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OGH vom 30.03.2004, 4Ob59/04m

OGH vom 30.03.2004, 4Ob59/04m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Johann Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. I***** Handels Gesellschaft mbH, 2. Ernst R*****, wegen Unterlassung (Streitwert 35.000 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 1.000 EUR), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 1 R 9/04g-6, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 19 Cg 198/03v-2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin erzeugt und vertreibt Magnetfeld-Geräte in Österreich. Sie verkauft ihre Produkte an Großkunden und an Letztverbraucher. Nach den Angaben in der Klage hat das erstbeklagte Unternehmen, das in Österreich Magnetfeldsysteme (Magnetfeldtherapiegeräte) vertreibt, seinen Sitz in Dornbirn, wo auch der Zweitbeklagte wohnt.

Mit ihrer beim Handelsgericht Wien eingebrachten und mit einem Sicherungsantrag verbundenen Klage begehrt die Klägerin, den Beklagten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Laien näher angeführte Magnetfeldtherapiegeräte zur häuslichen Eigenanwendung über ihre Internet-Homepage mit der Domain "www.i*****.at" mittels eines auf dieser Homepage aufrufbaren Bestellformulars zum Kauf anzubieten, wenn auf diesem Formular nicht darauf hingewiesen wird, dass Magnetfeldtherapiegeräte zur Eigenanwendung an Laien gemäß § 2 Magnetfeldtherapiegeräteverordnung nur auf Grund einer ärztlichen Verschreibung abgegeben werden dürfen; die Klägerin stellt weiters ein Begehren auf Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung. Zur Zuständigkeit verwies die Klägerin auf § 51 Abs 2 Z 10 JN iVm § 83c Abs 1 JN. Das Internet als neue Form der Kommunikation werde auch zu Zwecken des Wettbewerbs benutzt. Die wettbewerbsrechtlichen Vorschriften seien grundsätzlich auch auf die Aktivitäten in diesem neuen Werbemedium anzuwenden. Durch das von der Klägerin beanstandete Verhalten trete der Schaden überall dort ein, wo die Website der Beklagten aufgerufen werden könne, weil es durch den Aufruf und die damit verbundene Kenntnisnahme der Bestellmöglichkeit zu der von der Klägerin behaupteten wettbewerbswidrigen Handlung komme. Das Internet sei dabei als Ausland iSd § 83c Abs 3 JN anzusehen, weil der für den Betrieb einer Homepage notwendige Speicherraum auf jedem dafür geeigneten Computer weltweit gemietet werden könne. Werde im Internet eine wettbewerbswidrige Handlung vorgenommen und richte sich diese Handlung (auch) an inländische Internetnutzer, so sei jedes sachlich zuständige inländische Gericht auch örtlich zuständig. Das Bestellformular sei am in Wien auf der Homepage der Erstbeklagten aufgerufen und ausgedruckt worden.

Das Erstgericht wies die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit zurück. Der Sitz der Beklagten befinde sich nicht im Sprengel des Erstgerichts; dass die Beklagte dort eine Niederlassung besitze, sei nicht behauptet worden. Der Gerichtsstand des Begehungsorts komme nur bei Unternehmen in Frage, die in Österreich weder Sitz noch Niederlassung hätten.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt zulässig sei. Beide Streitteile hätten ihren Sitz im Inland, weshalb ausschließlich § 83c Abs 1 JN zur Anwendung komme. Danach sei das für den Sitz der Beklagten zuständige Landesgericht Feldkirch örtlich zuständig. Die Auffassung der Klägerin, das Internet (Cyberspace) sei Ausland iSd § 83c Abs 3 JN, weil es sich hiebei um eine künstliche, von Computern erzeugte kybernetische Welt handle, sei abzulehnen. Nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-101/01 - Lindqvist sei das Internet (in der dortigen Fallgestaltung) dem Ausland nicht gleichzuhalten. Daraus folge, dass der bloß subsidiäre Gerichtsstand des Begehungsorts gem § 83c Abs 3 JN auf den gegenständlichen Fall nicht anwendbar sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Kläger vertritt die Ansicht, § 83c Abs 3 JN sei lex specialis zu § 83c Abs 1 JN und komme immer dann zur Anwendung, wenn die gesetzwidrige Handlung durch den Inhalt von vom Ausland abgesendeten Schriften oder Druckwerken bewirkt werde. Im Anlassfall sei das Bestellformular wettbewerbswidrigen Inhalts im Internet aufrufbar. Das Internet sei ein "Ausland höherer Stufe", das zwar nicht betreten, in dem aber wettbewerbswidrig gehandelt werden könne. Dazu ist zu erwägen:

Gemäß § 83c Abs 1 JN ist für Klagen ua wegen unlauteren Wettbewerbs (§ 51 Abs 2 Z 10 JN) gegen Personen, deren Unternehmen sich im Inland befindet oder die mit Rücksicht auf ihre Tätigkeit bei einem im Inland befindlichen Unernehmen in Anspruch genommen werden, ausschließlich das Gericht zuständig, in dessen Sprengel dieses Unternehmen (allenfalls bei mehreren Niederlassungen: die Hauptniederlassung oder die von der Handlung betroffene Zweigniederlassung) liegt. In Ermangelung eines Unternehmens im Inland richtet sich die Zuständigkeit nach dem allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten, fehlt ein solcher, kommt es auf den (inländischen) Aufenthaltsort des Beklagten, bei Unbekanntheit eines solchen darauf an, wo die beanstandete Wettbewerbshandlung begangen wurde. Letzteres ist, wie § 83c Abs 3 JN erläutert, bei aus dem Ausland abgesandten Druckschriften überall dort der Fall, wo solche Schriften im Inland eingelangt sind oder verteilt wurden.

§ 83c Abs 3 JN bringt eine mit Abgrenzungsregeln der inländischen Gerichtsbarkeit vermischte Erweiterung der örtlichen Zuständigkeit (Fasching LB² Rz 292). Aus dem systematischen Aufbau dieser Sonderbestimmung ist klar abzuleiten, dass sie nur den (subsidiär zuständigkeitsbegründenden) Begehungsort für den Fall näher bestimmt, dass der Beklagte im Inland weder seinen allgemeinen Gerichtsstand noch seinen Aufenthalt hat; § 83c Abs 3 JN schafft aber keinen - der Klägerin vor Augen stehenden - Gerichtsstand für ein inländisches Unternehmen, mag diese auch die dort näher beschriebenen Begehungshandlungen zu vertreten haben (in diesem Sinn wohl auch Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht³ § 35 Rz 6 und Mayr in Rechberger, ZPO² § 83c JN Rz 3).

Beide Beklagten haben nach dem für die Zuständigkeitsprüfung allein maßgeblichen Vorbringen in der Klage (§ 41 Abs 2 JN) ihren allgemeinen Gerichtsstand im Inland. Damit können sie - wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben - schon allein aus diesem Grund dem Gerichtsstand des § 83c Abs 3 JN nicht unterliegen, ohne dass es noch weiter darauf ankäme, ob sie eine der dort näher beschriebenen Verletzungshandlungen zu verantworten haben.

Dem Revisionsrekurs kann kein Erfolg beschieden sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO.