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OGH vom 24.02.1971, 5Ob23/71

OGH vom 24.02.1971, 5Ob23/71

Norm

ABGB § 364;

Kopf

SZ 44/22

Spruch

§ 364 Abs 2 ABGB enthält dispositives Recht

Beim Erwerb eines an einen natürlich gewachsenen Konglomeratfelsen grenzenden Grundstücks ist objektiv erkennbar, daß Einwirkungen durch herabfallendes Gestein auf die Dauer nicht auszuschließen sind. Der Erwerber hat damit die Unzukömmlichkeiten auf sich genommen, die mit dem Erwerb einer solchen Liegenschaft verbunden sind. Er kann vom Eigentümer der Nachbarliegenschaft nur zumutbare Vorkehrungen gegen Schäden durch herabfallendes Gestein, Erdreich und größere Äste begehren

(OLG Linz 4 R 95/70; KG Steyr 2 Cg 446/68)

Text

Die Brauerei S-GmbH war seit vielen Jahren Eigentümerin sowohl der derzeit im Miteigentum der Klägerin stehende Liegenschaft S, Estraße 17, bestehend aus einem mehrgeschossigen ziegelgedeckten Wohnhaus und einem daran angebauten eingeschossigen, mit einem flachen blechgedeckten Pultdach versehenen Gaststättentrakt, als auch der ostwärts an diese Liegenschaft angrenzenden Grundparzellen, die aus einem nahezu lotrecht aufsteigenden Konglomeratfelsen und daran anschließenden Steilhängen bestehen. Unterhalb des Felsens reicht eine mit Gesträuch und Lianen überwucherte kurze Geröllhalde bis an die Oberkante des Pultdaches des Gaststättentraktes heran. Oberhalb des Felsens befinden sich Bäume und Gesträuch. Daran schließt ein steiles Wiesengelände an.

Die Brauerei S-GmbH ließ zum Schutz der Gebäude vor den Einflüssen der darüberliegenden Hänge in den Jahren 1952 bis 1959 oberhalb des mehrgeschossigen Gebäudes und von diesem aus bis etwa zur Mitte des eingeschossigen Gaststättentraktes hin ein 1/2 m hohes Drahtgeflecht anbringen, um darin abrollendes Material aufzufangen. Die restliche Hälfte des Gaststättentraktes wurde nicht abgeschirmt, weil sie damals weniger vom Steinschlag betroffen war. Statt eine ausreichende Sanierung des Hanges vorzunehmen, die ein künftiges Herabfallen des Gesteins verhindert hätte, hatte die Brauerei S-GmbH die entstehenden Dachschäden laufend ausbessern lassen. Sie hatte sich für die letztere Möglichkeit entschieden, weil sie billiger kam und sich der Aufwand für eine wirksame Sanierung in kein Verhältnis zum Ertrag und zum Wert der betroffenen Objekte bringen ließ. Solche Reparaturen fielen jährlich im Frühjahr nach Frostaufbruch und meist auch noch im Sommer an.

Die Entwässerung oberhalb des Gaststättentraktes erfolgte über eine vom angrenzenden mehrgeschossigen Gebäude her über etwa ein Drittel der Länge des Gaststättentraktes verlaufende Betonrinne, aus der die darin gesammelten Niederschlagswässer über das Pultdach in die straßenseitig auf diesem befindliche Dachrinne abgeleitet wurden. Für die restlichen zwei Drittel der Gebäudelänge des Gaststättentraktes bestand keine besondere Vorkehrung zur Ableitung der Niederschlagswässer. Die Niederschlagswässer flossen vielmehr entlang des Felsens nach unten ab. Mangels einer geeigneten Entwässerung war die hintere Wand des Gaststättentraktes im Bereich der fehlenden Wasserableitung weitgehend durchfeuchtet. Weil eine Trockenlegung dieser Wand oder eine anderweitige Sanierung einen beträchtlichen Kostenaufwand erfordert hätten, behalf sich die Brauerei S-GmbH damit, daß sie im Inneren des Gaststättentraktes in geringer Entfernung von der bestehenden durchfeuchteten Rückwand eine neue Wand aufführen ließ.

