OGH vom 21.05.1987, 6Ob676/85
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am verstorbenen, in 1150 Wien, Possingergasse 9/7, wohnhaft gewesenen Pensionisten Franz Felix E***, infolge Rekurses des Dr. Robert B***, Notarsubstitut, 1160 Wien, Ottakringer Straße 39, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom , GZ 250,251/85-33, womit sein Rekurs gegen die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom , GZ 1 A 416/84-20 und 21, zurückgewiesen wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Franz Felix E*** ist am ohne Hinterlassung eines formgültigen Testamentes verstorben. Sein Bruder Hans E*** und seine Schwester Marianne F*** gaben aus dem Titel des Gesetzes am bedingte Erbserklärungen zu je einem Drittel des Nachlasses ab. Für den am geborenen Sohn der am vorverstorbenen zweiten Schwester (Hermine H***) des Erblassers, Fritz (auch Friedrich) H***, welcher seit aus der mütterlichen Wohnung in Wien 16., Haymerlegasse 32/7, als amtlich abgemeldet aufschien und vor längerer Zeit nach Australien mit unbekanntem Aufenthaltsort ausgewandert war, wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom Mag. Johann G*** zum Erbenkurator bestellt und zugleich das Ediktalverfahren eingeleitet (ON 11 und 12).
In der Folge fiel im Rahmen des zum AZ. 1 A 890/82 des Bezirksgerichtes Hernals geführten Verlassenschaftsverfahrens nach der am verstorbenen Hermine H*** für deren Sohn Fritz H*** ein auf ein neu eröffnetes und gesperrtes Sparbuch angelegter Betrag von S 157.200,-- als Pflichtteil an. Das Bezirksgericht Hernals eröffnete aus diesem Grunde zu 1 P 276/84 die Abwesenheitspflegschaft für den derzeit unbekannten Aufenthaltes befindlichen Friedrich H*** und bestellte mit Beschluß vom Dr. Robert B*** gemäß § 276 ABGB zum Abwesenheitskurator. Im gegenständlichen Verlassenschaftsverfahren gab der bestellte Erbenkurator Mag. Johann G*** für Fritz H*** am aus dem Titel des Gesetzes zu einem Drittel des Nachlasses die bedingte Erbserklärung ab. Mit dem sogenannten Mantelbeschluß vom (ON 20) nahm das Erstgericht diese Erbserklärung des Erbenkurators an und erließ zugleich die zur Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens nötigen Verfügungen. Der Nachlaß wurde mit Einantwortungsurkunde vom gleichen Tag (ON 21) unter anderem dem erblasserischen Neffen Fritz H*** zu einem Drittel eingeantwortet. Die Zustellung der beiden Beschlüsse ON 20 und 21 an den Erbenkurator Mag. Johann G*** erfolgte am . Über Antrag des Dr. Robert B*** wurden sie auch diesem am zugestellt.
Das Rekursgericht wies den gegen die beiden Beschlüsse vom , ON 20 und 21, von Dr. Robert B*** am zur Post gegebenen Rekurs wegen Fehlens der Vertretungsbefugnis für Fritz H*** im gegenständlichen Verlassenschaftsverfahren zurück. Es führte aus, für Fritz H*** sei hier nur der zeitlich früher bestellte Erbenkurator vertretungsbefugt gewesen. Dessen spezielle Vertretungsmacht gehe der allgemeinen Vertretungsmacht des in einem anderen Verfahren später bestellten Abwesenheitskurators vor. Der Wirkungskreis des später bestellten Abwesenheitskurators sei daher durch den des früher bestellten Erbenkurators beschränkt. Der gegen die Zurückweisung seines Rekurses gerichtete Rekurs des Dr. Robert B*** ist zulässig, weil auch der Dritte, dem die Parteistellung und Rechtsmittellegitimation abgesprochen wurde, die Überprüfung dieser Rechtsansicht verlangen kann (vgl. EFSlg.49.853 mwN). Ein solcher Rekurs gegen einen die Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung ablehnenden Zurückweisungsbeschluß ist überdies ohne die durch § 16 AußStrG normierte Einschränkung zulässig, weil insoweit von einem bestätigenden Beschluß des Rekursgerichtes nicht gesprochen werden kann (EFSlg.47.135 mwN). Der Rekurs ist jedoch nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Abwesenheitskuratel für abwesende Erben oder Miterben im Verlassenschaftsverfahren ist in den §§ 77 Z 2, 131 AußStrG geregelt. Bei dem vom Abhandlungsgericht nach diesen Gesetzesstellen von Amts wegen zu bestellenden Erbenkurator handelt es sich in der Terminologie des § 276 ABGB um einen speziellen Abwesenheitskurator wegen Gefährdung der Rechte eines Abwesenden im Abhandlungsverfahren (vgl. Knell, Die Kuratoren im österreichischen Recht 72; Klement in NZ 1979, 111). Daraus folgt, daß als Bestellungsvoraussetzung auch für den Erbenkurator die Vorschrift des § 276 ABGB insoweit gilt, als der abwesende Erbe oder Miterbe "keinen ordentlichen Sachwalter zurückgelassen" hat, der zum Handeln im Abhandlungsverfahren ermächtigt ist. Ein Erbenkurator darf also dann nicht bestellt werden, wenn der abwesende Erbe oder Miterbe durch einen anwesenden Vertreter - mag dieser gesetzlich oder behördlich bestellt oder gewillkürt sein - vertreten ist (vgl. Pichler in Rummel, ABGB Rdz 2 zu § 276). In diesem Sinne wäre wohl ein bereits bestellter Abwesenheitskurator nach § 276 ABGB ein Bestellungshindernis für den Erbenkurator, doch müßte auch in diesem Fall für den im Verlassenschaftsverfahren einschreitenden Abwesenheitskurator nach § 276 ABGB die spezielle Vorschrift des § 131 AußStrG beachtet werden (vgl. Knell aaO 73).
