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OGH vom 21.02.1996, 7Ob502/95

OGH vom 21.02.1996, 7Ob502/95

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der ***** Friederike O*****, infolge Revisionsrekurses des Witwers Johann O*****, und der Tochter Lucia O*****, und Judith O*****, alle wohnhaft in 4502 *****,***** alle vertreten durch Dr.Rudolf Schuster, öffentlicher Notar in 4490 St.Florian bei Linz, gegen den Beschluß des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 19 R 229/94-17, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz-Land vom , GZ A 1257/92-13, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben, die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht wird aufgetragen, die im Zuge der Erlassung der Einantwortungsurkunde beschlossenen vorzunehmenden Grundbuchseintragungen bei der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** von amtswegen durchzuführen.

Text

Begründung:

Friederike O***** verstarb ***** unter Hinterlassung eines notariellen Erbvertrages mit testamentarischen Bedingungen. In diesem setzten die Erblasserin und der erbl.Witwer einander zu drei Viertel ihres Vermögens erbvertragsmäßig und zu einem Viertel testamentarisch wechselseitig als Alleinerben ein und beschränkten ihre Noterben auf den gesetzlichen Pflichtteil. Von den sieben erblasserischen Kindern erklärten fünf, auf ihre Pflichtteilsansprüche zu verzichten. Der erbl. Witwer schloß mit Lucia O********** und Judith O***** am ein Pflichtteilsübereinkommen des Inhalts, daß die beiden Kinder zur Berichtigung ihrer Pflichtteilsansprüche jeweils von der erbl.Hälfte der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** 15/100stel Anteile auf die ganze Liegenschaft übernehmen, während die restlichen 20/100stel Anteile vom erbl. Witwer Johann O***** als Alleinerbe übernommen werden. Die beiden Kinder verpflichteten sich, die ihnen gehörigen je 15/100stel Anteile ohne schriftliche Zustimmung ihres Vaters weder zu belasten noch zu veräußern. Sie beantragten, die Nachlaßeinantwortung zu verfügen und die Einantwortungsurkunde mit der Bewilligung amtswegig vorzunehmender Grundbuchseintragungen zu erlassen.

Das Erstgericht antwortete dem erbl.Witwer Johann O***** den Nachlaß zur Gänze ein. Es ordnete aufgrund der Ergebnisse der Verlassenschaftsabhandlung, insbesondere des vereinbarten Pflichtteilsübereinkommens, hinsichtlich der genannten Liegenschaft unter anderem die Einverleibung des Eigentumsrechtes ob den beiden Vierteln der Erblasserin für den erbl.Witwer zu 20/100stel und für die beiden Töchter zu je 15/100stel, jeweils in Beziehung auf die ganze Liegenschaft, die Zusammenziehung der Anteile des erbl.Witwers unter Hinzurechnung seines Vorbesitzes zu nunmehr 7/10tel sowie die Einverleibung des Belastungs- und Veräußerungsverbotes ob den je 15/100stel Anteilen der Töchter zugunsten des erbl.Witwers an.

Mit Beschluß vom (ON 9a) erteilte das Erstgericht dem Erben und dem Gerichtskommissär Dr.Rudolf Schuster den Auftrag, binnen 6 Wochen eine Bestätigung gemäß § 1 Abs 4 OÖ GVG sowie eine Erklärung nach § 2 Abs 2 OÖ AuslGEG der Pflichtteilsberechtigten beizubringen. Das Pflichtteilsübereinkommen sei als Rechtsgeschäft unter Lebenden zu werten und unterliege den Grundverkehrsgesetzen.

Der Gerichtskommissär vertrat hingegen die Ansicht, daß diese Genehmigungen nicht erforderlich seien, da der Rechtsgrund zum Erwerb des Pflichtteilsanspruches von Todes wegen entstehe und die Beibringung der genannten Urkunden entbehrlich sei.

Das Erstgericht wies den Antrag des Erben und der pflichtteilsberechtigten Töchter auf amtswegige Verbücherung des Ergebnisses der Verlassenschaftsabhandlung ab. Es ordnete die Einleitung des Verfahrens zur Herstellung der Grundbuchsordnung nach § 28 ff LTG an.