Mit Vertrag v übergab die Brauerei S-GmbH der beklagten Gemeinde S fünf Parzellen, in die der Steilhang oberhalb der Gebäude S, E-straße 5 und 17, aufgeteilt ist.

Nach P V des Vertrages v wurde vereinbart: "Ebenso wie bisher die Übergeberin (Brauerei S-GmbH) hat in Hinkunft die Übernehmerin (Beklagte) für die Vermeidung von Schäden durch herabbrechendes Gestein, Erdreich oder ähnliches von dem steilen Abfall der Übergabsliegenschaft gegen die Baulichkeiten der Übergeberin in der E-straße ... bei sonstiger Verpflichtung zum Schadenersatz Sorge zu tragen."

Nach P VII des Vertrages wurde vereinbart: "Die Rechte und Verbindlichkeiten aus diesem Vertrag gehen beiderseits auf die Rechtsnachfolger über und sind, soweit sie nicht grundbücherlich sichergestellt sind, auf die Rechtsnachfolger zu überbinden."

Im Zuge der Verhandlungen vor Vertragsabschluß wurde die Liegenschaft von einer Kommission der Beklagten besichtigt. Hiebei konnten von dem von der bisherigen Eigentümerin angebrachten Drahtzaun noch die an den Bäumen befestigten Enden gesehen werden. Die Mittelstücke waren von aufgefangenem Geröll überdeckt. Von der Brauerei S-GmbH wurde gefordert, daß die Beklagte die Verpflichtung übernehme, daß vom Kaufobjekt (Steilhang) kein Herabfallen von Material vorkomme. Hiebei wurde ausdrücklich darauf Bedacht genommen, daß auf diesen Hängen Kinder aus den oben angrenzenden Siedlungsgebieten spielen und die Kinder einerseits das Abrollen von Steinen verursachen und andererseits auch Gegenstände absichtlich hinunterwerfen können. Der Beklagten war bekannt, daß dies kaum vermeidbar sein werde.

Nach dem Erwerb der Grundstücke erließ die Beklagte ein Begehungsverbot für das Hanggelände außerhalb der Wege und publizierte dies durch Tafeln.

Mit Kaufvertrag v erwarben die Kläger die Liegenschaft S, E-straße 17, bestehend aus dem mehrgeschossigen Gebäude und dem eingeschossigen Gaststättentrakt mit allen Rechten und Pflichten, wie sie bisher der Brauerei S-GmbH als Eigentümerin zustanden, um den Betrag von S 220.000.-. Der Zustand des Kaufgegenstandes war allen Vertragsteilen bekannt und wurde von ihnen ausdrücklich genehmigt. Im Zuge der Verkaufsverhandlungen wurde den Klägern auch eine Fotokopie des zwischen der Brauerei S-GmbH und der Beklagten abgeschlossenen Übergabsvertrages v überlassen.

Der Erstkläger unterrichtete sich vor dem Kauf über die vorhandenen Vorkehrungen zur Ableitung der Hangwässer am hinteren Rand des Pultdaches des Gaststättentraktes nur durch einen Blick aus einem Fenster des dreigeschossigen Gebäudes. Er konnte dabei jedoch die Beschaffenheit der Anlagen nicht erkennen, weil Laub, Steine und Blechdosen die vorhandenen Einrichtungen verdeckten. Der Erstkläger war sich aber darüber klar, daß eine Sanierung des Gaststättentraktes oder dessen Aufstockung vor einer Sanierung der Konglomeratfelsen keinen Sinn hatte. Eine solche Sanierung war in einer Form erforderlich, die ein weiteres Loslösen von Konglomeratgestein unmöglich macht. Weil dem Erstkläger die Fortsetzung des Gaststättenbetriebes im eingeschossigen Trakt zu riskant erschien, richtete er im Erdgeschoß des dreigeschossigen Gebäudes eine Gaststätte neu ein, um damit einer im Kaufvertrag übernommenen Verpflichtung nachzukommen. Nach dem Kauf der Liegenschaft durch die Kläger war die Verpachtung des Gaststättentraktes an der frühere Pächterin Sch noch etwa 1 1/2 Jahre hindurch aufrechterhalten worden. Die Pächterin hatte jeweils von sich aus die Räumung der Rinne oberhalb des Pultdaches veranlaßt, wenn daraus Wasser in das Gebäude eingedrungen war.

