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OGH vom 16.05.2001, 6Ob40/01b

OGH vom 16.05.2001, 6Ob40/01b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichtes Salzburg zu FN 155512 eingetragenen S***** AG mit dem Sitz in Salzburg, wegen Aufnahme von Urkunden in die Urkundensammlung, über den ordentlichen Revisionsrekurs der Gesellschaft, vertreten durch Cerha, Hempel & Spiegelfeld Partnerschaft von Rechtsanwälten in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom , GZ 6 R 329/00w-16, womit über den Rekurs der Gesellschaft der Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom , GZ 24 Fr 11536/00s-10, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien war die E***** Gesellschaft mbH eingetragen. Die A***** AG war atypische stille Gesellschafterin und brachte mit dem Sacheinlagevertrag vom ihren Mitunternehmeranteil laut vorgelegter Einbringungsbilanz zum mit einem ausgewiesenen Beteiligungswert von 148,898.972,75 S im Zuge einer Kapitalerhöhung in die E***** GmbH als Sacheinlage ein. Die Eintragung wurde im Firmenbuch eingetragen (72 Fr 6770/00g-3).

Mit einem weiteren Sacheinlagevertrag vom brachte die J***** AG ihre Geschäftsanteile an verschiedenen Gesellschaften sowie ihren Betrieb des Lebensmitteleinzelhandels in Ostösterreich in die E***** Gesellschaft mbH ein. Die Eintragung im Firmenbuch erfolgte unter 72 Fr 6294/00g-6 des Handelsgerichtes Wien. Der Einbringung war die Einbringungsbilanz der J***** AG zum mit einer Bilanzsumme von 899,239.167,99 S zu Grunde gelegt worden.

Die E***** Gesellschaft mbH wurde mit Beschluss der außerordentlichen Generalversammlung vom in die E***** AG (im Folgenden: die Gesellschaft) umgewandelt. Der Sitz der Gesellschaft wurde von Wien nach Salzburg verlegt.

Die Gesellschaft legte dem nunmehr zuständigen Landesgericht Salzburg als Firmenbuchgericht mit den beiden je als "Anmeldung" bezeichneten Eingaben vom zwei in Notariatsaktsform errichtete Berichtigungserklärungen der an den Einbringungsvorgängen beteiligten Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder vor. Den Notariatsakten waren jeweils korrigierte Einbringungsbilanzen angeschlossen. Nach der korrigierten Einbringungsbilanz der A***** Unternehmensverwaltungs AG beträgt der Mitunternehmeranteil 112,835.470,23 S und das Einbringungskapital 75,871.187,09 S. Die korrigierte Einbringungsbilanz der J***** AG weist als Aktiva des Betriebs Lebensmitteleinzelhandel in Ostösterreich 913,684.266,43 S aus. In den angeführten Notariatsakten erklärten die Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder, dass die den Sacheinlageverträgen angeschlossenen Einbringungsbilanzen nicht dem Parteiwillen am entsprochen hätten. Die Einbringungsbilanzen seien durch die den Berichtigungserklärungen beigelegten Einbringungsbilanzen zu ersetzen. Die Gesellschaft beantrage nun, diese Urkunden in die Urkundensammlung aufzunehmen.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab. Nach § 12 FBG seien Urkunden, auf Grund derer eine Eintragung im Hauptbuch vorgenommen werde oder für die die Aufbewahrung bei Gericht angeordnet sei, in die Urkundensammlung aufzunehmen. Die Anmeldung sei abzuweisen, weil kein Eintragungsantrag gestellt worden sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Gesellschaft nicht Folge. Aufgabe des Firmenbuches sei es, die grundlegenden Tatsachen und Rechtsverhältnisse der vollkaufmännischen Unternehmungen zu beurkunden und öffentlich einsichtig zu machen. Die Offenlegung diene dem Interesse der Allgemeinheit und demjenigen des eingetragenen Rechtsträgers. Das FBG sehe nur die Aufnahme solcher Urkunden in die Urkundensammlung vor, die Grundlage einer Eintragung bilden oder für die die Aufbewahrung bei Gericht angeordnet sei. Die Grundlage der Eintragung der Einbringungen seien die damals vorgelegten Urkunden, einschließlich der Einbringungsbilanzen gewesen. Ein späterer Austausch oder eine Ergänzung der Urkunden sei im Gesetz nicht vorgesehen. Den Berichtigungserklärungen, wonach die Bilanzen nicht dem Parteiwillen entsprochen hätten, könne nicht entnommen werden, ob die Parteien nunmehr die Bilanzierungsregeln anders auslegten, die eingebrachten Sachen und Rechte seinerzeit falsch bewertet hätten oder eine andere Vorstellung vom Umfang der eingebrachten Sachen und Rechte gehabt hätten. Die Aufnahme der nun vorgelegten Bilanzen in die Urkundensammlung sei in keiner Weise geeignet, der Offenlegung grundlegender Tatsachen und Rechtsverhältnisse zu dienen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht auffindbar sei, ob korrigierte Einbringungsbilanzen zur Urkundensammlung zu nehmen seien.

