OGH vom 10.05.1994, 4Ob6/94

OGH vom 10.05.1994, 4Ob6/94

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*****gmbH, Wien 21, Ignaz-Köck-Straße 17, vertreten durch Dr.Michael Graff und Mag. Werner Suppan, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei M***** GmbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Gottfried Korn, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert für das Provisorialverfahren S 450.000,--), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom , GZ 3 R 89/93-8, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom , GZ 37 Cg 183/93w-2, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen, die beklagte Partei hingegen endgültig.

Text

Begründung:

Die Beklagte ist die Verlegerin der Tagenzeitungen K***** und N*****-Zeitung.

In den Ausgaben der Tageszeitung N*****-Zeitung vom 4.4., 6.4., 7.4., 9.4., 13.4., 15.4., 16.4. und erschien unter dem Titel "Bub oder Mädel" ein Gewinnspiel, bei dem das Geschlecht eines abgebildeten Kleinkindes zu erraten war. Unter den Einsendern der richtigen Antwort wurden dabei jeweils zehn Mal S 10.000 und zehn Mal S 1.000 verlost. Der jeweils abgedruckte und zum Auschneiden bestimmte "Antwortkupon" enthielt ua folgenden Text: "Alle Gewinner werden schriftlich verständigt und in der 'Krone' veröffentlicht. Sie können die richtige Lösung mit gleicher Gewinnchance auch auf eine Postkarte mit morgigem Poststempel schreiben". In der N*****-Zeitung vom 8.4., 10.4., 11.4., 17.4. und wurden jeweils die richtige Lösung und die Gewinner der Geldpreise veröffentlicht. Einen Hinweis, daß das Gewinnspiel laufend wiederholt wird, enthielten die Einschaltungen der Beklagten nicht.

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen, mit einer Widerklage geltend gemachten Unterlassungsanspruches beantragt die klagende Mitbewerberin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, unentgeltliche Zugaben in der Form zu gewähren, daß in der N*****-Zeitung die Teilnahmemöglichkeit an einem Gewinnspiel, beispielsweise dem Gewinnspiel "Bub oder Mädel", bei dem das Geschlecht eines abgebildeten Babys zu erraten ist und zehn Mal S 10.000 und zehn Mal S 1.000 gewonnen werden können, eingeräumt wird, wenn durch die tägliche oder doch wiederkehrende Veröffentlichung des Gewinnspiels ein Anreiz zum Kauf der N*****-Zeitung ausgeübt wird, indem der Eindruck vermittelt wird, es würden auch in künftigen Ausgaben der N*****-Zeitung Gewinnspiele veröffentlicht. Die Beklagte habe das Gewinnspiel "Bub oder Mädel" ab praktisch täglich in der N*****-Zeitung veröffentlicht. Obwohl das Gewinnspiel sonst nicht durch Werbung angekündigt worden sei, habe das regelmäßige Veröffentlichen bei den Zeitungslesern den Eindruck erweckt, daß es auch in künftigen Ausgaben der Tagenzeitung enthalten sein werde. Daher habe das Gewinnspiel "Bub oder Mädel" einen Anreiz zum Kauf dieser Tageszeitung ausgeübt. Das Gewinnspiel sei daher eine verbotene Zugabe zur Tageszeitung. Jene sei zwar nicht angekündigt, aber gewährt worden. Damit habe die Beklagte gegen § 9 a Abs 2 letzter Satz UWG idF UWG-Novelle 1993 BGBl 227 verstoßen.

Der für die Vorklage zuständige Einzelrichter des Handelsgerichtes Wien erließ - ohne Anhörung der Beklagten - die beantragte einstweilige Verfügung. In einer Zeitung angekündigte Preisausschreiben, Gewinnspiele und dergleichen seien dann keine Zugaben, wenn weder auf dem Titelblatt noch sonst in der Werbung darauf hingewiesen werde, und die Personen, welche die Zeitung erwerben, erst beim Durchlesen auf das Gewinnspiel stoßen und keinen Anlaß haben, im Hinblick auf die Teilnahmebedingungen weitere Exemplare dieser Zeitung zu kaufen. Die Beklagte habe das Gewinnspiel "Bub oder Mädel" zwar nicht auf der Titelseite der entsprechenden Zeitungsnummern angekündigt und auch sonst nicht dafür geworben; durch das regelmäßige Veröffentlichen dieses Spieles in ihrer auflagenstarken Tageszeitung habe sie jedoch beim Leserpublikum die Erwartung erweckt, daß es fortgesetzt werde, so daß es einen Anreiz zum Kauf späterer Ausgaben dieser Tageszeitung bilden habe können. Das Gewinnspiel sei nach der Rechtslage seit der UWG-Novelle 1993 eine verbotene Zugabe.

