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OGH vom 23.06.2009, 3Ob50/09p

OGH vom 23.06.2009, 3Ob50/09p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei S***** AG, *****, vertreten durch Dr. Günther Maleczek und Mag. Dr. Paula Stecher, Rechtsanwälte in Schwaz, gegen die verpflichtete Partei Friedrich R*****, vertreten durch Dr. Johannes Klausner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 268.168,13 EUR sA, über den Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 1 R 9/09v-83, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Schwaz vom , GZ 4 E 3659/04i-77, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird dahin Folge gegeben, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die betreibende Partei ist schuldig, der verpflichteten Partei die mit 2.585,34 EUR (darin 430,89 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

In dem gegen den Verpflichteten am bewilligten Zwangsversteigerungsverfahren wurde dessen Liegenschaft (ein geschlossener Hof) mit Beschluss vom dem Meistbietenden um das Meistbot von 670.000 EUR mit dem Vorbehalt zugeschlagen, dass der Zuschlag erst nach Vorliegen eines entsprechenden Bescheids der Grundverkehrsbehörde [nach § 24 Abs 1 oder § 25 Abs 1] oder entsprechender Erklärung nach § 10 Abs 2 TirGVG rechtswirksam werde.

Die Berufung des Meistbietenden gegen die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung blieb ebenso erfolglos wie dessen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

Mit Beschluss vom (ON 70) ordnete das Erstgericht die erneute Versteigerung nach § 20 TirGVG für den an.

Die betreibende Partei beantragte schließlich mit Schriftsatz vom (ON 73) die Einstellung der Exekution nach § 200 Z 3 EO. Der Verpflichtete sprach sich dagegen aus.

Das Erstgericht wies den Antrag mit der wesentlichen Begründung ab, dass der in § 200 Z 3 EO normierte Zeitpunkt verstrichen sei.

Das Gericht zweiter Instanz wies den Rekurs des Meistbietenden („Erstehers") zurück.

Dagegen gab es dem Rekurs der betreibenden Partei dahin Folge, dass es die Exekution durch Zwangsversteigerung gemäß § 200 Z 3 EO einstellte. Dazu sprach es aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Zwar sehe die angeführte Norm vor, dass der betreibende Gläubiger „vor Beginn der Versteigerung" von der Fortsetzung der Exekution „absieht", was ein Unterfall des § 39 Abs 1 Z 6 EO sei, hier seien aber die besonderen Vorschriften des Tiroler Grundverkehrsgesetzes (TirGVG) zu beachten. Denen zufolge sei der seinerzeitige Zuschlag nur unter Vorbehalt zu erteilen und nur unter den in jenem Gesetz festgelegten Voraussetzungen für rechtswirksam zu erklären gewesen (§ 183 Abs 1 letzter Satz EO). Das Rekursgericht folge mangels gegenteiliger Judikatur der von Angst (in Angst, EO § 183 Rz 18) vertretenen Auffassung, es könne die Einstellung des Exekutionsverfahrens in solchen Fällen noch bis zur Wirksamerklärung des Zuschlags angeordnet bzw bewilligt werden.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zuzulassen, weil eine auf die besondere Konstellation des Falls abstellende Judikatur nicht auffindbar gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der ordentliche Revisionsrekurs des Verpflichteten, der dazu auch legitimiert ist, ist zulässig, weil - wie im Rechtsmittel zu Recht geltend gemacht wird - keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage vorliegt, ob die Einstellung nach § 200 Z 3 EO noch bis zu(m Beginn) der erneuten Versteigerung iSd § 19 Abs 3 iVm § 20 TirGVG zulässig ist. Er ist auch im Sinn der Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichts berechtigt.

