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OGH vom 20.05.2020, 4Ob59/20k

OGH vom 20.05.2020, 4Ob59/20k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen 1) N***** P*****, geboren am *****, und 2) S***** P*****, geboren am *****, wohnhaft bei ihrer Mutter M***** P*****, wegen Durchsetzung einer Kontaktregelung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters K***** P*****, gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt als Rekursgericht vom , GZ 20 R 9/20b-37, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Ehe der Eltern der beiden Kinder im Alter von 15 und 12 Jahren wurde im Oktober 2017 im Einvernehmen geschieden. Die Eltern vereinbarten die beiderseitige Obsorge bei hauptsächlicher Betreuung der Kinder im Haushalt der Mutter; zudem regelten sie die Kontakte des Vaters zu den Kindern. Im Oktober 2018 modifizierten die Eltern die Kontaktregelung, weil der Vater nach Wien übersiedelte. In der letzten Zeit lehnt der Vater die Ausübung der Kontakte zu den Kindern ab, weshalb es zu keinen persönlichen Kontakten zwischen ihm und den Kindern mehr gekommen ist. Die Kinder haben nach wie vor den autonomen Wunsch, den Vater regelmäßig zu sehen. Die Verweigerungshaltung des Vaters ist für die Kinder abträglich und gefährdet das Kindeswohl. Eine Erziehungsberatung ist dazu geeignet, dem Vater seine Erziehungsverantwortung näher zu bringen und ihn in seiner Vaterrolle zu stärken.

Im vorliegenden Verfahren stellten die Kinder den Antrag, den Vater zur Einhaltung der Kontaktregelung durch Anordnung geeigneter Maßnahmen zu verhalten.

Das Erstgericht erteilte dem Vater den Auftrag, eine Elternberatung im Ausmaß von zehn Stunden in Anspruch zu nehmen; zudem wies es darauf hin, dass die Kontaktregelung nötigenfalls zwangsweise durchgesetzt werde. Im Anlassfall stehe fest, dass die Verweigerungshaltung des Vaters das Kindeswohl gefährde. Die angeordnete Maßnahme sei daher gerechtfertigt.

Das bestätigte diese Entscheidung. Mit dem KindNamRÄG 2013 sei das Vetorecht des nicht betreuenden Elternteils gegen die Ausübung persönlicher Kontakte zum Kind in § 108 AußStrG beseitigt worden. Daraus folge, dass die Festsetzung persönlicher Kontakte des Kindes zum nicht betreuenden Elternteil und die Vollstreckung der Kontaktregelung auch gegen den Willen dieses Elternteils nunmehr zulässig sei. Bei Gegenüberstellung der wechselseitigen Interessen sei im Anlassfall aufgrund der Kindeswohlgefährdung den Interessen der Kinder klar der Vorzug zu geben. Die Entscheidung des Erstgerichts sei daher nicht zu beanstanden.

In seinem außerordentlichen Revisionsrekurs vertritt der Vater die Ansicht, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen mit den Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zu 6 Ob 2398/96g und 7 Ob 345/99g nicht im Einklang stünden. Bei ernstlicher Verweigerung der Kontaktausübung durch den nicht betreuenden Elternteil könnten persönliche Kontakte zu den Kindern nicht durchgesetzt werden. Das Gleiche gelte für eine aufgezwungene Erziehungsberatung. Für die kinderpsychologische Beurteilung der Frage nach dem Kindeswohl hätte ein Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen.

Rechtliche Beurteilung

Damit zeigt der Vater keine erhebliche Rechtsfrage auf:

1. Auch im Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren gilt, dass ein vom Rekursgericht verneinter oder im Rekurs nicht geltend gemachter Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens im Sinn des § 66 Abs 1 Z 2 AußStrG vor dem Obersten Gerichtshof grundsätzlich nicht mehr geltend gemacht werden kann, außer dies würde dem Kindeswohl widersprechen, was hier gerade nicht der Fall ist (vgl 4 Ob 71/18x). Auch die Frage, ob zur Gewinnung der erforderlichen Feststellungen noch weitere Beweise notwendig sind, kann grundsätzlich nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden, weil es sich dabei um einen Akt der Beweiswürdigung handelt (10 Ob 32/16b).

2. Die vom Vater zur Frage der Durchsetzung der persönlichen Kontakte zu den Kindern ins Treffen geführte Judikatur bezieht sich auf die alte Rechtslage vor dem KindNamRÄG 2013. Nach dieser alten Rechtslage war die Durchsetzung einer Regelung der persönlichen Kontakte gegen den Willen des nicht mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebenden Elternteils nicht zulässig.

Mit dem KindNamRÄG 2013 ist jedoch im bisherigen § 108 AußStrG („Lehnt ein Minderjähriger, der das vierzehnte Lebensjahr bereits vollendet hat, oder ein nicht mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebender Elternteil ausdrücklich die Ausübung des persönlichen Verkehrs ab, …“) die Wendung „oder ein nicht mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebender Elternteil“ entfallen. Gleichzeitig wurde in § 110 Abs 2 AußStrG normiert, dass Regelungen, die die persönlichen Kontakte betreffen, auch gegen den Willen des Elternteils durchzusetzen sind, der mit dem Minderjährigen nicht im gemeinsamen Haushalt lebt.

Aufgrund dieser eindeutigen gesetzlichen Regelung ist geklärt, dass sowohl eine Festsetzung als auch eine Durchsetzung persönlicher Kontakte des nicht betreuenden Elternteils zum Kind auch gegen den Willen dieses Elternteils zulässig ist.

3. Mit dem vom Vater bekämpften Beschluss wurde ihm eine unterstützende Maßnahme im Sinn des § 107 Abs 3 AußStrG aufgetragen. Gegen das Vorliegen der formellen Voraussetzungen für eine solche Anordnung wendet sich der Vater zu Recht nicht. Der Art nach handelt es sich beim vorliegenden Verfahren um ein solches auf zwangsweise Durchsetzung der bestehenden Kontaktregelung nach § 110 AußStrG. Auch im Zusammenhang mit einem solchen Verfahren kommen unterstützende Maßnahmen nach § 107 Abs 3 AußStrG in Betracht (vgl dazu 4 Ob 225/16s). Davon abgesehen haben die Vorinstanzen unbekämpft festgehalten, dass die Verweigerungshaltung des Vaters das Kindeswohl gefährdet. In einem solchen Fall können unterstützende Maßnahmen, wie die hier in Rede stehenden, auch als gelindere Mittel im Sinn des § 181 ABGB angeordnet werden, ohne dass die Voraussetzungen des § 107 Abs 3 AußStrG gegeben sein müssten (vgl dazu 4 Ob 216/19x).

4. Insgesamt gelingt es dem Vater mit seinen Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00059.20K.0520.000

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