OGH vom 11.10.1984, 6Ob765/83
Norm
FernmeldeG § 2;
FernsprechordnungsG § 41 Abs 1;
HGB § 128;
HGB § 161;
Kopf
SZ 57/154
Spruch
Für Klagen der Republik Österreich gegen den persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft wegen einer Fernsprechgebührenforderung gegen diese Gesellschaft ist der Rechtsweg zulässig
(OLG Wien 11 R 4/83; LGZ Wien 15 Cg 215/82)
Text
Der Beklagte war bis Ende August 1980 persönlich haftender Gesellschafter der Kurt M-KG. Gegen diese war im Frühjahr 1980 ein Konkursantrag gestellt worden. Dieser Antrag war im Mai 1980 mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen worden. Ende August 1980 wurde das Unternehmen aus seinen Betriebsräumlichkeiten delogiert. Anläßlich dieser Räumung, die vom Hauseigentümer betrieben worden war, sind sämtliche Betriebsunterlagen verloren gegangen. Für den Fernsprechanschluß der Kurt M-KG liefen in der Zeit von Mitte Juli bis Mitte September 1980 Fernsprechgebühren in der Höhe von 116 375.90 S auf.
Mit rechtskräftigen und vollstreckbarem Zahlungsauftrag (Bescheid) vom schrieb die Post- und Telegraphendirektion für Wien, NÖ und Bgld. der Kurt M-KG Gebühren in der Höhe von 116 375.90 S zur Zahlung vor.
Die klagende Republik Österreich (Post- und Telegraphenverwaltung) begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Bezahlung des Betrages von 117 825.90 S sA mit der Behauptung, die Kurt M-KG sei am vom HG Wien gelöscht worden. Nachdem der Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen dieser Gesellschaft mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen worden sei, schulde der Beklagte als persönlich haftender Gesellschafter den eingeklagten Betrag.
Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Er gab zu, Komplementär der Kurt M-KG gewesen zu sein.
Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 116 375.90 S sA zu bezahlen.
Das Gericht sei an Verwaltungsbescheide gebunden, es sei denn, es handle sich um einen sogenannten absolut nichtigen Bescheid. Ein derartiger liege nicht vor. Ein Verwaltungsbescheid dürfe vom Gericht auch nicht hinsichtlich der Richtigkeit der Rechtskraftbestätigung überprüft werden. Gemäß § 161 HGB hafte der persönlich haftende Gesellschafter einer KG für Schulden, welche die Gesellschaft selbst habe auflaufen lassen, mit seinem gesamten Privatvermögen. Gemäß § 129 HGB könne ein Gesellschafter, der wegen einer Verbindlichkeit der Gesellschaft in Anspruch genommen werde, nur insoweit Einwendungen geltend machen, als sie von der Gesellschaft selbst erhoben werden könnten oder in der Person des Gesellschafters begrundet seien. Gegen die aufgelaufenen Fernsprechgebühren hätte die KG selbst nur im Verwaltungswege vorgehen können. Etwaige persönliche Einwendungen des Beklagten als Gesellschafter der KG hätten lediglich in einer Stundungsgewährung durch die Klägerin oder in einem persönlichen Erlaß der Fernsprechgebührenschuld gegenüber dem Beklagten bestehen können. Derartiges sei nichteinmal behauptet worden.
