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OGH vom 13.04.1983, 1Ob555/83

OGH vom 13.04.1983, 1Ob555/83

Norm

ABGB § 474;

ABGB § 481 Abs 1;

ABGB § 484;

ABGB § 523;

ABGB § 825;

ABGB § 844;

Vlbg. FelddienstbarkeitenG ArtI Abs 1;

ZPO § 14;

Kopf

SZ 56/60

Spruch

Wegerechte sind selbst dann Feldservituten, wenn sie zugunsten der Benützer eines Wohnhauses zustehen; ihre Eintragung in das Grundbuch ist in Vorarlberg unzulässig

Eine Mehrbelastung des dienenden bei Teilung des herrschenden Grundstückes muß hingenommen werden, wenn bei Bestellung der Dienstbarkeit an die durch die Teilung künftig entstehende Mehrbelastung gedacht war oder nach den Umständen gedacht werden mußte

Miteigentümer, die eine Grunddienstbarkeit in Anspruch nehmen, bilden bei einer gegen sie gerichteten Eigentumsfreiheitsklage eine notwendige Streitgenossenschaft

(LG Feldkirch R 608/82; BG Dornbirn C 561/81)

Text

Rudolf S sen. war bis 1972 Eigentümer des landwirtschaftlich genutzten 1.2222 ha großen Grundstückes 7926 KG H. Über seinen Auftrag errichtete Dipl.-Ing. David A zu GZ 5790/72 am einen Teilungsplan, wonach das Grundstück 7926 in die Grundstücke 7926/1, 2, 3 und 4 geteilt wurde. Es war vorgesehen, daß sämtliche neu geschaffenen Grundstücke den Kindern des Rudolf S sen. zufallen sollten. Wegen der beabsichtigten zukünftigen Verbauung ordnete Rudolf S sen. die Einräumung eines Geh- und Fahrrechtes über die an der G-Straße gelegenen Grundstücke 7926/1 und 7926/2 zugunsten der dahinterliegenden Grundstücke 7926/3 und 7926/4 an. Die Wegtrasse wurde im Teilungsplan eingezeichnet. Rudolf S jun. wurde auf Grund des mit seinem Vater Rudolf S sen. am geschlossenen Schenkungs- und Übergabsvertrages Eigentümer des Grundstückes 7926/1. Dieses Grundstück wurde in der Folge mehrmals geteilt, so mit Teilungsplan des Dipl.-Ing. David A vom , GZ 6432/74, in die östlich an das Grundstück 7926/2 angrenzenden Grundstücke 7926/1 und 7926/9. Die Klägerin wurde auf Grund des Kaufvertrages vom Eigentümerin des Grundstückes 7926/1.

Nach dem Tode des Rudolf S sen. fiel das 31.56 a große, nur über den Weg zwischen den Grundstücken 7926/1 und 7926/2 vom öffentlichen Wegenetz erreichbare Grundstück 7926/3 auf Grund des Testamentes vom an Karl S. Mit Teilungsplan des Dipl.- Ing. David A vom , GZ 6572/75, wurde das Grundstück 7926/3 in die Grundstücke 7926/3 und die westlich davon liegenden Grundstücke 7926/10 und 7926/11 geteilt. Die beiden Beklagten wurden auf Grund des Kaufvertrages vom Eigentümer des Grundstückes 7926/10.

Das Hauptbegehren der Klägerin, die Beklagten seien schuldig, das Begehen und Befahren des Grundstückes 7926/1 zu unterlassen, wurde bereits rechtskräftig abgewiesen. Die Vorinstanzen gingen davon aus, daß anläßlich der Teilung des Grundstückes 7926 durch Rudolf S sen. zugunsten der Grundstücke 7926/3 und 4 die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechtes angeordnet und der Rechtsvorgänger der Klägerin das Grundstück 7926/1 mit diesem Geh- und Fahrtrecht belastet erworben habe. Offen ist noch das Eventualbegehren, die Beklagten seien schuldig, das Befahren des Grundstückes 7926/1 mit LKW zu unterlassen. Die Klägerin brachte vor, die Beklagten hätten keinesfalls das Recht, über das Grundstück der Klägerin mit LKW zu fahren. Sowohl das herrschende als auch das dienende Grundstück lägen in einem Wohnsiedlungsgebiet. Das Befahren mit LKW stelle eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit dar.

Das Erstgericht wies auch das Eventualbegehren ab. Eine Beschränkung des Zugangs- und Zufahrtsrechtes zur Nutzung von Wohnhäusern sei nicht erwiesen und nicht vorgesehen gewesen.

