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OGH vom 25.07.2019, 2Ob52/19i

OGH vom 25.07.2019, 2Ob52/19i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach H***** I*****, verstorben am ***** 2013, zuletzt wohnhaft *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerinnen 1. A***** I***** und 2. S***** T*****, beide vertreten durch Dr. Markus Sorger, Rechtsanwalt in Gleisdorf, gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt als Rekursgericht vom , GZ 13 R 195/18a-25, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Güssing vom , GZ 1 A 64/13m-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Der Revisionsrekurs der Zweitantragstellerin wird zurückgewiesen.

II. Dem Revisionsrekurs der Erstantragstellerin wird teilweise Folge gegeben.

Der Beschluss des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass dieser insgesamt zu lauten hat:

„1. Aufgrund des Einantwortungsbeschlusses vom , GZ 1 A 64/13m14, wird ob der 19/40 Anteile (B-LNR 2) und des 1/40 Anteils (B-LNR 4) des Verstorbenen H***** I*****, geboren am *****, an der Liegenschaft EZ ***** das Eigentumsrecht der zum Kreis der gesetzlichen Erben zählenden Erbin A***** I*****, geboren am *****, einzuverleiben sein.

2. Der Antrag auf Durchführung einer 'Nachtragsabhandlung' wird abgewiesen.“

Text

Begründung:

Die Verlassenschaft wurde mit Einantwortungsbeschluss vom der Witwe, der nunmehrigen Erstantragstellerin, zur Gänze aufgrund des Testaments vom ohne die Rechtswohltat des Inventars eingeantwortet.

Die Witwe hatte in ihre Vermögenserklärung den (insgesamt) Hälfteanteil des Verstorbenen an der Liegenschaft EZ ***** als Aktivum aufgenommen und aufgrund des Schenkungsvertrags auf den Todesfall vom einen Anspruch auf Herausgabe des Liegenschaftanteils zugunsten der Tochter, der nunmehrigen Zweitantragstellerin, passiviert. Die Tochter erklärte überdies, auf ihren Pflichtteilsanspruch zu verzichten.

Im genannten Schenkungsvertrag auf den Todesfall hatten sich die Geschenkgeber, der Erblasser und die Witwe, den Widerruf der Schenkung ihrer jeweiligen Liegenschaftshälften vorbehalten, falls die beschenkte Tochter vorversterben sollte. Die Geschenknehmerin verpflichtete sich darin ihrerseits bei Wirksamwerden der Schenkung jeweils eine Hälfte der ihr zukommenden Hälfteanteile an ihren Ehegatten zu schenken. Diesbezüglich behielt sie sich den Widerruf der Schenkung ua im Fall der Scheidung ihrer Ehe vor.

Im antragsgemäß erlassenen und in Rechtskraft erwachsenen Einantwortungsbeschluss wurde der auf den Todesfall geschenkte Liegenschaftsanteil nicht erwähnt.

Am beantragten die Erbin und die Tochter gemeinsam die Durchführung einer „Nachtragsabhandlung“ und darin die Ergänzung des Einantwortungsbeschlusses durch einen Ausspruch nach § 178 Abs 2 Z 2 AußStrG mit der Behauptung, es sei ein bisher nicht berücksichtigtes Nachlassvermögen hervorgekommen. Der Schenkungsvertrag auf den Todesfall über den Hälfteanteil des Verstorbenen an der Liegenschaft sei im Verlassenschaftsverfahren irrig als Grundlage dafür herangezogen worden, dieses Vermögen nicht als nachlasszugehörig zu behandeln. Der Vertrag sei jedoch ungültig, weil darin kein Widerrufsverzicht im Sinne des § 956 ABGB aF verankert sei. Die Liegenschaftsanteile des Verstorbenen seien daher dem Verlassenschaftsvermögen zuzuzählen, was bislang nicht berücksichtigt worden sei.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. In den Schlussanträgen des damaligen Erbenmachthabers sei der Liegenschaftsanteil des Verstorbenen berücksichtigt worden, sodass kein nachträgliches Vermögen hervorgekommen sei.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Es führte aus, der Einantwortungsbeschluss wäre nur anzupassen gewesen, wenn das Liegenschaftsvermögen nachträglich hervorgekommen wäre. Dies treffe jedoch nicht zu, weil die Liegenschaftsanteile bereits in der Vermögenserklärung der Erbin enthalten gewesen seien. Auch sei die Ungültigkeit der Schenkung auf den Todesfall nicht ersichtlich, weil sich die Geschenkgeber keinen freien Widerruf vorbehalten hätten, sondern lediglich einen solchen für den Fall des Vorversterbens der Geschenknehmerin.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerinnen mit dem Antrag, die Nachtragsabhandlung durchzuführen, die Liegenschaftsanteile des Verstorbenen der Erbin zuzuweisen und ob dieser die Einverleibung des Eigentumsrechts der Erbin anzuordnen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist, soweit er von der erhoben wird, . Hinsichtlich der ist das Rechtsmittel und auch .