1. Wie der Verpflichtete zutreffend darlegt, kann ihm als Partei weder die Legitimation zur Bekämpfung der vom Rekursgericht verfügten Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens iSd § 200 Z 3 EO noch die dadurch bewirkte materielle Beschwer abgesprochen werden. Im gegen ihn geführten Exekutionsverfahren wurde bereits ein Zuschlag (aufschiebend bedingt durch die Erfüllung der grundverkehrsrechtlichen Zuschlagsvoraussetzungen) erteilt. Für den Fall, dass die nunmehr angeordnete erneute Versteigerung nicht zu einem Erfolg (im Sinn zumindest eines wirksamen Anbots eines Bieters) führt, ist nämlich nach dem auf Art 8 der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern nach Art 15a B-VG über zivilrechtliche Bestimmungen betreffend den Verkehr mit Baugrundstücken (BGBl 1993/260 - BaugruV) beruhenden § 20 Abs 7 TirGVG der Zuschlag an den im ersten Verfahren Meistbietenden für wirksam zu erklären, auszufertigen und zu verlautbaren. Darauf weist der Verpflichtete zu Recht hin. Ihm, der sich schon in erster Instanz gegen die Einstellung ausgesprochen hatte, kann nicht eingewendet werden, er habe durch diesen Akt ausschließlich einen (materiellen) Vorteil, weil nämlich durch diesen Beschluss die Chance, mit dem - von ihm offenbar als günstig angesehenen - Meistbot, das der Ersteher bei Eintritt der dargelegten Umstände zu entrichten hätte, die betriebene (oder vorrangige) Forderungen gegen ihn in diesem Ausmaß zu tilgen, zunichte gemacht würde (ähnlich schon SZ 10/41). Im Übrigen sind aber die von ihm weitwendig dargestellten Nebenumstände des Falls (wie laufendes Zwangsverwaltungsverfahren, Alter und Gesundheitszustand des Verpflichteten, drohender Verlust von Landwirtschaftsförderung etc) nicht entscheidungswesentlich; eine Überprüfung, inwieweit damit auch gegen das Neuerungsverbot verstoßen wird, erübrigt sich daher schon aus diesem Grund.

Für eine Beschwer des Verpflichteten kann auch ins Treffen geführt werden, dass ihm als Partei das Recht zuzugestehen ist, die Durchsetzung der noch darzustellenden Zwecke zu bewirken, die der Befristung des Einstellungsantrags nach § 200 Z 3 EO (mit Beginn der Versteigerung) zugrunde liegen. Sie richtet sich ua gegen ein unredliches Einwirken des betreibenden Gläubigers auf den Gang der Versteigerung und soll auch verhindern, dass dieser die Liegenschaft billig erstehen kann, was klarerweise auch gegen die Interessen des Verpflichteten (so auch die ErläutRV) verstieße.

2. Nach § 200 Z 3 EO, der seit der EO-Novelle 2000 durch ein Klammerzitat als Fall der Einstellung im Sinn des § 39 Abs 1 Z 6 letzter Fall EO definiert ist, kann die Einstellung nur auf bis zum Beginn der Versteigerung gestellten Antrag (im Gesetz bezeichnet als Erklärung, „von der Exekution abzustehen" [nicht wie im angefochtenen Beschluss „abzusehen"]) des betreibenden Gläubigers verfügt werden. Der genaue Zeitpunkt, der damit gemeint ist (Aufforderung zum Bieten oder Beginn des Bietens; s dazu etwa Angst in Angst, EO² § 200 Rz 12; Breinl in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO § 200 Rz 9, je mwN), spielt im vorliegenden Fall keine Rolle. Fraglich ist vielmehr, ob die Bewilligung der erneuten Versteigerung im Sinn des § 19 Abs 3 TirGVG (entsprechend Art 7 Abs 3 BaugruV) bewirkt, dass ungeachtet des Umstands, dass bereits eine Versteigerung stattgefunden hat, die Einstellungsmöglichkeit nach § 200 Z 3 EO (und die zwecks Vermeidung von Umgehungen gleich zu behandelnde nach § 39 Abs 1 Z 6 letzter Fall EO; zutreffend Angst aaO) wieder gegeben sein soll. Das ist entgegen der Ansicht des Gerichts zweiter Instanz aus nachstehenden Gründen zu verneinen:

