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OGH vom 28.03.2018, 6Ob41/18z

OGH vom 28.03.2018, 6Ob41/18z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. R***** K*****, vertreten durch Mag. Raimund Lackner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 7.324,18 EUR und Feststellung (Streitwert 3.600 EUR), in eventu Zahlung von 88.124,52 EUR und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 133 R 112/17v-44, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Die Streitteile waren zu je 33,33 % Gesellschafter der D***** GmbH. Ziel der Gesellschaft war nach einem Syndikatsvertrag der Ankauf eines Zinshauses mit 50 Wohnungen. Der Kläger und die Beklagte stellten für den Erwerb des Zinshauses je 300.000 EUR zur Verfügung.

Der Kläger begehrte die Feststellung, die beklagte Partei hafte dem Kläger für ihr Verhalten als Gesellschafterin der D***** GmbH ab dem für sämtliche Schäden und Folgeschäden, die dem Kläger aus diesem rechtswidrigen Verhalten entstanden sind und noch entstehen werden, insbesondere dadurch, dass die beklagte Partei die Geschäftsführung des K***** S***** ab weiterhin geduldet habe, diesen nicht abberufen habe bzw dessen Abberufung nicht unterstützt und dieser nicht zugestimmt habe, und ferner Handlungen unterstützt habe, die die Auszahlung des dem Kläger zustehenden Erlöses aus dem Liegenschaftsverkauf der Gesellschaft vereitelt haben, dies auch durch Zustimmung oder Duldung von weiteren Ausgaben der Gesellschaft trotz deren Überschuldung. Weiters verlangte er, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, dem Kläger 7.324,18 EUR samt 9 % Zinsen ab Klagszustellung zu zahlen (Kosten aus dem Verfahren 11 Cg 86/13d des Handelsgerichts Wien). Darüber hinaus begehrte er die Feststellung, dass die beklagte Partei dem Kläger für ihr rechtswidriges und schädliches Prozessverhalten im Verfahren 11 Cg 86/13d des Handelsgerichts Wien hafte.

In eventu begehrt der Kläger, die beklagte Partei für schuldig zu erkennen, ihm einen Betrag von 88.124,52 EUR samt 4 % Zinsen ab dem zu zahlen und festzustellen, dass die beklagte Partei dem Kläger für ihr Verhalten als Gesellschafterin der D***** GmbH ab dem für sämtliche Schäden und Folgeschäden, die dem Kläger aus diesem rechtswidrigen Verhalten entstanden sind, und noch entstehen werden, hafte, insbesondere dadurch, dass die beklagte Partei die Geschäftsführung des K***** S***** ab dem weiterhin geduldet habe, diesen nicht abberufen habe bzw dessen Abberufung nicht unterstützt und dieser nicht zugestimmt habe und ferner Handlungen unterstützt habe, die die Auszahlung des dem Kläger zustehenden Erlöses aus dem Liegenschaftsverkauf der Gesellschaft vereitelt haben, dies auch durch Zustimmung oder Duldung von weiteren Ausgaben der Gesellschaft trotz deren Überschuldung.

K***** S***** habe am das im Eigentum der Gesellschaft stehende Zinshaus ohne Wissen des Klägers verkauft und bis September 2013 diverse Täuschungshandlungen gesetzt. Deshalb habe der Kläger die Abberufung K***** S*****s als Geschäftsführer betrieben. Ab dem habe sich die Beklagte auf Seiten von K***** S***** geschlagen und an Handlungen teilgenommen, die auf die sachwidrige Verschleuderung von Geldern gerichtet gewesen seien. K***** S***** habe die Gesellschaft dazu verwendet, Kosten und Aufwendungen einer anderen Gesellschaft abzudecken. Der Kläger könne die Folgeschäden aus diesem kollusiven Verhalten nicht beziffern, nämlich inwieweit das Darlehen samt Zinsen und Gewinn bereits 2012 an den Kläger auszuzahlen gewesen wäre.

