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OGH vom 13.06.1990, 3Ob48/90

OGH vom 13.06.1990, 3Ob48/90

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Schalich als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Alfred P***, Bad Homburg, Nieder-Erlenbacherweg 2, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Norbert Grill, Rechtsanwalt in Jenbach, wider die verpflichtete Partei Jörg Peter F***, Dienstnehmer, Salzburg-Koppl, Habach 129, vertreten durch Dr. Sebastian Hagsteiner, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wegen 70.116,56 DM s.A, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom , GZ 5 R 119/89-4, womit der Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom , GZ 2 Nc 338/89-1, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind wie weitere Kosten des Exekutionsverfahrens zu behandeln.

Text

Begründung:

Die betreibende Partei beantragte auf Grund eines Vollstreckungsbescheides eines Amtsgerichtes der Bundesrepublik Deutschland die Bewilligung der Gehaltsexekution nach § 294 EO zur Hereinbringung von 72.064,56 DM samt Anhang. Sie legte dem Exekutionsantrag folgende Urkunden bei:

1. Mit amtlichem Siegel versehene Ausfertigung eines Vollstreckungsbescheides vom , ergangen zum Mahnbescheid vom über 70.116,56 DM samt 11 % Zinsen seit und 1.948 DM Kosten und weiterer Kosten von 808,70 DM, in welchem die Zustellung des Mahnbescheides für den und die Zustellung des Vollstreckungsbescheides für den angegeben sind.

2. Bescheinigung des deutschen Amtsgerichtes, daß die Zustellung des Vollstreckungsbescheides ordnungsgemäß entsprechend den Vorschriften der deutschen ZPO erfolgt sei und der Vollstreckungsbescheid rechtskräftig sei.

3. Bescheinigung des deutschen Amtsgerichtes, daß Voraussetzung für den Erlaß eines Vollstreckungsbescheides die ordnungsgemäße Zustellung des Mahnbescheides entsprechend den Vorschriften der deutschen ZPO sei.

4. Bescheinigung des deutschen Amtsgerichtes, daß der Mahnbescheid "entsprechend diesen Vorschriften" ordnungsgemäß zugestellt worden sei.

5. Postzustellungsurkunde über die Zustellung des Vollstreckungsbescheides am im Geschäftslokal an eine Angestellte des Verpflichteten.

Das Erstgericht bewilligte die Exekution.

Das Gericht zweiter Instanz änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß der Exekutionsantrag abgewiesen wurde. Das Gericht zweiter Instanz war der Auffassung, daß es an dem nach Art 7 Abs 2 des österreichisch-deutschen Vollstreckungsvertrages, BGBl 1960/105, notwendigen Nachweis der ordnungsgemäßen Zustellung der das Verfahren einleitenden Verfügung fehle. Nach deutschem Zivilprozeßrecht sei dies der Mahnbescheid, der zwar selbst noch nicht den Exekutionstitel darstelle, aber die Voraussetzung für die spätere Erlassung eines Vollstreckungsbescheides bilde. Für den Mahnbescheid werde keine Zustellurkunde vorgelegt. Ein Verbesserungsverfahren scheide aus, weil die betreibende Partei ohnedies eine Bescheinigung über die ordnungsgemäße Zustellung auch des Mahnbescheides vorgelegt habe, die aber unzureichend sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.

Der vorliegende Exekutionstitel ist ein Vollstreckungsbescheid im Sinne des § 699 dZPO, der auf der Grundlage eines Mahnbescheides im Sinne des § 692 dZPO erlassen wird, wenn der Antragsgegner gegen diesen nicht rechtzeitig Widerspruch erhoben hat. Erst der Vollstreckungsbescheid ist der zur Zwangsvollstreckung geeignete Exekutionstitel (§ 794 Abs 1 Z 4 dZPO). Er steht gemäß § 700 Abs 1 dZPO einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumungsurteil gleich. Bei diesem Exekutionstitel handelt es sich um eine Entscheidung, die in einem Verfahren erging, auf das sich die unterlegene Partei nicht eingelassen hat.

Einer solchen Entscheidung ist gemäß Art 2 Z 2 lit a des österreichisch-deutschen Vollstreckungsvertrages BGBl 1960/105 die Anerkennung zu versagen, sofern der unterlegenen Partei die Verfügung, durch die das Verfahren eingeleitet worden war, nicht nach dem Recht des Staates in dem die Entscheidung ergangen ist, zugestellt worden war. Bei der Vollstreckung einer solchen Entscheidung hat der betreibende Gläubiger gemäß Art 7 Abs 2 des österreichisch-deutschen Vollstreckungsvertrages unter anderem nachzuweisen, daß die das Verfahren einleitende Verfügung der unterlegenen Partei ordnungsgemäß zugestellt worden ist, wobei dieser Nachweis durch eine beglaubigte Abschrift der Zustellungsurkunde oder durch eine gerichtliche Bestätigung über den Zustellungsvorgang zu erbringen ist.

