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OGH vom 27.10.1994, 6Ob4/92

OGH vom 27.10.1994, 6Ob4/92

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel und Dr.Redl und die fachkundigen Laienrichter Mag.Karl Dirschmied und Dr.Reinhard Drössler als weitere Richter in der datenschutzrechtlichen Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Susanne V*****, vertreten durch Dr.Thomas Prader, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Stadt W*****, vertreten durch Dr.Wilfried Leffort, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, hilfsweise Unterlassung (Streitwert 300.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das zum Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 24 Cga 815/90-12, ergangene Berufungsurteil des Oberlandesgerichtes Wien vom , AZ 32 Ra 52/91(ON 18), in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht stattgegeben.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 12.247,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten an Umsatzsteuer 2.041,20 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war acht Jahre Vertragsbedienstete der beklagten Stadtgemeinde. Sie bewarb sich (nach einvernehmlicher Lösung ihres Dienstverhältnisses zum ) noch im Oktober 1987 beim Bund um eine Stelle als Sozialarbeiterin. Auf Ersuchen des zuständigen Bundesministeriums übermittelte die Stadtgemeinde ohne ausdrückliche Zustimmung ihrer ehemaligen Vertragsbediensteten die über sie geführte Personalakte. Darin waren auch nicht automationsunterstützt verarbeitete personalbezogene Daten der Klägerin enthalten. Unter anderem befand sich eine Strafregisterauskunft über die Klägerin in dem von der Beklagten geführten Personalakt.

Die Klägerin erhob - nachdem ihr mitgeteilt worden war, daß sie die angestrebte Anstellung nicht erhalten werde - wegen der Überlassung der Personalakte an das Bundesministerium Beschwerde an die Datenschutzkommission. Diese wies die Beschwerde insoweit wegen Unzulässigkeit des Verwaltungsverfahrens vor der Datenschutzkommission gemäß § 1 Abs 6 DSG zurück, als die Verletzung des Geheimhaltungsgebotes im Sinne des § 1 DSG in Ansehung der in der Personalakte enthaltenen nicht automationsunterstützt verabeiteten Daten geltend gemacht wurde.

In diesem Sinne erhob die Klägerin gegen die beklagte Stadtgemeinde klageweise bei Gericht das Begehren auf Feststellung der durch die Weitergabe der Personalakte erfolgten Grundrechtsverletzung auf Geheimhaltung personenbezogener Daten im Sinne des § 1 Art 1 DSG, hilfsweise das Unterlassungsbegehren, die Beklagte zu verpflichten, die Übermittlung nicht automationsunterstützt verarbeiteter personenbezogener Daten aus der Personalakte der Klägerin an dritte Personen insoweit zu unterlassen, als die Klägerin dadurch in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Geheimhaltung der sie betreffenden personenbezogenen Daten verletzt würde.

Das Prozeßgericht erster Instanz gab dem Feststellungsbegehren statt.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil in der Hauptsache derart ab, daß es das auf Feststellung gerichtete Hauptbegehren abwies, dem auf Unterlassung gerichteten Hilfsbegehren aber stattgab. Dazu sprach das Berufungsgericht aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt.

In rechtlicher Beurteilung führte das Berufungsgericht im wesentlichen aus:

Die von einem Dienstgeber über einen seiner Dienstnehmer geführte Personalakte enthalte üblicherweise arbeitnehmerbezogene Daten (beispielsweise Aufzeichnungen über Krankenstände, familiäre Verhältnisse, unter Umständen auch Strafregisterauskünfte), an deren Geheimhaltung dem Dienstnehmer unabhängig davon ein schutzwürdiges Interesse zuzubilligen sei, ob sie ihm zum Nachteil gereichten oder nicht. Die dem Bund gesetzlich auferlegte Verpflichtung zur Prüfung der Eignung eines Anstellungsbewerbers (§ 3 Abs 1 Z 3 VBG 1948 einerseits und § 4 Abs 3 BDG andererseits) rechtfertigten keine Ausnahme vom Geheimhaltungsgebot, weil die grundsätzliche Möglichkeit bestünde, die für eine Anstellung erforderlichen Umstände eines Bewerbers durch Eignungstests und ähnliches zu klären, ohne daß die über eine frühere Anstellung in Personalakten gesammelten Daten eingesehen werden müßten. Die für die Stattgebung des Unterlassungsbegehrens erforderliche Wiederholungsgefahr habe die beklagte Stadtgemeinde nicht schon durch die Erlassung einer Dienstanweisung über die Behandlung von Ersuchen auf Übersendung von Personalakten aufzuheben vermocht.