Im Herbst 1967 besichtigte der Sohn der Kläger, Eberhard N, erstmals im Auftrag der Kläger eingehender den Bereich oberhalb des Pultdaches, weil damals neue Wasserflecken im Gaststättentrakt aufgetreten waren. Auch er begnügte sich mit der Feststellung, daß die betonierte Wasserrinne mit Laub, Geröll und Astwerk verstopft sei. Ob die Rinne (außer der Ableitung über das Pultdach) einen Ablauf besaß, prüfte Eberhard N nicht; er nahm das aber an und war der Ansicht, daß der Ablauf verstopft und nicht mehr in Funktion sei.

Die Kläger forderten daraufhin mit Schreiben v die Beklagte zur Abhilfe auf. Bei einer gemeinsamen Begehung wurden die Anfüllung der Rinne mit Laub, Steinen und Erdreich sowie Risse und Löcher auf dem Blechdach und ferner festgestellt, daß von der Rinne aus Tagwässer in das Gebäude eindringen konnten. Die Behebung der Blechschäden wurde von der Beklagten veranlaßt. Die Abholung der Sträucher und die Räumung der Rinne wurde drei oder vier Wochen nach der gemeinsamen Besichtigung durch Bedienstete der Beklagten vorgenommen und eine LKW-Ladung Räumgut sowie eine weitere LKW-Ladung Gesträuch und Lianen weggeschafft. Nach dieser Räumung drang bis zum nächsten Herbst kein Wasser in das Gebäude ein.

Mit Schreiben v mahnten die Kläger die Beklagte, daß die geforderte Übernahme der durch das eingedrungene Wasser verursachten Bauschäden noch offen sei. In den Kostenvoranschlag über die Behebung der Bauschäden wurden alle Schäden aufgenommen, die einerseits durch Beschädigung der Dachhaut, andererseits durch das Eindringen von Hangwasser am Oberrand des Pultdaches entstanden waren.

Nach der Schneeschmelze 1970 ließ die Beklagte oberhalb des fast lotrechten Konglomeratfelsens eine Steinschlagsicherung aus 12 bis 14 cm starken Derbstangen mit einer Höhe von 1.20m bis 1.30m, die noch zusätzlich mit einem Drahtgeflecht überspannt wurden, anbringen. Diese Sicherung kann von dem oberhalb liegenden steilen Wiesenhang abrollende Steine oder sonstiges Material auffangen, nicht jedoch das Abbröckeln von Konglomeratgestein verhindern, weil die Sicherung oberhalb der Felswand angebracht wurde.

Als Eberhard N im März 1970 die Liegenschaft besichtigte, sah er einen Stein im Durchmesser von 30 cm auf dem Blechdach liegen. Die Rinne war wieder angefüllt. Der Bedienstete der Beklagten, A, nahm am zwei große Steine auf dem Dach wahr. Ende Mai 1970 ließ die Beklagte den Bereich oberhalb des Pultdaches wieder säubern. Damals wurde auch nach einem Wasserabfluß gesucht, ein solcher jedoch nicht gefunden.

Mit der vorliegenden Klage begehren die Kläger, die Beklagte schuldig zu erkennen,

1. ihnen den Betrag von S 39.147.60 samt 4% Zinsen seit dem Klagstag () zu zahlen und

