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OGH vom 31.03.1993, 3Ob50/93

OGH vom 31.03.1993, 3Ob50/93

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger, Dr.Graf, Dr.Gerstenecker und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei S*****, vertreten durch Dr.Gerhard Maurer und Dr.Andreas Widschwenter, Rechtsanwälte in Wörgl, und anderer betreibender Parteien, wider die verpflichtete Partei T*****, wegen S 242.731,-- s. A. und andere Forderungen, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Pfandgläubigerin A*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Taussig und Dr.Arno Brauneis, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom , AZ 1a R 318/92, womit der Rekurs dieser Pfandgläubigerin gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Hopfgarten (die Erteilung des Zuschlages) vom , GZ E 5/91-42, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Rechtsmittelwerberin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Zugunsten der Rechtsmittelwerberin war im Zeitpunkt der Anberaumung des Versteigerungstermins (am für den ) ob der in Zwangsversteigerung gezogenen Liegenschaft ein Höchstbetragspfandrecht im Betrag von S 1,500.000,-- eingetragen. Entgegen § 171 Abs. 1 EO wurde ihr vom Erstgericht versehentlich keine Ausfertigung des Versteigerungsediktes zugestellt. Am Nachmittag des erhielt Ing.Hansjörg M*****, ein von der im Firmenbuch des Landesgerichtes Innsbruck registrierten Filiale ***** der Pfandgläubigerin mit Beschränkung auf diese Zweigniederlassung bestellter Gesamtprokurist, Kenntnis vom Versteigerungstermin. Er verständigte die "Zentrale" (Rechtsmittelwerberin) in Wien vom Termin. Die Versteigerungstagsatzung fand am statt. Ausweislich des Protokolles war von den Personen, die vom Versteigerungstermin zu benachrichtigen waren, nur der Vertreter der betreibenden Partei anwesend. An der Versteigerung nahmen fünf Bieter teil, Johann B*****, gab das Meistbot von S 1,8 Mill. ab. Nachdem gegen die Erteilung des Zuschlages kein Widerspruch erhoben worden war, wurde dem Johann B***** der Zuschlag erteilt. Mit Aktenvermerk vom selben Tag hielt der Erstrichter folgendes fest: "Bei Bewilligung des Antrages auf Zwangsversteigerung der betreibenden Partei S***** war zu COZl 3a die Rangordnung für ein Pfandrecht mit einem Höchstbetrag von S 1,500.000,-- intabuliert. Diese Rangordnung wurde zu TZ 770/1991 von der A***** ausgenützt und wurde im Rang der TZ 1366/1990 ein Höchstbetragspfandrecht zugunsten der A***** eingetragen. Im Zwangsversteigerungsverfahren wurde dies übersehen und wurde auch das Versteigerungsedikt dem Pfandgläubiger A***** nicht zugestellt. Die Pfandgläubigerin erlangte aber trotzdem Kenntnis vom Versteigerungsverfahren, und zwar war ein Vertreter der A*****, nämlich Herr Ing.M***** im Versteigerungstermin anwesend und teilte die A***** anläßlich einer Anfrage mit, daß sie am durch ihren Mitarbeiter Herrn Ing.M***** vom Versteigerungstermin verständigt wurden. Der Zustellmangel erscheint somit gemäß § 186 Abs. 2 saniert."

Gegen den Zuschlag erhob die nicht verständigte Hypothekargläubigerin rechtzeitig Rekurs. Aus Anlaß des Rekursverfahrens ordnete das Rekursgericht durch das Erstgericht durchzuführende Erhebungen an. Mit Schreiben vom teilte die Rekurswerberin dem Erstgericht mit, daß die A***** eine Zweigniederlassung der in Wien bestehenden Hauptniederlassung A***** mit der Adresse *****, ist. Seitens des Hauses werde bestätigt, daß der Gesamtprokurist Ing.M***** auch bevollmächtigt war und ist, im gegenständlichen Fall selbst oder über einen Antrag mit Wirkung für die A***** als Grundbuchsgläubigerin ein Rechtsmittel zu ergreifen. Da diese Antwort dem Rekursgericht nicht ausreichend erschien, wurde die Rekurswerberin ersucht, eine ergänzende Stellungnahme darüber abzugeben, ob Ing.Hansjörg M*****, dessen Gesamtprokura auf die zu ***** des Firmenbuchs beim Landesgericht Innsbruck registrierte Zweigniederlassung ***** beschränkt sei, von seiten der Hauptniederlassung Wien bevollmächtigt worden sei, diese im Versteigerungstermin zu vertreten. Darauf antwortete die Rekurswerberin mit Schreiben vom , daß Herr Prokurist Ing.Hansjörg M***** seitens der Hauptniederlassung Wien auch bevollmächtigt wurde bzw. war, mit Wirkung für die Hauptniederlassung Wien beim Versteigerungstermin selbst oder über einen Rechtsanwalt einzuschreiten.

