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OGH vom 24.04.2003, 3Ob51/03a

OGH vom 24.04.2003, 3Ob51/03a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache des Antragstellers Christian G*****, vertreten durch Dr. Werner Paulinz, Rechtsanwalt in Korneuburg, wider die Antragsgegnerin Prof. DI Dr. Renate K*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Vinatzer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Benützungsregelung, infolge Rekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom , GZ 22 R 28/02a-24, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Gänserndorf vom , GZ 1 Nc 108/99i-20, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der antragsabweisende Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Text

Begründung:

Die Ehe der Antragsgegnerin wurde mit Urteil vom rechtskräftig geschieden. 1996 brachte sie einen Antrag auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse ein und beantragte u.a. die Übertragung des Hälfteanteils ihres Ex-Ehegatten an einer Liegenschaft. Auf dieser ist auch eine Höchstbetragshypothek über 4,5 Mio S für eine Bank einverleibt, und zwar zur Besicherung eines Betriebsmittelkredits einer GmbH, in deren Firma auch der Name des Ex-Ehegatten aufscheint. Die Antragsgegnerin beantragte im Aufteilungsverfahren, ihren Ex-Ehegatten zur alleinigen Rückzahlung dieses Kredits zu verpflichten. Da weder er noch sie Rückzahlungsraten leisteten, brachte die Bank gegen beide sowie die Hauptschuldnerin die Klage ein. Während gegen den Ex-Ehegatten und die Hauptschuldnerin ein Versäumungsurteil erging, ist das Verfahren gegen die Antragsgegnerin noch nicht abgeschlossen. Der Ex-Ehegatte kündigte der Antragsgegnerin an, die pfandrechtlich sichergestellten Forderungen nicht zu bezahlen, damit es zur "Versteigerung" der Liegenschaft käme und er sie aus dem Haus draußen habe; für andere Kreditverbindlichkeiten leistete die Antragsgegnerin Rückzahlungen.

Die Bank führte Exekution durch Zwangsversteigerung der Liegenschaftshälfte des Ex-Ehegatten der Antragsgegnerin. Diese brachte vor dem Versteigerungstermin einen Schriftsatz ein, in dem sie darauf hinwies, dass es sich bei der Liegenschaft um die Ehewohnung handle, diese dem Aufteilungsanspruch unterliege und sie rechtzeitig einen solchen Anspruch gestellt habe. Dieser Schriftsatz wurde vor Beginn der Versteigerung verlesen. Der Antragsteller, der mit dem Ex-Ehegatten seiner Gegnerin bestens bekannt ist, weil dieser geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH ist, deren gewerberechtlicher Geschäftsführer der Antragsteller war, hatte von jenem den Hinweis erhalten, dass seine Hälfte an der Liegenschaft versteigert werde. Nach Verlesung des dargestellten Schriftsatzes verließen einige Bieter den Raum. Der Antragsteller bot trotzdem und erwarb in Kenntnis der Ansprüche der Antragsgegnerin die versteigerte Liegenschaftshälfte durch Zuschlagserteilung. Das auf der Liegenschaft gelegene Haus war die Ehewohnung der Antragsgegnerin und ihres Ex-Ehegatten und dient nach wie vor zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses der Antragsgegnerin und ihrer Tochter.

Der Antragsteller beantragte die Benützungsregelung der nun im Miteigentum der Parteien stehenden Liegenschaft in der Weise, dass die Benützung einem der beiden Miteigentümer vorläufig zur Gänze zugewiesen werde und der jeweils nutzungsberechtigte Miteigentümer verpflichtet sei, dem anderen ein anteiliges Benützungsentgelt in angemessener Höhe zu zahlen. Für den Eventualfall, dass der Antragsgegnerin die Benützung der gesamten Liegenschaft überlassen werde, möge ihm ein monatliches Benützungsentgelt von 7.000 S, beginnend mit (Zuschlagstag) zuerkannt und in diesem Umfang eine Zahlungsverpflichtung der Antragsgegnerin festgelegt werden.

Der Antragsteller brachte vor, Wohnhaus und Garten würden von der Antragsgegnerin allein benützt, er habe keine Zutrittsmöglichkeit und sei von jeder Nutznießung ausgeschlossen. Eine gemeinsame Nutzung des Einfamilienhauses sei auszuschließen.

