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OGH vom 24.03.1992, 5Ob26/92

OGH vom 24.03.1992, 5Ob26/92

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Grundbuchssache des Antragstellers Hermann K*****, Beamter, ***** Linz, V*****straße 16, vertreten durch Dr. Harry Zamponi und Dr. Josef Weixelbaum, Rechtsanwälte in Linz, betreffend Eintragungen in der EZ ***** des Grundbuches ***** K*****, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom , GZ 18 R 12/92, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom , TZ 6056/91, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der Antragsteller hat am beim Bezirksgericht Linz um die Einverleibung seines Eigentumsrechtes an einem mit Wohnungseigentum verbundenen Mindestanteil der EZ ***** des Grundbuches ***** K***** ersucht, dazu noch um die Löschung eines Pfandrechtes der Ö***** AG und um die Einverleibung einer Höchstbetragshypothek für die Bank ***** O*****. Er ließ sich dabei von einem nach der Unterschrift nicht eindeutig identifizierbaren Rechtsanwalt vertreten und erklärte unter Hinweis auf § 8 RAO, "die Rechtsanwälte Zamponi/Weixelbaum & Partner mit der Vertretung des Einschreiters beauftragt zu haben".

Das Grundbuchsgericht bewilligte zwar die Eigentumseinverleibung und die Pfandrechtslöschung, wies jedoch das darüber hinausgehende Begehren auf Einverleibung der Höchstbetragshypothek ab, weil die für die Einbringung von Grundbuchsgesuchen zu Lasten des Vertretenen erforderliche besondere Vollmacht (§ 77 Abs 1 GBG) nicht dargetan sei. Die zweite Instanz bestätigte diese Entscheidung aus folgenden Erwägungen:

Zweifellos gereiche die beantragte Einverleibung einer Höchstbetragshypothek nicht zum Vorteil des Liegenschaftseigentümers. In einem solchen Fall verlange § 77 Abs 1 GBG den Nachweis einer Vollmacht zur Anbringung von Grundbuchsgesuchen, wenn die Grundbuchseintragung von einem Vertreter des Betroffenen begehrt wird. Der auch im Grundbuchsverfahren anwendbare § 30 Abs 2 ZPO ermögliche zwar den Nachweis jeder Vollmacht (auch den der besonderen Vollmacht iSd § 77 Abs 1 GBG) durch eine bloße Erklärung des einschreitenden Rechtsanwalts (NZ 1984, 33; EvBl. 1985/132; RZ 1985/86), doch habe sich der Rechtsanwalt auf das Vorliegen einer besonderen Vollmacht ausdrücklich zu berufen, wenn er sie zu seinem Einschreiten braucht (Hofmeister, NZ 1984, 35; Petrasch, Die Zivilverfahrens-Novelle 1983 in der Rechtsprechung des OGH, ÖJZ 1985, 260).

Der neu gefaßte § 8 Abs 1 RAO habe insoweit keine Änderung gebracht, weil auch diese Bestimmung die Berufung des Rechtsanwalts auf die ihm erteilte Bevollmächtigung verlange. Im Verhältnis zu § 77 Abs 1 GBG komme letzterer Norm die Bedeutung einer lex specialis zu, regle doch § 8 RAO ganz allgemein die Befugnis der Rechtsanwälte zur Parteienvertretung in allen gerichtlichen und außergerichtlichen Angelegenheiten, während § 77 Abs 1 GBG nur das Grundbuchsverfahren betrifft. Auf Grund der Bestimmung des § 77 Abs 2 GBG könne auch nicht von einer durch die Zivilverfahrensnovelle 1983 entstandenen Gesetzeslücke ausgegangen werden; diese Norm würde gegenstandslos, würde man nicht beim Einschreiten (eines Rechtsanwalts) zum Nachteil des Vertretenen einen Hinweis auf das Vorliegen einer besonderen Vollmacht fordern. Von einer Derogation des § 77 Abs 1 GBG durch § 8 Abs 1 RAO könne daher keine Rede sein.

Die Entscheidung der zweiten Instanz enthält den Ausspruch, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteigt und der Revisionsrekurs zulässig sei. Es liege nämlich noch keine veröffentlichte Judikatur zur Frage vor, ob die Berufung des im Grundbuchsverfahren einschreitenden Rechtsanwalts auf eine ihm erteilte Vollmacht den ausdrücklichen Hinweis auf das Vorliegen des konkret erforderlichen Inhalts der Bevollmächtigung enthalten muß, wenn die beantragte Grundbuchseintragung dem Vertretenen nicht zum Vorteil gereicht.