Hier war jedoch zum Zeitpunkt der Bestellung des Erbenkurators Mag. Johann G*** am kein für das Abhandlungsverfahren bevollmächtigter, ermächtigter und anwesender Machthaber des Fritz H***, auch nicht in der Person eines etwa bereits bestellten Abwesenheitskurators nach § 276 ABGB, vorhanden. Mag. Johann G*** hat daher den abwesenden Erben Fritz H*** im vorliegenden konkreten Abhandlungsverfahren wirksam vertreten (vgl. Knell aaO 76; Klement aaO 112). Welchen Einfluß eine später gemäß § 276 ABGB eröffnete pflegschaftsbehördliche Abwesenheitskuratel auf eine früher vom Abhandlungsgericht eröffnete und noch aufrechte Erbenkuratel hat, ist - soweit überblickbar - bisher in Lehre und Rechtsprechung nicht behandelt worden. Jedenfalls hört durch eine solche spätere Bestellung eines Abwesenheitskurators gemäß § 276 ABGB das Amt eines früher bestellten Erbenkurators nicht von selbst auf, weil dies gemäß § 79 Abs. 2 AußStrG auf den Fall beschränkt ist, daß der abwesende Erbe entweder selbst bei Gericht einschreitet oder einen Bevollmächtigten dazu bestellt. Hier wird in klarer und eindeutiger Weise nur das Einschreiten eines gewillkürten Stellvertreters angesprochen. Der (seltene) Fall einer späteren Bestellung eines Abwesenheitskurators ist daher vom Gesetzgeber nicht geregelt worden. Er kann aber entgegen der vom Rekurswerber vertretenen Meinung keineswegs generell dahingehend gelöst werden, daß die erst später erfolgte Bestellung eines Abwesenheitskurators einen zwingenden Enthebungsgrund für den früher bestellten Erbenkurator darstellt. Hier müssen vielmehr unter dem Blickwinkel des § 21 ABGB auch die Grundsätze der Verfahrensökonomie im Sinne einer für den Abwesenden möglichst effizienten und kostensparenden Vertretung beachtet werden. Dies führt nun entweder dazu, daß mit den Ausführungen des Rekursgerichtes die spezielleren Normen des Außerstreitgesetzes gegenüber dem generellen Aufgabengebiet des später bestellten Abwesenheitskurators gemäß § 276 ABGB für vorrangig zu erklären und damit eine Vertretungsmacht des Abwesenheitskurators im Verlassenschaftsverfahren wegen der bereits erfolgten Bestellung eines Erbenkurators zu verneinen wäre, oder daß die allfällige Enthebung des früher bestellten Erbenkurators in einem solchen Fall in das pflichtgemäße Ermessen des Verlassenschaftsgerichtes zu stellen ist. Dieses hätte jedenfalls dann nicht mit einer Enthebung des Erbenkurators vorzugehen, wenn letzterer mit der Sache bereits bestens vertraut und darin eingearbeitet ist und das Abhandlungsverfahren sich auch bereits in einem weit fortgeschrittenen Stadium befindet. Diese Frage muß aber auch diesmal nicht entschieden werden, denn so lange der bestellte Erbenkurator seines Amtes nicht enthoben ist, ist er im Abhandlungsverfahren jedenfalls noch Vertreter des abwesenden Erben. Dies führt im vorliegenden Fall dazu, daß die Zustellung der Beschlüsse vom , ON 20 und 21, an Mag. Johann G*** am wirksam war, weshalb sich die Zurückweisung des Rekurses des Dr. Robert B*** schon deshalb als gerechtfertigt erweist, weil dieser verspätet erhoben worden ist. Die spätere Zustellung der angefochtenen Beschlüsse an den Rekurswerber konnte nämlich bei den seinerzeit bereits an den Erbenkurator zugestellten Beschlüssen keine neue Rechtsmittelfrist in Gang setzen. Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.