OGH vom 30.03.2016, 6Ob42/16v

OGH vom 30.03.2016, 6Ob42/16v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Linz zu FN ***** eingetragenen ***** ZT GmbH, *****, über den Revisionsrekurs der Gesellschaft, vertreten durch Dr. Wolfgang Schuster, Notar in Linz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 6 R 18/16h 9, womit der Beschluss des Landesgerichts Linz vom , GZ 32 Fr 6225/15w 6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die im Firmenbuch des Landes als Handelsgerichts Linz unter FN ***** eingetragene Ziviltechnikergesellschaft beantragte die Eintragung der selbständig vertretungsbefugten Prokuristin Mag. E***** A*****. Diese verfüge zwar über keine aufrechte Befugnis als Ziviltechnikerin; nach § 28 ZTG (Ziviltechnikergesetz) sei dies nicht erforderlich.

Die Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Oberösterreich und Salzburg sprach sich gegen die Eintragung aus. Die Erteilung einer Einzelprokura an einen Nicht Befugnisträger stehe nicht in Einklang mit den Bestimmungen des ZTG. Die Errichtung öffentlicher Urkunden sei Ziviltechnikern mit aufrechter Befugnis persönlich vorbehalten. Da die Prokura im Außenverhältnis unbeschränkbar sei, könnten dann „Nicht Ziviltechniker“ als Prokuristen einer Ziviltechniker-gesellschaft sämtliche außergerichtliche Geschäfte und Rechtshandlungen tätigen und somit auch öffentliche Urkunden errichten.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Eintragung der Prokuristin ab. Die Erteilung einer Prokura für Ziviltechnikergesellschaften werde zwar allgemein anerkannt. Jedoch werde gestützt auf § 28 ZTG verlangt, dass im Hinblick auf die Unbeschränkbarkeit der Prokura auch Prokuristen über eine aufrechte Ziviltechnikerbefugnis verfügen müssten.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es vertrat die Ansicht, die nach den Kriterien der § 6 und § 7 ABGB vorgenommene Auslegung des § 28 ZTG bringe folgendes Ergebnis:

§ 28 Abs 1 ZTG in der Stammfassung (BGBl I Nr 156/1994) habe gelautet: „ ... Geschäftsführung und Vertretung müssen Gesellschaftern mit ausgeübter Befugnis vorbehalten sein. ... “. Es sei nicht zwischen organschaftlicher und rechtsgeschäftlicher Vertretung unterschieden worden. In den Materialien sei die Gesellschafterstruktur im Blickpunkt gewesen; Geschäftsführung und Vertretung seien nicht erwähnt worden (498 der Blg XVIII. GP).

Mit BGBl I Nr 137/2005 sei § 28 Abs 1 ZTG auf den nunmehr geltenden Wortlaut („ Geschäftsführer und organschaftliche Vertreter … “) geändert worden. Nach den Materialien habe sichergestellt werden sollen, dass die Ziviltechniker, die die Befugnisse in die Ziviltechnikergesellschaft einbrächten, auch über die Kapitalmehrheiten der Gesellschaft verfügten (1090 der Blg XXII. GP); für die Änderung des Wortlauts von vormals „ Vertretung “ auf nunmehr „ organschaftliche Vertreter “ finde sich in den Materialien keine Erklärung. Nach dem Wortlaut des § 28 Abs 1 ZTG in der Fassung der genannten Novelle werde zwar eine aufrechte Ziviltechnikerbefugnis ausdrücklich nur bei organschaftlicher Vertretung, also bei gemischter Gesamtvertretung (organschaftliche Vertretung durch einen Geschäftsführer gemeinsam mit einem Prokuristen) verlangt. Ein solches Auslegungsergebnis bringe jedoch im Verhältnis zum Normzweck Wertungswidersprüche mit sich (vgl RIS Justiz RS0008765). § 28 ZTG diene der Erhaltung der Unabhängigkeit des Ziviltechniker Berufs von störenden Einflüssen „fachlich Inkompetenter“ ( Krejci/Pany/Schwarzer , ZTG², § 28 Anm 1). Dieses in einer Ziviltechnikergesellschaft einzuhaltende Ziel werde durch die Bestellung einer Person ohne aufrechte Ziviltechnikerbefugnis zum Einzelprokuristen unterlaufen: Der Umfang der Prokura sei gesetzlich festgelegt (§ 49 UGB) und eine Beschränkung des Umfangs derselben gegenüber Dritten unwirksam (§ 50 Abs 1 UGB). Nach § 49 UGB sei der Prokurist zu sämtlichen Geschäften und Rechtshandlungen bevollmächtigt, die der Betrieb irgendeines Unternehmens mit sich bringe. Im Innenverhältnis könne die Prokura zwar in jeder beliebigen Weise eingeschränkt werden. Eine Überschreitung der im Innenverhältnis auferlegten Beschränkungen durch den Prokuristen gegenüber Dritten führe jedoch nicht zur Unwirksamkeit des Geschäfts, falls der Dritte die Beschränkung weder gekannt habe noch habe kennen müssen. Die im Gesellschaftsvertrag aufgenommene Einschränkung, wonach Prokuristen zur Ausstellung öffentlicher Urkunden für die Gesellschaft nur dann berechtigt seien, wenn sie selbst Ziviltechniker mit aufrechter Befugnis auf dem Fachgebiet seien, in dessen Rahmen die Beurkundung vorgenommen werde, binde daher nur im Innenverhältnis zwischen Prokuristen und Gesellschaft, sei aber grundsätzlich Dritten gegenüber unwirksam. Die auch bei Personen ohne aufrechte Ziviltechnikerbefugnis Dritten gegenüber unbeschränkbare Prokura stehe daher diametral dem Normzweck gegenüber, den Ziviltechnikerberuf von störenden Einflüssen „fachlich Inkompetenter“ freizuhalten. Dem Normzweck werde nur dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass ein Prokurist einer Ziviltechnikergesellschaft eine aufrechte Berufsbefugnis haben müsse. In anderen freien Berufen sei wegen dieses offenbar bestehenden Regelungsbedürfnisses die Erteilung einer Prokura ausdrücklich verboten bzw für unzulässig erklärt worden, so etwa in § 12 Abs 3 ApothekenG, § 25 Z 10 NO, § 29a Z 10 PatAnwG und § 21c Z 9a RAO. Das Erstgericht habe daher zu Recht das Eintragungsbegehren abgewiesen.

Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs zu, weil zur Frage, ob § 28 Abs 1 ZTG die Bestellung einer Person, die über keine aufrechte Ziviltechnikerbefugnis verfüge, zum Einzelprokuristen zulasse, keine oberstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Gesellschaft mit dem Antrag, dem Eintragungsbegehren stattzugeben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof erachtet die Begründung des Rekursgerichts für zutreffend, sodass es grundsätzlich ausreicht, die Rechtmittelwerberin darauf zu verweisen (§ 71 Abs 3 Satz 2 AußStrG).

Den im Revisionsrekurs neu vorgebrachten Argumenten wird Folgendes erwidert:

Es trifft zwar zu, dass die vom Rekursgericht genannten Normen der Berufsgesetze abgesehen von § 25 Z 10 NO, der erst mit in Kraft trat (§ 12 Abs 3 ApothekenG, § 29a Z 10 PatAnwG und § 21c Z 9a RAO), die die Erteilung der Prokura verbieten bzw für unzulässig erklären, im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle 2005 des ZTG (BGBl I Nr 137/2005; Inkrafttreten mit ) bereits galten. Daraus kann aber entgegen der Meinung der Rechtsmittelwerberin nicht der Umkehrschluss dahingehend gezogen werden, der Novellengesetzgeber des Jahres 2005 (BGBl I Nr 137/2005), der sich mit Fragen der Prokura in Ziviltechnikergesellschaften überhaupt nicht befasste, habe mangels ausdrücklicher Regelung der (Un )Zulässigkeit der Prokuraerteilung im ZTG ohne Berufsbefugnis des Prokuristen den Willen gehabt, im ZTG die Prokuraerteilung völlig frei und unabhängig von einer Berufsbefugnis zu gestatten: Der

Umkehrschluss ist allein dann begründet, wenn Zweck bzw Wertung des Gesetzes nur auf den ausdrücklich vom Gesetz erfassten Tatbestandsbereich zutreffen (vgl RIS Justiz RS0008850). Vom Gesetzgeber beabsichtigte Lücken rechtfertigen einen

Umkehrschluss (RIS Justiz RS0008870 [T1]). Dafür, dass der Novellengesetzgeber des Jahres 2005 mit der Nichtregelung der Prokura im ZTG eine Gesetzeslücke in dem von der Rechtmittelwerberin dargestellten Sinn beabsichtigt habe, fehlen jegliche Anhaltspunkte. Vielmehr ist aus dem Verbot der Prokura in den anderen, vom Rekursgericht genannten Standesgesetzen zumindest auf eine gewisse Skepsis des Gesetzgebers gegenüber der Prokura bei den freien Berufen zu schließen.

Die Revisionsrekurswerberin meint schließlich, das Argument der Unbeschränkbarkeit der Prokura im Außenverhältnis überzeuge nicht. Es sei nämlich auch bei einer Ziviltechnikergesellschaft, die aufgrund ihres Unternehmensgegenstands in unterschiedlichen Fachgebieten tätig sei, eine Beschränkung eines Einzelprokuristen mit aufrechter Befugnis im Außenverhältnis auf seinen jeweiligen fachspezifischen Bereich nicht möglich.

Diese Überlegung ist für sich genommen zwar zutreffend. Das mögliche Auseinanderfallen von rechtlichem „Können“ im Außenverhältnis (Vertretungsbefugnis) und demgegenüber weniger weitreichendem rechtlichem „Dürfen“ im Innenverhältnis (vgl § 4 Abs 1 ZTG: „ Ziviltechniker sind … auf dem gesamten, von ihrer Befugnis umfassten Fachgebiet zur Erbringung von ... Leistungen ... berechtigt. “; vgl auch § 28 Abs 1 Satz 2 ZTG: „ In Geschäftsfällen, in denen fachverschiedene Befugnisse mehrerer Ziviltechniker erforderlich sind, hat der Gesellschaftsvertrag einschlägig befugte Geschäftsführer jedenfalls zu gemeinsamem Handeln zu verpflichten. “) besteht aber genauso bei geschäftsführenden, organschaftlich vertretungsbefugten Ziviltechnikern und ist somit keine Besonderheit der Prokura, sondern bei nach außen hin unbeschränkbarer Vertretungsbefugnis (§ 20 Abs 2 Satz 1 GmbHG) generell unvermeidbar. Das Argument der Rechtsmittelwerberin trägt daher die Ansicht, die Prokuraerteilung in einer Ziviltechnikergesellschaft sei ohne jegliche Berufsbefugnis des Prokuristen zulässig, nicht. Schließlich ist darauf zu verweisen, dass die in § 38 ZTG geschützten Berufsbezeichnungen (Ziviltechniker, Architekt, Ingenieurkonsulent, Zivilgeometer, Zivilingenieur) einen Hinweis auf die Art der Befugnis einer Ziviltechnikergesellschaft und somit auch von Prokuristen einer solchen Gesellschaft geben.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0060OB00042.16V.0330.000