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OGH vom 09.10.1980, 7Ob45/80

OGH vom 09.10.1980, 7Ob45/80

Norm

ABGB § 1431;

VersVG § 12 Abs 2;

Kopf

SZ 53/130

Spruch

Der Versicherer kann seine Leistungen aus der Krankenzusatzversicherung nicht wegen Irrtums über die Deckungspflicht zurückfordern, wenn er seinem nicht schlechtgläubigen Versicherten über Anfrage Deckung zugesagt hat, ohne sich über nähere Einzelheiten des mitgeteilten Sachverhaltes der Leistungsfreiheit möglich erscheinen ließ, zu erkundigen. Zusage in diesem Sinn ist eine Kostenübernahmeerklärung gegenüber dem Krankenhaus "für den Versicherten", wenn diesem zuvor durch einen (wenn auch nicht bevollmächtigten) Versicherungsvertreter die gleiche Auskunft erteilt wurde

(OLG Linz 1 R 77/80; LG Salzburg 2 Cg 131/79)

Text

Der bei der Klägerin kranken-zusatzversicherte Beklagte wurde am Morgen des im Zuge eines Streites mit anderen Personen durch Schüsse schwer verletzt, nachdem er mit einem Wagenheber einen seiner Gegner ebenfalls schwer verletzt hatte. Die Klägerin fordert die zunächst von ihr übernommenen und bezahlten Mehrkosten der Behandlung des Beklagten in der zweiten Verpflegsklasse des Krankenhauses in S aus dem Titel ungerechtfertigter Bereicherung zurück, weil sie den Sachverhalt nicht genügend gekannt habe, der einen Ausschluß der Leistungspflicht gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 AVBK ("schuldhafte Beteiligung an Schlägereien ... ") ergeben habe.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen wurde der Beklagte im Krankenhaus nach Erwachen aus der Operations-Narkose gefragt, ob er eine Zusatzversicherung abgeschlossen habe und in der zweiten Verpflegsklasse bleiben oder die dritte Klasse wählen wolle. Er antwortete, daß er zusatzversichert sei, doch möge beim Bezirksinspektor der Klägerin Franz A klargestellt werden, ob die Mehrkosten von der Klägerin übernommen würden; dabei möge darauf hingewiesen werden, daß er sich wegen einer Schußverletzung in stationärer Behandlung befinde. Der Beklagte beabsichtigte, in die dritte Klasse zu wechseln, falls die Klägerin die Kosten nicht übernehmen sollte. Die Krankenhausbedienstete Anneliese Sch telefonierte sodann mit Franz A und fragte ihn, ob es sicher sei, daß dieser Spitalsaufenthalt des Beklagten durch die Versicherung gedeckt sei. Sie erwähnte, daß es sich um die Behandlung einer Schußverletzung handle, wobei sie aber nicht wisse, wo (an anderer Stelle des Urteils: wie) sich der Beklagte diese Verletzung zugezogen habe. Franz A erklärte beim angekundigten Rückruf, daß der Beklagte ohne weiteres in der zweiten Klasse liegen könne, da die Klägerin die Deckung für die Mehrkosten übernehme. Er dachte dabei nicht an die Möglichkeit eines Ausschlusses der Leistungspflicht. Anneliese Sch teilte dem Beklagten diese Auskunft mit, worauf er in der zweiten Klasse blieb. Am nächsten Tag erklärte die Klägerin auch noch in einem Schreiben an das Krankenhaus, daß sie die Kosten für den Beklagten zu bestimmten Sätzen übernehme, soweit diese Kosten nicht von der Sozialversicherung getragen würden. In diesem Schreiben wurde als Diagnose "Schußverletzung" angeführt und um die Anforderung einer neuen Kostenübernahmeerklärung gebeten, falls sich diese Diagnose ändern sollte. Nach Zahlung des Klagsbetrages an Mehrkosten für den Aufenthalt des Beklagten in der zweiten Verpflegsklasse vom 9. August bis erfuhr die Klägerin von dem gegen den Beklagten eingeleiteten Strafverfahren, in dem er schließlich rechtskräftig wegen Vergehens der schweren Körperverletzung verurteilt wurde. Die für die Klägerin tätig gewesenen Personen erkannten erst nach der Zahlung, daß die Leistungspflicht unter den gegebenen Umständen ausgeschlossen sein könnte.