Die beklagte Stadtgemeinde ficht das bestätigende Berufungsurteil wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie wegen Aktenwidrigkeit mit einem auf Wiederherstellung des das Klagebegehren zur Gänze abweisenden erstinstanzlichen Urteiles abzielenden Abänderungsantrag an.

Die Klägerin strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Beklagte hatte sich zum Beweis des Fortfalles der für das hilfsweise gestellte Unterlassungsbegehren erforderlichen Wiederholungsgefahr auf die vom Leiter ihrer Personalabteilung erlassene und von ihm in einem Aktenvermerk festgehaltene Weisung an seine Mitarbeiter berufen, derzufolge die Übersendung von Personalakten an Dienststellen außerhalb des Magistrats der Stadt davon abhängig zu machen sei, daß die Person, auf die sich die Personalakte beziehe, der Datenweitergabe zustimme oder daß die Aktenanforderung ausreichend begründet wäre. Das Berufungsgericht erachtete durch eine derartige Dienstanweisung das Vorliegen der Wiederholungsgefahr als nicht widerlegt, weil sich zum einen die Dienstanweisung inhaltlich nur auf automationsunterstützt verarbeitete Daten bezöge, zum anderen aber die Beklagte mit ihrem Prozeßstandpunkt ihre rechtliche Ansicht durchzusetzen trachte, daß ihr Verhalten einen in § 1 Abs 1 DSG begründeten Geheimhaltungsanspruch der Klägerin nicht verletzt hätte.

Die gerügte Aktenwidrigkeit (daß sich nämlich die Dienstanweisung nur auf die Weitergabe automationsunterstützt verarbeiteter Daten beziehe) erfüllt deshalb keinen tauglichen Revisionsgrund, weil durch eine interne Weisung für die Klägerin keinesfalls eine zureichende Gewähr besteht, daß die Beklagte die von ihrem Abteilungsleiter im November 1989 in einer internen Dienstanweisung zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung aufrechterhalten werde, zumal sie mit ihrem Prozeßstandpunkt nach wie vor die Rechtmäßigkeit ihres Verhaltens und damit das Nichtvorliegen der von der Klägerin geltend gemachten Grundrechtsverletzung verficht.

Dem hilfsweise erhobenen Unterlassungsbegehren gebricht es im Gegensatz zu den Revisionsausführungen auch nicht an der erforderlichen Bestimmtheit. Das auf Unterlassung einer Übermittlung von Daten aus der (von der Beklagten über die Klägerin geführten) Personalakte an Dritte, "soweit dadurch die klagende Partei in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Geheimhaltung der sie betreffenden pesonenbezogenen Daten verletzt wird", umschreibt die geforderte Verhaltenspflicht hinreichend konkret; der Nebensatz hat lediglich eine Rechtfertigung zum Inhalt, die aber nicht im vorhinein abstrakt formuliert werden kann, sondern nach der gebotenen Interessenabwägung in jedem einzelnen Anlaßfall geprüft werden muß. Es ist lediglich eine für den allenfalls zu stellenden Exekutionsantrag erhebliche Formulierungsfrage, ob das Nichtvorliegen eines überwiegenden Drittinteresses behauptet werden muß ("soweit...") oder nicht ("es sei denn, daß...).

Zur entscheidenden materiellrechtlichen Frage der im Anlaßfall gebotenen Interessenabwägung kann auf die zutreffenden im angefochtenen Berufungsurteil dargelegten Gründe hingewiesen werden (§ 48 ASGG). Die Aufnahme- oder Eignungsvoraussetzung der persönlichen und fachlichen Eignung sind unter Beachtung der gesetzlich zulässigen Mittel zu klären, wobei dem Bund grundsätzlich kein schwererwiegenderes Interesse an einer allfälligen Hintansetzung der Geheimhaltungsinteressen eines Stellenbewerbers zuzubilligen ist als einem privaten Dienstgeber.

Der Revision war aus diesen Erwägungen ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.