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OGH vom 23.11.1988, 7Ob49/88

OGH vom 23.11.1988, 7Ob49/88

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*** E*** Versicherungs-Aktiengesellschaft, Landesdirektion Tirol, Innsbruck, Sillgasse 12, vertreten durch Dr. Günter Kolar, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Anna S***, Hilfsarbeiterin, Innsbruck, Fischerhäuslweg 27/I/14, vertreten durch Dr. Peter Kaltschmid, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 137.363,-- s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom , GZ 4 R 80/88-35, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom , GZ 15 Cg 31/85-29, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 25.085,95 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten S 10.000,-- Barauslagen und S 1.371,45 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am ereignete sich in Innsbruck auf der Burgenlandstraße ein Verkehrsunfall, an dem Josef T*** als Lenker des bei der klagenden Partei kasko- und haftpflichtversicherten PKW der Marke Datsun des Arno C*** beteiligt war. Die Beklagte, die über keine Lenkerberechtigung verfügt, hatte dem Lenker die in ihrer Verwahrung befindlichen Fahrzeugschlüssel überlassen. Josef T*** wurde wegen dieses Unfalls mit Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom (10 U 614/84-7) des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 3 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt. Nach dem Urteilsspruch lenkte Josef T*** das Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand. Die klagende Partei erbrachte für den Fahrzeugschaden aufgrund der Kaskoversicherung eine Versicherungsleistung von S 112.255,-- und an geschädigte Dritte aufgrund der Haftpflichtversicherung S 25.108,--. Sie begehrt den Ersatz dieses Aufwandes sA von Josef T***, der mit rechtskräftigem Versäumungsurteil vom zum Ersatz von S 135.516 sA verurteilt wurde, und der Beklagten.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, hinsichtlich eines Betrages von S 135.516 sA mit dem Ausspruch der Solidarhaftung der Beklagten mit Josef T***.

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes befand sich der Eigentümer des PKW Arno C*** im Unfallszeitpunkt im Polizeigefangenenhaus. Die Beklagte war über den PKW verfügungsberechtigt, sie hatte die Fahrzeugschlüssel in Verwahrung und war ermächtigt, das Fahrzeug an Dritte zu verleihen. Am hielt sich die Beklagte im Cafe der Elan-Tankstelle am Südring auf, wo sie mit Bekannten ihren Geburtstag feierte. Sie hatte im Verlauf des Tages bereits in verschiedenen Lokalen Alkohol konsumiert. Gegen 19,30 Uhr kam Josef T*** in das Cafe und konsumierte 3 bis 4 Biere. Gegen 22 Uhr verließen Josef T*** und die Beklagte das Cafe. Von einem Bekannten wurden beide zur Wohnung der Beklagten gefahren, wo diese die Schlüssel zum PKW des Arno C*** holte. Die Beklagte übergab die Schlüssel dem Josef T***, der den PKW zum Cafe "ALT-B***" am Innrain lenkte. Dort hielten sich beide bis gegen 1,15 Uhr auf und konsumierten Alkohol. Anschließend fuhren sie in das Gasthaus "K***" in der Museumstraße, wo sie weiter Alkohol konsumierten und bis ca. 4,20 Uhr blieben. Auf der anschließenden Fahrt über die Olympiabrücke Richtung Pradl zum Cafe "K***" geriet Josef T*** mit dem PKW ins Schleudern und verursachte den Unfall. Der Blutalkoholgehalt des Josef T*** betrug im Unfallszeitpunkt 1,3 %o. Die Beklagte war im Unfallszeitpunkt höhergradig bis stark alkoholisiert. Zum Zeitpunkt des Fahrtantrittes gegen 4,20 Uhr war für die Beklagte die Alkoholbeeinträchtigung des Josef T*** infolge ihrer Alkoholisierung nicht erkennbar. Als nicht erwiesen nahm das Erstgericht an, daß die Beklagte bereits im Zeitpunkt der Übergabe der Fahrzeugschlüssel an Josef T*** so unter Alkoholeinfluß stand, daß sie die Alkoholisierung und die damit verbundene Fahruntüchtigkeit des Josef T*** nicht erkennen konnte. Nach der Auffassung des Erstgerichtes sei die klagende Partei aus der Haftpflichtversicherung wegen Verletzung der Obliegenheit, daß sich der Lenker nicht in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinde, bis S 100.000 leistungsfrei. Die Beklagte sei im Unfallszeitpunkt Halterin des Fahrzeuges und daher in der Haftpflichtversicherung mitversichert gewesen. Sie habe gegen die obgenannte Obliegenheit verstoßen, weil sie den PKW dem Josef T*** in Kenntnis des Umstandes überlassen habe, daß dieser bereits Alkohol konsumiert habe und weiterhin Alkohol konsumieren werde. Dagegen komme der Beklagten aus der Kaskoversicherung kein Versicherungsschutz zu. Da die Beklagte die Fahrzeugschlüssel an den bereits alkoholisierten Josef T*** zur Fahrt in mehrere Gaststätten zum Zwecke der Fortsetzung des Alkoholkonsums überlassen habe, falle ihr grobe Fahrlässigkeit bei Herbeiführung des Schadens zur Last. Die Ansprüche des Arno C*** gegen die Beklagte auf Ersatz des Fahrzeugschadens seien gemäß § 67 Abs 1 VersVG auf die klagende Partei übergegangen.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab und sprach aus, daß die Revision nicht zulässig ist.

