OGH vom 21.01.2009, 3Ob282/08d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eva Maria T*****, vertreten durch Dr. Helmut Binder, Rechtsanwalt in Villach, wider die beklagte Partei Ing. Folker Bernd M*****, vertreten durch Dr. Elmar Ther, Rechtsanwalt in Villach, wegen Eheaufhebung (in eventu Ehescheidung), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 88/08y-31, womit das Urteil des Bezirksgerichts Villach vom , GZ 3 C 37/07m-27, bestätigt wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung:
Das Erstgericht hob die am geschlossene Ehe der Streitteile gemäß § 37 EheG auf und sprach aus, dass den Beklagten das Verschulden an der Aufhebung trifft.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und ließ die ordentliche Revision nicht zu, weil keine über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfragen zu lösen seien.
Der an das Berufungsgericht gerichtete Antrag, des Beklagten, die Revision „gemäß § 508 Abs 1 und Abs 3 ZPO" zuzulassen, ist verfehlt, weil in Streitigkeiten über die Aufhebung einer Ehe (§ 49 Abs 2 Z 2a JN,§ 502 Abs 5 Z 1 ZPO), wenn das Berufungsgericht im Berufungsurteil nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO ausgesprochen hat, dass die ordentliche Revision nicht nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig ist, eine außerordentliche Revision erhoben werden kann (§ 505 Abs 4 ZPO), ohne dass es einer Abänderung des Ausspruchs über die Zulässigkeit der Revision durch das Berufungsgericht bedarf. Die Begründung des Antrags auf nachträgliche Zulassung der ordentlichen Revision gemäß § 508 Abs 1 ZPO hat sich inhaltlich mit der Zulassungsbeschwerde gemäß § 506 Abs 1 Z 5 ZPO zu decken; die ordentliche Revision des Beklagten gemäß § 508 Abs 2 ZPO wird daher in eine außerordentliche Revision gemäß § 505 Abs 4 ZPO umgedeutet (RIS-Justiz RS0110049). Die außerordentliche Revision des Beklagten ist jedoch mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO unzulässig (§ 508a Abs 2 ZPO).
Die Vorinstanzen gingen zusammengefasst von folgendem Sachverhalt aus:
Die nunmehrigen Streitteile lebten seit etwa 1981 oder 1982 in einer Lebensgemeinschaft, als die Klägerin 1989 vom Beklagten schwanger wurde. Als sie den Beklagten am ehelichte, war ihr unbekannt, dass dieser eine geschlechtliche Beziehung zu einer anderen Frau hatte und etwa zwei Monate zuvor (am ) - Vater eines außerehelichen Sohnes geworden war. Hätte die Klägerin diese Umstände erfahren, wäre sie die Ehe nicht eingegangen. Der gemeinsame Sohn der nunmehrigen Streitteile kam am zur Welt. Der Beklagte verschwieg der Klägerin auch, dass er in zeitlicher Nähe zur Eheschließung in einem Zeitraum von einem Monat sexuelle Kontakte zu einer dritten Frau hatte. Als Folge dieser Kontakte wurde er am Vater eines weiteren außerehelichen Kindes. Die Klägerin erfuhr erstmals am im Rahmen eines Unterhaltsfestsetzungsverfahrens von der Existenz der beiden außerehelichen Kinder. Bis dahin war ihr nur bekannt gewesen, dass der Beklagte für zwei eheliche Kinder aus erster Ehe unterhaltspflichtig war.
