OGH vom 23.11.2004, 5Ob257/04m

OGH vom 23.11.2004, 5Ob257/04m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Ing. Herbert N*****, und 2.) Rosa N*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Erich Proksch, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Waltraud E*****, wegen Wiederherstellung (Streitwert EUR 4.360,37), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom , GZ 18 R 30/04x-100, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Mödling vom , GZ 4 C 1753/98t-74, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 399,74 (darin enthalten EUR 66,62 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Mit Beschluss vom (ON 103) hat zwar das Berufungsgericht (ausgehend von einem Wert des Entscheidungsgegenstandes von jeweils mehr als EUR 4.000, insgesamt jedoch weniger als EUR 20.000) in Abänderung eines ursprünglich gegenteiligen Ausspruchs die Anrufung des Obersten Gerichtshofes zugelassen, doch liegen die hiefür in § 502 Abs 1 ZPO normierten Voraussetzungen aus folgenden Gründen nicht vor:

Die Liegenschaften der Streitteile sind benachbart. An der gemeinsamen Grundstücksgrenze steht eine Mauer, die den Klägern gehört. Zur Straße hin sind beide Grundstücke ebenfalls durch Mauern begrenzt (nach den Feststellungen der Vorinstanzen handelt es sich um Teile der alten Stadtmauer), die den Eigentümern der dahinter liegenden Grundstücke gehören (von der Straße her gesehen links den Klägern, rechts der Beklagten) und am Ende der erstgenannten Mauer aufeinanderstoßen.

Die Beklagte ließ ihre bereits einsturzgefährdete Grenzmauer sanieren. Der von ihr beauftragte Restaurator stellte im Zuge dieser Arbeiten eine kraftschlüssige Verbindung der drei aufeinanderstoßenden Mauern her, um die Mauern der Kläger (insbesondere die bereits rissige, instabile Grenzmauer zwischen den Liegenschaften der Streitteile) nicht zu gefährden. Der dadurch entstandene Mauerpfeiler lässt optisch die straßenseitige Mauer der Beklagten breiter erscheinen; aus statisch konstruktiver Sicht hat er die Mauer(n) der Kläger wesentlich verbessert.

Die Kläger sehen in den Sanierungsarbeiten der Beklagten (der Art ihrer Ausführung) einen unzulässigen Eingriff in ihr Eigentum. Sie haben deshalb eine Klage mit dem Begehren erhoben, die Beklagte schuldig zu erkennen, "den ursprünglichen Zustand an der Adresse ... wiederherzustellen, nämlich die Mauer wieder zu errichten."

In der letzten mündlichen Streitverhandlung des langwierigen Verfahrens stellten die Kläger das Eventualbegehren,

a) die Beklagte sei schuldig, "die Außenfassade der (straßenseitigen) Mauer, soweit sie sich auf dem Grundstück der Kläger befindet, so zu gestalten, dass eine deutliche Trennung zwischen der Fassade der Beklagten und der Fassade der Kläger und damit die Grenze zwischen den beiden Grundstücken ersichtlich wird";

b) weiters habe die Beklagte "die Kläger bei Bauführungen in diesem Bereich insoweit schad- und klaglos zu halten, dass durch die Entfernung der Bewehrung Schäden an der Mauer der Beklagten entstehen".

Als Rechtsgrund dieser Begehren haben die Kläger erkennbar die Freiheit ihres Eigentums (§ 523 ABGB) und den Titel des Schadenersatzes geltend gemacht. Auf Einzelheiten ihres Vorbringens wird - soweit erforderlich - noch zurückzukommen sein. Beide Vorinstanzen haben das Haupt- und die beiden Eventualbegehren der Kläger abgewiesen. Der Grund, warum das Berufungsgericht nachträglich die Anrufung des Obersten Gerichtshofes für zulässig erklärte, betrifft das erste der beiden Eventualbegehren. Das Berufungsgericht unterstellte nämlich, dass die Kläger gar nicht behauptet hätten, vor den Baumaßnahmen der Beklagten wäre (straßenseitig) eine deutliche Trennung der Grenze zwischen den Grundstücken der Streitteile erkennbar gewesen. Tatsächlich hatten die Kläger ein Lichtbild aus dem Jahr 1989 vorgelegt, das die straßenseitigen Grenzmauern in unterschiedlicher Höhe zeigt (jene der Kläger ist höher als die der Beklagten) und in der mündlichen Streitverhandlung am vorgebracht, "der ursprünglich getrennte Zustand der alten Mauer und der angebauten Mauer sei nicht wiederhergestellt worden". Deshalb, so meinte das Berufungsgericht, solle dem Höchstgericht im Interesse der Rechtssicherheit die Möglichkeit zur Korrektur einer Entscheidung gegeben werden, "die allenfalls zu Unrecht ein relevantes Parteivorbringen unberücksichtigt ließ".

Damit wird jedoch keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt. Auch die in der Revision zu diesem Thema vorgebrachten Argumente rechtfertigen keine Anrufung des Obersten Gerichtshofes. Sie lassen sich im Wesentlichen so zusammenfassen, dass die Kläger meinen, der jetzige Pfeiler sei zur Sanierung (Wiederherstellung) der Mauer der Beklagten bei gleichzeitiger Erhaltung der Mauern der Kläger nicht notwendig gewesen, sondern ein "Aliud"; eine derart willkürliche Maßnahme verletzte ihr absolut geschütztes Eigentumsrecht.