Diese das Verfahren einleitende Verfügung ist der Mahnbescheid. Seine Zustellung wird zwar im Vollstreckungsbescheid erwähnt. Weiters wurde eine Bestätigung des deutschen Amtsgerichtes vorgelegt, wonach diese Zustellung gemäß den Vorschriften der deutschen ZPO erfolgt sei. Eine Zustellungsurkunde oder eine gerichtliche Bestätigung "über den Zustellungsvorgang" wurde aber nicht vorgelegt. Die nur allgemein gehaltene Bestätigung sagt nichts über die Art der Zustellung aus und ist daher unzureichend. Wenn auch im Rahmen eines Rekursverfahrens eine Überprüfung der tatsächlichen Voraussetzungen eines ordnungsgemäßen Zustellungsvorganges nicht zu erfolgen hätte (so kürzlich 3 Ob 79/89; vgl auch Hoyer-Loewe in Heller-Berger-Stix 889), so muß doch eine rechtliche Überprüfung möglich sein (vgl Entscheidungen wie EvBl 1970/183 und EvBl 1972/130).

Das Gericht zweiter Instanz hat daher mit Recht den Mangel des Zustellungsnachweises im Sinne des Art 7 Abs 2 des österreichisch-deutschen Vollstreckungsverfahrens wahrgenommen. Der erkennende Senat schließt sich jedoch nicht der Ansicht der zweiten Instanz an, daß im vorliegenden Fall deshalb kein Verbesserungsverfahren stattzufinden habe, weil sich die betreibende Partei durch die Vorlage einer unzureichenden Bestätigung des Problems bewußt gewesen und lediglich von einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung ausgegangen sei. Es ist zwar richtig, daß die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens grundsätzlich nicht dazu bestimmt ist, Anträgen, die nur wegen eines Rechtsirrtums unschlüssig sind, zur Schlüssigkeit zu verhelfen (Fasching, ZPR2 Rz 513). Dies könnte aber nur gelten, wenn sich eine Partei ausdrücklich auf die Vollständigkeit und Richtigkeit ihres Antrages beruft, wenn also die betreibende Partei in ihrem Exekutionsantrag etwa ausdrücklich die Rechtsansicht vertreten hätte, es sei nur die von ihr vorgelegte Bestätigung nötig. Im vorliegenden Fall steht dies aber nicht fest, sondern die betreibende Partei kann auch nur übersehen haben, daß sie keine Bestätigung "über den Zustellungsvorgang", sondern nur eine Bestätigung, "daß" die Zustellung gemäß den deutschen Vorschriften stattgefunden habe, vorgelegt hat, sodaß sie so zu behandeln ist wie eine Partei, die versehentlich überhaupt keine Bestätigung vorgelegt hat. Vor der Abweisung des Exekutionsantrages muß daher die Verbesserung des Mangels versucht werden (SZ 35/119; RdW 1986, 82).

Für die Verbesserung ist es ohne Bedeutung, ob ihr die Möglichkeit einer Rangverschiebung entgegenstünde

(vgl Heller-Berger-Stix I 615 und Matscher, JBl 1969, 615). Aus § 70 EO läßt sich nämlich ableiten, daß die Exekutionsbewilligung mit der Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses die Wirkung verliert, weil darin angeordnet wird, daß das Exekutionsgericht hievon zu verständigen ist (Abs 2) und daß dieses die zur Erstellung oder Einschränkung erforderlichen Maßnahmen zu treffen hat (Abs 3). Diese Regelung, die ausdrücklich zwar nur für den Fall getroffen wurde, das Bewilligungs- und Exekutionsgericht verschieden sind, gilt sinngemäß auch dann, wenn diese Gerichte zusammenfallen (SZ 60/278).

Mit der Rechtskraft des Beschlusses, mit dem die Exekutionsbewilligung zur Verbesserung des Exekutionsantrags aufgehoben wird, erlischt somit das Pfandrecht des betreibenden Gläubigers, das er gemäß § 294 Abs 3 EO durch die Zustellung der Exekutionsbewilligung an den Drittschuldner erworben hat; es wird gegebenenfalls erst durch die Zustellung der zweiten Exekutionsbewilligung neu begründet, weshalb die dem betreibenden Gläubiger gebotene Verbesserungsmöglichkeit zu keiner Rangverschiebung führt. Nur bei jenen Exekutionsanträgen, bei denen sich der Rang des Befriedigungsrechtes des betreibenden Gläubigers gemäß § 29 Abs 1 GBG nach dem Zeitpunkt des Einlangens des Antrags bei Gericht richtet, gilt etwas anderes (vgl SZ 48/6; SZ 56/142). Die Beschlüsse der Vorinstanzen waren daher aufzuheben. Das Erstgericht hat der betreibenden Partei eine angemessene Frist zur Nachbringung der erwähnten Zustellungsurkunde oder der Bestätigung über den Zustellungsvorgang zu erteilen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 78 EO iVm § 52 Abs 1 ZPO.