Das Rekursgericht wies den von der Pfandgläubigerin unter Berufung auf § 187 Abs. 1 letzter Satz EO erhobenen Rekurs als unzulässig zurück und erklärte den ordentlichen (Revisions-)Rekurs für nicht zulässig; da Ing.Hansjörg M***** als bevollmächtigter Vertreter der Pfandgläubigerin im Versteigerungstermin anwesend gewesen sei, sei der Widerspruchs- bzw. Rekursgrund des § 184 Abs. 1 Z 3 EO ungeachtet des Umstandes, daß Ing.M***** sich dem Richter gegenüber nicht als Vertreter der Pfandgläubigerin zu erkennen gegeben habe, saniert worden.

Der gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes erhobene Rekurs der Pfandgläubigerin ist zwar zulässig, weil zur Frage, ob die Anwesenheit des (Vertreters eines) dinglich Berechtigten in der Versteigerungstagsatzung die Sanierung eines Zustellmangels gemäß § 186 Abs. 2 EO auch dann bewirkt, wenn er seine Anwesenheit bzw. Vertretungsbefugnis dem Gericht nicht offenlegt, keine Rechtsprechung vorliegt; der Rekurs ist jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 187 Abs. 1 EO kann der im § 184 Abs. 1 Z 3 EO angeführte Mangel, nämlich daß nicht alle vom Versteigerungstermin zu verständigenden Personen tatsächlich verständigt wurden, innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach dem Versteigerungstermin von dem gemäß § 171 Abs. 1 EO von der Versteigerung zu verständigenden Personen auch dann mit Rekurs geltend gemacht werden, wenn sie im Versteigerungstermin nicht anwesend waren. Diese Bestimmung wurde erst durch die erste Gerichtsentlastungsnovelle RGBl. 1914 Nr. 118 in das Stammgesetz eingeführt. Die Exekutionsordnung hatte ursprünglich ein solches Rekursrecht deshalb nicht vorgesehen, weil der nach der Zuschlagserteilung bestehende Schwebezustand rasch beendet und die damit verbundene Ungewißheit über die zur Disposition hinsichtlich der Liegenschaft legitimierten Personen beseitigt werden sollte (Heller-Berger-Stix 1381; Lehmann, Zwangsversteigerung 270 unter Berufung auf die Materialien I 540 ff). Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht entgegen der Vorschrift des § 171 Abs. 1 EO der Rechtsmittelwerberin keine Ausfertigung des Versteigerungsediktes zugestellt. Dieser Gerichtsfehler hätte sowohl von Amts wegen vor Erteilung des Zuschlages berücksichtigt werden müssen, als auch nach § 184 Abs. 1 Z 3 EO einen Widerspruchsgrund gebildet. Die nicht anwesende Partei wäre durch die Möglichkeit der Erhebung des Rekurses nach § 187 Abs. 1 Schlußsatz EO geschützt gewesen. Dieser Verstoß wird aber dadurch saniert, daß dessenungeachtet die nicht geladenen Personen "im Versteigerungstermin erschienen sind oder zu demselben einen Vertreter entsendet" haben. Zunächst bestreitet die Rekurswerberin überhaupt, einen Vertreter entsendet zu haben. Eine solche Entsendung könne ihrem Schreiben vom nicht entnommen werden. Im übrigen sei ihr bei der Formulierung dieses Schreibens ein Irrtum unterlaufen. Die Erklärung vom wurde von der Rekurswerberin als Partei bzw. Beteiligte des Exekutionsverfahrens abgegeben. Es handelt sich dabei um eine Mitteilung an das Gericht, daß sie eine bestimmte prozessual wirksame Erklärung abgegeben habe (vgl. Rosenberg-Schwab, Zivilprozeßrecht14 378, nach dem derartige Erklärungen unter die Kategorie Bewirkungshandlungen-Mitteilungen fielen). Bei der Auslegung aller Parteihandlungen kommt es aber nicht auf einen etwa verborgenen Willen des Erklärenden, sondern einzig darauf an, wie die Erklärung im Augenblick ihres Zuganges unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände objektiv verstanden werden mußte (RZ 1992/8; SSV-NF 3/12;