Rechtlich stützt der Kläger sein Begehren auf eine Verletzung der Treuepflichten der beklagten Partei sowohl aus dem Gesellschaftsverhältnis als auch aus dem Syndikatsvertrag. Hätte die Beklagte der Absetzung des schädigend agierenden Geschäftsführers zugestimmt, wären mehrere hunderttausend Euro noch vorhanden.

Das Erstgericht wies das Begehren auf Zahlung von 7.324,18 EUR samt 9 % Zinsen ab Klagszustellung zurück, die übrigen Begehren wies es ohne Durchführung eines Beweisverfahrens wegen Unschlüssigkeit ab.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung des Klägers keine Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über 30.000 EUR und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht zulässig.

1. Das Berufungsgericht hat ausgesprochen, dass der Streitwert des Feststellungsbegehrens 30.000 EUR übersteigt. Dieser Ausspruch ist – soweit nicht gegen zwingende Bewertungsvorschriften verstoßen wird – auch für den Obersten Gerichtshof bindend (RIS-Justiz RS0042515). Damit bedarf es keines Eingehens auf die Revisionsausführungen zur Bewertung des Streitgegenstands, steht dem Revisionswerber aufgrund des Wertausspruchs des Berufungsgerichts ohnedies die Anrufung des Obersten Gerichtshofs mittels außerordentlicher Revision offen.

2.1. Der Frage, ob eine Klage schlüssig ist, kommt im Allgemeinen – vom hier nicht vorliegenden Fall auffallender Fehlbeurteilung abgesehen – keine über den

Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RIS-Justiz RS0116144).

2.2. Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist regelmäßig eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt. Auch ob das bisher erstattete Vorbringen so weit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht, beziehungsweise wie weit ein bestimmtes Vorbringen einer Konkretisierung zugänglich ist, ist eine Frage des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0042828).

2.3. Das Erstgericht erachtete das Vorbringen des Klägers als nicht ausreichend schlüssig; es erörterte auch in der Verhandlung ausdrücklich die Schlüssigkeit. Erörtert wurde insbesondere, wie der Kläger sein Schadenersatzbegehren und das Feststellungsbegehren begründe. In dieser Auffassung ist keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken. So ist nicht ersichtlich, inwieweit eine nach dem Verkauf des Mietshauses im April 2013 und der angeblichen Veruntreuung des Erlöses durch K***** S***** die vom Kläger ein halbes Jahr später begehrte Abberufung am bereits eingetretenen Schaden etwas ändern hätte können. Soweit der Kläger behauptet, dass zu diesem Zeitpunkt noch mehrere hunderttausend Euro vorhanden waren, ist dem Vorbringen des Klägers nicht zu entnehmen, inwieweit diese Mittel nach dem für gesellschaftsfremde Zwecke verwendet wurden. Soweit der Schaden bereits eingetreten ist, besteht auch für ein Feststellungsbegehren kein Raum, weil diesbezüglich bereits eine Leistungsklage erhoben werden kann (RIS-Justiz RS0038849). Bloße Schwierigkeiten, einen bereits eingetretenen Schaden zu beziffern, vermögen für sich genommen kein Feststellungsbegehren zu rechtfertigen.

2.4. Der Kläger machte in diesem Zusammenhang allerdings keine weiteren Angaben zur Schlüssigstellung. Vielmehr stellte er lediglich klar, dass er sich dabei insbesondere auf das Verhalten bei der versuchten Abberufung des Geschäftsführers stütze. Er stützte den Schadenersatzanspruch auch auf die als Beilagen vorgelegten Gesellschafterbeschlüsse, erstattete dazu aber auch über ausdrückliche Aufforderung kein näheres Vorbringen zur Erklärung. Urkunden sind aber lediglich Beweismittel; sie stellen kein Prozessvorbringen dar und können solches nicht ersetzen (RIS-Justiz RS0037915). In der Revision erstattet der Revisionswerber zwar nunmehr zusätzliches Vorbringen, zeigt aber nicht auf, dass schon sein erstinstanzliches Vorbringen in diesem Zusammenhang ausreichend war.