Das Rekursgericht änderte den Beschluß des Erstgerichtes im Sinne der Abweisung des Sicherungsantrages ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die vorliegende Klage sei zwar im Verhältnis zu der auf einen (anderen) Wettbewerbsverstoß der Klägerin gestützten Vorklage keine Widerklage im Sinne des § 96 Abs 1 JN. Daß über den damit erhobenen Sicherungsantrag dennoch der für den Vorprozeß zuständige Einzelrichter des Handelsgerichtes Wien entschieden habe, begründe jedoch keine Nichtigkeit, weil die vorliegende Klage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung in seiner Gerichtsabteilung anhängig gewesen sei. In der Sache selbst habe die Beklagte keinen Zugabenverstoß zu verantworten. Das vorliegende Gewinnspiel sei nur im Blattinneren veranstaltet worden, ohne daß den Lesern ein Anhaltspunkt für die Annahme geboten worden sei, daß es fortgesetzt werde. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß das Gewinnspiel in einem Zeitraum von fünfzehn Tagen acht Mal veranstaltet worden sei. Da die Beklagte bekanntgegeben habe, daß auch bei Einsenden einer Postkarte die gleiche Gewinnschance gewahrt sei, und daß die Gewinner schriftlich verständigt werden, habe sie auch keinen psychischen Kaufzwang ausgeübt.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen von der Klägerin erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist - wie der erkennende Senat bereits im Anfechtungsbeschluß vom ausgesprochen hat - zulässig im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO (iVm §§ 78, 402 EO), weil zur Frage, ob durch ein Gewinnspiel psychischer Kaufzwang (- der neben dem rechtlichen Kaufzwang für die Erfüllung des Tatbestandselements des Zusammenhanges zwischen Hauptware und Zugabe ausreicht [ÖBl 1993, 24] - ) auch dann ausgeübt werden kann, wenn es zwar auf der Titelseite oder sonst in der Werbung einer Zeitung nicht angekündigt wurde, durch seine regelmäßige Veranstaltung aber doch geeignet ist, die Publikumserwartung zu erwecken, daß es fortgesetzt werde, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt. Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Mit dem erwähnten Beschluß vom stellte der erkennende Senat gemäß § 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, in § 9 a UWG idF der UWG-Novelle 1993 BGBl 227 in Abs 1 Z 1 die Worte "oder Verbrauchern in den periodischen Druckwerken unentgeltliche Zugaben (Prämien) anbietet, ankündigt oder gewährt" und in Abs 2 den Satz "Z 8 gilt nicht für Zugaben zu periodischen Druckwerken " als verfassungswidrig aufzuheben und sprach weiters aus, daß mit der Fortführung des Revisionsrekursverfahrens bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes innegehalten werde.

Mit Erkenntnis vom , G 73/93-21 ua, hat der VfGH den Anträgen anderer Anfechtungswerber auf Aufhebung dieser gesetzlichen Bestimmungen nicht Folge gegeben. Die Anfechtung des erkennenden Senates wurde mit Beschluß vom , G 259/93-3 ua, wegen entschiedener Sache mit der Begründung zurückgewiesen, daß eine Einbeziehung dieses Antrages in das bereits laufende Verfahren nicht mehr möglich war und die vorgetragenen Bedenken im wesentlichen jenen entsprechen, über die der Verfassungsgerichtshof bereits mit dem Erkenntnis vom abgesprochen hat.

Auf den ab verwirklichten, von der Klägerin als Zugabenverstoß qualifizierten Sachverhalt ist daher § 9 a UWG idF der nach Ablauf des in Kraft getretenen UWG-Novelle 1993 anzuwenden. Demnach kann auf Unterlassung und Schadenersatz in Anspruch genommen werden, wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Verbrauchern ua neben periodischen Druckwerken unentgeltliche Zugaben (Prämien) anbietet, ankündigt oder gewährt. Die durch das Wettbewerbs-DeregulierungsG geschaffene Ausnahmebestimmung des § 9 a Abs 2 Z 8 UWG, wonach § 9 a Abs 1 UWG (ua) nicht anzuwenden ist, wenn die Zugabe in der Einräumung einer Teilnahmemöglichkeit an einem Preisausschreiben (Gewinnspiel) besteht, bei dem der sich aus dem Gesamtwert der ausgespielten Preise im Verhältnis zur Zahl der ausgegebenen Teilnahmekarten (Lose) ergebende Wert der einzelnen Teilnahmekarten S 5,-- und der Gesamtwert der ausgespielten Preise S 300.000,-- nicht überschreitet, gilt gemäß dem § 9 a Abs 2 UWG durch die UWG-Novelle 1993 angefügten weiteren Satz nicht für Zugaben zu periodischen Druckwerken.