Das vom Erben und den pflichtteilsberechtigten Töchtern angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Auf den vorliegenden Fall sei das OÖ Grundverkehrsgesetz 1975 und das OÖ Ausländergrunderwerbsgesetz vom anzuwenden. Gemäß § 1 Abs 1 OÖ GVG 1975 bedürfe die Übertragung des Eigentums und die Einräumung des Fruchtnießungsrechtes an einem ganz oder teilweise der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung gewidmeten Grundstück durch Rechtsgeschäft unter Lebenden der Genehmigung nach den Bestimmungen dieses Gesetzes. Solange die Genehmigung nicht erteilt sei, sei eine grundbücherliche Eintragung nicht zulässig. Bei Prüfung der Frage, ob es sich bei dem gegenständlichen Pflichtteilsübereinkommen um ein Rechtsgeschäft unter Lebenden im Sinne des OÖ GVG handle, sei davon auszugehen, daß dieses Gesetz eine Legaldefinition des Begriffes "Rechtsgeschäft unter Lebenden" nicht enthalte. Ein Pflichtteilsanspruch sei eine Forderung auf einen verhältnismäßigen Teil des Nachlaßwertes in Geld, begründe jedoch keinen Anspruch auf einen aliquoten Teil des Nachlasses. Als Forderungsrecht folge der Pflichtteilsanspruch den schuldrechtlichen Regeln. Werde zur Abfindung des auf eine Geldleistung gerichteten Pflichtteilsanspruches ein Grundstück oder Grundstücksteil hingegeben, liege eine Hingabe an Zahlungs Statt vor. Die Hingabe an Zahlungs Statt sei ein Neuerungsvertrag und demnach ein Rechtsgeschäft unter Lebenden, das den grundverkehrsrechtlichen Bestimmungen unterliege.

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob Pflichtteilsübereinkommen Rechtsgeschäfte unter Lebenden darstellten, fehle.

Dagegen richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs des erbl.Witwers und der erbl.Töchter mit dem Antrag, die Entscheidung der Vorinstanzen aufzuheben und auszusprechen, daß das Pflichtteilsübereinkommen vom im Rahmen der gegenständlichen Verlassenschaftsabhandlung kein Rechtsgeschäft unter Lebenden im Sinne des § 1 Abs 1 OÖ GVG darstelle.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, weil zur Frage, ob ein Pflichtteilsübereinkommen als "Rechtsgeschäft unter Lebenden" im Sinne des OÖ GVG anzusehen ist, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht besteht; er ist auch berechtigt.

Nach § 1 Abs 1 des auf den vorliegenden Fall anzuwendenden OÖ GVG 1975 bedarf die Übertragung des Eigentumsrechtes .... an einem ganz oder teilweise der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung gewidmeten Grundstück durch Rechtsgeschäft unter Lebenden der Genehmigung nach den Bestimmungen dieses Gesetzes.

Dem Rekursgericht ist zuzustimmen, daß dem Gesetz eine nähere Definition, was als "Erwerb unter Lebenden" zu verstehen ist, nicht entnommen werden kann, doch ist jedenfalls umgekehrt davon auszugehen, daß ein Eigentumserwerb von Todes wegen, also im Erbgange, von der Genehmigungspflicht nach diesem Gesetz ausgeschlossen ist.

Entscheidungsrelevant ist daher die Frage, ob ein im Rahmen eines Verlassenschaftsverfahrens geschlossenes Pflichtteilsübereinkommen als grundverkehrsbehördlich genehmigungspflichtiges Rechtsgeschäft unter Lebenden anzusehen ist.

Das Rekursgericht hat sich in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen Lentners in NZ 1968,178 (Verlassenschaftsverfahren und Grundverkehrsrecht) bezogen, der unter Berufung auf Weiß in Klang2 III,826 die Auffassung vertritt, ein Pflichtteilsübereinkommen sei Hingabe an Zahlungs Statt nach § 1414 ABGB und daher ein (genehmigungspflichtiges) Rechtsgeschäft unter Lebenden (Lentner aaO 184). Dieser Meinung hat Schüssler in NZ 1968, 193 ff (Kein Eingriff des Grundverkehrsrechtes in das Verlassenschaftsverfahren) widersprochen, weil zwischen Rechtsgeschäften unter Lebenden außerhalb eines Verlassenschaftsverfahrens, die dem geltenden Grundverkehrsrecht unterlägen, und Rechtsgeschäften innerhalb des Verlassenschaftsverfahrens, für die das Grundverkehrsrecht keine Geltung habe, zu unterscheiden sei (aaO 195, 197). Sandholzer (Grundverkehr und Ausländergrunderwerb im Bundesländervergleich) verweist zwar darauf, daß bei Erbteilungen innerhalb des Verlassenschaftsverfahrens Titel für die Übertragung einer Liegenschaft in das Alleineigentum eines Erben ein Rechtsgeschäft zwischen den Miterben und nicht irgendein erbrechtlicher Berufungsgrund sei (aaO 114), läßt aber die Meinung, daß in diesem Fall eine grundverkehrsbehördliche Genehmigung nicht erforderlich sei, als vertretbar erscheinen. Eine Genehmigungspflicht in diesen Fällen sei ausdrücklich nur für das Tiroler und Steiermärkische Grundverkehrsgesetz vorgesehen.

