OGH vom 04.05.2004, 4Ob60/04h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** KG, *****, vertreten durch Binder Grösswang Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei Florian H*****, vertreten durch Dr. Gerold Hirn und Dr. Burkhard Hirn, Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 32.703 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom , GZ 4 R 5/04s-22, mit dem der Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom , GZ 24 Cg 73/03y-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen; der Beklagte hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Klägerin ist Verlegerin und Herausgeberin der "Gelben Seiten", eines Verzeichnisses aller erfassbaren inländischen Unternehmen. Jedes Unternehmen ist mit einem kostenlosen Eintrag innerhalb jener Branche, die auf ihren Geschäftsbereich zutrifft, enthalten; Hervorhebungen und Anzeigen können gegen Entgelt bewirkt werden. Dieses Verzeichnis wird österreichweit unter dem Titel "Österreichisches Telefonbuch Home" auch auf CD-Rom gegen Entgelt angeboten. Der Beklagte ist Verleger eines Verzeichnisses österreichischer Telefaxnummern auf CD-Rom; Eintragungen in dieses Verzeichnis erfolgen gegen Entgelt.
Der Beklagte verschickte im Zeitraum März bis Juni 2000 an einen unbestimmten Kreis von Unternehmen in Österreich Schreiben im Format A4. Die Schreiben weisen beispielhaft folgendes - geringfügig verkleinert wiedergegebenes - Aussehen auf, wobei der am oberen Rand befindliche Text "VERZEICHNIS DER TELEFAXTEILNEHMER" und "FAX DATA-MARKETING EINSCHALTUNGSOFFERT WERBUNG" jeweils von einem roten Rahmen eingeschlossen ist und die Worte "EINSCHALTUNGSOFFERT. WERBUNG" rot gedruckt sind:
Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragt die Klägerin, dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, für Eintragungen in Verzeichnisse, insbesondere Telefaxverzeichnisse auf CD-Rom, mit Zahlscheinen oder ähnlichem zu werben oder diese Eintragungen auf solche Art unmittelbar anzubieten, ohne entsprechend unmissverständlich und auch grafisch deutlich darauf hinzuweisen, dass es sich lediglich um ein Vertragsanbot handelt. Die vom Beklagten verschickten Schreiben mit anhängendem Zahlschein seien so getarnt, dass sie dem Adressaten nicht eindeutig und unmissverständlich als Werbemaßnahme erkennbar seien. Der im Kleingedruckten enthaltene zweimalige Hinweis auf den bloßen Angebotscharakter trete in den Hintergrund; der Hinweis rechts oben "EINSCHALTUNGSOFFERT.WERBUNG" sei zwar ein grafisch deutlicher, jedoch kein unmissverständlicher Hinweis auf ein bloßes Angebot. Darüber hinaus sei das Schreiben lediglich ein Anhang zum Zahlschein, weshalb sich der Blick des Umworbenen zwangsläufig auf den Zahlschein konzentriere. Es liege ein Verstoß gegen § 28a UWG vor.
Der Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrags. Es sei weder das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses noch das Vorliegen von Wiederholungsgefahr bescheinigt. Der Textteil "EINSCHALTUNGSOFFERT.WERBUNG" in roter Schrift sei gegenüber dem sonst grün gedruckten Erlagschein in Farbe und Schriftgröße hervorgehoben; berücksichtige man die kaufmännische Sorgfalt eines Unternehmers, so sei der Angebotscharakter des Schreibens deutlich erkennbar. Das Unterlassungsbegehren sei inhaltslos und zu weit gefasst.
Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag statt. Es bejahte seine Zuständigkeit gem § 83c Abs 1 und 3 JN und Art 5 Z 3 EuGVÜ. Gem § 48 Abs 2 IPRG komme österreichisches Recht zur Anwendung. Die Streitteile wendeten sich an denselben Kundenkreis, weshalb ein Wettbewerbsverhältnis bestehe. Die beanstandeten Schreiben verstießen gegen § 28a UWG, weil darin weder in der Überschrift noch im Textzusammenhang deutlich darauf hingewiesen werde, dass es sich nur um ein Vertragsangebot handle. Der Beklagte bestreite nach wie vor die Wettbewerbswidrigkeit, weshalb schon deshalb Wiederholungsgefahr bestehe.
Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss im Sinne einer Abweisung des Sicherungsantrags ab; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig sei. Die Aussendung sei unmissverständlich und grafisch deutlich als Vertragsangebot erkennbar. Worte wie "Offert" oder "Angebot" klärten für sich allein ausreichend auf, sofern sie entweder als Überschrift eines Vertragsangebots oder im Kontext grafisch deutlich hervorgehoben würden. Beim flüchtigen Durchlesen trete der farblich und in der Textgröße hervorgehobene Hinweis "EINSCHALTUNGSOFFERT.WERBUNG" in den Vordergrund, zumal er auch als Überschrift verwendet werde. Die Signalfarbe rot sei besonders auffällig. Selbst bei arbeitsteiliger Bearbeitung von Vertragsanbahnungen und Zahlungen und bei Massenerledigungen in größeren Unternehmen lasse die Gestaltung der Sendung mit dem deutlichen Hinweis auf das im Geschäftsverkehr gängige Wort "Offert" in Verbindung mit der Bezeichnung "Werbung" bei einem verständigen Sachbearbeiter keinen Zweifel am Angebotscharakter des Schreibens aufkommen, zumal eine gewisse Überprüfungspflicht vor Freigabe und Durchführung einer Zahlung anzunehmen sei. Der Anschluss eines bereits ausgefüllten Zahlscheines reiche für die Täuschungseignung nicht aus.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von der jüngsten Rechtsprechung des erkennenden Senats zu § 28a UWG abgewichen ist; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.