Das Berufungsgericht führte eine Beweiswiederholung durch und stellte fest, daß sich Josef T*** im Zeitpunkt der Übergabe der Fahrzeugschlüssel durch die Beklagte nicht in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befand; sein Blutalkoholgehalt betrug zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als 0,6 %o. Die Beklagte konnte nicht erkennen, daß Josef T*** in weiterer Folge durch seinen Alkoholkonsum in einen Zustand geraten wird, in dem er infolge seiner Alkoholisierung ein Fahrzeug nicht mehr lenken konnte. Das Berufungsgericht hielt eine Erörterung der Frage, ob die Beklagte im Unfallszeitpunkt als Halterin des Fahrzeuges anzusehen sei, für entbehrlich. Der Beklagten sei der ihr obliegende Beweis völliger Schuldlosigkeit gelungen, sodaß ihr weder eine Obliegenheitsverletzung noch ein Verstoß gegen § 61 VersVG noch auch sonst die schuldhafte Herbeiführung des Schadens vorgeworfen werden könne. Ihre Zurechnungsfähigkeit sei bereits aufgrund ihres Alkoholkonsums vor ihrer Entschlußfassung darüber, das Fahrzeug dem Josef T*** zu überlassen, beeinträchtigt gewesen. Diese vorangehende Alkoholisierung stehe in keinem Rechtswidrigkeitszusammenhang mit dem Schadenseintritt, weil nichts darauf hingewiesen habe, daß sie mit einer, wenn auch nur mittelbaren, Inbetriebnahme eines Fahrzeuges hätte rechnen müssen. Die Beklagte habe dem Josef T*** die Fahrzeugschlüssel überdies zu einem Zeitpunkt überlassen, als dieser sich noch nicht in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Für die Beklagte sei allenfalls vorhersehbar gewesen, daß Josef T*** weiter Alkohol konsumieren werde, nicht aber, daß er fahruntauglich werde.

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene außerordentliche Revision der klagenden Partei ist zulässig, weil das Berufungsgericht die Frage der Beweislastverteilung und die Verschuldensfrage nicht in Übereinstimmung mit Lehre und Rechtsprechung gelöst hat.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist auch berechtigt.