2. Vorkehrungen baulicher Art auf ihrem Grundstück EZ X zu treffen, wodurch in Hinkunft das Abstürzen von Gestein, Erdreich und anderen Stoffen auf die Liegenschaft S, E-straße 17, Baufläche 39/2 der EZ Y, vermieden und hintangehalten wird. Die Kläger stellen ferner das Eventualbegehren, der Beklagten die von ihrer Liegenschaft EZ X ausgehenden Immissionen durch Abstürzen von Gestein, Erdreich und anderen Stoffen auf die Liegenschaft der Kläger S, E-straße 17, Baufläche 39/2 der EZ Y, zu untersagen und die Beklagte schuldig zu erkennen, die genannten Eingriffe (Immissionen) zu unterlassen. Die Klage wird darauf gestützt, daß von den im Eigentum der Beklagten stehenden benachbarten Grundstücken Gesteinsmassen, Geröll und Erdreich abstürzten und zum Teil in einer Regenrinne oberhalb des Gebäudes liegen blieben, zum anderen Teil aber auch das Blechdach des niedrigeren Gebäudes durchschlügen. Das habe zu einer Durchfeuchtung der Dachkonstruktion und des darunterliegenden Mauerwerks geführt, so daß Decken- und Fußbodenschäden aufgetreten seien. Weil überdies die Abwässerrinne mit Geröll angefüllt worden sei, sei auch von ihr her Wasser in das Gebäude eingedrungen und habe dort erhebliche Bauschäden verursacht, deren Behebung einen Kostenaufwand von S 39.147.60 erfordere. Die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz des angeführten Kostenaufwandes und zur Vornahme von Vorkehrungen zur Unterbringung künftiger Immissionen ergebe sich nicht nur aus den nachbarrechtlichen Vorschriften, sondern auch auf Grund des Übergabsvertrages.

Die Beklagte wendete ein, daß das Loslösen von Gestein durch die natürlichen Gegebenheiten bedingt sei oder trotz eines verfügten Betretungsverbotes von Unbefugten, vor allem von spielenden Jugendlichen, verursacht werde und sich technisch ebensowenig wie das Absickern des Wassers verhindern lasse. Abwehrmaßnahmen seien praktisch unzumutbar.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren und das Eventualbegehren ab. Es ging davon aus, daß auf Grund der nachbarrechtlichen Vorschrift des § 364 Abs 2 ABGB die vom Grund der Beklagten ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung uä nur insoweit untersagt werden könnten, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benützung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigen. Alle in § 364 Abs 2 ABGB nicht taxativ aufgezählten Immissionen seien aber auf eine menschliche Tätigkeit zurückzuführen, weil Einwirkungen dieser Art von der Natur allein gewöhnlich nicht erzeugt würden. Naturgegebene Einwirkungen aber müßten, um untersagungsfähig zu sein, das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten. Das Abbröckeln von Konglomeratgestein, der Laubfall und das Abrieseln von Erdreich, soweit es durch die natürliche Beschaffenheit der Bodengestaltung an der Grundgrenze bewirkt werde, könne daher von der Klägerin allein aus dem Nachbarrecht nicht untersagt werden; die Beklagte sei nicht verpflichtet, diese Naturerscheinungen zu verhindern, wenn die Kläger sich ein Objekt in der gegenständlichen, ihnen bekannten Position und zu dem geringen Kaufpreis, wie im vorliegenden Fall, ausgesucht hätten. Die Kläger müßten daher die nachteiligen Einflüsse vom Oberhang in Kauf nehmen. Auch zu aufwendigen technischen Vorkehrungen in Form irgendeiner Hangsicherung könne die Beklagte aus dem Nachbarrecht nicht verpflichtet werden. Soweit Immissionen jedoch nicht auf natürliche Ursachen, sondern auf Mutwillenshandlungen Jugendlicher zurückzuführen seien, die Steine oder andere Gegenstände vom Oberhang hinunterwerfen, überschritten sie nicht das ortsübliche Ausmaß, so daß Immissionen dieser Art der Beklagten gleichfalls nicht untersagt werden könnten; das um so mehr, als diesbezüglich noch Unmöglichkeit der Leistung hinzutreten würde. In dieser Hinsicht habe die Beklagte ihren nachbarrechtlichen Verpflichtungen durch das Aufstellen der Verbotsschilder Genüge geleistet. Aus dem Nachbarrecht stunden den Klägern daher weder die begehrte Untersagung noch Schadenersatz zu.