Nach Auffassung der Klägerin beurteile das Rekursgericht die Täuschungseignung der Werbeaussendung unrichtig, weil es deren einzelne Elemente nicht in eine Gesamtschau einbeziehe. Erst bei näherem Befassen mit dem Text erschließe sich dessen wahrer Inhalt, nämlich dass es sich um ein Angebot und nicht um eine Rechnung handle. Die angefochtene Entscheidung stehe in Widerspruch zur jüngsten Rechtsprechung zu § 28a UWG, wonach ein strenger Prüfungsmaßstab anzulegen sei. Dem ist zuzustimmen.
Der erkennende Senat hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass die Befolgung des § 28a UWG den unmissverständlichen und graphisch deutlichen Hinweis verlangt, dass es sich nur um ein Vertragsangebot handelt (4 Ob 1/02d = ecolex 2002/176, 444 [Reitböck] = wbl 2002, 381 = ÖBl 2003, 25 - Internet Branchenverzeichnis; 4 Ob 175/02t = MR 2003, 50 = ÖBl 2003, 85 - Einschaltoffert; 4 Ob 287/02p; 4 Ob 173/03z). Welchen Eindruck ein Werbeschreiben erweckt, hängt in diesem Zusammenhang vor allem von den in der Überschrift oder im Begleittext verwendeten Begriffen ab (vgl 4 Ob 175/02t = MR 2003, 50 = ÖBl 2003, 85 - Einschaltoffert; 4 Ob 173/03z). Wird etwa das (für sich allein wohl klarstellende) Wort OFFERT (oder auch Angebot) weder als Überschrift des Schreibens verwendet, noch im Kontext graphisch deutlich hervorgehoben, trägt dies zur Klarstellung des Angebotscharakters nicht bei (MR 2003, 50 = ÖBl 2003, 85 - Einschaltoffert; 4 Ob 287/02p).
Um unseriösen Geschäftspraktiken auch mit den Mitteln des Wettbewerbsrechts wirksam begegnen zu können, legt der erkennende Senat bei Beurteilung der Irreführungseignung im Zusammenhang mit § 28a UWG einen strengen Maßstab an. Ein Werbeschreiben ist danach nicht schon dann dem Regelungsbereich des § 28a UWG entzogen, wenn dem Erklärungsempfänger der private Angebotscharakter eines Schreibens "bei näherer Befassung" bewusst sein muss. Es handelt vielmehr unlauter, wer im Zusammenhang mit der Anbahnung einer neuen Geschäftsbeziehung unter Verwendung von Zahlscheinen oder ähnlichen Drucksorten wirbt, ohne in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise darauf hinzuweisen, dass es sich lediglich um ein privates Vertragsangebot handelt (4 Ob 173/03z).
Legt man diesen strengen Maßstab zugrunde, ist es keineswegs ausgeschlossen, dass ein durchschnittlich aufmerksamer, verständiger Empfänger das beanstandete Schreiben des Beklagten irrtümlich für eine Rechnung samt angeschlossenem Zahlschein hält.
Der Sinngehalt einer - mündlichen oder schriftlichen - Äußerung bestimmt sich nach dem von ihr erweckten Gesamteindruck (stRsp ÖBl 1996, 28 - Teure 185 S mwN; MR 1996, 118 - Steirischer Medienjumbo; MR 1997, 170 = ÖBl 1998, 14 - Schwarzhörer willkommen mwN; 4 Ob 201/01i; RISJustiz RS0078524 [T10]). Dieser wird bei der Aussendung des Beklagten nicht von den Worten "Einschaltungsoffert" und "Werbung" in der ersten Textzeile - wenngleich hervorgehoben durch rote Farbe in einem roten Rahmen und durch ein größeres Schriftbild - geprägt; ins Auge fällt dem Betrachter vielmehr in erster Linie der bereits ausgefüllte Zahlschein, der die gesamte unter Hälfte des Schreibens einnimmt und den spontanen Eindruck vermittelt, das Schreiben sei die einem früher erteilten Auftrag nachfolgende Rechnung samt angeschlossenem Zahlschein. Angesichts dieser grafischen Gestaltung reicht die in der Überschrift verwendete Wort- und Farbwahl und der im kleingedruckten Erläuterungstext enthaltene Hinweis, es handle sich um ein Vertragsangebot, nicht aus, den Angebotscharakter der Zusendung unmissverständlich und hinreichend deutlich klarzustellen.
§ 28a UWG trat am in Kraft (Art II Z 3 iVm Z 6 FernabsatzG). Für die Beurteilung des Sicherungsantrags ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung - und nicht etwa der Einbringung des Antrags, wie der Beklagte in der Revisionsrekursbeantwortung meint - maßgeblich (Zechner, Sicherungsexekution und einstweilige Verfügung, § 378 Rz 1 mN zur Rsp; 4 Ob 220/03m). Von dieser Frage hängt die Entscheidung im übrigen nicht ab, weil die Klage samt Sicherungsantrag ohnehin erst am beim Erstgericht eingelangt ist. Umstände, die das Wegfallen der Wiederholungsgefahr vermuten ließen, hat der Beklagte weder vorgebracht noch bescheinigt; er hat vielmehr im Verfahren seine gesetzwidrige Handlung verteidigt und den Standpunkt vertreten, die beanstandete Aussendung sei rechtmäßig gewesen (vgl ÖBl 1997, 167 - Astoria mwN).
Dem Revisionsrekurs ist Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten des Beklagten auf §§ 78, 402 EO iVm 40, 50 ZPO.