I. Zum Revisionsrekurs der Zweitantragstellerin:

Die Zweitantragstellerin ist Pflichtteilsberechtigte und Geschenknehmerin auf den Todesfall.

I.1 Der Pflichtteilsberechtigte ist im Abhandlungsverfahren nur insoweit Beteiligter, als durch eine Entscheidung des Abhandlungsgerichts eine Verkürzung seiner materiellen Rechte oder eine Beeinträchtigung seiner verfahrensrechtlichen Stellung herbeigeführt wird. Seine Antragslegitimation ist auf die Rechte nach § 784, 804 und 812 ABGB aF beschränkt (4 Ob 202/02p; RS0006500 [T12, T 13]).

Die Zweitantragstellerin hat von diesen Rechten keinen Gebrauch gemacht und gegenüber der Erbin auf ihren Pflichtteilsanspruch verzichtet (vgl dazu 6 Ob 68/13p; RS0012880). Als Pflichtteilsberechtigter kommt ihr daher keine Parteistellung zu.

I.2 Auf den Todesfall Beschenkte sind ebenso wie Legatare und Nachlassgläubiger dann Beteiligte, wenn durch die Verfügung des Abhandlungsgerichts unmittelbar in ihre Vermögensrechte eingegriffen wird (RS0006646 [T4]).

Das trifft hier nicht zu, weil die bisher unterbliebene Einverleibung der Erstantragstellerin die Rechtsstellung der Zweitantragstellerin in keiner Weise berührt.

II. Zum Revisionsrekurs der Erstantragstellerin:

II.1 Keine Änderung der Abhandlungsgrundlagen:

II.1.1 Werden Vermögenswerte erst nach Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens bekannt, hat der Gerichtskommissär gemäß § 183 Abs 1 AußStrG die Parteien, denen dies noch nicht bekannt ist, davon zu verständigen. Wenn das Verfahren mit Einantwortung geendet hat, so hat der Gerichtskommissär nach Abs 2 dieser Bestimmung das Inventar zu ergänzen beziehungsweise die Erben aufzufordern, ihre Vermögenserklärung zu ergänzen. Einer Ergänzung des Einantwortungsbeschlusses bedarf es in der Regel nicht, doch ist gegebenenfalls § 178 Abs 2 AußStrG anzuwenden.

Von einer Änderung der Abhandlungsgrundlagen iSd § 183 Abs 1 AußStrG ist demnach auszugehen, wenn ein bisher nicht bekannter oder zumindest nicht berücksichtigter Vermögenswert hervorkommt (vgl RS0115929; RS0008414). Dies trifft dann nicht zu, wenn das Verlassenschaftsgericht aufgrund der Aktenlage bereits Kenntnis von diesem Vermögen hatte (2 Ob 342/98d; 3 Ob 96/00i; RS0111497).

II.1.2 Diese Kenntnis wurde vom Rekursgericht zu Recht bejaht:

Die den Gegenstand der Schenkung auf den Todesfall bildenden Liegenschaftsanteile des Verstorbenen schienen bereits in der Vermögenserklärung der Erbin auf. Auch der in der Form eines Notariatsakts abgeschlossene Schenkungsvertrag war aktenkundig. Wie schon nach der früheren Rechtslage (7 Ob 622/92; RS0007878; RS0007890) hatte das Verlassenschaftsgericht die Vermögenserklärung nicht zu prüfen. Denn für eine Entscheidung des Verlassenschaftsgerichts darüber, welche Gegenstände in eine Vermögenserklärung aufgenommen oder daraus ausgeschieden werden sollen, besteht auch nach dem AußStrG 2003 keine gesetzliche Grundlage (8 Ob 3/12tiFamZ 2012/201 [W. Tschugguel] = RS0127769). Allein der Umstand, dass die Erbin die Liegenschaftsanteile des Verstorbenen in ihrer Vermögenserklärung nur in bestimmter Weise berücksichtigt hat und sie ihre Rechtsansicht über die Berücksichtigung dieses Vermögens später änderte, erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 183 Abs 1 AußStrG (vgl RS0111497).