Das Berufungsgericht hob aus Anlaß der Berufung das erstgerichtliche Urteil und das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Das Fernmeldewesen gehöre zur staatlichen Hoheitsverwaltung (§ 2 FMG). Den Fernmeldebehörden obliege die Entscheidung über die aus den Fernmeldevorschriften entspringenden (gegenseitigen) Rechte und Pflichten der Verwalter und der Benützer (§ 21 Abs. 1 FMG), insbesondere auch die Festsetzung der Benützungsgebühren (§ 11 Z 5 FMG). Es unterliege daher keinem Zweifel, daß die Benützungsgebühren von den Fernmeldebehörden im Verwaltungswege zu erheben seien, worüber § 21 Abs. 3 FMG auch detaillierte Vorschriften enthalte. Schuldner der Gebühren sei der Fernsprechteilnehmer (§ 41 Abs. 1 Fernsprechordnung, BGBl. 276/1966, auf Gesetzesstufe gestellt durch BGBl. 267/1972). Teilnehmer könnten ua. im Handelsregister eingetragene Unternehmungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit sein (§ 35 Fernsprechordnung), also auch offene Handelsgesellschaften und KG. Es sei nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber, wenn er als Gebührenschuldner den Teilnehmer bezeichne, damit die Haftung jener Personen für die Gebührenschuld habe ausschließen wollen, welche selbst nicht Fernsprechteilnehmer seien, aber für die Schulden der Personenhandelsgesellschaft persönlich hafteten. Da die Personenhandelsgesellschaften Träger von Rechten und Pflichten sein könnten, seien sie Schuldner. Der persönlich haftende Gesellschafter selbst sei nicht Schuldner, hafte aber kraft Gesetzes für die Schuld. Wenn auch die Ansicht vertretbar wäre, daß bei Übernahme der Haftung eines Dritten für die Gebührenschuld des Teilnehmers durch privatrechtlichen Vertrag mit der Fernmeldebehörde (Bürgschaft, Schuldübernahme, Schuldbeitritt) die Schuld in eine solche des Privatrechtes transformiert werde und der Anspruch dem Dritten gegenüber deshalb im ordentlichen Rechtsweg verfolgt werden müsse, versage dieses Argument hinsichtlich jener Personen, die kraft Gesetzes persönlich für die Schulden der Handelsgesellschaft hafteten. Ihnen gegenüber bleibe der Anspruch jedenfalls eine auf dem Gesetz beruhende Gebührenforderung der Hoheitsverwaltung, welche grundsätzlich im Verwaltungswege geltend zu machen sei. Es sei auch kein Grund zu finden, warum die Verwaltungsbehörde, welche ihre Tätigkeit nur auf Grund der Gesetze ausübe (Art. 18 Abs. 1 B-VG), im Hinblick auf die Einheitlichkeit der Rechtsordnung nicht die Vorfrage lösen dürfte, welche Personen nach der Rechtsordnung für ihre Gebührenforderung hafteten, auch wenn sich die Haftung aus solchen Gesetzen ergebe, die nicht in erster Linie Materien des Verwaltungsrechtes regelten. Aus dem weniger scharfen Parteienbegriff des Verwaltungsrechtes lasse sich ebenfalls nichts anderes ableiten. Sei der persönlich haftende Gesellschafter nicht Fernsprechteilnehmer, werde ihm auf Grund seiner gesetzlichen Haftung für die Gebührenschuld der Personenhandelsgesellschft die Parteienstellung im Verwaltungsverfahren vor den Fernmeldebehörden nicht aberkannt werden können, sodaß auch aus diesem Gründe kein Hindernis bestehe, ihn im Verwaltungswege mit Bescheid hinsichtlich der Benützungsgebühren zu belangen. Da somit über eine der Gerichtsbarkeit entzogene Sache entschieden worden sei, seien gemäß § 42 Abs. 1 JN und § 477 Abs. 1 Z 6 ZPO die Nichtigkeit des angefochtenen Urteiles und des vorangegangenen Verfahrens auszusprechen und die Klage zurückzuweisen.
Der Oberste Gerichtshof hob über Rekurs der klagenden Partei den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug diesem die Entscheidung über die Berufung des Beklagten auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges sind in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagssachverhalt maßgebend. Entscheidend ist das Wesen des geltend gemachten Anspruches, wofür wieder der geltend gemachte Rechtsgrund von ausschlaggebender Bedeutung ist (SZ 47/108; SZ 50/65 jeweils mwN). Die Zulässigkeit des Rechtsweges ist gegeben, wenn es sich um einen bürgerlich-rechtlichen Anspruch handelt und die Entscheidung darüber nicht durch Gesetz ausdrücklich an eine andere Behörde verwiesen wurde (SZ 51/161; 2 Ob 205/82, 6 Ob 663/83). Privatrechtliche Ansprüche sind dadurch gekennzeichnet, daß sich gleichberechtigte Rechtssubjekte gegenüberstehen, während im öffentlichen Recht ein übergeordnetes Rechtssubjekt einseitige Gestaltungsakte setzen kann, denen das untergeordnete Rechtssubjekt unterworfen ist (Fasching I, 48; derselbe, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts Rdz. 100; SZ 51/161; 2 Ob 205/82; 6 Ob 663/83).