Wie der Oberste Gerichtshof zu § 9 a UWG (idF des Wettbewerbs-DeregulierungsG) bereits ausgesprochen hat, muß die in der Einräumung einer Teilnahmemöglichkeit an einem Gewinnspiel bestehende Zugabe, also der zusätzliche Vorteil, der neben der Hauptware ohne besondere Berechnung angekündigt wird, um den Absatz der Hauptware zu fördern, mit der Hauptware in einem solchen Zusammenhang stehen, daß er objektiv geeignet ist, den Kunden in seinem Entschluß zum Erwerb der Hauptware zu beeinflussen, also Werbe- oder Lockmittel sein (ÖBl 1992, 226 und ÖBl 1993, 24, beide mwH auf die bisherige Rsp). Der schon in der Rechtsprechung zu § 28 UWG aF vertretene Grundsatz, daß ein Gewinnspiel auch dann als vom Warenbezug nicht völlig unabhängig zulässig ist, wenn bei seiner Durchführung auf das Publikum bloß psychischer Kaufzwang ausgeübt wird, wurde dabei ausdrücklich aufrecht erhalten (ÖBl 1993, 24). Ob die Zuwendung vom Abschluß eines Hauptgeschäftes abhängt, richtet sich nicht danach, was der Werbende bezweckt; vielmehr kommt es darauf an, ob in den beteiligten Verkehrskreisen der Eindruck der Abhängigkeit der Zuwendung vom Warenbezug erweckt wird, also darauf, was der Kunde, an den sich die Ankündigung richtet, bei verständiger Würdigung annehmen muß (ÖBl 1993, 24 mwN).

Gewinnspiele sind nach Ansicht des erkennenden Senates dann keine Zugabe zu einer periodischen Druckschrift, wenn das Zeitungsunternehmen weder auf dem Titelblatt darauf hingewiesen hat, und die Personen, welche die Zeitung erwerben und dann erst beim Durchlesen auf das Gewinnspiel stoßen, keinen Anlaß haben, im Hinblick auf die Teilnahmebedingungen weitere Exemplare derselben Zeitung zu kaufen, weil die Erwerber von Zeitungen und Zeitschriften vor dem Kauf im besten Fall deren Titelseiten, nicht aber auch die Ankündigungen im Blattinneren lesen (MR 1989, 65; ÖBl 1989, 112; ÖBl 1990, 168). Dieselbe Wirkung wie durch die Ankündigung eines Gewinnspiels auf der Titelseite einer Zeitung kann aber auch dadurch erzielt werden, daß Gewinnspiele so regelmäßig veranstaltet werden, daß durch eine solche Aufeinanderfolge in den angesprochenen Leserkreisen der sichere Eindruck erweckt wird, daß auch in künftigen Ausgaben der Zeitung wieder ein (neues) Gewinnspiel oder die neue Fortsetzung einer begonnenen Gewinnspielserie enthalten sein wird. Die Ankündigung im Blattinnern, daß in einer Folgenummer ein Gewinnspiel enthalten sein werde, kann für den Erwerb künftiger Ausgaben einer Zeitung maßgebend sein. In allen diesen Fällen wird sich das Lockmittel zwar nicht auf den Erwerb jener Ausgabe auswirken, in der die Ankündigung enthalten war, erst folgenden auf den Erwerb der Ausgabe, in der dann das angekündigte Gewinnspiele enthalten ist. Auch solche Ankündigungen bieten ausreichenden Anreiz die Hauptware zu erwerben, um in den Genuß der zusätzlichen Leistung (Teilnahmemöglichkeit an einem Gewinnspiel) zu gelangen. Finden hingegen solche Gewinnspiel ohne vorherige Ankündigung nur gelegentlich oder in größeren Abständen, wenn auch mit einer gewissen Regelmäßigkeit statt, so wird das Publikum beim Erwerb eines Zeitungsexemplars eines bestimmten Ausgabetages noch nicht damit rechnen, an einem solchen Gewinnspiel teilnehmen zu können. Es liegt dann kein psychischer Kaufzwang vor. Das regelmäßige Veranstalten ein und desselben Gewinnspieles verstößt aber dann nicht gegen § 9 a UWG, wenn der ausgespielte Preis so geringfügig ist, daß von ihm kein Anlockeffeckt zum Erwerb weiterer Zeitungsexemplare ausgehen kann (ÖBl 1991, 263).

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte das Gewinnspiel "Bub oder Mädel" in der Zeit vom 4.4. bis 19.4. insgesamt acht Mal an zwar nicht regelmäßig aufeinanderfolgenden Tagen durchgeführt, im Zeitraum vom bis aber zusätzlich Lösung und Gewinner sechs Mal veröffentlicht. In einem Zeitraum von 16 Tagen enthielten die Ausgaben der Zeitung der Beklagten somit nahezu täglich - durch den Spieltitel gekennzeichnete - Hinweise auf das Gewinnspiel "Bub oder Mädel". Unter diesen Umständen konnte aber das angesprochene Publikum damit rechnen, daß dieses Gewinnspiel fortgesetzt werde. Da auch die ausgespielten Geldpreise nicht unerheblich waren, hatte es bereits den für einen Verstoß gegen § 9 a UWG erforderlichen Zugabencharakter.

Daher war die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich in Ansehung der Klägerin auf § 393 Abs 1 EO, in Ansehung der Beklagten auf §§ 78, 402 EO, §§ 40, 50, 52 Abs 1 ZPO.