Das Berufungsgericht hob mit dem angefochtenen Beschluß, dem es einen Rechtskraftvorbehalt beisetzte, diesen Teil des erstgerichtlichen Urteils auf und verwies die Rechtssache im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung zurück. Das Eventualbegehren sei zwar auf jeden Fall zu allgemein gehalten, weil die Beklagten nicht gehindert werden könnten, die zur Bewirtschaftung und Erhaltung ihres Hauses notwendigen Fahrten mit LKW durchzuführen; soweit die Klägerin aber jene Fahrten unterbinden wolle, die die Beklagten in Ausübung des Frächtereibetriebes des Erstbeklagten durchführten, sei die Rechtssache noch nicht spruchreif. Bei Einräumung einer Wegservitut sei immer davon auszugehen, daß sich der Umfang des Geh- und Fahrrechtes an jenen Verhältnissen zu orientieren habe, die im Zeitpunkt seiner Einräumung geben seien. Eine Änderung der Verhältnisse des herrschenden Grundstückes berechtige daher nicht zu einer Ausweitung oder Ausdehnung der Servitut, weil damit eine vermehrte Belastung des dienenden Grundstückes verbunden wäre. Das Erstgericht habe Feststellungen darüber unterlassen, seit wann die beklagten Parteien den Frächtereibetrieb ausübten und in welchem Umfange Fahrten über die Liegenschaft der Klägerin in Ausübung dieses Frächtereibetriebes erfolgten. Es fehlten auch Feststellungen über die im Zeitpunkt der Einräumung der Dienstbarkeit bestehenden Verhältnisse. Erst im Vergleich zwischen dem Zeitpunkt der Einräumung der Servitut und dem hier zu beurteilenden Zeitraum könne beurteilt werden, ob eine Ausweitung der Dienstbarkeit vorliege oder nicht. Des weiteren fehlten auch Feststellungen darüber, ob und inwieweit die Zweitbeklagte überhaupt an diesem Frächtereibetrieb beteiligt sei, ob diese selbst allenfalls Fahrten mit LKW durchführe oder ob sich das Eventualbegehren möglicherweise nur gegen den Erstbeklagten als Gewerbeinhaber richten könnte. Einem allenfalls eingeschränkten Eventualbegehren wäre nur dann stattzugeben, wenn sich erweise, daß die nunmehr von den Beklagten durchgeführten gewerblichen Fahrten im Rahmen der Ausübung des Frächtereibetriebes eine Vermehrung des Fahrbetriebes, eine zusätzliche Belästigung durch Geräusche und Abgase und somit insgesamt eine vermehrte Belastung des dienenden Grundstückes der Klägerin im Vergleich zum Zeitpunkt der Einräumung dieser Dienstbarkeit mit sich gebracht hätten.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach Art. I Abs. 1 des Gesetzes vom , RGBl. 33, sind in Vorarlberg als Felddienstbarkeiten sich darstellende Wege-, Wasserleitungs- und Holzriesenservituten von der Eintragung in das Grundbuch ausgenommen. Ihre Eintragung ist daher nicht nur entbehrlich, sondern geradezu unzulässig (Ehrenzweig[2] I/2.343; Petrasch in Rummel, ABGB § 481 Rdz. 1). Die Einteilung des § 474 ABGB in Feld- und Hausdienstbarkeiten ist nicht auf die Beschaffenheit des dienenden oder des herrschenden Grundstückes im Einzelfall, sondern darauf abgestellt, ob solche Dienstbarkeiten in der Regel zugunsten von Feld- oder anderen Grundstücken bestellt werden (Klang[2] II 474). Wegerechte sind daher selbst dann Felddienstbarkeiten, wenn sie im Einzelfall einem (städtischen) Wohnhaus zustehen (Ehrenzweig aaO. 315; Petrasch aaO. § 474 Rdz. 1). Die von Rudolf S sen. anläßlich der Teilung des Grundstückes 7926 begrundeten Wegerechte waren daher vom Eintragungsgrundsatz ausgenommen.