Die Antragsgegnerin wendete ein, sie und ihre 1984 geborene Tochter seien auf die Benützung der Liegenschaft zur Befriedigung ihres Wohnbedürfnisses angewiesen. Die Liegenschaft sei als Ehewohnung seit in einem Aufteilungsverfahren streitverfangen. Dies sei dem Antragsteller auch unmittelbar vor Beginn der Versteigerung bekanntgegeben worden. Sie habe auch gegen jeden Dritten, der in Kenntnis ihres dringenden Wohnbedürfnisses und ihres erkennbaren Forderungsrechts Rechte an der Liegenschaft erwerbe, Anspruch auf Schutz der Wohnung. Der Antrag sei mit der angekündigten Absicht der Zivilteilung als akkordiertes Zusammenwirken des Antragstellers mit ihrem Ex-Ehegatten anzusehen, um sie um die Ehewohnung zu bringen bzw ihren Aufteilungsanspruch zu verkürzen.

Das Erstgericht wies auf der Grundlage der eingangs wiedergegebenen Feststellungen den Antrag mit der Begründung ab, der aus § 97 ABGB abgeleitete, bei rechtzeitigem Antrag nach §§ 81 ff Ehe fortbestehende Unterlassungs- und Benützungsanspruch sei gegen Eingriffe schlechtgläubiger Dritter geschützt. Dem Antragsteller, der spätestens im Zeitpunkt vor Beginn der Versteigerung von den Ansprüchen der Antragsgegnerin Kenntnis erlangt habe, komme Gutgläubigkeit nicht zu.

Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Rekursgericht diese Entscheidung auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung - allenfalls nach Verfahrensergänzung - auf. Es vertrat die Auffassung, die Benützung einer als Ehewohnung gewidmeten gemeinsamen Liegenschaft samt Nebenbestandteilen könne während des aufrechten Bestands der Ehe nicht ausschließlich nach sachenrechtlichen Grundsätzen durch Zuweisung bestimmter Teile des Hauses an jeden Ehegatten geregelt werden. Dies sei mit §§ 90, 97 ABGB unvereinbar. Dies gelte auch nach rechtskräftiger Scheidung der Ehe, solange - wie hier - ein Verfahren nach den §§ 81 f EheG laufe.

Der aus § 97 ABGB abgeleitete Anspruch auf Sicherung des Wohnbedürfnisses richte sich zwar grundsätzlich nur gegen den anderen Ehegatten, ausnahmsweise bestehe aber ein Schadenersatzanspruch gegen einen Dritten, wenn dieser das fremde Forderungsrecht beeinträchtige. Bei der Zwangsversteigerung komme es aber nach stRsp auf die Kenntnis des Erstehers vom Bestehen eines bloß obligatorischen Rechts an der versteigerten Sache grundsätzlich nicht an, wenn die Versteigerungsbedingungen dazu schweigen und die Last auch im Schätzwert keinen Niederschlag gefunden habe. Maßgeblich seien allein die Versteigerungsbedingungen. Eine Ausnahme bestehe nur im Fall dolosen und daher sittenwidrigen Zusammenwirkens zwischen dem Verpflichteten und dem Ersteher mit dem Ziel, den obligatorisch Berechtigten um seine Rechte zu bringen.

Im vorliegenden Fall habe zwar die Antragsgegnerin ein entsprechendes Vorbringen erstattet, ein doloses und sittenwidriges Zusammenwirken sei aber aus den getroffenen Feststellungen nicht ableitbar. Es werde daher das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren Feststellungen zu dem behaupteten Zusammenwirken zu treffen haben.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei und sah eine erhebliche Rechtsfrage darin, dass höchstgerichtliche Rsp zur Frage fehle, ob ein Dritter, der während eines anhängigen Aufteilungsverfahrens einen Miteigentumsanteil eines der früheren Ehegatten an der Ehewohnung im Wege der Zwangsversteigerung in Kenntnis dieses Aufteilungsanspruchs erwerbe, eine Regelung der Benützung dieser Ehewohnung zu Lasten des darin wohnenden Ehegatten begehren könne; weiters darin, ob ein solches Begehren bei dolosem oder zumindest sittenwidrigem Zusammenwirken des Antragstellers mit dem früheren Miteigentümer zu verneinen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Antragstellerin ist zulässig und berechtigt.

Der vom Rekursgericht für erforderlich angesehenen ergänzenden Feststellungen bedarf es bei richtiger rechtlicher Beurteilung nicht. Der geltend gemachte Anspruch auf Benützungsregelung der im Miteigentum stehenden Liegenschaft muss nämlich schon an der mangelnden Verfügbarkeit der Liegenschaft vor Beendigung des Aufteilungsverfahrens nach den §§ 81 ff EheG scheitern.