Fasching, Lehrbuch2 Rz 757). Die Auslegungsregeln rechtsgeschäftlicher Erklärungen des bürgerlichen Rechts sind auf Prozeßerklärungen anzuwenden (Rummel in Rummel2 Rz 10 zu § 863;

Rosenberg-Schwab aaO 383). Dem Schreiben der Rekurswerberin vom war eine Anfrage des Erstgerichtes vom vorangegangen, der der Erhebungsauftrag des Rekursgerichtes vom angeschlossen war. Wenn darauf die Rekurswerberin antwortete, daß Herr Prokurist Ing.Hansjörg M***** seitens der Hauptniederlassung Wien auch bevollmächtigt wurde bzw. war, mit Wirkung für die Hauptniederlassung Wien beim Versteigerungstermin selbst oder über einen Rechtsanwalt einzuschreiten, kann daraus keineswegs der Schluß gezogen werden, sie habe nur den latenten Vorwurf ausräumen wollen, Ing.Hansjörg M***** habe vollmachtslos gehandelt. Vielmehr ergibt sich objektiv daraus eindeutig, daß die Rekurswerberin damit zum Ausdruck bringen wollte, daß Ing.Hansjörg M***** von ihr schon vor der Versteigerungstagsatzung bevollmächtigt war, für sie bei der Versteigerungstagsatzung einzuschreiten.

Abgesehen davon, daß alles, was die Rekurswerberin für einen ihr unterlaufenen Irrtum erstmals im Rekurs behauptet, schon wegen des bestehenden Neuerungsverbotes nicht beachtet werden könnte, entspricht es ständiger Rechtsprechung und Lehre, daß die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über Willensmängel auf Parteierklärungen als solche keine Anwendung finden (EFSlg. 46.945; JBl. 1976, 489; SZ 47/105; SZ 23/237 uva; Fasching aaO Rz 762; Rummel aaO; Rosenberg-Schwab aaO 389).

Es ist daher für die rechtliche Beurteilung davon auszugehen, daß die Rekurswerberin Ing.Hansjörg M***** mündlich für die Teilnahme an der Versteigerungstagsatzung in ihrem Namen bevollmächtigt hatte, dieser auch bei der Versteigerungstagsatzung erschienen war, sich dort aber nicht als Vertreter der Rekurswerberin deklariert hatte.

In rechtlicher Hinsicht trägt die Rekurswerberin vor, eine Sanierung des Zustellmangels sei deshalb nicht erfolgt, weil ihr Vertreter tatsächlich für sie nicht eingeschritten sei und mangels einer schriftlichen Vollmacht ohne Gerichtsbeschluß auch gar nicht für sie hätte einschreiten können.

Vorweg ist darauf hinzuweisen, daß es unbeachtlich ist, Ing.Hansjörg M***** habe eine im Sinn des § 180 Abs. 2 EO zum Bieten ausreichende Vollmacht nicht vorweisen können und auch der Rechtsvertreter der I***** habe eine schriftliche Vollmacht beim Versteigerungstermin nicht vorlegen können. Die Kenntnis allfälliger interessierter Bieter wird durch die Veröffentlichung des Edikts gemäß § 71 Abs. 1 EO und Verlautbarung durch die Gemeinde nach § 171 Abs. 6 EO sichergestellt. Eine Verletzung dieser Vorschrift steht unter der Sanktion des § 184 Abs. 1 Z 2 EO (vgl. Kornitzer in GZ 1915, 252). Ein Widerspruch aus diesen Gründen wurde nicht erhoben. Daß Ing.Hansjörg M***** keine zum Mitbieten für die Rekurswerberin ausreichende Vollmacht vorlegen konnte, führt noch nicht dazu, die Rekurswerberin als nicht anwesende beteiligte Hypothekargläubigerin anzusehen.