Im vorliegenden Fall nimmt die Klägerin den Beklagten mit der Behauptung in Anspruch, er sei persönlich haftender Gesellschafter jener Gesellschaft, gegen die sie eine Fernsprechgebührenforderung habe. Das Berufungsgericht spricht deshalb von einer gesetzlichen Haftung des Beklagten für die Schuld der Gesellschaft und meint damit offensichtlich die in den §§ 128, 161 Abs. 2 HGB normierte "Haftung" des Komplementärs für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Die daran geknüpfte Überlegung, die Forderung gegen den Beklagten sei auf dem Verwaltungsweg geltend zu machen, wäre allerdings nur richtig, wenn der Anspruch gegen den Beklagten als öffentlich-rechtlicher qualifiziert werden müßte oder seine Durchsetzung durch ausdrückliche gesetzliche Bestimmung auf den Verwaltungsweg gewiesen wäre. Der Auffassung des Berufungsgerichtes, der öffentlich-rechtliche Charakter des gegen den Beklagten gerichteten Anspruches ergebe sich schon daraus, daß es sich um eine auf dem Gesetz beruhende Gebührenforderung der Hoheitsverwaltung handle, kann nicht zugestimmt werden. Das Berufungsgericht läßt dabei nämlich außer acht, daß die behauptete Schuld der Gesellschaft auf deren Fernsprechteilnehmereigenschaft beruht, während der Beklagte nicht deshalb geklagt wird, weil er Fernsprechteilnehmer gewesen sei. Er wird nicht als Beteiligter der rechtlich relevanten, auf die Gesellschaft bezogenen Vorgänge (Benützung von Fernsprechanlagen als Fernsprechteilnehmer) in Anspruch genommen - diese Beteiligtenstellung kommt nur der Gesellschaft zu (vgl. Flume in FS Knur 128 ff.) -, sondern in seiner Eigenschaft als persönlich haftender Gesellschafter der Gesellschaft, gegen die eine Fernsprechgebührenforderung behauptet wird. Der behauptete Rechtsgrund für die Haftung des Beklagten ist daher seine Stellung als persönlich haftender Gesellschafter. Ist die Haftung des persönlich haftenden Gesellschafters einer KG nur in den §§ 128, 162 Abs. 2 HGB, somit in privatrechtlichen Normen begrundet, dann handelt es sich um eine privatrechtlich begrundete Haftung des Gesellschafters (vgl. Wochner in BB 1980, 1758). Im vorliegenden Fall ist eine die Haftung des Beklagten begrundende Norm nicht vorhanden. Denn einerseits enthalten das Fernmeldegesetz und die Fernsprechordnung keine Bestimmung über die Haftung des persönlich haftenden Gesellschafters für die Gebühren der Gesellschaft, die Fernsprechteilnehmerin ist, und andererseits kann die Bundesabgabenordnung - und können damit auch die §§ 12, 224 BAO - schon deshalb nicht zur Anwendung kommen, weil hiefür erforderlich wäre, daß die Fernmeldebehörden entweder Abgabenbehörden iS der §§ 49 Abs. 1, 52 BAO in Verbindung mit den Bestimmungen des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes, BGBl. 18/1975, wären oder ihnen die rechtliche Eigenschaft von Abgabenbehörden des Bundes zuerkannt wäre (vgl. Stoll, Bundesabgabenordnung, Handbuch 126). Dies ist nicht der Fall. Bei den somit allein als die Haftung des Beklagten begrundenden Normen in Frage kommenden §§ 128, 161 Abs. 2 HGB handelt es sich - wie schon ausgeführt - um privatrechtliche Normen. Damit ist aber der gegen den Beklagten nur auf diese Rechtsgrundlage gestützte Anspruch als privatrechtlicher zu beurteilen. Für die Durchsetzung dieses Anspruches ist daher, weil es auch an einer ausdrücklichen Zuweisung des privatrechtlichen Anspruches an eine andere Behörde fehlt, die Zulässigkeit des Rechtsweges gegeben.