Dabei handelt es sich um eine generelle Voraussetzung für jede gerichtliche Benützungsregelung (stRsp, RIS-Justiz RS0013206; Gamerith in Rummel3 § 835 ABGB Rz 5; Hofmeister/Egglmeier in Schwimann2 § 835 ABGB Rz 18). Die Verfügbarkeit fehlt nicht nur bei Objekten, die rechtswirksam vermietet wurden (Nachweise aaO), sondern auch bei Liegenschaften (Teile von solchen), die den Miteigentümern als Ehewohnung dienen. Jedenfalls zwischen (früheren) Ehegatten kann die Benützung einer als Ehewohnung gewidmeten gemeinsamen Liegenschaft samt Nebenbestandteilen nicht nach rein sachenrechtlichen Grundsätzen geregelt werden (Gamerith aaO Rz 6 mN). Dasselbe hat der Oberste Gerichtshof aber auch schon wiederholt für die Zeit nach rechtskräftiger Scheidung für das den §§ 81 ff EheG unterliegende Gemeinschaftsvermögen ausgesprochen. Die mangelnde Verfügbarkeit endet erst mit Beendigung des Aufteilungsverfahrens (ohne Teilung des Eigentums) (Nachweise bei Gamerith aaO Rz 6) oder aber auch durch fruchtlosen Ablauf der Frist des § 95 EheG. Der Anspruch nach § 97 ABGB setzt sich ja bei rechtzeitiger Antragstellung im Aufteilungsanspruch fort (SZ 58/126; 1 Ob 221/99b = ÖBA 2000, 925; 3 Ob 70/00s = JBl 2001, 583).

Allein der Umstand, dass ein Dritter den Eigentumsanteil eines der (früheren) Ehegatten erworben hat, kann nun keinesfalls bewirken, dass der vom Eigentumswechsel unberührte Miteigentumsanteil des anderen Ehegatten plötzlich entgegen den dargestellten Grundsätzen wieder verfügbar im Rechtssinne wäre und damit eine Benützungsregelung der gesamten Liegenschaft in Betracht käme. Für eine Zuteilung nach den §§ 87, 88 EheG reicht es ja nach der Rsp aus, wenn das Gut bei Schluss der Beweisaufnahme erster Instanz noch in der Verfügungsmacht zumindest eines Ehegatten ist (Nachweise bei Stabentheiner in Rummel3 § 81 EheG Rz 7). Zusammenfassend gilt daher: Eine nach sachenrechtlichen Gesichtspunkten zu treffende Benützungsregelung iSd § 835 ABGB über eine Liegenschaft mit der Ehewohnung ist auch nach rechtskräftiger Scheidung solange unzulässig, als ein Verfahren nach §§ 81 ff EheG noch läuft oder noch anhängig gemacht werden kann; dies gilt auch dann, wenn ein Dritter einen Liegenschaftsanteil eines Ehegatten (in casu: durch Zuschlag im Exekutionsverfahren) erwirbt.

Diese Rechtslage steht auch entgegen erstem Anschein nicht im Widerspruch zur Rsp, wonach derjenige, der die Liegenschaft mit der Ehewohnung in einer Zwangsversteigerung durch Zuschlag erwirbt, nur die ihm in den Versteigerungsbedingungen auferlegten Lasten übernimmt und daher auch gegenüber einem auf die Ehewohnung angewiesenen (früheren) Ehegatten einen Räumungsanspruch hat, es sei denn, er hätte gegenüber diesem arglistig gehandelt (1 Ob 221/99b, 3 Ob 70/00s). Anders als beim exekutiven Erwerb einer Gesamtliegenschaft nimmt der Erwerber bloß eines Liegenschaftsanteils zwangsläufig die allenfalls mangelnde Verfügbarkeit der Liegenschaft und damit auch das Vorliegen eines eine Benützungsregelung zumindest auf Zeit ausschließenden Hindernisses in Kauf.

Da im vorliegenden Fall der Zuschlag an den Antragsteller noch vor Inkrafttreten der EO-Nov 2000 erfolgte, ist auch nicht zu untersuchen, ob die zur früheren Rechtslage ergangene Rsp im Lichte dieser Novelle einer Überprüfung bedürfte.

Damit erweist sich aber die Außerstreitsache bereits jetzt als iS einer Antragsabweisung als spruchreif. Es ist daher nicht weiter darauf einzugehen, dass dem bloß hilfsweise für den Fall der Zuweisung der Liegenschaft an die Antragsgegnerin gestellten Antrag auf Zuerkennung eines Benützungsentgelts für die Vergangenheit die Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs entgegenstünde (RIS-Justiz RS0087211).

Dem Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist somit Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.