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OGH vom 24.05.2018, 7Ob50/18f

OGH vom 24.05.2018, 7Ob50/18f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. G***** I*****, und 2. D***** I*****, beide vertreten durch Mag. Gerald Griebler, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. L***** OG, *****, vertreten durch die Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, und 2. B***** AG, *****, vertreten durch die Dr. Wolfgang Vanis Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen Rechtsunwirksamerklärung von Vergleichen, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 168/17h-26, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 17 Cg 75/15i-21, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Verfügungen über den Gegenstand einer Zwangsverwaltung sind nur relativ unwirksam (RIS-Justiz RS0002823 [T4]) und zudem nur der Betreibenden gegenüber, soweit sich die Verfügungen zu deren Nachteil auswirken (6 Ob 101/15v; RIS-Justiz RS0002823 [T1]; RS0004007).

Betreibende des Zwangsverwaltungsverfahrens, das im Zeitpunkt des Abschlusses des nunmehr angefochtenen Vergleichs im Jahr 2002 anhängig war, war aber die Zweitbeklagte (vgl schon 9 Ob 10/10a und 6 Ob 101/15v), die am Vergleich festhält. Die Revision zeigt nicht auf, warum die sich auf diese Rechtsprechung stützende Rechtsansicht der Vorinstanzen unvertretbar wäre, wonach sich die Kläger für ihre Vergleichsanfechtung nicht auf einen Verstoß gegen §§ 109, 112 EO berufen können.

1.2. Gegenstand des Zwangsverwaltungsverfahrens war nur die Frage, ob ein Zwangsverwalter zu bestellen ist.

Von einer Nichtigkeit der angefochtenen Entscheidung wegen entschiedener Sache kann keine Rede sein.

2. Nach § 42 Abs 2 MRG ist, sofern auf den Mietvertrag die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes Anwendung finden, jede Verfügung über Mietzinse für Mietgegenstände in Gebäuden durch Abtretung, Anweisung, Verpfändung oder durch ein anderes Rechtsgeschäft ohne rechtliche Wirkung.

Mit dem Vergleich aus 2002 wurde nicht über die Hauptmietzinsforderungen zweckwidrig verfügt, sondern diese wurden zur teilweisen Abgeltung der Schäden der Zweitbeklagten aus der Errichtung der Tiefgarage herangezogen und somit durch Aufrechnung getilgt (6 Ob 101/15v). Eine erhebliche Rechtsfrage zeigen die Kläger auch in diesem Zusammenhang nicht auf.

3.1. Wucher iSd § 879 Abs 2 Z 4 ABGB liegt vor, wenn 1. ein auffallendes Missverhältnis zwischen dem Wert der Leistung und der Gegenleistung besteht, 2. der durch das Geschäft Begünstigte dieses Missverhältnis kennt, und 3. bei dem durch das Geschäft Benachteiligten gewisse Verhältnisse oder Eigenschaften vorhanden sind, die ihn hindern, sein Interesse gehörig zu wahren; fehlt nur eine dieser Voraussetzungen, unterliegt ein Geschäft nicht der Beurteilung als wucherisch (RISJustiz RS0016864). Die Rechtsfolge der Unwirksamkeit eines Vertrags wegen Wuchers setzt daher neben dem auffallenden Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung die mangelnde Wahrungsmöglichkeit der Äquivalenz durch den Bewucherten wegen Leichtsinns, Zwangslage, Verstandesschwäche, Unerfahrenheit oder Gemütsaufregung sowie die Ausnützung der Lage des Bewucherten durch den Wucherer voraus (RISJustiz RS0016861). Wucher erfordert als objektives Merkmal eine grobe, leicht erkennbare Äquivalenzstörung, wobei die gesamten beiderseitigen Leistungswerte in ein Verhältnis zu setzen sind (RIS-Justiz RS0016947). Auffallend ist das Missverhältnis der Leistungswerte dann, wenn die Gegenleistung den Wert der Leistung bedeutend übersteigt, ohne dass die Übermäßigkeit durch besondere Umstände des Falls, etwa die Gewagtheit des Geschäfts, sachlich gerechtfertigt wäre (RISJustiz

RS0104128); bloßes Fehlen der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit reicht nicht aus (RISJustiz RS0104128 [T1]). Auch Vergleiche, in denen sich der eine Teil übermäßig hohe Leistungen und Verzichte versprechen oder gewähren lässt, können wegen Verstoßes gegen § 879 ABGB nichtig sein (RISJustiz RS0016909, RS0014757 [T5]). Bei der Bewertung von Leistung und Gegenleistung in einem Abfindungsvergleich muss das Prozessrisiko einkalkuliert werden (RISJustiz RS0023765).