Das Gesetz knüpft an das "Erscheinen" der nicht geladenen Person zur Versteigerungstagsatzung oder an das "Entsenden" eines Vertreters dieselbe Rechtsfolge einer Sanierung des Verständigungsmangels. Liegen diese Sanierungsvoraussetzungen vor, kann die Partei nicht mehr im Sinn des § 187 Abs. 1 Schlußsatz EO als "nicht anwesend" angesehen werden. Einen Fall, daß die Partei erschienen oder einen Vertreter entsendet hat, diese Personen sich aber in der Versteigerungstagsatzung nicht deklariert und Erklärungen abgegeben haben, behandelt die Lehre nicht, eine Rechtsprechung dazu ist, soweit ersichtlich, nicht vorhanden. Die durch Art.VIII Z 24 der

1. GEN gegen die Erteilung des Zuschlages geschaffene Rekursmöglichkeit einer Person, deren im § 171 Abs. 1 EO angeordnete Verständigung unterlassen wurde, sollte zwar Härten der Urfassung mildern (Heller-Berger-Stix 1382), es sollte aber am Grundgedanken der beschränkten Bekämpfung des Zuschlages nichts geändert werden. Das Interesse des Erstehers sollte dem Interesse an der Annullierung der Versteigerung vorgehen (Koritzer aaO), der Ersteher sollte nicht auf unbestimmte Zeit hinaus der Gefahr ausgesetzt sein, daß ihm die erstandene Liegenschaft dennoch wieder entzogen werden könnte (Neumann-Lichtblau, Kommentar3 623; vgl. Klein-Engel, Der Zivilprozeß Österreich S. 537 FN 38, die die Neuregelung unter dem Gesichtspunkt verwerfen, daß "eine für den Ersteher peinliche Unsicherheit" heraufbeschworen würde); da der Zuschlag mit besonders weitreichenden Rechtswirkungen verbunden ist, verleiht ihm das Gesetz eine erhöhte Bestandsgarantie (Rechberger-Simotta, Exekutionsverfahren2 Rz 494). Der Oberste Gerichtshof hat es daher etwa als ausreichend angesehen, daß die schriftliche Vollmacht eines ohne Vorlage derselben zum Bieten zugelassenen Vertreters des späteren Erstehers auch noch im Revisionsrekursstadium gegen den den Zuschlag versagenden Beschluß des Rekursgerichtes nachgereicht werden kann (SZ 57/80). Ausgehend von dieser dem Gesetz selbst zu entnehmenden Interessenabwägung muß als Erschienener, entsendeter Vertreter, Anwesender jeder angesehen werden, der als Partei oder deren Vertreter zur Versteigerungstagsatzung gekommen ist (so Walker, Österreichisches Exekutionsrecht4 213), gleichgültig, ob er sich dort als solcher deklariert und rechtsverbindliche Erklärungen abgegeben hat. Daß Ing.Hansjörg M***** eine schriftliche Vollmacht nicht hätte vorweisen können, vermag zu keiner anderen Beurteilung zu führen, da davon auszugehen ist, daß der Richter, der den Zustellmangel erkannt hatte, den Vertreter der Rekurswerberin nach § 38 ZPO zugelassen hätte. Ob Ing.Hansjörg M***** über die Widerspruchsmöglichkeiten belehrt wurde, ist ebenfalls unbeachtlich, da die Rekurswerberin ohnedies nur das Vorliegen des Widerspruchsgrundes nach § 184 Abs. 1 Z 3 EO behauptet, die mangelnde Belehrung selbst hätte keinen tauglichen Widerspruchsgrund gebildet (ZBl. 1933/345; Heller-Berger-Stix 1340).

Mit Recht hat somit das Rekursgericht den zufolge Sanierung des Zustellmangels und Unterlassung eines Widerspruchs in der Versteigerungstagsatzung unzulässigen Rekurs der Pfandgläubigerin gegen die Zuschlagserteilung zurückgewiesen.

Die Rekurskostenentscheidung beruht auf den §§ 78 EO, 50, 40 ZPO.