Gegen diesen Beschluß hat der Antragsteller fristgerecht Revisionsrekurs mit dem Antrag erhoben, ihn und die Entscheidung des Erstgerichtes im Sinne einer Bewilligung (auch) der begehrten Pfandrechtseinverleibung abzuändern. Begründet wird dies im wesentlichen mit einer Derogation des § 77 GBG durch die spätere und speziellere Norm des § 8 Abs 1 RAO; außerdem könne bei einem Rechtsanwalt die Kenntnis der inhaltlichen Anforderungen an eine Einschreitervollmacht vorausgesetzt werden, weshalb mit der Berufung auf eine ihm zur Besorgung eines konkreten Geschäftes erteilte Vollmacht auch der jeweils erforderliche Umfang der Vertretungsmacht dargetan sei. § 77 Abs 2 GBG habe bei dieser Sicht der Dinge durchaus seine Geltung für Parteienvertreter, die nicht Rechtsanwälte sind, behalten. Außerdem könne es nicht im Sinne des Gesetzgebers sein, sich jeweils mit umständlichen Klauseln auseinandersetzen zu müssen, in denen sich ein Rechtsanwalt gegenüber Gerichten und Verwaltungsbehörden auf alle möglichen Vollmachtsverhältnisse beruft.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angegebenen Grund zulässig, zumal der Einheitswert des verpfändeten Liegenschaftsanteils - wie erhoben wurde - S 50.000,-- übersteigt (§ 126 Abs 1 GBG iVm § 13 Abs 2 AußStrG und §§ 57, 60 Abs 2 JN); er ist jedoch nicht berechtigt.

Vorauszuschicken ist, daß der Oberste Gerichtshof den durch § 30 Abs 2 ZPO idF der ZVN 1983 erleichterten Vollmachtsnachweis auch im Grundbuchsverfahren genügen läßt (NZ 1984, 33; SZ 58/74 ua) und an dieser Rechtsmeinung trotz Kritik eines Teils der Lehre festhält (NZ 1985, 192 mit abl. Besprechung von Hofmeister; zuletzt 5 Ob 4/91). Zu einer Korrektur dieser Rechtsprechung besteht umso weniger Anlaß, als nunmehr der Gesetzgeber - in Kenntnis der Weiterungen - das Recht des Rechtsanwaltes, sich vor allen Gerichten und (sonstigen) Behörden auf die ihm erteilte Vollmacht zu berufen, ganz generell in der RAO verankert hat (§ 8 Abs 1 RAO idF des BGBl. 474/1990).

Selbst Befürworter dieser Judikatur haben jedoch immer betont, daß beim Einschreiten zum Nachteil des Vertretenen ein ausdrücklicher Hinweis auf die hiefür erforderliche besondere Vollmacht zu geben ist (Petrasch, Die Zivilverfahrens-Novelle 1983 in der Rechtsprechung des OGH, ÖJZ 1985, 260; siehe auch Hofmeister, NZ 1984, 35). Die Richtigkeit dieser Ansicht, der auch der erkennende Senat folgt, ergibt sich daraus, daß die Berufung eines Rechtsanwalts (oder Notars) auf die ihm erteilte Bevollmächtigung nur den (sonst erforderlichen) urkundlichen Nachweis der Vertretungsmacht ersetzt. Da § 30 Abs 2 ZPO lediglich die Form regelt, in der dem Gericht eine Vollmacht vorliegen muß (1337 der BlgNR 15. GP, 8), kann dort, wo nach den Vorschriften des materiellen Rechts eine besondere Vertretungsmacht erforderlich ist und im Normalfall auch urkundlich zu belegen wäre, auf die ausdrückliche Behauptung einer solchen Bevollmächtigung durch den einschreitenden Rechtsanwalt (oder Notar) nicht verzichtet werden.

§ 30 Abs 2 ZPO schreibt deshalb auch nicht die Berufung auf "eine", sondern auf "die" dem Rechtsanwalt (Notar) konkret erteilte Bevollmächtigung vor. Zweifel über den Inhalt der Bevollmächtigung, wie sie sich etwa dann ergeben könnten, wenn die Vertretungsmacht des Einschreitenden nicht gesetzlich definiert ist (vgl. § 31 ZPO), gingen zu Lasten des Machthabers.