3. Dessen Berufung auf Angst (EO1 § 187 Rz 18 Punkt 7. [nunmehr ebenso in EO²]) trägt nicht, weil dessen Kommentierung nicht zu entnehmen ist, auf den Zeitpunkt der Erklärung (des Antrags) des betreibenden Gläubigers käme es nicht an. Zwar lehrt dieser ganz allgemein, dass der Beschluss über die Einstellung der Exekution so lange zulässig ist, bis der Verpflichtete sein Eigentum verloren hat (EO² § 200 Rz 2). Auch an der zuletzt angegebenen Stelle weist er aber in der Folge darauf hin, dass in verschiedenen Fällen (wie auch bei dem hier vorliegenden Fortsetzungsverzicht) der Einstellungsantrag bis zum Beginn der Versteigerung gestellt werden muss. Nur unter dieser Voraussetzung kann dann auch der Einstellungsbeschluss noch bis zur Zuschlagserteilung gefasst werden (zu denken wäre also etwa an den Fall, dass dem die Verhandlung leitenden Richter der rechtzeitige Antrag erst während laufender Versteigerung zur Kenntnis gebracht wird). Im Anwendungsbereich der (meisten) Landesgrundverkehrsgesetze (so nach dem hier maßgeblichen TirGVG) bedeutet die Erteilung des Zuschlags unter Vorbehalt (nach § 183 Abs 1 vierter Satz EO;§ 19 Abs 1 TirGVG) eine aufschiebende Bedingung (Breinl/Zbiral in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO § 183 Rz 5). Daraus folgt auch ein aufschiebend bedingter Eigentumserwerb des Erstehers und damit ein ebensolcher Eigentumsverlust des Verpflichteten (3 Ob 162/06d). Auch wenn - was hier nicht weiter zu verfolgen ist - in einem solchen Fall grundsätzlich die Einstellung des Verfahrens vorerst noch zulässig wäre, gälte das eben bei Erklärungen nach § 200 Z 3 EO nur dann, wenn schon diese (bzw der Einstellungsantrag) rechtzeitig abgegeben (gestellt) würde. Gegenteiliges kann den Ausführungen Angsts (an der oben bei Beginn des Punktes 3. angegebenen Stelle) nicht entnommen werden.

4. Das vom Rekursgericht erzielte Ergebnis wäre demnach nur dann zu billigen, wenn die endgültige Versagung des Zuschlags (rückwirkend) die Präklusion der Erklärung (des Antrags) des betreibenden Gläubigers nach § 200 Z 3 EO mit dem Beginn der Versteigerung wieder beseitigen würde. Das ist aber aus nachstehenden Erwägungen nicht der Fall:

Die erneute Versteigerung nach § 20 TirGVG ist regelmäßig nicht den Regeln über die Wiederversteigerung (§§ 154 ff EO; s dazu 3 Ob 112/02w) unterworfen. Nur für den Fall, dass die grundverkehrsbehördliche Genehmigung schon deshalb nicht erwirkt wird, weil der präsumptive Ersteher den erforderlichen Antrag nicht fristgerecht gestellt hat, gelten nach § 20 Abs 8 TirGVG diese Regeln, besonders jene über die Haftung des säumigen Erstehers für den Ausfall nach § 155 EO (3 Ob 112/02w; Angst aaO § 183 Rz 12). Diese Regelung ist somit eine Sanktion für ein Versäumnis des Meistbietenden; auf andere Gründe, aus denen die Genehmigung scheitert, kann sie daher nicht ausgedehnt werden. Abgesehen davon ist hier nicht zu prüfen, ob wegen der Geltung von § 20 Abs 7 TirGVG auch im Sonderfall für die Frage der Befristung des Abstehens von der Versteigerung nicht dasselbe zu gelten hätte wie für die erneute Versteigerung aus anderen Gründen.

Während durch die Rechtskraft der Anordnung der Wiederversteigerung die ursprüngliche Versteigerung ihre Wirksamkeit verliert (§ 154 Abs 2 zweiter Satz EO), gibt es eine vergleichbare Norm für die erneute Versteigerung im TirGVG (oder der EO) nicht. Zu berücksichtigen ist, dass im Übrigen gerade wegen der eingeschränkten Wirkung des Zuschlags unter Vorbehalt die regelmäßige Folge der Anordnung der Wiederversteigerung (Rückfall des Eigentumsrechts an den Verpflichteten: Angst aaO § 154 Rz 6; Neumayr in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO § 154 Rz 32, je mwN) nicht eintreten kann.