Das Ausmaß der Dienstbarkeit und der Umfang der dem Berechtigten zustehenden Befugnisse richtet sich nach dem Inhalt des Titels, bei dessen Auslegung insbesondere Natur und Zweck der Dienstbarkeit zur Zeit ihrer Einräumung zu beachten sind (SZ 53/149; MietSlg. 29 055; 1 Ob 726/82 ua.; Klang[2] II 564). Die Einräumung der Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechtes zugunsten der Grundstücke 7926/3 und 4 erfolgte anläßlich der Teilung des Grundstückes 7926 in die Grundstücke 7926/1 bis 4 und der anschließenden Eigentumsübertragung der Grundstücke 7926/3 und 7926/4. Das herrschende Grundstück 7926/3 wurde später in die Grundstücke 7926/3, 9 und 10 geteilt. Nach § 844 ABGB bestehen Grunddienstbarkeiten bei Teilung des herrschenden Grundstückes zwar zugunsten aller Teile fort, die Dienstbarkeit darf aber dadurch weder erweitert noch für das dienstbare Gut beschwerlicher werden. Eine Mehrbelastung ist aber zulässig, wenn sich das Ausmaß einer ungemessenen Dienstbarkeit nach dem Bestellungstitel dem jeweiligen Bedürfnis des herrschenden Gutes anpassen sollte, was anzunehmen ist, wenn bei der Bestellung der Dienstbarkeit an eine durch Teilung des herrschenden Grundstückes künftig entstehende Mehrbelastung gedacht wurde oder daran nach den Umständen zu denken war (vgl. Gamerith in Rummel, ABGB § 844 Rdz. 10; Klang[2] III 1135; 8 Ob 540/76; 7 Ob 642/76). Das durch die Parzellierung des Grundstückes 7926 entstandene Grundstück 7926/3 hatte immer noch eine Fläche von 31.56 a. Bei Berücksichtigung seiner Größe und Lage war schon bei Bestellung der Dienstbarkeit damit zu rechnen, daß es in Baugrundstücke ortsüblicher Größe weitergeteilt würde. Da auf Grund der Lage des Grundstückes 7926/3 weitere Teilungsgrundstücke keinen anderen Zugang zum öffentlichen Wegenetz als über den Dienstbarkeitsweg haben konnten, muß im Zweifel angenommen werden, daß der Dienstbarkeitsweg auch von den Eigentümern später neu geschaffener Teilgrundstücke des Grundstückes 7926/3 benützt werden durfte.

Bei Lösung der Frage, ob Rudolf S sen. den Dienstbarkeitsweg auch zur Benutzung mit LKW für betriebliche Zwecke einräumen wollte, wird, falls nicht ein Flächenwidmungsplan bereits erlassen bzw. Rudolf S sen. in Kenntnis seines späteren Inhaltes gewesen wäre, der für die Teilgrundstücke ausschließlich die Widmung Wohngebiet vorsah (§ 14 Abs. 3 Vorarlberger Raumplanungsgesetz 1973, LGBl. 15), schon wegen der seinen Kindern zugute kommenden Verwertungsmöglichkeit im Zweifel anzunehmen sein, daß die Benützung des Dienstbarkeitsweges zugunsten aller jeweils gesetzlich zulässiger Benützungsarten eingeräumt werden sollte; das Befahren des Weges mit LKW auch zugunsten einer gewerblichen Betriebsstätte stellte dann keine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit dar. Jedenfalls müßten jene Güter mit LKW zum Grundstück der Beklagten gebracht werden dürfen, die im Rahmen der Nutzung eines mit einem Wohnhaus versehenen Grundstückes erforderlich sind (5 Ob 627/81). In diesem, ein Minus darstellenden Umfang (1 Ob 616/81; 5 Ob 200/72) wird das Unterlassungsbegehren, falls es nicht eingeschränkt bzw. präzisiert wird, auf jeden Fall abzuweisen sein.

Nicht ist dem Berufungsgericht darin zu folgen, daß auch Feststellungen erforderlich seien, ob und inwieweit die Zweitbeklagte am Frächtereibetrieb des Erstbeklagten beteiligt sei, ob sie selbst allenfalls Fahrten mit LKW durchgeführt habe und ob sich das Eventualbegehren möglicherweise nur gegen den Erstbeklagten als Gewerbeinhaber richten könnte. Dabei wird übersehen, daß Miteigentümer, die eine Grunddienstbarkeit in Anspruch nehmen und gegen die eine Eigentumsfreiheitsklage eingebracht wurde, in einem gemeinschaftlichen Rechtsverhältnis stehen und das behauptete Recht nur für oder gegen alle Miteigentümer festgestellt werden kann. Miteigentümer, die eine Grunddienstbarkeit in Anspruch nehmen, bilden bei einer gegen sie gerichteten Eigentumsfreiheitsklage eine notwendige und einheitliche Streitgenossenschaft (MietSlg. 27 063; JBl. 1970, 35; RZ 1967, 36; JBl. 1965, 89; SZ 27/101; Fasching II 194). Ob und in welcher Weise sich die Zweitbeklagte an störenden Eingriffen in das Eigentum der Klägerin beteiligte, ist daher unerheblich. Maßgeblich ist nur, ob einem der Miteigentümer, der eine Grunddienstbarkeit in Anspruch nahm, eine Störung zuzurechnen ist.