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OGH vom 12.06.2012, 4Ob59/12y

OGH vom 12.06.2012, 4Ob59/12y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Betroffenen C***** K*****, geboren ***** 1990, *****, vertreten durch das Vertretungsnetz-Sachwalterschaft, Wels, Fabrikstraße 12, als besonderer Sachwalter gemäß § 131 AußStrG, infolge Revisionsrekurses ihrer Mutter W***** K*****, als der bestellten Sachwalterin zur Erteilung der Zustimmung der Maßnahme der Sterilisation, vertreten durch Mag. Clemens Krabatsch, Rechtsanwalt in Wels, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom , GZ 21 R 293/11d 64, womit infolge Rekurses des besonderen Sachwalters gemäß § 131 AußStrG sowie der bestellten Sachwalterin zur Erteilung der Zustimmung der Maßnahme der Sterilisation der Beschluss des Bezirksgerichts Wels vom , GZ 4 P 178/08x 49, teilweise bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antrag der Rechtsmittelwerberin auf Kostenersatz im Revisionsrekursverfahren wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

C***** K***** (in der Folge: Tochter) leidet seit ihrer Geburt an Trisomie 21 und befindet sich sprachlich, intellektuell und im Verhaltensbereich auf dem Niveau eines dreijährigen Kindes. Sie lebt im gemeinsamen Haushalt mit ihren Eltern, der von der Mutter (zugleich bestellte Sachwalterin zur Erteilung der Zustimmung der Maßnahme der Sterilisation) geführt wird. Tagsüber wird sie in einer Tagesheimstätte betreut, wo sie täglich etwa vier Stunden in einer Glaswerkstatt arbeitet. In der Tagesheimstätte hat sie sich in einen Mann verliebt, der ebenfalls behindert ist. Sie tauscht mit ihm Umarmungen und Küsse aus.

Der übliche Tagesablauf der Tochter beginnt mit der Betreuung durch die Mutter zwischen etwa 5:45 Uhr und 7:30 Uhr. Danach wird sie mit einem besonderen Transportdienst zur geschützten Werkstätte geführt. An vier Tagen in der Woche kommt sie um 16:00 Uhr mit dem Transportdienst nach Hause, am Donnerstag schon zwei Stunden früher. Ab der Ankunft zu Hause bis zum Einschlafen um etwa 21:00 Uhr bedarf sie der kompletten Außensteuerung und Versorgung durch die Mutter; insbesondere benötigt sie Hilfe beim An- und Auskleiden, bei der Körperpflege sowie beim Gang zur Toilette. Da die Tochter zum Weglaufen neigt und vorgegebene Zeitpunkte nicht einhalten kann, muss sie ständig durch eine Begleitperson versorgt werden.

Aus psychiatrischer Sicht besteht eine hochgradige Intelligenzminderung im Rahmen des Morbus Down. Sie ist nicht in der Lage, irgendwelche Angelegenheiten für sich zu erledigen. Es fehlt ihr vollständig die Einsichts und Urteilsfähigkeit im Zusammenhang mit der Einwilligung zu medizinischen Maßnahmen.

Aus internistischer Sicht besteht zwar ein Übergewicht, davon abgesehen ist sie gesund und leidet an keiner Herz Kreislauf Erkrankung oder einer anderen schweren Stoffwechselstörung. Übergewichtige Personen besitzen ein bis zu sechsfach erhöhtes Risiko für eine Schwangerschaftskrankheit, doch stünden allenfalls eintretende Komplikationen einer Schwangerschaft nicht mit dem Down Syndrom in Zusammenhang. Eine Gewichtsreduktion wäre der Tochter zumutbar.

Aus gynäkologischer Sicht besteht eine Gefahr für das Leben der Tochter im Fall einer Schwangerschaft lediglich dadurch, dass diese den Beginn einer Schwangerschaft nicht richtig einschätzen könnte und daher eventuell auftretende Komplikationen zu spät bemerken würde. Eine Bedrohung der körperlichen Gesundheit stellt die zu erwartende Gewichtszunahme dar; auch das Risiko für das Auftreten einer Präklampsie (Schwangerschaftshypertonie) ist bei der Tochter deutlich höher als im Normalkollektiv einzuschätzen, woraus sich ein mitunter lebensbedrohliches Risiko ergibt. Eine Geburt wäre schwer zu führen und nur mittels Kaiserschnitts in Vollnarkose möglich. Frauen mit Down Syndrom sind grundsätzlich normal fruchtbar. Als geeignete Verhütungsmethode kommt für die Tochter die Antibabypille in Betracht, die allerdings täglich von der jeweils betreuenden Person verabreicht werden muss.

