesetz (§ 2 Abs. 1 HVG) besonders hervorgehoben und eine Handlung des Handelsvertreters, die ihn des Vertrauens des Geschäftsherrn unwürdig erscheinen läßt, im Gesetze (§ 22 Z. 2 HVG) unter der beispielweisen Aufzählung der wichtigen Gründe für eine vorzeitige Auflösung des Handelsvertretervertrages durch den Geschäftsherrn eigens aufgezählt werden, so kann doch angesichts zahlriecher anderer Bestimmungen des Handelsvertretergesetzes, die die Interessen des Handelsvertreters zu schützen bestimmt sind (s. vor allem § 28 Abs. 1 HVG und die darin genannten Vorschriften, zu denen auch § 10 Abs. 1 HVG gehört, auf den der Kläger seinen Anspruch stützt; ferner §§ 7 bis 9 und 23 Z. 2 bis 4 HVG), kein Zweifel daran bestehen, daß sich auch der Geschäftsherr des Vertrauens des Handelsvertreters würdig zu erweisen und unbeschadet seiner oben erwähnten wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit auf dessen schutzwürdige Interessen gebührende Rücksicht zu nehmen hat (vgl. hiezu insbesondere Brüggemann a. a. O., 763 Anm. 21 zu § 84 HGB, 768 Anm. 31 zu § 84 HGB), wobei der Handelsvertreter allerdings verpflichtet ist, die Interessen des Geschäftsherrn seinen eigenen Interssen voranzustellen (s. Zedtwitz, HVG[2], 26; Grünberg-Mayer-Mallenau, HAG, 19 f. Anm. 3 zu § 2 HAG; vgl. auch Rspr. 1936/304). Daraus ergibt sich die Pflicht des Geschäftsherrn, den Handelsvertreter von beabsichtigten wirtschaftlichen Dispositionen, die die wirtschaftlichen Interessen des Handesl ertreters berühren (z. B. wenn er die Fertigung oder den Vertrieb einer bestimmten Ware, deren Absatz dem Handelsvertreter übertragen ist, einstellen will u. dgl.), rechtzeitig zu informieren, damit sich dieser in seinen wirtschaftlichen Dispositionen entsprechend darauf einstellen kann. Rechtzeitig ist die Information dann, wenn sie erfolgt, sobald die Durchführung einer geplanten Maßnahme mit Sicherheit feststeht und eine Geheimhaltung im Interesse des Geschäftsherrn nicht mehr erforderlich ist. Unterläßt der Geschäftsherr schuldhaft die rechtzeitige Unterrichtung des Handelsvertreters, so kann dieser selbst dann, wenn die Maßnahme als solche im Sinne der obigen Ausführungen gerechtfertigt ist, den Ersatz der vergeblich aufgewendeten Unkosten und des entgangenen Verdienstes, der bei rechtzeitiger Unterrichtung durch anderweitige Betätigung erzielt worden wäre, begehren (vgl. hiezu Schlegelberger, HGB[5], 452 Anm. 15 zu § 86 a HGB, 457 f. Anm. 23 zu § 86 a H; Brüggemann a. a. O., 768 f. Anm. 31 und 32 zu § 84 HGB; die im deutschen Rechtsbereich durch § 86 a Abs. 2 HGB ausdrücklich normierte Nachrichtenpflicht des Geschäftsherrn ergibt sich im österreichischen Rechtsbereich aus dem vorerwähnten Charakter des Handelsvertretervertrages und den Geboten von Treu und Glauben im redlichen Handelsverkehr). Einter besonderen Benachrichtigung des Handelsvertreters durch den Geschäftsherrn bedarf es nicht, wenn die erforderliche Maßnahme nach der dem Handelsvertreter selbst erkennbaren allgemeinen Wirtschaftslage oder besonderen Lage des Geschäftsherrn oder den dem Handelsvertreter hierüber ohnehin zur Verfügung stehenden Informationen zu erwarten war (vgl. Brüggemann a. a. O., 779 Anm. 1 c zu § 86 a HGB).