Die Erstantragstellerin strebt allerdings mit der beantragten „Nachtragsabhandlung“ erkennbar in erster Linie eine Anordnung nach § 178 Abs 2 Z 2 AußStrG an. Insofern ist ihr Antrag berechtigt:

II.2.1 Die Erstantragstellerin hat durch den rechtskräftigen Einantwortungsbeschluss gemäß § 819 ABGB in Durchbrechung des Eintragungsgrundsatzes – also „außerbücherlich“ – Eigentum an den Liegenschaftsanteilen des Verstorbenen erworben (RS0011263; RS0013001; Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 182 Rz 11). Aufgrund dieses Erwerbs gibt das Grundbuch nicht mehr die wirkliche Rechtslage wieder. Es muss daher gemäß § 136 GBG berichtigt werden, und zwar nach der Rechtsprechung durch (in diesem Fall bloß deklarative) Einverleibung des Eigentumsrechts (hier) für die Erbin (vgl 5 Ob 107/11p; Verweijen, Verlassenschaftsverfahren2 301). Dafür ist nach § 178 Abs 2 Z 2 AußStrG jeder Grundbuchskörper, auf dem aufgrund der Einantwortung die Grundbuchsordnung herzustellen sein wird, in den Einantwortungsbeschluss aufzunehmen.

II.2.2 Nur wenn Personen Rechte auf bücherlich zu übertragende Sachen nicht auf Grund der Einantwortung, sondern als Vermächtnisnehmer oder rechtsgeschäftlich erwerben, hat das Verlassenschaftsgericht auf deren Antrag und mit Zustimmung aller Erben gemäß § 182 Abs 3 AußStrG mit Beschluss zu bestätigen, dass sie in den öffentlichen Büchern als Eigentümer eingetragen werden können (vgl 4 Ob 72/13m; Schilchegger/Kieber, Verlassenschafts-verfahren2 194 f). In diesem Fall hat die Einverleibung konstitutiven Charakter (Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 182 Rz 25). Nach der Praxis der Verlassenschaftsgerichte unterbleibt in diesem Fall der Ausspruch nach § 178 Abs 2 Z 2 AußStrG (vgl dazu 4 Ob 72/13m).

Im vorliegenden Fall war aber mangels Antrags der Tochter und Zustimmung der Erbin keine solche Amtsbestätigung nach § 182 Abs 3 AußStrG auszustellen, sodass im Einantwortungsbeschluss – unabhängig von der Frage, ob der Schenkungsvertrag wirksam war oder nicht – jedenfalls nach § 178 Abs 2 Z 2 AußStrG vorzugehen gewesen wäre. Nur dadurch kann nach § 136 GBG aufgrund des rechtskräftigen Einantwortungsbeschlusses die Grundbuchsordnung entsprechend dem durch diesen bewirkten Eigentumsübergang mit bloß deklarativer Wirkung hergestellt werden (Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 182 Rz 4).

II.2.3 Das kann nachgeholt werden: Gemäß § 182 Abs 2 AußStrG hat der Gerichtskommissär, wenn die Berechtigten nach angemessener, ein Jahr nicht erheblich überschreitender Frist nach Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses keinen Antrag stellen, an ihrer Stelle die geeigneten Anträge beim Grundbuchsgericht zu stellen, was hier ebenfalls unterblieben ist. Dieser Regelung ist aber nicht zu entnehmen, dass eine Antragstellung der Erben zur Berichtigung des Grundbuchs nach § 136 GBG danach nicht mehr zulässig wäre. Die Berechtigung zur Antragstellung nach § 136 GBG ist vielmehr zeitlich nicht beschränkt (Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht² § 136 Rz 73 mwN).

II.2.4 Auch die Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses steht dem Ausspruch nicht entgegen, weil mit dem Ausspruch nach § 178 Abs 2 Z 2 AußStrG nicht über einen Rechtsschutzanspruch entschieden wird (vgl Fasching/Klicka in Fasching/Konecny² III § 411 ZPO Rz 25 f), sondern nur die Eintragung der materiell bereits eingetretenen Rechtsänderung im Grundbuch ermöglicht werden soll. So kann ein Antrag nach § 136 GBG sogar noch nach Versäumung der Rekursfrist gestellt werden (RS0060995; Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht² § 136 Rz 6).

II.2.5 Ist aber die für die Berichtigung des Grundbuchs entsprechend der materiellen Rechtslage nach § 136 GBG notwendige Antragstellung unbefristet möglich, muss dies – mangels gegenteiliger Anordnung im AußStrG selbst – auch für den dafür erforderlichen Ausspruch nach § 178 Abs 2 Z 2 AußStrG gelten. Dafür kann die Rechtsprechung, wonach das Verlassenschaftsgericht jederzeit berufen ist, das zur Ordnung der Sache Erforderliche von Amts wegen vorzukehren (RS0007581), fruchtbar gemacht werden.

II.2.6 Es ist daher dem Revisionsrekurs der Erstantragstellerin insofern Folge zu geben und der Ausspruch nach § 178 Abs 2 Z 2 AußStrG nachzuholen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0020OB00052.19I.0725.000

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