Wie bereits vom Rekursgericht zitiert, hat der Oberste Gerichtshof in SZ 22/178 festgehalten, daß ein Erbübereinkommen kein Geschäft zwischen Lebenden im Sinne des § 19 Abs 3 MietenG sei, doch in SZ 34/136 ausgesprochen, daß ein auf Grund eines Erbübereinkommens zugefallener, den Erbteil übersteigender Nachlaßgegenstand als nicht von Todes wegen, sondern im Sinne des § 1409 ABGB unter Lebenden erworben anzusehen ist.

Der VfGH hat ausgesprochen, daß die Abgeltung eines Pflichtteilsanspruches als Erwerb von Todes wegen anzusehen ist (NZ 1983,82). Auch der Verwaltungsgerichtshof folgt nach einem verstärkten Senat der Rechtsmeinung, bei der Hingabe von Grundstücken zur Abfindung von Pflichtteilsansprüchen handle es sich um einen Erwerb von Todes wegen im Sinne des § 2 Abs 1 Z 1 ErbStG.

Auch der erkennende Senat vermag sich der Rechtsmeinung, bei Einräumung von Eigentum im Rahmen eines Pflichtteilsübereinkommens zur Abgeltung der Pflichtteilsansprüche handle es sich um ein im Sinne des OÖ GVG genehmigungspflichtiges Rechtsgeschäft unter Lebenden, nicht anzuschließen.

Ob der Pflichtteilsanspruch ein vom Gesetz zwangsweise gewährtes Erbrecht oder ein bloßes, auf Zahlung von Geld gerichtetes Forderungsrecht ist, war ursprünglich strittig. Das Hfd JGS 1844/781 hat klargestellt, daß der verkürzte Noterbe bloß einen Anspruch auf Auszahlung des entsprechenden Wertes in Geld hat, also einem Gläubiger gleichzuhalten ist (Koziol-Welser9 II, 373). Bei der Einräumung von Eigentum an einer in die Verlassenschaft fallende Liegenschaft zur Abgeltung eines Pflichtteilsanspruches liegt eine Leistung an Zahlungs Statt vor (vgl Weiß in Klang2 aaO, 826). Nach der älteren Rechtsprechung stellt die Hingabe an Zahlungs Statt eine Novation, also einen Neuerungsvertrag dar, nach dem die vorige Hauptverbindlichkeit aufhört und die neue ihren Anfang nimmt (§ 1377 ABGB, GlU 4574, GlUNF 179; 5905; 6682; 7384). Die Lehre sieht das Verhältnis zwischen einem Neuerungsvertrag und der Hingabe an Zahlungs Statt differenzierter. Wolff in Klang2 VI 267 erblickt in jeder Leistung an Zahlungs Statt eine Novation, Gschnitzer in Klang2 (aaO 374) lehrt, daß es sich bei der Hingabe an Zahlungs Statt nicht um die Errichtung einer neuen Verbindlichkeit, sondern um die Tilgung der alten Schuld handelt. Koziol-Welser10 I, 276 sehen die Unterscheidung der Novation von der "datio in solutum" in der gleichzeitigen Erfüllung (bei letzterer). Deren Zusammenfallen mit dem Vertragsabschluß habe die Leistung an Zahlungs Statt mit den Realverträgen gemeinsam; sie unterscheide sich von diesen dadurch, daß sie das Schuldverhältnis nicht begründe, sondern bloß durch Erfüllung zum Erlöschen bringe. Reischauer in Rummel2 Rz 7 zu § 1414 ABGB vertritt ebenfalls die Ansicht, daß die Hingabe an Zahlungs Statt als Novation anzusehen sei. Nach Mayrhofer System3, 631, können Neuerung und Leistung an Zahlungs Statt einander in jenem Bereich überschneiden, in dem ein anderes Schuldverhältnis als Ersatz für die ursprünglich vorgesehene Erfüllung an deren Stelle treten soll, im einzelnen Bereich könne aber dennoch der wirtschaftliche Zusammenhang zur Geltung kommen.

Bei Prüfung dieser Rechtsmeinungen vertritt der erkennende Senat die Ansicht, daß bei der Einräumung von Eigentum an einer Nachlaßliegenschaft zur Abgeltung eines Pflichtteilsanspruches im Vordergrund die Erfüllung dieses Pflichtteilsanspruches, nicht aber die Begründung einer eigenen neuen Verpflichtung steht. Ein eigener als Rechtsgeschäft unter Lebenden zu wertender Neuerungsvertrag liegt nicht vor, weshalb es im vorliegenden Fall der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung nicht bedarf. Hätte der oö.Gesetzgeber die Einbeziehung von im Verlassenschaftsverfahren getroffenen Pflichtteilsübereinkommen bzw Erbübereinkommen im Auge gehabt, wäre eine diesbezügliche gesetzliche Regelung, wie in Tirol oder in der Steiermark, getroffen worden.

Der Auftrag zur Beibringung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung war daher ersatzlos zu beheben.