Nach der Rechtsansicht des Erstrichters wäre zwar die Klägerin auf Grund der genannten Bestimmung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen leistungsfrei gewesen; sie habe aus einem Irrtum hierüber bezahlt. Sie müsse jedoch den Umstand vertreten, daß sie ohne weitere Erhebungen die Deckung der Mehrkosten ohne Vorbehalt oder Einschränkung zugesagt und damit das Vertrauen des Beklagten erweckt habe, ohne das er nicht in der zweiten Verpflegsklasse geblieben wäre.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und änderte das Ersturteil im Sinne des Klagebegehrens ab. Es vertrat auf Grund der unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichtes die Rechtsansicht, daß es sich beim Leistungsausschluß nach § 16 AVBK um einen vereinbarten Ausschluß des versicherten Risikos handelte, sodaß von vornherein der Versicherungsschutz gefehlt habe und der Vorfall die Klägerin nicht berührte. Die dennoch erfolgte Inanspruchnahme der Klägerin in einem solchen unzweifelhaften Fall sei einem Verhalten des Beklagten wider besseres Wissen zumindest gleichzusetzen, der nicht behauptet habe, daß ihm die Versicherungsbedingungen nicht bekannt gewesen seien. Ungeachtet seines Hinweises auf das Vorliegen einer Schußverletzung habe der Beklagte dem Versicherer den für dessen Leistungsfreiheit entscheidenden Umstand verschwiegen. Es sei auch nicht eindeutig erwiesen, daß Anneliese Sch gegenüber Franz A als Vertreterin oder Botin des Versicherten angefragt habe. Der Versicherungsvertreter sei nicht bevollmächtigt gewesen, dem Beklagten eine Deckungszusage zu erteilen; der Beklagte habe nicht einmal behauptet, das Fehlen der Vollmacht nicht gekannt zu haben. Die schriftliche Kostenübernahmeerklärung schließlich sei gegenüber dem Krankenhaus erfolgt und stelle keinen selbständigen Verpflichtungsgrund dar, zumal die Klägerin auch nicht zur weiteren Ausforschung des Sachverhaltes verpflichtet gewesen sei, für den Beklagten aber ohne weiteres erkennbar von vornherein kein Versicherungsfall vorlag. Im übrigen seien die Voraussetzungen des § 1431 ABGB dargetan und vom Beklagten nicht einmal bezweifelt worden, daß die Klagsforderung jenen Mehrwert bilde, der ihm durch die Behandlung und Betreuung in der zweiten Klasse des Krankenhauses zugute gekommen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten Folge und stellte das Ersturteil wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Dem Berufungsgericht ist in der unbekämpft gebliebenen Rechtsansicht zu folgen, daß die Rückforderung der von der Klägerin erbrachten Leistung nach § 1431 ABGB wegen des hier erwiesenen Irrtums, wenn auch eines verschuldeten Rechtsirrtums, grundsätzlich möglich ist (ZVR 1971/257 u. a.), daß Leistung an den Gläubiger des Begünstigten genügt (EvBl. 1953/268) und daß in der Sache Leistungsfreiheit nachgewiesen ist. Ausgehend von den schon in der zweiten Instanz unbekämpften Feststellungen des Erstrichters ist aber die Annahme des Berufungsgerichtes nicht am Platz, daß der Beklagte die Kostendeckung durch die Klägerin wider besseres Wissen oder in einer diesem gleichzustellenden Weise in Anspruch genommen habe und daß die Revisionsgegnerin ihre ausdrückliche Zusage der Kostendeckung nicht gegen sich gelten lassen müsse. Die Klägerin hat nicht einmal behauptet, daß der Beklagte im Zeitpunkt der von ihm veranlaßten Rückfrage über die Kostendeckung oder im Zeitpunkt des Erhaltes der Kostendeckungszusage bösgläubig gewesen sei; sie beschränkte sich auf die Einwendung, der Beklagte habe vom Ausschluß- bzw. Rückforderungsgrund infolge Kenntnis der Versicherungsbedingungen wissen müssen. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes war aber für eine konkrete Kenntnis oder wenigstens bedingten Vorsatz des Beklagten die Klägerin beweispflichtig, weil allgemeine Versicherungsbedingungen, auch wenn sie wie Gesetze ausgelegt werden können, keine solchen Rechtsnormen sind und ihre Kenntnis gerade in den Einzelheiten der Risikobegrenzung oder Leistungsfreiheit keineswegs allgemein vorausgesetzt werden kann. Mangels einer gegenteiligen Tatsachenfeststellung ist daher davon auszugehen, daß der Beklagte gerade deshalb bei der Klägerin rückfragen ließ, um vorhandene und vertretbare Zweifel am Versicherungsschutz auszuschalten. Der Revisionswerber verweist in diesem Zusammenhang mit Recht darauf, daß nicht einmal der Bezirksinspektor der Klägerin, Franz A, an die Möglichkeit eines Ausschlusses der Leistungspflicht dachte, obwohl eine Schußverletzung durchaus in den Rahmen des § 16 Abs. 3 Satz 2 AVBK fallen konnte, selbst wenn der Beklagte die Einzelheiten ihrer Entstehung bei der von ihm veranlaßten Anfrage durch die Krankenschwester nicht angab; daß letzteres arglistig geschehen sei, ist wiederum weder behauptet noch bewiesen worden.