In der Kaskoversicherung ist Gegenstand der Versicherung das Eigentümerinteresse an der Erhaltung des versicherten Kraftfahrzeuges (VersR 1976, 1194 = JBl 1976, 156 = EvBl 1976/51; Pienitz-Flöter, Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung4 80 § 3 S 3). Ebensowenig wie der Mieter in der Kaskoversicherung Mitversicherter ist (VersR 1976, 1194), kommt diese Stellung demjenigen zu, der vom Versicherungsnehmer - wie hier die Beklagte - bloß ermächtigt wurde, das Fahrzeug kurzfristig zu verleihen. Dieser ist vielmehr Dritter im Sinne des § 67 Abs 1 VersVG, gegen den unter den dort genannten Voraussetzungen Regreßansprüche erhoben werden können. Daß die klagende Partei ihrem Versicherungsnehmer den Fahrzeugschaden ersetzt hat, ist nicht strittig. Zu prüfen ist daher lediglich, ob dem Versicherungsnehmer der klagenden Partei ein Anspruch auf Ersatz des Fahrzeugschadens gegen die Beklagte zusteht. Macht derjenige, dem vom Eigentümer des Kraftfahrzeuges die Befugnis eingeräumt wurde, das Fahrzeug allenfalls kurzfristig an einen Dritten zu verleihen, von dieser Rechtsmacht Gebrauch, hat er hiebei mit der nötigen Sorgfalt vorzugehen, auf die Interessen des Eigentümers Bedacht zu nehmen und diesen vor möglichen Schädigungen zu bewahren (vgl Strasser in Rummel ABGB Rz 2 und Rz 17 zu § 1009). In Wahrung der Eigentümerinteressen hat er dann, wenn der Entlehner das Fahrzeug anders gebraucht, als es bedungen war, und somit die Voraussetzungen des § 978 ABGB vorliegen, die Sache sogleich zurückzufordern. Bei der Entlehnung eines Kraftfahrzeuges muß auch ohne ausdrückliche Vereinbarung davon ausgegangen werden, daß das Fahrzeug nur auf eine dem Gesetz entsprechende Art verwendet werden darf (vgl RZ 1979/10). Eine nicht dem Gesetz entsprechende Art der Verwendung stellt keinen ordentlichen, üblichen Gebrauch dar (§ 972 ABGB). Da die Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gesetzlich verboten ist (§ 5 Abs 1 StVO), bildet die Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges in diesem Zustand einen Grund zur sofortigen Rückforderung. Die Beklagte hätte daher das Fahrzeug, als es Josef T*** in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand in Betrieb nahm, zurückfordern müssen. Die Unterlassung der Rückforderung stellte eine Vertragsverletzung gegenüber dem Eigentümer dar und war somit rechtswidrig. Hat die Beklagte aber objektiv eine Vertragsverletzung zu vertreten, hätte sie gemäß § 1298 ABGB den Beweis erbringen müssen, daß sie daran kein Verschulden trifft. Sämtliche Zweifel in dieser Richtung gehen zu ihren Lasten. Nun hat die Beklagte zwar behauptet, bereits im Zeitpunkt der Überlassung der Fahrzeugschlüssel an Josef T*** sich infolge Alkoholgenusses im Zustand der Sinnesverwirrung befunden zu haben. Gemäß § 1307 ABGB haftet jedoch auch derjenige, der sich aus eigenem Verschulden, etwa durch Alkohol, in einen Zustand der Sinnesverwirrung versetzt hat, für den darin verursachten Schaden. Voraussehbarkeit der Folgen ist nicht Haftungsvoraussetzung (SZ 43/231; ZVR 1974/17; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 1307 mwN; Koziol, Haftpflichtrecht2 I 121 f). Mangelndes Verschulden an der Sinnesverwirrung (vgl hiezu Reischauer aaO Rz 5) hat die Beklagte aber nicht einmal behauptet, und in dieser Richtung auch kein Sachvorbringen erstattet. Daraus folgt, daß dem Arno C*** gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz des Fahrzeugschadens zusteht, der gemäß § 67 Abs 1 VersVG auf die klagende Partei übergegangen ist.

Aus der Erwägung, daß eine gewisse Konstanz der Haltereigenschaft in der Absicht des Gesetzgebers gelegen ist und deren "geradezu schaukelhafter Wechsel" vermieden werden soll, hat der Oberste Gerichtshof wiederholt, mit Billigung im Schrifttum (vgl Koziol aaO II 531), ausgesprochen, daß derjenige, der ein Fahrzeug einem anderen überläßt, Halter bleibt, wenn die Verantwortung für den Betrieb nur zum Teil und nur kurzfristig auf einen anderen übergeht (SZ 51/84; ZVR 1987/57 ua). Der Beklagten, der nur kurzfristig die Fahrzeugschlüssel mit der Ermächtigung anvertraut waren, allenfalls das Fahrzeug zu verleihen, kam nach diesen Grundsätzen eine Haltereigenschaft nicht zu. Sie war daher auch in der Haftpflichtversicherung nicht Mitversicherte. Der im § 67 VersVG normierte Übergang von Ersatzansprüchen gilt, außer gegen Mitversicherte, die nicht Dritte sind, auch in der Haftpflichtversicherung (SZ 51/106 ua). Die Befriedigung des Versicherungsnehmers im Sinne des § 67 Abs 1 VersVG geschieht in der Haftpflichtversicherung durch die Deckung des Drittschadens. Deshalb führte auch in der Haftpflichtversicherung die Zahlung der klagenden Partei an die Geschädigten zum Übergang der den Schadenersatzansprüchen gleichgestellten Regreßansprüche, die sonst dem Arno C*** gegen die schuldtragende Beklagte zugestanden wären, auf die klagende Partei (vgl SZ 51/106; ZVR 1985/7). Demgemäß ist der Revision Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.