Der Anspruch der Kläger bestehe aber auch nach dem Übergabsvertrag nicht zu Recht. P V des Übergabsvertrages setze durch seine Formulierung ("ebenso wie bisher die Übergeberin, hat in Hinkunft die Übernehmerin für die Vermeidung von Schäden ... bei sonstiger Verpflichtung zum Schadenersatz Sorge zu tragen") einen Maßstab für die von der Beklagten darin übernommene Verpflichtung. Ausschlaggebend sei daher, in welchem Maße die Brauerei S-GmbH zu jener Zeit, als sie Eigentümerin sowohl des Steilhanges als auch der Unterliegergrundstücke gewesen sei, für die Vermeidung von Schäden gesorgt habe. Dies sei nur in sehr dürftigem Maße geschehen, nämlich durch Anbringung eines 0.5 m hohen Drahtgeflechtes als einziger Schutzvorkehrung, welches Drahtgeflecht nicht einmal geräumt worden sei, nachdem es durch abrollendes Material aufgefüllt worden war. Im übrigen habe sich die Brauerei S-GmbH darauf beschränkt, die Steinschlagschäden am Dach ausbessern zu lassen, welches Vorgehen nicht auf Nachlässigkeit, sondern auf Rationalitätserwägungen beruht habe. Was aber nicht einmal der Eigentümer selbst zum Schutz seiner Sache für notwendig erachte, konnten er und seine Rechtsnachfolger auch kaum vom Nachbarn fordern. Allerdings habe die Beklagte bewußt über die schriftliche Fassung ihrer Verpflichtung (P V) hinaus eine etwas weitergehende Haftung für Schäden durch vom Oberhang herabfallendes Material, uzw für solche Schäden übernommen, die von verbotswidrig auf dem Steilhang spielenden Kindern durch unabsichtlich losgetretenes Material oder absichtlich hinuntergeworfene Gegenstände auf den Unterliegergrundstücken verursacht werden. Hinsichtlich des vom Konglomeratfelsen abbröckelnden Gesteins habe die Beklagte aber nur die Verpflichtung übernommen, auf die natürliche Beschaffenheit des lockeren Gesteins Bedacht zu nehmen und nichts auf ihrem Grundstück zu unternehmen, was Schäden durch Abbröckeln von Konglomeratfelsen herbeiführen könnte. Für solche auf ein positives Handeln der Beklagten oder ihrer Organe zurückgehende Schäden habe sie jedenfalls zu haften, nicht jedoch für Schäden, die durch die natürliche Erosion verursacht werden.