Bleibt aber die erste Versteigerung samt vorbehaltenem Zuschlag von der Anordnung der erneuten Versteigerung (jedenfalls vorerst) unberührt, dann findet die Annahme, das Verfahren trete gleichsam in ein Stadium vor den Bietbeginn bei der ersten Versteigerung zurück, keine gesetzliche Stütze. Vielmehr zeigt gerade § 20 Abs 5 und 7 TirGVG, worauf sich der Verpflichtete zu Recht beruft, dass der erste Zuschlag so lange aufrecht bleiben muss, bis in der erneuten Versteigerung ein gültiges Anbot gestellt wird. In beiden Fällen (keine fristgerechten Ansuchen nach Abs 3 oder 4 leg cit bzw keine Bieter oder keine gültigen Anbote in der Tagsatzung) ist nämlich nach § 20 Abs 7 TirGVG der Zuschlag an den im ersten Verfahren Meistbietenden für wirksam zu erklären, auszufertigen und zu verlautbaren (sowie die Grundverkehrsbehörde davon zu verständigen). Daraus ist abzuleiten, dass die ursprüngliche Versteigerung ihre Wirkung zunächst keineswegs verliert, vielmehr sogar unter den dargestellten Umständen zu einem wirksamen Zuschlag iSd EO führt, also auch zum sofortigen Eigentumserwerb (RIS-Justiz RS0002863; Angst aaO § 156 Rz 2 mwN) des Meistbietenden in der ersten Versteigerung.

Dieses Ergebnis kann schließlich auch, wie im Revisionsrekurs zutreffend dargelegt wird, mit teleologischen Erwägungen untermauert werden. Die Befristung für das Abstehen von der Fortsetzung der Exekution nach § 200 Z 3 EO beruht auf einer bewussten Festlegung der Verfasser der EO. Diese wollten einen Rücktritt des Exekutionsführers ab dem Zeitpunkt ausschließen, in dem einmal die Versteigerung begonnen wurde:

„Es muss eine feste Grenze gesteckt werden, um einem willkürlichen und möglicherweise auch unredlichen Einwirken auf den Gang der Versteigerung abzuwehren. Der Gläubiger, welcher die Liegenschaft selbst billig in seinen Besitz bekommen will, könnte von der Versteigerung zurücktreten, sobald er einen seinen Wünschen widersprechenden Verlauf derselben voraussehen zu können glaubt. Damit würde die unbeschränkte Verfügungsfreiheit leicht zum Schaden des Verpflichteten und der sonstigen Beteiligten ausschlagen, indem günstige Verkaufschancen vereitelt, unnütze Kosten verursacht werden u. s. f." (ErläutRV zur EO 200 f = Materialien zu den Zivilprozessgesetzen I 538).

Daraus ist abzuleiten, dass es nur auf die Möglichkeit ankommt, dass der betreibende Gläubiger den Ausgang der Versteigerung beeinflusst. Diese Gefahr besteht gerade auch im Fall einer erneuten Versteigerung nach § 19 Abs 3 TirGVG, weil auch und gerade in diesem der betreibende Gläubiger schon weiß, welches Meistbot zum Zug kommt, wenn die erneute Versteigerung zu keinem neuen Anbot eines berechtigten Interessenten führt. Vergleichbar wäre, wenn der Betreibende in der Versteigerungstagsatzung unmittelbar nach der letzten vernehmlichen Bekanntmachung des höchsten Gebots (§ 181 Abs 3 EO) die Erklärung nach § 200 Z 3 EO abgäbe. In beiden Fällen würde wegen der mit der Einstellung verbundenen Aufhebung sämtlicher Exekutionsakte (§ 39 Abs 1 EO) das bisherige Meistbot endgültig hinfällig. Somit könnte, folgte man der Rechtsansicht des Rekursgerichts, im vorliegenden Fall der betreibende Gläubiger genau den vom Gesetz verpönten Eingriff in den Ablauf der - wegen des erfolglosen Verfahrens über die grundverkehrsbehördliche Genehmigung besonders langwierigen - Versteigerung nehmen. Daraus folgt:

Die rechtskräftige Anordnung einer erneuten Versteigerung nach § 19 Abs 3 TirGVG hat nicht zur Folge, dass der betreibende Gläubiger wiederum bis zum Beginn der Versteigerung nach § 200 Z 3 EO von der Exekution abstehen könnte.

Die Einstellung des Exekutionsverfahrens aufgrund eines erst nach der ersten Versteigerung gestellten Antrags entbehrt daher einer gesetzlichen Grundlage.

Demnach ist dem Revisionsrekurs des Verpflichteten Folge zu geben und die den Einstellungsantrag abweisende Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich angesichts des zwischen den Parteien über die Einstellung entstandenen Zwischenstreits auf § 78 EO iVm §§ 50, 41 ZPO. Der begehrte ERV-Zuschlag steht bei einem auf dem Postweg eingebrachten Rechtsmittel nicht zu.