Im März 2010 wurde die Mutter gemäß § 268 ABGB zur Sachwalterin für ihre Tochter bestellt, wobei die zu besorgende Angelegenheit mit Erteilung der Zustimmung zur Maßnahme der Sterilisation bestimmt wurde. Die Sachwalterin erteilte ihre Zustimmung zur Maßnahme der Sterilisation und beantragte, diese Zustimmung gerichtlich zu genehmigen. Zum besonderen Sachwalter gemäß § 131 AußStrG zur Vertretung im Verfahren über die gerichtliche Genehmigung der Zustimmung zur Maßnahme der Sterilisation hat das Erstgericht das Vertretungsnetz-Sachwalterschaft bestellt. Das Erstgericht holte zwei gynäkologische und ein internistisches Gutachten ein.

Der besondere Sachwalter nach § 131 AußStrG sprach sich nach Vorliegen der Gutachten gegen eine gerichtliche Genehmigung der Zustimmung zur Sterilisation aus. Die Tochter sei derzeit zu keiner Tageszeit unbeobachtet und unbeaufsichtigt. Bei lebensnaher Betrachtung sei die Möglichkeit einer Empfängnis praktisch ausgeschlossen. Sollte die Tochter nicht mehr im Elternhaus wohnen können, müsste sie in einer voll betreuten Einrichtung leben und erhielte auch dort Unterstützung bei einer möglichen Empfängnisverhütung. Da bei der Tochter kein dauerhaftes körperliches Leiden bestehe, das bei Eintritt einer Schwangerschaft zu einer ernsten Gefahr für ihr Leben oder zu einer schweren Schädigung ihrer Gesundheit führen würde, lägen die Voraussetzungen einer Empfängnisverhütung durch Herbeiführung der dauernden Fortpflanzungsunfähigkeit iSd § 284 ABGB nicht vor.