Trotz einer beschränkten vertraglichen Haftung der Beklagten bestunden aber die Ansprüche der Kläger nicht zu Recht. Nach der räumlichen Anordnung der Objekte der Kläger und der Beschaffenheit des Hanges der Beklagten könne der Beklagten nicht die Überwachung der Liegenschaft der Kläger aufgebürdet werden; vielmehr sei der Geschädigte verbunden, die Schäden anzuzeigen und deren Ersatz ungesäumt zu begehren. Träten wegen unterlassener Anzeige vom Eintritt des Schadens Folgeschäden auf, so habe sie der säumige Anzeigepflichtige selbst zu vertreten. Die Kläger könnten daher lediglich die Kosten der unverzüglichen Behebung von Steinschlagschäden und der Räumung der Ablaufrinne von der Beklagten fordern und selbst davon nur einen Teil, weil ja ein erheblicher Teil auf die Erosion zurückzuführen sei, für die die Beklagte nicht zu haften hätte. Mit der Beseitigung des Abrollmaterials und der lästigen Sträucher nach der Aufforderung der Kläger mit Schreiben v sei die Beklagte - die Dachschäden seien mittlerweile von den Klägern selbst behoben worden - ihren aus dem Nachbarrecht und dem Vertrag bestehenden Verpflichtungen zur Gänze nachgekommen. Die Übernahme der von den Klägern in der Klage aufgezeigten Bauschäden habe die Beklagte mit Recht abgelehnt, weil es sich dabei ausschließlich um Folgeschäden handle, die auf Feuchtigkeitseinwirkung zurückzuführen seien. Die Feuchtigkeitseinwirkung sei zu einem sehr erheblichen Teil durch die mangelhafte Entwässerung der Rückseite des Gebäudes bewirkt worden, um die sich die Kläger überhaupt noch nie gekümmert hätten. Es sei auch Sache der Kläger, die teilweise vorhandene Ablaufrinne an der Oberkante des Gaststättentraktes funktionsfähig zu halten. Auch einen Rechtsanspruch, die Beklagte zu baulichen Vorkehrungen zwecks Verhinderung des Abstürzens von Gestein auf ihre Grundstücke zu verpflichten, besaßen die Kläger nicht. Überdies sei das Klagebegehren zu unbestimmt, um im Exekutionsweg vollstreckbar zu sein. Aber auch das Eventualbegehren bestehe nicht zu Recht, weil keine untersagungsfähigen Immissionen gegeben seien, die von der Beklagten willkürlich herbeigeführt worden seien. Die Beklagte sei auch nicht verbunden, sie im Rahmen ihrer gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen zu verhindern.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Prozeßgerichtes unter Setzung eines Rechtskraftvorbehaltes auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es treffe nicht zu - so führt das Gericht zweiter Instanz aus -, daß die Bestimmung des § 364 Abs 2 ABGB bei Immissionen ohne menschliches Zutun (Erosion) oder bei Immissionen ohne Einwilligung oder gegen das Verbot des Gründeigentümers nicht anwendbar sei. Für das Nachbarrecht von Belang sei vielmehr die Unterscheidung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Einwirkungen auf das Nachbargrundstück, je nachdem, ob eine Tätigkeit des Eigentümers des Nachbargrundstücks unmittelbar auf die Einwirkung gerichtet sei oder die Einwirkung nur zufällig eintrete. Nach § 364 Abs 2 ABGB müßten lediglich mittelbare - also zufällige - Einwirkungen gewöhnlichen Ausmaßes, die eine erhebliche Beeinträchtigung in der Benützung des Grundstücks nicht hervorrufen, geduldet werden. Gingen sie darüber hinaus, so könnten sie - wie die unmittelbaren Einwirkungen - untersagt werden. Im gegenständlichen Fall sei daher zu unterscheiden zwischen den unmittelbaren Einwirkungen, die durch das Herunterwerfen von Flaschen, Abtreten von Steinen - von wem immer verursacht - erfolgten, und den mittelbaren Einwirkungen, wie dem Herabfallen von Konglomeratgestein, Ästen, Laub udgl. Dabei sei aber zu beachten, daß nach § 364 Abs 2 ABGB der Tatbestand der Immissionen nicht verwirklicht sei, wenn grob körperliche Beeinträchtigungen erfolgen. Das Eindringen fester Körper größeren Umfangs könne abgewehrt werden. Die Kläger seien daher befugt, nicht nur die unmittelbaren Einwirkungen, sondern auch die mittelbaren Einwirkungen auf Grund des Nachbarrechtes abzuwehren, soweit es sich bei letzteren um grob körperliche Immissionen handle. Das werde für herabfallendes Gestein, Erdreich und größere Äste, nicht aber für fallendes Laub und herabrinnendes Hangwasser zutreffen. Demzufolge sei ein Untersagungsanspruch der Kläger auf Grund der Bestimmungen des Nachbarrechtes zu bejahen.

Allein das Vorliegen eines nachbarrechtlichen Anspruches sei nicht streitentscheidend. Der Umstand, daß die Rechtsvorgängerin der Kläger, die Brauerei S-GmbH und die Beklagte im Übergabsvertrag v auch eine Regelung über die nachbarrechtlichen Verpflichtungen der Beklagten getroffen hätten, rechtfertige die Annahme, daß die vertragschließenden Parteien die die Beklagte aus dem Gründe des Nachbarrechtes treffenden Verpflichtungen ausschließlich durch den Vertrag festgelegt wissen wollten. In einem solchen Fall regle sich aber der Umfang der die Beklagte treffenden Verpflichtungen primär nach dem Vertrag; nur subsidiär könnte auf die Bestimmungen des Nachbarrechtes zurückgegriffen werden. Da gemäß P VII des Übergabsvertrages die Rechte und Verbindlichkeiten aus diesem Vertrag beiderseits auf die Rechtsnachfolger, im gegenständlichen Fall von der Brauerei S-GmbH auf die Kläger, übergegangen seien bzw zu überbinden gewesen seien, könne der Anspruch der Kläger, auch wenn er nachbarrechtliche Verpflichtungen der Beklagten betreffe, nur in den Grenzen bestehen, die P V des Übergabsvertrages festlege. Bei der Beurteilung der Ansprüche der Kläger sei daher vom Inhalt der zwischen der Brauerei S-GmbH und der Beklagten abgeschlossenen Vereinbarung und damit vom Parteiwillen auszugehen. Bei der Ermittlung des Parteiwillens bezüglich der im P V des Übergabsvertrages v getroffenen Vereinbarungen lägen widersprechende und ergänzungsbedürftige Beweisergebnisse darüber vor, ob eine Haftungsbeschränkung der Beklagten bezüglich der höher gelegenen Grundstücke vereinbart worden sei. Es sei nicht auszuschließen, daß anläßlich des Verkaufes der höher gelegenen Liegenschaft dafür Vorsorge getroffen worden sei, daß die Beklagte für Immissionen nur in beschränktem Umfang hafte. Auch das Ausmaß der vereinbarten Haftungsbeschränkung sei von Belang. Dazu sei aber die Durchführung ergänzender Beweisaufnahmen erforderlich, so daß die Sache noch nicht spruchreif sei.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes nicht Folge