Unterzieht man den von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalt einer rechtlichen Beurteilung nach den soeben dargelegten Grundsätzen, dann kann der Beklagten auch nicht eine Schadenersatzansprüche begrundende schuldhafte verspätete Unterrichtung des Klägers von der Einstellung der Produktion einer Frühjahrskollektion angelastet werden. Die Beklagte klärte den Kläger mit ihrem Rundschreiben vom 28. Feber 1974 über die schwierige Situation auf, in die die Bekleidungsindustrie im allgemeinen und ihr Unternehmen im besonderen geraten war. Diese Situation war aber auch dem Kläger infolge seiner Tätigkeit für die Beklagte und für andere Firmen der Branche aus eigener Wahrnehmung bekannt, wie er in seiner Parteiaussage selbst einräumt. Die Mitteilung der Beklagten im Schreiben vom über die Einstellung der Produktion einer eigenen Frühjahrskollektion konnte daher für den Kläger nicht überraschend kommen. (Wenn der Kläger in seiner Revision ausführt, die Beklagte habe in ihrem Schreiben vom die beabsichtigte Einstellung einer Frühjahrskollektion mit keinem Wort erwähnt, so meint er damit offenbar das Rundschreiben vom 28. Feber 1974; im Schreiben vom ist die Mitteilung von der beabsichtigten Einstellung der Frühjahrskollektion nämlich enthalten, wie der Kläger übrigens bereits in der Klage, aberauch in der Revision an anderer Stelle in Übereinstimmung mit dem Inhalt des als Beilage 3 in den Akten befindlichen Schreibens ausführt.) Außerdem hätte der Kläger die Beklagte bei der gegebenen Situation aber auch über ihre weiteren Pläne befragen können, um seine eigenen Dispositionen danach einzurichten. Mag es auch zutreffen, daß die Vorbereitung einer Kollektion einen gewissen Zeitraum in Anspruch nimmt, daß eine Kollektion, um erfolgreich abgesetzt werden zu können, zeitgerecht vorher fertiggestellt sein muß, und daß Produktion und absatz einer vorausgehenden Planung bedürfen, so kann es der Beklagten doch nicht vorgeworfen werden, wenn sie in der schwierigen Situation, in der sie sich befand, zunächst noch alles Mögliche versuchte, um allenfalls nich eine begrenzte Kollektion zustande zu bringen, wie sie in dem Schreiben vom darlegte. Der Kläger widerspricht sich selbst, wenn er der Beklagten einerseits anlastet, ihre Situation sei noch nicht so kritisch gewesen, daß sie bereits eine völlige Einstellung der eigenen Kleiderproduktion gerechtfertigt hätte, und andererseits von ihr verlangt, sie hätte sich zu dieser Maßnahme, ohne vorher weniger weitgehende Maßnahmen zu überlegen, schon früher entschließen müssen. Was schließlich den Vorwurf betrifft, die beklagte habe den Handelsvertretervertrag mit dem Kläger zu spät aufgekundigt, so hat der Kläger seine Entschädigungsansprüche in erster Instanz nicht darauf gestützt.

Der Kläger wendet sich in Ausführung der Rechtsrüge ferner gegen die Ansicht der Vorinstanzen, daß ihm aus den Geschäften mit Kunden, die in Konkurs oder Ausgleich gerieten, nicht einmal eine aliquote Provision in dem Ausmaß zustehe, in dem die Beklagte ihre aus diesen Geschäften resultierenden Forderungen einbringlich machen konnte. Er sei zwar mit der gänzlichen Rückverrechnung seiner Provision im Fall des Konkurses oder Ausgleiches von Kunden so lange einverstanden gewesen, als die Ausfälle bloß 5% betragen hätten. Als die Ausfallsquote in den letzten zwei bis drei Jahren jedoch auf 50% angesiegen sei, habe er sich aber sowohl an den Gesellschafter der Beklagten Rudolf B als auch an deren Prokuristen Dieter A um Abhilfe gewendet, die ihnm auch zugesagt worden sei. Er habe gemäß § 6 Abs. 2 HVG ein Recht darauf, seine Provision nach dem Verhältnis der bei der Beklagten eingegangenen Beträge zu erhalten. Selbst wenn man aber davon ausgehe, daß er diesbezüglich durch jahrelanges Stillschweigen auf die Erfüllung des Handelsvertretervertrages verzichtet habe, bedeute dies noch nicht, daß er damit auch auf die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen wegen Nichterfüllung verzichtet habe.

Auch diesen Ausführungen kann nicht beigepflichtet werden. § 6 Abs. 2 HVG kommt nur zur Anwendung, wenn die Parteien nicht anderes vereinbart haben (Krehan, Die Vermittlungsprovision nach § 6 HVG, NZ 1970, 35 ff.; 7 Ob 618/76). Nun haben die Vorinstanzen vor allem auf Grund der Parteiaussage des Klägers selbst festgestellt, daß der Kläger während der gesamten Dauer seines im Jahr 1960 begrundeten Handelsvertreterverhältnisses im Fall eines Insolvenzverfahrens von Kunden nie eine Provision erhielt, all die Jahre hindurch gegen diese Vorgangsweise nie einen Einwand erhob und auch nie eine Abrechnung der im Rahmen von Insolvenzverfahren erzielten Eingänge der Beklagten verlangte. Der Kläger sagte als artei vernommen aus, daß er bloß dem Buchhalter Engelbert A gegenüber gesprächsweise das Thema Insolvenzen angeschnitten habe, ohne dabei einen konkreten Fall im Augen gehabt zu haben. Der Buchhalter habe geantwortet, daß die Dinge noch nicht abgeschlossen seien und solche Verfahren länger dauerten. Der Kläger habe dann in dieser Angelegenheit weiter nichts unternommen. Wenn die Vorinstanzen diesen Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht dahin beurteilten, daß der Kläger damit auf einen Provisionsanspruch in Insolvenzfällen ohne Rücksicht auf eventuelle aliquote Eingänge bei der Beklagten konkludent verzichtet habe und dieser Verzicht auch in den letzten Jahren angesichts der höheren Ausfallsquoten nicht rückgängig gemacht worden sei, kann darin keine Fehlbeurteilung erblickt werden. Stand dem Kläger aber in solchen Fällen kein Anspruch auf aliquote Provision zu, dann ist auch ein Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung ausgeschlossen.