Mit ihrem ordentlichen Revisionsrekurs beantragt nach einem Verschmelzungsvorgang die Gesamtrechtsnachfolgerin der Gesellschaft die Abänderung dahin, dass die Berichtigungserklärungen vom samt den angeschlossenen (berichtigten) Einbringungsbilanzen zu den Sacheinlageverträgen vom in die Urkundensammlung aufgenommen werden; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Ein ähnlicher und vergleichbarer Fall lag der Entscheidung 6 Ob 227/97v = SZ 70/190 zu Grunde. Im Zuge einer Spaltung wurde ein Teilbetrieb in eine neu errichtete Gesellschaft mbH abgespaltet und der Spaltungsvorgang im Firmenbuch eingetragen, ebenso die auf Grund von Abtretungsverträgen nach dem Spaltungsplan sich ergebenden Gesellschafterverhältnisse. Die Geschäftsführer der beteiligten Gesellschaften stellten in einem späteren Notariatsakt fest, dass die Abtretungsverträge rechtsunwirksam und nichtig seien und meldeten namens der Gesellschaft die Nichtigerklärung zum Firmenbuch an. Die Anmeldung und der ihr innewohnende Antrag auf Aufnahme in die Urkundensammlung wurden nach der zitierten Entscheidung SZ 70/190 zu Recht abgewiesen. Die Gründe dieser Entscheidung hat das Rekursgericht wörtlich wiedergegeben. Daraus ist hervorzuheben, dass die Offenlegung im Interesse der Allgemeinheit und der Rechtsträger erfolgt und dass das Gesetz nur die Aufnahme solcher Urkunden in die Urkundensammlung vorsieht, die Grundlage einer Eintragung bilden oder für die die Aufbewahrung bei Gericht angeordnet ist (§ 12 FBG). Die Nichtigerklärung der Abtretungsverträge der Gesellschafter durch die Geschäftsführer der Gesellschaften sei kein wirksamer, konstitutiver Rechtsakt. Sie sei für die maßgeblichen Rechtsverhältnisse im Gesellschafterstand wirkungslos. An diesen Grundsätzen ist auch im vorliegenden Fall festzuhalten. Die Revisionsrekurswerberin führt zur Richtigkeit ihrer Ansicht den Wortlaut des § 1 Abs 2 FBG und die Gesetzesmaterialien dazu ins Treffen. Nach der zitierten Gesetzesstelle dient das Firmenbuch der Verzeichnung und Offenlegung von Tatsachen, die nach diesem Bundesgesetz oder nach sonstigen gesetzlichen Vorschriften einzutragen sind. Wohl geht der Begriff "Verzeichnung" nach den Erläuterungen im Ausschussbericht (in Eiselsberg/Schenk/Weißmann FBG im Anschluss an den Gesetzestext des § 1 FBG abgedruckt) "bewusst über den der Eintragung hinaus, welche nach § 2 dem Hauptbuch vorbehalten ist, da rechtlich und wirtschaftlich bedeutsame Tatsachen von Kaufleuten ja auch in der neu eingeführten (§ 12 FBG) Urkundensammlung - ebenfalls dem Prinzip der Öffentlichkeit des Firmenbuchs entsprechend (§ 9 Abs 1 HGB, §§ 33 bis 35 FBG) - festzuhalten (also zu "verzeichnen") und damit offen zu legen sind". Immer setzt aber eine "Verzeichnung" von Tatsachen einen Gesetzesauftrag voraus, wie dies beispielsweise bei der Offenlegung der Jahresabschlüsse der Fall ist (§§ 277 ff HGB), die beim Firmenbuchgericht einzureichen sind. Aus den zitierten Gesetzesmaterialien ist nicht abzuleiten, dass ohne gesetzliche Anordnung in Urkundenform verfasste Wissenserklärungen von Organen der im Firmenbuch eingetragenen Rechtsträger in die Urkundensammlung nur deshalb aufgenommen werden müssten, weil sie für den Geschäftsverkehr von irgend einem Interesse sein könnten. Schon rein praktische Überlegungen sprechen gegen eine uferlose Einreichung von Urkunden, die weniger zur Aufklärung des Publikums, als zu dessen Verwirrung beitragen könnten.