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

In rechtlicher Hinsicht ist dem Berufungsgericht beizupflichten, daß die Eigentümer benachbarter Grundstücke eine von der Bestimmung des § 364 ABGB abweichende Regelung bezüglich der Immissionen treffen können. Die angeführte Gesetzesstelle schließt es nicht aus, daß im Wege einer Vereinbarung der Parteien die Haftung des Gründeigentümers, von dessen Liegenschaft die Immissionen ausgehen, nur auf bestimmte Einwirkungen beschränkt oder auch erweitert wird. Daraus, daß dem Eigentümer die unbeschränkte Herrschaft über seine Liegenschaft zusteht, ergibt sich, daß er auf Ansprüche verzichten oder eine Erweiterung seiner Ansprüche vereinbaren kann, die sich aus seinem Eigentumsrecht ergeben. § 364 ABGB stellt daher eine Dispositivnorm dar.

Es trifft auch zu, daß die Kläger nur solche Ansprüche geltend machen können, die der Voreigentümer der Liegenschaft, nämlich der Brauerei S-GmbH, zugestanden sind. Die Kläger treffen aber auch nur die Verbindlichkeiten, die der Brauerei S-GmbH oblagen. Mit dem Kaufvertrag v haben nämlich die Kläger die Liegenschaft S, E-straße 17, mit allen Rechten und Pflichten, wie sie bisher der Brauerei S-GmbH als Eigentümerin zugestanden waren, erworben. Ihnen wurden damit die Ansprüche und Verbindlichkeiten aus dem zwischen der Beklagten und der Brauerei S-GmbH am geschlossenen Übergabsvertrag übertragen. Den Klägern wurde im Zuge der Verkaufsverhandlungen nach den Feststellungen der Vorinstanzen auch eine Fotokopie des Übergabsvertrages v überlassen.

Wohl bildet die Auslegung des Inhaltes einer Urkunde für sich allein den Gegenstand der rechtlichen Beurteilung (MGA ZPO[12], 1004 E 16). Werden aber zur Auslegung der einer Urkunde zugrunde liegenden Absicht der Parteien andere Beweismittel als die Urkunde herangezogen, so werden damit tatsächliche Feststellungen getroffen (EvBl 1959/184; 1 Ob 8/71 ua). Wenn daher das Berufungsgericht als letzte Tatsacheninstanz der Ansicht ist, daß die durchgeführten Beweise zur Gewinnung der erforderlichen tatsächlichen Feststellungen noch nicht hinreichen und daß der Sachverhalt noch nicht hinreichend geklärt ist, so entzieht sich ein solcher nicht auf einer unrichtigen rechtlichen Sachbeurteilung beruhender Auftrag zur Beweisergänzung der Anfechtung vor dem OGH (RZ 1965. 45; SZ 41/68 ua). Sofern eine vertragliche Regelung hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche nicht gegeben ist, kommt allerdings die Bestimmung des § 364 Abs 2 ABGB zur Anwendung. Nach der angeführten Gesetzesstelle kann der Eigentümer eines Grundstückes dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gas, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und ähnliche insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benützung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigen. Eine unmittelbare Zuleitung ist ohne besonderen Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig. Schon auf Grund des Textes des § 364 Abs 2 ABGB ("und ähnliche") ergibt sich, daß die möglichen Einwirkungen auf den Nachbargrund nur beispielsweise aufgezählt sind. Es ist daher grundsätzlich jede wie immer geartete physische und nicht bloß ideelle Einwirkung, wie der OGH in Übereinstimmung mit dem Schrifttum (Klang[2] II 168 f) ausgesprochen hat (7 Ob 51/70), geeignet, ein Unterlassungsbegehren iS des § 364 Abs 2 ABGB zu rechtfertigen.