In diesem Sinn wird selbst für den weniger formstrengen Zivilprozeß gefordert, daß eine dem Rechtsanwalt erteilte Bevollmächtigung zur Empfangnahme des Streitgegenstandes nur zu beachten ist, wenn sich der Rechtsanwalt ausdrücklich auf eine solche besondere Vertretungsmacht beruft (Schalich, Überblick über die Zivilverfahrensnovelle 1983, ÖJZ 1983, 287; Fasching, Zivilprozeßrecht2, Rz 428; Petrasch aaO). Umso mehr hat dies für das Grundbuchsverfahren zu gelten, in dem der Einschreiter grundsätzlich eine besondere Vollmacht zur Anbringung von Grundbuchsgesuchen nachweisen muß (§ 77 Abs 1 GBG) und gemäß § 94 GBG nur das Ansuchen und die Beilagen als Entscheidungsgrundlagen zur Verfügung stehen (vgl. Rechberger, Möglichkeiten und Grenzen der analogen Anwendung von Vorschriften der Zivilprozeßordnung im Grundbuchsverfahren, NZ 1985, 123 f). Diese Bestimmungen gelten, wie schon das Rekursgericht zutreffend ausführte, als besondere in Grundbuchssachen zu beachtende Vorschriften weiter und haben durch die für Rechtsanwälte (und Notare) geschaffene Ausnahmeregelung nur insofern eine Ergänzung erfahren, als statt des urkundlichen Nachweises der Vertretungsmacht zur Anbringung von Grundbuchsgesuchen auch die Berufung auf eine entsprechende Bevollmächtigung genügt. Diese Mindestanforderung an die Dartuung der besonderen Vollmacht iSd § 77 Abs 1 GBG ist in den Fällen, in denen die begehrte Grundbuchseintragung dem Vertretenen nicht zum Vorteil gereicht (§ 77 Abs 2 GBG), jedenfalls zu erfüllen, weil andernfalls gar nicht beurteilt werden könnte, ob überhaupt die Befugnis des Antragstellers zum Einschreiten vorhanden ist (§ 94 Abs 1 Z 2 GBG). Die vom Rechtsmittelwerber unterstellte Selbstverständlichkeit einer ausreichenden Vollmacht, wenn sich ein mit der Besorgung eines bestimmten Geschäftes beauftragter Rechtsanwalt vor Gericht schlechthin auf eine vorliegende Einschreiterbefugnis beruft, ist in einem auf formelle Entscheidungsgrundlagen angewiesenen Verfahren nicht verwertbar.

Durch die Art II Z 3 des BGBl. 474/1990 in § 8 Abs 1 RAO aufgenommene Bestimmung, wonach vor allen Gerichten und Behörden die Berufung des Rechtsanwalts auf die Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis ersetzt, hat insofern keine Änderung der Rechtslage gebracht, weil damit nur die schon bisher in der Zivilprozeßordnung (§ 30 Abs 2) und in der Strafprozeßordnung (§ 44 Abs 1) vorgesehene Regelung als generelle Vorschrift in die Rechtsanwaltsordnung aufgenommen werden sollte (1380 der BlgNR 17. GP, 7). Eine materielle Derogation des § 77 Abs 1 ZPO ist daher durch § 8 Abs 1 RAO idF des BGBl. 474/1990 ebensowenig erfolgt wie durch § 30 Abs 2 ZPO idF der ZVN 1983.

Es sind aber auch die Befürchtungen unbegründet, die vom Gesetzgeber generell beabsichtigte Erleichterung des Vollmachtsnachweises würde zunichte gemacht, sollte sich der einschreitende Rechtsanwalt (oder Notar) zur Vermeidung eines Vollmachtsmangels immer auf alle nur möglichen Vollmachtsverhältnisse berufen müssen. Gerade der gegenständliche Fall zeigt, daß das Problem eines ausreichenden Vollmachtsnachweises bei der vorauszusetzenden Kenntnis der einschlägigen Bestimmungen ohne besonderen Aufwand hätte bewältigt werden können, da § 77 Abs 1 GBG - soferne gemäß § 77 Abs 2 GBG nicht ohnehin eine allgemeine Vollmacht genügt - nur den klaren Hinweis verlangt, zur Anbringung von Grundbuchsgesuchen namens des Machtgebers befugt zu sein.

Aus allen diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.