Das Erstgericht sprach aus, von einer gerichtlichen Ersetzung der verweigerten Zustimmung des besonderen Sachwalters zur Sterilisation der Tochter abzusehen (erster Absatz des Spruchs) und wies den Antrag der Sachwalterin auf gerichtliche Genehmigung der Maßnahmen der Sterilisation bei der Tochter ab (zweiter Absatz des Spruchs). Eine Sterilisation sei nur in ganz engen und klar definierten Grenzen zulässig, dies gelte auch für Personen mit einer geistigen Behinderung. Eine Zustimmung des besonderen Sachwalters könne nur in jenen Fällen erfolgen, in denen aufgrund eines dauerhaften körperlichen Leidens eine Gefahr für das Leben oder der schweren Schädigung der Gesundheit der behinderten Person bestehe, worunter etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder schwere Stoffwechselstörungen fielen. Die Gefahr müsse durch den Eintritt einer Schwangerschaft hervorgerufen werden, und es dürfe keine alternative Möglichkeit bestehen, die Schwangerschaft und die damit einhergehende Gefahr auf andere Art und Weise mit ausreichender Sicherheit zu verhindern. Der vom Gericht bestellte besondere Sachwalter habe im Anlassfall keine Zustimmung zu einer Sterilisation erteilt. Das Pflegschaftsgericht habe sich grundsätzlich auf die Genehmigung oder Nichtgenehmigung der Zustimmung des besonderen Sachwalters zu beschränken. Nur wenn durch die nicht erteilte Zustimmung das Wohl der behinderten Person gefährdet sei, könne das Gericht die Zustimmung ersetzen. Dafür bestehe hier keine Veranlassung, da das Wohl der Tochter nicht gefährdet sei. Die Verhütung einer Schwangerschaft bei ihr könne durch andere Mittel als die Sterilisation, etwa durch Verabreichung der Pille, gewährleistet werden. Da die Tochter unter ständiger Beobachtung stehe und auch in Zukunft stehen müsse, sei die Einnahme der Pille als gelinderes Mittel zumutbar. Eine dadurch bewirkte mögliche Gewichtszunahme gefährde das Wohl der Tochter nicht.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Sachwalterin nicht Folge und dem Rekurs des besonderen Sachwalters gemäß § 131 AußStrG dahin Folge, dass der erste Absatz des angefochtenen Beschlusses ersatzlos zu entfallen habe; es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. § 284 ABGB enthalte ein „zivilrechtliches Verbot“ der Sterilisation behinderter Personen, sofern diesen die erforderliche Einsichts und Urteilsfähigkeit fehle. Während die Sterilisation Minderjähriger generell unzulässig sei (§ 146d ABGB), könne der Sachwalter einer solchen medizinischen Maßnahme bei einer behinderten Person dann mit Genehmigung des Gerichts zustimmen, wenn wegen eines dauerhaften körperlichen Leidens (in Betracht kämen nach den Materialien bestimmte Herz Kreislauf Erkrankungen und schwere Stoffwechselstörungen) eine ernste Gefahr für das Leben oder einer schweren Beeinträchtigung der Gesundheit der behinderten Person durch Schwangerschaft oder Geburt bestehe. Eine einsichts und urteilsfähige behinderte Person könne in eine Sterilisation nur selbst einwilligen. Die Zustimmung des Sachwalters zu einer auf dauernde Fortpflanzungsunfähigkeit abzielende Maßnahme sei nur zulässig, wenn ohne diese Maßnahme durch den Eintritt einer Schwangerschaft die ernste und konkrete, sich mit hoher Wahrscheinlichkeit realisierende Gefahr eines dauerhaften körperlichen Leidens entweder für das Leben der behinderten Person oder einer schweren Schädigung ihrer Gesundheit bestünde; dies sei nach den Lebensverhältnissen und -gewohnheiten der behinderten Person und nach ihrem Alter und ihrem Gesundheitszustand zu beurteilen. Zusätzlich sei zu verlangen, dass die „Gefahrenquelle Schwangerschaft“ nicht auf andere Art und Weise mit ausreichender Sicherheit verhindert werden könne, so etwa der Möglichkeit effektiver Alternativmethoden der Empfängnisverhütung, wie Kontrazeptiva oder sexualpädagogische Maßnahmen. Abzustellen sei nicht auf eine bloß abstrakte Gefahr einer Schwangerschaft, weil eine solche vorbehaltlich medizinisch begründeter Ausnahmen in jedem Fall bestehe. Es seien vielmehr ernst zu nehmende und konkrete Anhaltspunkte dafür zu fordern, dass es ohne die Maßnahme und mangels geeigneter Verhütungsmöglichkeiten zu einer Schwangerschaft komme; das bloße Interesse der behinderten Person am anderen Geschlecht und an Körperkontakt sei nicht ausreichend. Der Eintritt einer Schwangerschaft müsse lebensnah betrachtet wahrscheinlich sein, ohne dass ein besonderer Grad an Wahrscheinlichkeit gefordert sei.

Im Verfahren über die Genehmigung der Zustimmung zu einer medizinischen Maßnahme, die eine dauernde Fortpflanzungsunfähigkeit der betroffenen Person zum Ziel habe, sei gemäß § 131 AußStrG zu deren Vertretung ein besonderer Sachwalter zu bestellen, der bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen der beantragten Maßnahme zustimmen könne. Im Genehmigungsverfahren dürfe der Pflegebefohlene nicht durch den Sachwalter vertreten werden, der die Maßnahme zuvor selbst beantragt bzw dieser zugestimmt habe.

Zusammenfassend bedürfe es daher für die gerichtliche Genehmigung der Durchführung einer Sterilisation folgender Voraussetzungen: a) mangels Einsichts und Urteilsfähigkeit der betroffenen Person sei in einem den allgemeinen Erfordernissen eines Sachwalterbestellungsverfahrens entsprechenden Verfahren ein Sachwalter zur Erteilung der Zustimmung der Maßnahme der Sterilisation zu bestellen. b) Dieser müsse seine Zustimmung zur Maßnahme erklären und die gerichtliche Genehmigung hiezu beantragen. c) Im durch diesen Genehmigungsantrag einzuleitenden Verfahren nach § 131 AußStrG über die Genehmigung der Zustimmung zur Sterilisation sei ein besonderer Sachwalter zur Vertretung im Genehmigungsverfahren zu bestellen, dessen Stellung der eines Verfahrenssachwalters nach § 119 AußStrG vergleichbar sei und dessen Wirkungsbereich auf die Vertretung der betroffenen Person im Verfahren nach § 131 AußStrG eingeschränkt sei. d) Dieser besondere Sachwalter habe nicht die Zustimmung zur Sterilisation zu erteilen (eine solche Zustimmung des bereits bestellten Sachwalters sei ja erst die Voraussetzung für eine Einleitung eines Verfahrens auf pflegschaftsbehördliche Genehmigung der Zustimmung), sondern es sei im Verfahren lediglich zu klären, ob die bereits erteilte Zustimmung pflegschaftsgerichtlich genehmigt werde. Dies folge aus dem Wortlaut des § 131 AußStrG, welche Bestimmung vom „Verfahren über die Genehmigung der Zustimmung“ spreche, welche Formulierung eine bereits erteilte Zustimmung voraussetze.

Nach den Feststellungen sei nicht auszuschließen, dass sich die Tochter und ihr Freund in der Tagesheimstätte an einen unbeobachteten Ort zurückziehen könnten und dort ein Geschlechtsverkehr stattfinden könnte; Anhaltspunkte dafür fehlten, dass ihre Behinderung einem Vollzug des Geschlechtsverkehrs entgegenstehe. Das Erstgericht habe aber den Antrag auf Genehmigung der Zustimmung zur Sterilisation zutreffend deshalb abgewiesen, weil alternative Methoden der Schwangerschaftsverhütung zur Anwendung kommen könnten. Dem Einwand der Sachwalterin, für den Fall einer Infektion oder einer Durchfallerkrankung sei die Pille nur sehr eingeschränkt wirksam, sei zu entgegnen, dass es in den genannten Situationen, die die Wirksamkeit der Antibabypille herabsetzen könnten, zu einer strengeren Überwachung der Tochter kommen müsse, um in diesen vermutlich nicht all zu häufig vorkommenden Zeiträumen einen Geschlechtsverkehr zu verhindern. Zwar gewährleiste die Einnahme der Antibabypille keine ausnahmslose Sicherheit vor einer Schwangerschaft, das verbleibende Restrisiko rechtfertige aber eine Sterilisation nicht. Gleiches gelte für die Gefahr einer Gewichtszunahme, zumal die Tochter aus internistischer Sicht gesund sei und ihr eine Reduktion des Körpergewichts möglich wäre. Da die Tochter ohnehin einer intensiven Betreuung beim Ankleiden, bei der Nahrungsaufnahme und der Körperhygiene bedürfe, wäre auch bei einer Unterbringung außerhalb des Haushalts ihrer Eltern sichergestellt, dass die jeweilige Betreuungsperson die Einnahme der Pille überwachen könne. Da somit im konkreten Fall eine Schwangerschaft auch durch gelindere Mittel, nämlich die Antibabypille, verhindert werden könne, lägen die Voraussetzungen einer Sterilisation nicht vor. Berechtigt sei hingegen der Rekurs des besonderen Sachwalters gemäß § 131 AußStrG. Da sich dessen Funktion auf die Vertretung der betroffenen Person im Verfahren über die beantragte pflegschaftsbehördliche Genehmigung der Zustimmung des ursprünglich bestellten Sachwalters beschränke, bleibe für eine Zustimmung des besonderen Sachwalters zur Sterilisation bzw eine gerichtliche Ersetzung dieser Zustimmung kein Raum. Der erste Absatz des Spruchs der angefochtenen Entscheidung habe deshalb ersatzlos zu entfallen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Sachwalterin ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Der Oberste Gerichtshof hält die Begründung des Rekursgerichts für zutreffend und verweist darauf (§ 71 Abs 3 AußStrG).

2.1. § 284 ABGB lautet:

Der Sachwalter kann einer medizinischen Maßnahme, die eine dauernde Fortpflanzungsunfähigkeit der behinderten Person zum Ziel hat, nicht zustimmen, es sei denn, dass sonst wegen eines dauerhaften körperlichen Leidens eine ernste Gefahr für das Leben oder einer schweren Schädigung der Gesundheit der behinderten Person besteht. Ebenso kann der Sachwalter einer Forschung, die mit einer Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit der behinderten Person verbunden ist, nicht zustimmen, es sei denn, die Forschung kann für deren Gesundheit oder Wohlbefinden von unmittelbarem Nutzen sein. Die Zustimmung bedarf in jedem Fall einer gerichtlichen Genehmigung.