Dem Berufungsgericht ist aber auch beizupflichten, daß nach § 364 ABGB zwischen unmittelbaren und mittelbaren Einwirkungen zu unterscheiden ist. Unmittelbare Einwirkungen sind unzulässig. Mittelbare Einwirkungen müssen hingegen geduldet werden, soweit sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß nicht überschreiten und die ortsübliche Benützung des Grundstückes nicht wesentlich beeinträchtigen. Gehen sie darüber hinaus, können sie, wie die unmittelbaren Einwirkungen, untersagt werden. Nicht durch die Vorschrift des § 364 Abs 2 ABGB gedeckt ist das Eindringen fester Körper größeren Umfanges (Klang[2] aaO 167, 170; Gschnitzer, Sachenrecht 60; Ehrenzweig[2] I/2, 132; SZ 14/224). Diese Auffassung wird auch im Schrifttum (Soergel - Siebert, Sachenrecht[10] § 906 BGB Anm 21) und in der Rechtsprechung (RGZ 161, 66; BGHZ 28. 225) zur Vorschrift des § 906 BGB in der vor dem in Geltung gestandenen Fassung vertreten, dem die Bestimmung des § 364 Abs 2 ABGB nachgebildet wurde.

Allein im vorliegenden Fall haben die Kläger ein Grundstück erworben, das an einen natürlich gewachsenen Konglomeratfelsen grenzt. Es war objektiv erkennbar, daß Einwirkungen durch herabfallendes Gestein auf die Dauer nicht auszuschließen sind. Dafür wurde von den Klägern nach den Feststellungen der Untergerichte auch ein Kaufpreis entrichtet, bei dem auf die Lage und Beschaffenheit des Unterliegergrundstücks Bedacht genommen wurde. Die Kläger als Erwerber der Unterliegergrundstücke haben damit die Unzukömmlichkeiten auf sich genommen, die mit dem Erwerb einer an einen Konglomeratfelsen angrenzenden Liegenschaft verbunden sind (vgl hiezu JBl 1961, 156). Sie sind daher nur in der Lage, gegenüber der Beklagten lediglich noch zumutbare Vorkehrungen gegen Schäden durch herabfallendes Gestein, Erdreich und größere Äste zu begehren. Das trifft auch für den Ausgleichsanspruch zu.

Daß der Ausgleichsanspruch nach § 364 ABGB ohne Rücksicht auf ein Verschulden desjenigen gewährt wird, der die Störung hervorruft, entspricht der herrschenden Rechtsprechung (ZBl 1937/108; SZ 11/233; SZ 14/210; SZ 20/184; 5 Ob 120/70).

Wohl hat nach § 226 ZPO die Klage ein bestimmtes Begehren zu enthalten. Der nach § 364 Abs 2 ABGB geltend gemachte Anspruch stellt nun einen Anwendungsfall der negatorischen Eigentumsklage dar. Das Begehren geht auf Unterlassung des Eingriffes oder auf Herstellung sichernder Vorkehrungen. Soweit das Klagebegehren aber auf Herstellung sichernder Vorkehrungen gerichtet ist, darf es keine bestimmte Einrichtung verlangen, vielmehr muß die Auswahl der Schutzmaßnahmen, wie der OGH ausgesprochen hat (SZ 38/50; RZ 1965, 145; SZ 41/150 ua), der Beklagten überlassen bleiben. Frei von Rechtsirrtum hat daher das Gericht zweiter Instanz die Bestimmtheit des Klagebegehrens bejaht.