3.1. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Klage zum nach dem eingetretenen Schaden nachvollziehbar ist, würde der Schadenersatzanspruch des Klägers jedoch schon auf Basis des Klagsvorbringens scheitern:

3.2. Gesellschaftern steht gegen Organe ihrer Gesellschaft in der Regel kein eigener Schadenersatzanspruch zu, wenn die Gesellschaft selbst unmittelbar geschädigt wurde und sich der Schaden der Gesellschafter nur mittelbar in Form des Wertverlusts (oder der nicht erfolgten Wertsteigerung) ihres Geschäftsanteils manifestiert (vgl RIS-Justiz RS0061480; RS0022525; RS0059432 [T1]). Nachteile im Vermögen der Gesellschafter einer GmbH, die lediglich den Schaden der Gesellschaft reflektieren, sind nicht als ersatzfähiger Schaden der Gesellschafter anzusehen (vgl Trenker, „Reflexvorteil“ und „Reflexschaden“ im Gesellschaftsrecht, GesRZ 2014, 12). Wird eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung durch einen Dritten geschädigt, ist der dem Gesellschafter dadurch entstehende Nachteil in seinem Vermögen ein nicht ersatzfähiger mittelbarer Schaden. Anspruch auf Schadenersatz hat nur die unmittelbar geschädigte Gesellschaft selbst. Dieser Anspruch kann auch während eines Konkursverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft geltend gemacht werden (9 Ob 208/02g). Entgegen dem in der Revision vertretenen Standpunkt bezieht sich diese Rechtsprechung nicht nur auf den Geschäftsführer einer GmbH.

3.3. Die Treuepflicht des Gesellschafters einer GmbH gebietet auch bei Ausübung des Stimmrechts in der Generalversammlung eine angemessene Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Mitgesellschafter (RIS-Justiz RS0060175).

Ob ein bestimmtes Verhalten eines Gesellschafters gegen seine Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft oder Mitgesellschaftern verstößt, hängt aber regelmäßig von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0060175 [T3]).

Regelmäßig handelt es sich bei der Frage, ob ein bestimmtes Verhalten eines Gesellschafters gegen seine Treuepflicht verstößt, um keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0060175 [T8]). Weder das Erstgericht noch das Berufungsgericht stellen eine Treuepflicht der Gesellschafter in Frage; sie verneinten jedoch einen Schadenersatzanspruch des Klägers auf dieser Grundlage als bloßen Reflexschaden. Diese Rechtsansicht steht in Einklang mit der zitierten Judikatur.

4.1. Auch einen Anspruch aus dem Titel der Existenzvernichtungshaftung haben die Vorinstanzen zu Recht verneint. Dabei bedarf es im vorliegenden Fall keiner abschließenden Stellungnahme zu diesem Rechtsinstitut. Nach der Rechtsprechung des BGH besteht eine Haftung wegen Eingriffen in das Vermögen oder die Geschäftschancen der GmbH ohne angemessene Rücksichtnahme auf die Erhaltung der Fähigkeit der Gesellschaft zur Bedienung ihrer Verbindlichkeiten (sog Existenzvernichtungshaftung, vgl dazu Michalski/Heidinger/Leible/J.Schmidt, GmbH-Gesetz3, § 13 Rn 420ff; für Österreich Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 61 Rz 37b).

4.2. Nach früher herrschender Auffassung waren die Gläubiger des Anspruchs aus einem Durchgriffssachverhalt die Gläubiger der GmbH, nicht diese selbst. Demnach handelte es sich um einen Fall der Außenhaftung (vgl Koppensteiner,JBl 2006, 689 ff). Nach der neueren Rechtsprechung des BGH handelt es sich bei der Existenzvernichtungshaftung aber um einen Fall der Innenhaftung; der Anspruch steht daher der Gesellschaft selbst und nicht deren Gläubigern zu (BGH II ZR 3/04 – Trihotel; vgl auch BGH II ZR 252/10 – Wirtschaftsakademie). Damit scheidet aber ein eigener Anspruch des Klägers von vornherein aus.