2.2. § 131 AußStrG lautet:

Im Verfahren über die Genehmigung der Zustimmung zu einer medizinischen Maßnahme, die eine dauernde Fortpflanzungsunfähigkeit der betroffenen Person zum Ziel hat, hat das Gericht zu deren Vertretung einen besonderen Sachwalter zu bestellen. Das Gericht hat dem Verfahren zwei voneinander unabhängige Sachverständige beizuziehen.

3. § 284 ABGB übernimmt für das Sachwalterrecht das „zivilrechtliche Verbot“ ( Hopf/Weitzenböck , Schwerpunkte des KindRÄG 2001, ÖJZ 2001, 533) der fremdbestimmten Sterilisation des § 146d ABGB bei Minderjährigen. Im Gegensatz zu Minderjährigen kann eine insoweit einsichts und urteilsfähige behinderte Person selbst sehr wohl einwilligen ( Weitzenböck in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 284 Rn 1).

4. § 284 ABGB kennt eine sehr eng umschriebene Ausnahme. Würde der (wahrscheinliche und auf andere Art und Weise etwa durch Kontrazeptiva nicht mit ausreichender Sicherheit zu verhindernde) Eintritt einer Schwangerschaft eine ernste Gefahr für das Leben oder eine schwere Schädigung der Gesundheit einer behinderten Person bedeuten, kann ein (mit diesem Wirkungskreis bestellter) Sachwalter einer Sterilisation zustimmen, sofern diese Gefahr aufgrund eines dauerhaften körperlichen Leidens besteht. Im Gesetzwerdungsprozess wurden als Beispiele dafür aus Fachkreisen bestimmte Herz/Kreislauferkrankungen und schwere Stoffwechselstörungen genannt. Das Vorhandensein einer psychischen Erkrankung, aber auch allfällige psychische Folgen der Schwangerschaft, der Geburt oder einer absehbaren Unfähigkeit zur Betreuung des Kindes durch die Mutter selbst genügen nicht (vgl RV 296 BlgNR 22. GP 30f und 81; vgl auch Barth/Dokalik in Barth/Ganner , Handbuch des Sachwalterrechts² 211)

5. Die Materialien zum KindRÄG 2001 betonen unmissverständlich, dass ausgehend von einer grundsätzlichen Zulässigkeit einer derartigen Maßnahme aufgrund von verfassungsrechtlichen Erwägungen in sehr engen Grenzen in der angesprochenen Frage die „strengsten denkbaren Lösungen“ in das Gesetz einfließen sollten (RV 296 BlgNr 21. GP 30; Huter , Zur Sterilisation einer behinderten Person, RdM 2008, 164, 169).

6.1. Im nach § 131 AußStrG durchzuführenden Verfahren über die Genehmigung der Zustimmung zu einer medizinischen Maßnahme, die eine dauernde Fortpflanzungsunfähigkeit der betroffenen Person zum Ziel hat, ist insbesondere zur Vermeidung von Befangenheiten des bestellten Sachwalters aufgrund des engen Kontakts zur betroffenen Person ( Zankl/Mondel in Rechberger , AußStrG § 131 Rz 2) vom Pflegschaftsgericht ein „besonderer Sachwalter“ zu bestellen, dessen Wirkungskreis die Vertretung der behinderten Person in diesem Verfahren umfasst.

6.2. Im Anlassfall hat die für die Tochter bestellte Sachwalterin der Sterilisation bereits zugestimmt und einen entsprechenden Antrag auf gerichtliche Genehmigung gestellt. Da somit ein verfahrenseinleitender Antrag des bestellten Sachwalters vorliegt, kommt es im Genehmigungsverfahren auf eine weitere (formale) Zustimmung des besonderen Sachwalters zur beantragten Maßnahme nicht an.