Mit dieser Argumentation setzen sich die Kläger nicht nur über die Tatsache hinweg, dass der Beklagten bzw dem von ihr beauftragten Restaurator bescheinigt wurde, lege artis gehandelt und wesentlich zur Verbesserung der Stabilität der Mauern der Kläger (insbesondere der Grenzmauer zwischen den Grundstücken der Streitteile) beigetragen zu haben; sie lassen vor allem die von ihnen zwar bekämpfte, vom Berufungsgericht aber ausdrücklich als richtig bestätigte Feststellung unberücksichtigt, dass die straßenseitigen Mauern der Streitteile (aus den vorigen Jahrhunderten stammende Teile der alten Stadtmauer) schon vor der Sanierung miteinander verbunden, nämlich bündig in einem hergestellt waren (ON 74, 8 und ON 100, 9, 11). Die beiden Mauern waren also einander dienstbar iSd § 487 ABGB. Folgerichtig war die Beklagte nicht nur berechtigt, sondern sogar dazu verpflichtet, anlässlich der Sanierung ihrer Mauer wieder eine kraftschlüssige Verbindung zur Mauer der Kläger herzustellen. Dass sie dazu keinen Beitrag der Kläger verlangte (§§ 483, 487 ABGB), kann ihr nicht zum Nachteil gereichen. Die Art, wie sie im beiderseitigen Interesse eine kraftschlüssige Verbindung der aufeinanderstoßenden Mauern herstellen ließ, wurde von den Vorinstanzen im Anschluss an das Gutachten des Sachverständigen als zweckdienlich beurteilt; ob auch andere (das Eigentum der Kläger schonendere) Möglichkeiten bestanden hätten, die notwendigen Sanierungs- und Erhaltungsarbeiten durchzuführen, ist eine Frage des Einzelfalls, die von den Vorinstanzen in einer zumindest vertretbaren Weise gelöst wurde und daher keine Anrufung des Obersten Gerichtshofes rechtfertigt. Auch die Beurteilung unter schadenersatzrechtlichen Gesichtspunkten wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf. Dass "optisch" (von der Straße her gesehen) die Mauer der Beklagten (und damit ihr Grundstück) breiter (größer) wirkt als früher, ist, wie schon die Vorinstanzen erkannt haben, für sich allein kein Schaden, der ein Begehren auf eine andere Gestaltung der Mauer zur (Wieder-)Ersichtlichmachung der Grenze rechtfertigten könnte. Das Verfahren hat auch keinerlei Anhaltspunkte dafür erbracht, dass aus der geänderten Optik Grenzstreitigkeiten entstehen könnten. Damit fehlt aber der vom Berufungsgericht als möglicherweise fehlerhaft eingestandenen Unterstellung, die Kläger hätten nie vorgebracht, dass die straßenseitige Mauer in ihrer ursprünglichen Ausgestaltung die Grenze zwischen den Grundstücken der Streitteile deutlich erkennen ließ, jegliche Entscheidungsrelevanz. An den Obersten Gerichtshof können aber nur entscheidungswesentliche Rechtsfragen herangetragen werden.

Alle übrigen in der vorliegenden Revision angesprochenen Rechtsfragen haben die Vorinstanzen im Einklang mit der Judikatur bzw - soweit ein Beurteilungsspielraum bestand - in vertretbarer Weise gelöst. Die Meinung der Revisionswerber, dass mit der Forderung nach einer "Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands nämlich die Mauer wieder zu errichten" ohnehin den Bestimmtheitserfordernissen des Begehrens einer Schadenersatz- bzw Eigentumsfreiheitsklage entsprochen worden sei, lässt die Tatsache unberücksichtigt, dass damit bei wörtlicher Auslegung verlangt würde, die Grenzmauer zwischen den Grundstücken der Streitteile wieder in einen Zustand der Instabilität zu versetzten, die bereits zu einem vertikalen Riss im Mauerwerk geführt hatte (ON 74, 8). Da die Wiederherstellung sowohl nach schadenersatzrechtlichen Gesichtspunkten als auch nach § 523 ABGB die Aspekte der Tunlichkeit zu berücksichtigen hat und deshalb nur die Herstellung einer dem früheren Zustand vergleichbaren Lage verlangt werden kann (vgl jüngst 5 Ob 143/04x mwN), was die Beklagte ohnehin angestrebt hat, indem sie eine auch die Interessen der Kläger wahrende kraftschlüssige Verbindung aller aufeinanderstoßenden Mauern herstellen ließ, wäre es Sache der Kläger gewesen, konkret darzulegen, was sie geändert haben wollen. Die Annahme der Vorinstanzen, sie hätten das nicht mit ausreichender Bestimmtheit getan, hält sich im Rahmen einer vertretbaren und damit irreversiblen Auslegung des Prozessvorbringens (vgl 3 Ob 1622/92 = RZ 1994, 138/45 uva).

Keine aus Gründen der Rechtssicherheit zu korrigierende Rechtsansicht der Vorinstanzen ist schließlich darin zu sehen, dass sie meinten, eine Feststellung der Pflicht der Beklagten, die Kläger im Fall einer notwendigen Entfernung der Bewehrung in der kraftschlüssigen Mauerverbindung schad- und klaglos zu halten, hätte die Darlegung eines besonderen Feststellungsinteresses (der Wahrscheinlichkeit eines drohenden Schadens) bedurft. Davon abgesehen hat sich gezeigt, dass die Annahme der Kläger, der Beklagten liege ein rechtswidriger Eingriff in ihr Eigentumsrecht zur Last, nach den Verfahrensergebnissen keineswegs selbstverständlich ist. Auch in diesem Punkt ist nach der Aktenlage keine Notwendigkeit einer Überprüfung der berufungsgerichtlichen Entscheidung nach Maßgabe des § 502 Abs 1 ZPO indiziert.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.