Rechtliche Beurteilung
Die angefochtene Berufungsentscheidung steht mit der oberstgerichtlichen Rechtsprechung in Einklang:
1. Unter den Aufhebungstatbestand des § 37 Abs 1 EheG fallen alle die Person des anderen Ehegatten betreffenden Umstände, aber auch für das Persönlichkeitsbild des anderen bedeutsame Ereignisse, die einen Ehegatten nach dem gesetzlichen Ehebild („bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe") von der Eingehung der Ehe abgehalten hätten (3 Ob 91/08s; 9 Ob 303/01a = SZ 2002/24; 9 Ob 29/01g; Stabentheiner in Rummel3, §§ 36-38 EheG Rz 4; Schwimann/Weitzenböck in Schwimann3 § 37 EheG Rz 1; zur Anzahl vorehelicher Kinder 3 Ob 116/50 = SZ 23/62 = JBl 1950, 412). Das Berufungsgericht legte seiner Entscheidung zu Grunde, es sei - entsprechend der Behauptung des Beklagten - letztlich außer Streit gestellt worden, dass auch das zweite uneheliche Kind noch vor der Eheschließung gezeugt worden war (AS 124). In seiner Ansicht, ein den Verlust des Ehewillens objektiv rechtfertigender Grund liege darin, dass der Beklagte kurze Zeit vor der Hochzeit mit der Klägerin und der Geburt des gemeinsamen Kindes zu zwei anderen Frauen sexuelle Beziehungen unterhalten und diese jeweils geschwängert habe, liegt keine aufgreifbare rechtliche Fehlbeurteilung, belasten diese Ereignisse doch das Persönlichkeitsbild des Beklagten in ehebeeinträchtigender Weise und wirken nicht zuletzt infolge der aus der Vaterschaft resultierenden Rechtsfolgen (Unterhaltspflichten, erbrechtliche Konsequenzen) in das eheliche Leben hinein. An der Feststellung der Tatsacheninstanzen, dass die Klägerin bei Kenntnis der Sachlage die Ehe nicht geschlossen hätte, können die in die unanfechtbare Beweiswürdigung fallenden Revisionsausführungen, es sei für die damals bereits schwangere Klägerin infolge der gesellschaftlichen Anschauungen doch „bedeutsam" gewesen, die Ehe einzugehen, nichts ändern. Selbst wenn der Beklagte selbst von der Existenz des zweiten außerehelichen Kindes erst nach der Eheschließung erfahren haben sollte, führt dies zu keiner anderen Beurteilung, weil es zur Rechtfertigung des Aufhebungsbegehrens genügt, wenn der Umstand im Zeitpunkt der Eheschließung noch nicht erkannt war bzw noch nicht erkannt werden konnte (9 Ob 271/99i).
2. Gemäß § 37 Abs 2 EheG ist die Aufhebung der Ehe ua dann ausgeschlossen, wenn das Verlangen nach Aufhebung der Ehe mit Rücksicht auf die bisherige Gestaltung des ehelichen Lebens der Ehegatten sittlich nicht gerechtfertigt wäre, also in erster Linie bei Verminderung oder Wegfall des objektiven oder subjektiven Gewichts des Aufhebungsgrundes durch Zeitablauf oder andere Ereignisse („Bewährung" - Stabentheiner aaO, Rz 7). Dass derartige Ereignisse bzw Gründe vorlägen, wird in der Revision aber nicht einmal behauptet, weshalb auf die vom Revisionswerber kritisierte Begründung des Berufungsgerichts zur Nichtanwendbarkeit des § 37 Abs 2 EheG nicht weiter eingegangen werden muss.
3. Zwar trifft das Revisionsvorbringen zu, dass - mit Ausnahme von Krankheiten - vorwiegend ältere Judikatur dazu besteht, welche negativen Eigenschaften des Partners oder das Persönlichkeitsbild des Partners belastende wesentliche Ereignisse irrtumsbegründenden Umstände iSd § 37 Abs 1 EheG darstellen; dies ist auf die immer geringer werdende zahlenmäßige Bedeutung der Eheaufhebung zurückzuführen (Schwimann/Weitzenböck aaO, Rz 3). Allein mit dem Hinweis, es sei fraglich, inwieweit die älteren Entscheidungen vor dem Hintergrund gewandelter gesellschaftlicher Anschauungen weiterhin als Maßstab heranziehbar seien, kann die Zulässigkeit der Revision aber nicht begründet werden, wird doch nicht aufgezeigt, dass die auf den vorliegenden Fall konkret zutreffende (ältere) Rechtsprechung mit den heute gängigen Wertungskriterien im Widerspruch stehe und aus diesem Grund unanwendbar geworden sei. Konnte sich aber das Berufungsgericht bei Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts weiterhin an der vorhandenen - wenngleich älteren - Rechtsprechung orientieren, wäre die Zulässigkeit der Revision nur mit neuen bedeutsamen Argumenten begründbar, die erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Vorjudikatur wecken (7 Ob 333/99t; RIS-Justiz RS0103384). Solche Argumente werden vom Revisionswerber aber nicht vorgebracht.