Die Einbringungsbilanzen waren die Grundlage der Eintragung der Einbringungen im Hauptbuch. Einbringungsbilanzen sind Geschäftseröffnungsbilanzen im Sinne des § 193 HGB (Krejci, Grundriss des Handelsrechts 575). Diese sind nach den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Buchführung aufzustellen. Die Regeln über die Jahresbilanz sind anzuwenden (Geist in Jabornegg HGB Rz 6 zu § 393; Nowotny in Straube HGB II2 Rz 6 zu § 193). Der vom Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH aufgestellte Jahresabschluss ist von der Gesellschafterversammlung zu genehmigen (§ 35 Abs 1 Z 1 GmbHG). Bei der Aktiengesellschaft ist das für die Feststellung des Jahresabschlusses zuständige Organ regelmäßig der Aufsichtsrat, ausnahmsweise auch die Hauptversammlung (Nowotny aaO Rz 4 zu § 222). Die Berichtigung oder Änderung von Bilanzen ist vor ihrer Feststellung (Genehmigung) durch das zuständige Organ der Gesellschaft uneingeschränkt möglich, danach wegen allfälliger Rechte der Gesellschafter oder auch Dritter wegen der bindenden Wirkung der Feststellung nur mehr eingeschränkt (Geist aaO Rz 17; Nowotny aaO Rz 14; Reich-Rohrwig GmbHG-Recht I2 Rz 3/232). Auch wenn die Berichtigung fehlerhafter Jahresabschlüsse nicht nur erlaubt, sondern etwa wegen unzulässiger Bilanzansätze sogar geboten erscheint (Nowotny aaO Rz 14; Krejci aaO 558; Reich-Rohrwig aaO Rz 3/234) und auch eine Änderung der Bilanz aus wichtigen Gründen nicht unzulässig ist, setzt beides eine Befassung des zuständigen Organs der Gesellschaft voraus. Daraus folgt, dass die vorliegenden in Notariatsaktform gekleideten Erklärungen der Organe der beteiligten Gesellschaften nur Wissenserklärungen über den behaupteten Irrtum oder aber namens der Rechtsträger abgegebene Willenserklärungen sind, die noch nicht wirksam geworden sind. In beiden Fällen besteht für die beantragte Aufnahme der Erklärungen in die Urkundensammlung des Firmenbuchs weder eine gesetzliche Grundlage noch ein praktisches Bedürfnis. Selbst wenn die Einreichung korrigierter Bilanzen grundsätzlich für möglich erachtet wird, ist dies hier aus den dargelegten Gründen nicht möglich. An dieser Beurteilung vermag der Hinweis der Revisionsrekurswerberin nichts zu ändern, dass das für eine der einbringenden Gesellschaften zuständige Firmenbuchgericht einer gleichlautenden "Anmeldung" stattgegeben und die Berichtigungserklärung samt korrigierter Einbringungsbilanz in die Urkundensammlung aufgenommen habe. Einer derartigen Entscheidung käme für das vorliegende Verfahren, in dem die übernehmende Gesellschaft Partei ist, keine bindende Wirkung zu. Der unterschiedliche Informationsstand bei Einsicht in nur eines der beiden Firmenbücher wäre zwar nicht wünschenswert, löste aber keine für den Einsichtnehmenden nachteiligen Rechtsfolgen aus. Die Berichtigungserklärungen der Geschäftsführer bzw Vorstandsmitglieder geben jedenfalls Veranlassung zu weiteren Nachforschungen und vermögen für sich allein die materielle Rechtslage nicht zu ändern. Eine Bindungswirkung könnte nur eine Gerichtsentscheidung über materiell wirksame Organhandlungen entfalten.