4.3. Zudem hat der Kläger seinen Anspruch primär auf verbotene Einlagenrückgewähr gestützt. Der daraus resultierende Rückforderungsanspruch nach § 83 GmbHG steht jedoch der Gesellschaft, nicht einzelnen Gesellschaftern zu. Soweit aber Nachteile nach den Regeln über die Einlagenrückgewähr ausgeglichen werden können, scheidet ein Anspruch aus dem Titel der Existenzvernichtungshaftung aus (vgl Koppensteiner, JBl 2006, 689 ff).

5.1. Zur angeblichen Verletzung eines Syndikatsvertrags haben die Vorinstanzen ausführlich Stellung genommen. Nach Auffassung des Berufungsgerichts gelang es dem Kläger nicht, einen konkreten Verstoß der Beklagten gegen eine klar aus dem Syndikatsvertrag ableitbare Verpflichtung aufzuzeigen. Dies betrifft lediglich die Frage der Schlüssigkeit des Prozessvorbringens im Einzelfall. Derartigen Fragen kommt zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zu (RIS-Justiz RS0042828).

5.2. Im Übrigen hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass die Verletzung eines Syndikatsvertrags zwar einen klagbaren Schadenersatzanspruch begründen kann, sich ein Vermögensschaden aber so gut wie niemals berechnen lässt (9 Ob 138/06v; 6 Ob 244/12v; Tichy, Syndikatsverträge bei Kapitalgesellschaften 183, 191; Vavrovsky, Stimmbindungsverträge im Gesellschaftsrecht 119 f jeweils mwN).

6.1. Zu Recht haben die Vorinstanzen auch das Begehren zurückgewiesen, soweit der Kläger den Ersatz der Kosten aus früheren Verfahren begehrt. Durch die Kostenentscheidung wird über die Kostenersatzpflicht zwischen den Parteien des konkreten Verfahrens endgültig entschieden. Die Kostenfrage kann zwischen ihnen auch nicht in einem Folgeprozess, etwa gestützt auf Schadenersatz, neuerlich aufgerollt werden (RIS-Justiz RS0023616; 8 ObA 52/14a).

6.2.§ 408 ZPO sieht ausdrücklich eine Haftung der Partei für mutwillige Prozessführung vor. Die Bestimmung stellt auf die Prozessführung vor Gericht ab, nicht auf das Verhalten vor dem gerichtlichen Verfahren. Ein auf das vorprozessuale Verhalten der unterlegenen Partei gestützter Schadenersatzanspruch könnte daher nur selbständig geltend gemacht werden, nicht mit einem Antrag nach § 408 ZPO (RIS-Justiz RS0123142). Einem derartigen selbständigen Anspruch steht aber die Rechtskraft der Entscheidungen in den betreffenden Vorverfahren entgegen.

6.3. Zudem kann eine Entschädigung nach § 408 ZPO immer nur der siegreichen Partei zuerkannt werden, kommt doch der Zuspruch von Verfahrenskosten, die dem Antragsteller im Hinblick auf den für ihn negativen Verfahrensausgang auferlegt und – als eigene Kosten – von ihm selbst zu tragen sind, begrifflich nicht in Frage (vgl 9 ObA 2218/96h, RIS-Justiz RS0041171; Fucik in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze2, § 408 ZPO Rz 3). Für den vom Kläger gestützt auf § 408 ZPO begehrten Ersatz der Kosten eines Vorprozesses vor dem Handelsgericht Wien und das diesbezügliche Feststellungsbegehren besteht daher – wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten – keine Grundlage.

7. Zusammenfassend vermag der Kläger daher keine Rechtsfrage der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung aufzuzeigen, sodass die Revision spruchgemäß zurückzuweisen war.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00041.18Z.0328.000

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