Eine Zwangslage ist dann anzunehmen, wenn der Vertragsgegner vor die Wahl gestellt ist, in den Vertrag einzutreten oder einen Nachteil zu erleiden, der nach vernünftigem Ermessen schwerer wiegt, als der wirtschaftliche Verlust, den der Vertrag zur Folge hat (RIS-Justiz RS0104125). Die Zwangslage, die eine Anfechtung wegen Wuchers rechtfertigt, kann auch nur vorübergehend, psychisch oder vermeintlich sein und in Befürchtungen bestehen (RIS-Justiz RS0016878 [T1]). Das Tatbestandsmerkmal der Ausbeutung setzt voraus, dass der Wucherer zu seiner Bereicherung eine Lage benützt, die er nicht geschaffen haben muss, die ihm aber ebenso wie das Missverhältnis von Leistungen und Gegenleistungen bewusst ist oder hätte bewusst sein müssen (RIS-Justiz RS0016894). „Ausbeuten“ kann somit auch fahrlässig erfolgen (RIS-Justiz RS0104129). Zusammengefasst muss der Wucherer die Lage des Bewucherten und das grobe Missverhältnis der Leistungen gekannt haben oder er hätte sie zumindest erkennen müssen (vgl 7 Ob 89/17i mwN).

Dass die Voraussetzungen des § 879 Abs 2 Z 4 ABGB vorliegen, insbesondere ein auffallendes, also grobes und leicht erkennbares Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, hat der Anfechtende zu behaupten und zu beweisen (vgl 6 Ob 281/00t = RISJustiz RS0016912 [T2]). Es ist seine Sache, den Verkehrswert der Vertragsleistungen und Umstände darzutun, nach denen dem Beklagten ein Missverhältnis der Werte der Leistungen mindestens bekannt sein musste, insbesondere durch Angabe des von ihm erwarteten Gewinnes aus dem Geschäft (vgl RISJustiz RS0016915 [T2]). Die bloße Behauptung, dass Leistung und Gegenleistung in einem auffallenden Missverhältnis stünden, reicht nicht aus (RISJustiz RS0016915 [T3]; vgl

RS0016520).

3.2. Ob die Voraussetzungen des § 879 Abs 2 Z 4 ABGB vorliegen, ist eine Frage des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0016861 [T1]).

Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist ebenfalls regelmäßig eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung ebenso wenig erhebliche Bedeutung zukommt wie der Frage, ob das bisher erstattete Vorbringen so weit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht beziehungsweise wie weit ein bestimmtes Vorbringen einer Konkretisierung zugänglich ist (vgl RIS-Justiz RS0042828).

3.3. Die Revision zeigt nicht auf, dass die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach die Kläger der ihnen obliegenden Darlegungslast nicht nachgekommen sind, eine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung wäre.

Nach der Rechtsprechung muss bei einer Anfechtung eines Generalvergleichs wie hier, mit dem unter anderem eine große Zahl anhängiger Gerichtsverfahren verglichen wurde, in Ansehung der einzelnen wechselseitigen Ansprüche behauptet und bewiesen werden, dass das Vergleichsergebnis insgesamt ein offenkundiges, also für die Parteien leicht erkennbares Missverhältnis bedeutet; dazu hätten die Anfechtenden zumindest einen Überblick über die Art und die Höhe der jeweiligen prozessverfangenen Ansprüche sowie ihre Durchsetzbarkeit, also ihre Erfolgsaussichten in den einzelnen Verfahren, geben und die wechselseitigen Ansprüche auch beziffern müssen (vgl 6 Ob 281/00t). Von den Beklagten wurden die Kläger bereits in erster Instanz ausdrücklich auf ihre insofern unzulänglichen Parteibehauptungen hingewiesen.

3.4. Den Ausführungen des Berufungsgerichts, dass die Kläger auch die ihnen aus dem Vergleich zufließenden Vorteile in Ansehung der durch den Vergleich ermöglichten Errichtung der Tiefgarage nicht den gesetzlichen Anforderungen gemäß behauptet und konkret beziffert haben, setzt die Revision ebenfalls nichts entgegen. Deren Auffassung, dass es an der Zweitbeklagten gelegen wäre, ihre Ansprüche konkret zu beziffern, geht nicht von der oben dargestellten Rechtsprechung aus.

3.5. Darauf, ob die anderen Anfechtungsvoraussetzungen vorliegen, kommt es damit nicht mehr an.

4.1. Auf die Abweisung des gegen die Zweitbeklagte gerichteten Begehrens in Ansehung einer ebenfalls angefochtenen Vereinbarung aus 2010 aus dem Grund, dass diese nicht deren Partei war, kommt die Revision nicht zurück.

4.2§ 1351 ABGB regelt die Akzessorietät von Bürgschaft, Schuldübernahme und Schuldbeitritt; dass es sich bei der Vereinbarung aus 2010 um keinen dieser Fälle handelt, hat schon das Berufungsgericht ausgeführt, ohne dass die Revision eine Fehlbeurteilung aufzeigt.

5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00050.18F.0524.000

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