Unrichtig ist auch die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß die Krankenhausangestellte Sch nicht einmal als Bote des Beklagten erkennbar gewesen sei. Die Rückfrage, ob der Spitalsaufenthalt "sicher" durch die Versicherung gedeckt sei, setzte einerseits die (hier auch bewiesene) Bekanntgabe der Versicherung und ihres Vertreters durch den Verletzten voraus und mußte sinnvollerweise als Entscheidungshilfe für diesen verstanden werden, wie sich auch aus der Antwort des Versicherungsvertreters ergibt, daß der Beklagte ohne weiteres in der zweiten Klasse liegen könne, da die Klägerin die Deckung für die Mehrkosten übernehme. Allerdings scheint Franz A zu einer Deckungszusage nicht bevollmächtigt gewesen zu sein (§§ 43, 45 VersVG; Prölss - Martin, VVG[21], 247 f., 255 f.). Aber die Revisionsgegnerin hat schon am nächsten Tag ausdrücklich auch schriftlich gegenüber dem Krankenhaus die Mehrkosten "für unseren Versicherten übernommen" und dabei selbst die richtige, aber zu Bedenken gegen die Deckungspflicht Anlaß gebende Diagnose "Schußverletzung" angeführt. Damit wurde die mündliche Deckungszusage des Versicherungsvertreters in einer solchen Weise bestätigt, die, wenn schon nicht als schriftliche Entscheidung im Sinne des § 12 Abs. 2 VersVG, so doch als rechtsgeschäftliche Erklärung zugunsten des Beklagten wenigstens im Sinne des § 881 Abs. 2 ABGB (vgl. dort letzter Satz) verstanden werden durfte, weil sie mangels eines Vorbehaltes jene Zweifel auszuschließen geeignet war, deretwegen der Revisionsgegner den Bezirksvertreter der Klägerin hatte anrufen lassen (und welche Anfrage infolge der Weiterleitung des Deckungsersuchens an die Direktion zur Übersendung des Kostenübernahmescheines an das Krankenhaus führte). Der OGH hat mehrfach gerade in Fällen von Deckungszusagen in der Krankenzusatzversicherung auf die besondere Verpflichtung des Versicherers hingewiesen, nach dem das Versicherungsgeschäft beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben Anfragen des Versicherungsnehmers fürsorglich zu behandeln, und Irrtümer, die einem Angestellten der Versicherung im Rahmen der faktisch eingeräumten Vertretungsmacht unterliefen, gegenüber dem gutgläubigen Vertragspartner für nicht relevant erklärt (VersR 1978, 752 u. a.).

Dieser Grundsatz ist auch im vorliegenden Fall ungeachtet der Frage anzuwenden, ob es sich bei der Bestimmung des § 16 Abs. 3 Satz 2 AVBK um einen echten Risikoausschluß handelt. Auch wenn im Falle eines solchen für den Versicherer keine Ausforschungspflicht besteht (Bruck - Möller, VVG[8] I, 425 f.), blieb es Sache der Klägerin, ihre Kostenübernahmeerklärung nicht leichtfertig und ohne Vorbehalt abzugeben und so jene Entscheidung des Versicherten für die zweite Verpflegsklasse herbeizuführen, ohne die er die letztere sonst nicht in Anspruch genommen hätte.

Die Deckungszusage wäre demnach nur dann unbeachtlich, wenn der Klägerin der Beweis schlechten Glaubens des Vertragspartners gelungen wäre oder wenn ihre eigene Erklärung wegen eines Willensmangels wirksam angefochten wäre. Einen Willensmangel infolge Irrtums hat die Klägerin nur in bezug auf ihre Leistung eingewendet. Selbst wenn diese Irrtumsanfechtung auch auf ihre Willenserklärung bezogen wird, kommt im Sinne des § 871 Abs. 1 zweiter Halbsatz ABGB nur eine Veranlassung des Irrtums durch den Beklagten in Betracht. Eine solche Veranlassung kann wohl auch in der Unterlassung erforderlicher Aufklärung bestehen (JBl. 1975, 318). Wenn aber ein gutgläubiger Versicherungsnehmer gerade in einem Zweifelsfall um die Entscheidung des Versicherers ersucht, so liegt es an diesem, vor einer endgültigen Auskunft allenfalls durch Rückfrage die maßgebenden näheren Umstände festzustellen, auch wenn sonst keine Ausforschungspflicht bestand.

Bei dieser Rechtslage bedarf es keiner Erörterung der Frage, in welchem Maß der Aufwand der Klägerin einem Nutzen des Beklagten im Sinne des § 1431 ABGB gleichsteht, was zumindest hinsichtlich der Kosten der Operation zu bezweifeln wäre, die im Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten, in der zweiten Verpflegsklasse zu bleiben, bereits vollzogen war.