7.1. Das Rekursgericht hat den Beschluss des Erstgerichts, mit dem der Antrag der Sachwalterin auf Genehmigung der Sterilisation abgewiesen worden ist, mit zutreffender Begründung bestätigt. Der beantragte Eingriff in das Persönlichkeitsgrundrecht der Tochter ist schon aus verfassungsrechtlichen Erwägungen unzulässig, sofern nicht das gelindeste Mittel zur Anwendung gelangt. Nur wenn die Gefahr eines dauerhaften körperlichen Leidens der Betroffenen besteht, kann ein mit entsprechendem Wirkungskreis ausgestatteter Sachwalter bei Vorliegen aller in § 284 ABGB genannten Tatbestandsvoraussetzungen der Sterilisationsmaßnahme zustimmen, wobei die genannte Gefahr durch den Eintritt einer Schwangerschaft hervorgerufen werden muss und die Schwangerschaft nicht auf andere Weise mit ausreichender Sicherheit verhindert werden kann.

7.2. Nach den Umständen des Anlassfalls ist den Vorinstanzen zuzustimmen, dass eine Schwangerschaft der Tochter mit hoher Wahrscheinlichkeit durch kontrollierte Einnahme von Kontrazeptiva verhindert werden kann. Damit kommt eine gerichtliche Zustimmung zu einer Sterilisation als einschneidende medizinische Maßnahme im Hinblick auf die engen Grenzen des § 284 ABGB nicht in Betracht.

7.3. Die von der Sachwalterin ins Treffen geführte Entscheidung 1 Ob 735/77 = SZ 50/161 beruht auf einer überholten Gesetzeslage. Ihrem weiteren Argument, auch bei Beachtung aller Sorgfalt könne die Einnahme eines Kontrazeptivum vergessen werden, allein eine Sterilisation biete unbegrenzte Sicherheit vor einer Schwangerschaft, ist entgegenzuhalten, dass ein dauerhafter Empfängnisschutz als eigentliches Ziel der Sterilisation in ein bis zwei Prozent der Fälle trotz sachgerechter Durchführung der Operation nicht erreicht wird (Bundesministerium für Gesundheit, https://www.gesundheit.gv.at/Portal.Node/ghp/public/content/Sterilisation_der_Frau_HK.html). In die gebotene Prüfung des gelindesten Mittels ist im Übrigen auch einzubeziehen, dass die beantragte Sterilisation wie jeder medizinische Eingriff mit Komplikationen verbunden sein kann.

8. Dem Revisionsrekurs ist ein Erfolg zu versagen.

9. Die voranstehenden Erwägungen lassen sich in folgender Weise zusammenzufassen:

§ 284 ABGB übernimmt für das Sachwalterrecht das „zivilrechtliche Verbot“ der fremdbestimmten Sterilisation des § 146d ABGB bei Minderjährigen. Der vom Gesetz sehr eng umschriebene Ausnahmetatbestand erfordert die Gefahr eines dauerhaften körperlichen Leidens des Betroffenen, die durch den Eintritt einer Schwangerschaft hervorgerufen werden muss; darüber hinaus darf die Schwangerschaft nicht auf andere Weise mit ausreichender Sicherheit verhindert werden können.

Im nach § 131 AußStrG durchzuführenden Verfahren über die Genehmigung der Zustimmung zu einer medizinischen Maßnahme, die eine dauernde Fortpflanzungsunfähigkeit der betroffenen Person zum Ziel hat, ist vom Pflegschaftsgericht ein „besonderer Sachwalter“ zu bestellen, dessen Wirkungskreis die Vertretung der behinderten Person in diesem Verfahren umfasst. Liegt bereits ein verfahrenseinleitender Antrag des bestellten Sachwalters vor, kommt es im Genehmigungsverfahren auf eine weitere (formale) Zustimmung des besonderen Sachwalters zur beantragten Maßnahme nicht an.

10. Ein Kostenzuspruch kommt nach dem in § 78 Abs 2 Satz 1 AußStrG enthaltenen Erfolgsprinzip grundsätzlich nur in kontradiktorischen Verfahren in Betracht, die der Durchsetzung oder Abwehr widerstreitender Parteiinteressen dienen (vgl Klicka in Rechberger , AußStrG § 78 Rn 2; vgl auch RIS Justiz RS0120750). Diese Voraussetzung ist in einem Verfahren nicht gegeben, das die gerichtliche Genehmigung der Zustimmung des Sachwalters einer behinderten Person zur Maßnahme der Sterilisation zum Gegenstand hat. In einem derartigen Verfahren haben nämlich sowohl der Sachwalter der behinderten Person als auch der besondere Sachwalter nach § 131 AußStrG die Interessen des Betroffenen zu vertreten.