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OGH vom 17.03.1986, 1Ob542/86

OGH vom 17.03.1986, 1Ob542/86

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Florian D***, Pensionist, Villach, Auenweg 2, infolge Revisionsrekurses des Betroffenen, vertreten durch Dr. Herbert Thaler, Rechtsanwalt in Villach, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom , GZ. 3 R 335/85-19, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Villach vom , GZ. SW 357/84-16, teilweise bestätigt, teilweise aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Florian D*** begehrt im Verfahren 3 C 155/84 des Bezirksgerichtes Spittal an der Drau von Johann Z*** den Betrag von S 1.330,-- s.A. Da sich Bedenken gegen die Prozeßfähigkeit des Klägers ergaben, holte der Richter ein Gutachten des gerichtlich beeideten Sachverständigen Dr. Otto S*** ein, der zum Ergebnis gelangte, daß der Kläger unter dem unkorrigierbaren Einfluß wahnhafter Überzeugungen stehe und demnach nicht in der Lage sei, die Tragweite der Prozeßführung zu beurteilen. Am übermittelte das Bezirksgericht Spittal an der Drau den Prozeßakt unter Anschluß zweier weiterer Akten, die Verfahren betreffend, in denen Florian D*** als Kläger auftritt, dem Erstgericht zur allfälligen Bestellung eines Sachwalters. Das Erstgericht vernahm Florian D*** in seinem Wohnhaus zur Frage der Bestellung eines Sachwalters (ON 4) und bestellte mit Beschluß vom (ON 7) Rechtsanwalt Dr. Gerhard P*** gemäß § 238 AußStrG zum einstweiligen Sachwalter. Der im Verfahren bestellte Sachverständige Dr. Erich Z*** gelangte in seinem schriftlichen Gutachten vom (ON 10) zum Ergebnis, daß bei Florian D*** eine paranoide Alterspsychose mit wahnhafter Prozeßsucht vorliege; mit einer Änderung oder Besserung des Zustandes sei nicht zu rechnen. In der mündlichen Verhandlung vom , die im Wohnhaus des Betroffenen stattfand, verwies der Sachverständige auf sein Gutachten, das er aufrechterhielt. Florian D*** wurde vom Richter "kurz vernommen". Die in der Wohnung anwesende Tochter gab an, "daß von den Kindern niemand bereit sei, die Stelle eines Sachwalters zu übernehmen, und daß es angebracht wäre, daß das Gericht einen Fremden als Sachwalter bestellen würde". Mit Beschluß des Erstgerichtes vom (ON 16) wurde Rechtsanwalt Dr. Gerhard P*** gemäß § 273 ABGB zum Sachwalter bestellt und ausgesprochen, daß er Florian D*** im Verfahren 3 C 155/84 des Bezirksgerichtes Spittal an der Drau sowie in allfälligen zukünftigen gerichtlichen Verfahren zu vertreten habe. Das Gericht sprach aus, daß Florian D*** die mit S 2.436,- bestimmten Verfahrenskosten zu ersetzen habe. Der Erstrichter gelangte zum Ergebnis, daß auf Grund des Gutachtens des Sachverständigen Dr. Erich Z***, das sich mit den richterlichen Wahrnehmungen decke, bei Florian D*** eine Geisteskrankheit vorliege. Da im Falle des Prozeßverlustes für den Betroffenen die Gefahr erheblicher finanzieller Nachteile bestehe, sei für das Verfahren 3 C 155/84 des Bezirksgerichtes Spittal an der Drau, sowie für allfällige weitere gerichtliche Verfahren ein Sachwalter zu bestellen. Die Besorgung der Angelegenheit des Behinderten erfordere vorwiegend Rechtskenntnisse, so daß der bereits zum einstweiligen Sachwalter bestellte Rechtsanwalt Dr. Gerhard P*** zum Sachwalter zu bestellen sei.

Das Rekursgericht gab dem gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs in der Hauptsache nicht Folge, in Ansehung des Kostenausspruchs hob es die Entscheidung auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Rekursgericht führte aus, dem Akteninhalt könne entnommen werden, daß der Sachverständige Dr. Erich Z*** sein Gutachten zwar entgegen der Bestimmung des § 241 Abs. 2 AußStrG schriftlich abgegeben, dieses Gutachten aber doch in der Tagsatzung vom vorgetragen habe. Das Erstgericht habe den Betroffenen auch vernommen, wenn auch der Inhalt der Einvernahme dem Verhandlungsprotokoll nicht entnommen werden könne. Eine für das Verfahren erhebliche Mangelhaftigkeit des Verfahrens sei demnach nicht gegeben. Auf Grund des Gutachtens des Sachverständigen Dr. Erich Z*** stehe fest, daß Florian D*** an einer psychischen Krankheit in Form einer paranoiden Alterspsychose leide. Dieses Gutachten stimme mit den Bekundungen des Sachverständigen Dr. Otto S*** überein. Eine Divergenz in der Beurteilung des Geisteszustandes des Betroffenen durch die Sachverständigen Dr. Otto S*** und Dr. Erich Z*** liege demnach nicht vor. Da sich bei Florian D*** eine wahnhafte Prozeßsucht entwickelt habe und er unter dem unkorrigierbaren Einfluß von wahnhaften Überzeugungen stehe, sei er nicht in der Lage, die Prozeßsituation zu beurteilen, so daß die Bestellung eines Sachwalters erforderlich sei. Andere Hilfe, insbesondere im Rahmen der Familie, sei nicht geeignet, die Bestellung eines Sachwalters zu ersetzen. Nur im Kostenpunkt sei der Rekurs gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den bestätigenden Teil der Entscheidung des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist unzulässig. Gemäß § 249 Abs. 2 AußStrG steht dem Betroffenen gegen den Beschluß über die Bestellung des Sachwalters das Rechtsmittel des Rekurses zu. Die Bestellung des einstweiligen Sachwalters schränkt die Rechtsmittelbefugnis des Betroffenen im Verfahren zur Bestellung des Sachwalters nicht ein. Die §§ 249, 250 AußStrG regeln das Rechtsmittelverfahren in Sachwalterschaftssachen nicht abschließend; sie normieren nur einzelne in Sachwalterschaftssachen geltende Ausnahmen von der allgemeinen Regelung des Rechtsmittelverfahrens in den §§ 9 bis 16 AußStrG, welche Vorschriften aber im übrigen unberührt bleiben (RZ 1986/26). Es gilt daher insbesondere die Bestimmung des § 16 AußStrG, wonach die Anfechtung eines bestätigenden Beschlusses des Rekursgerichtes zwar zulässig, aber auf die Fälle offenbarer Gesetzwidrigkeit, der Aktenwidrigkeit oder einer begangenen Nullität beschränkt ist (1 Ob 502/86; 6 Ob 546/85 u.a.). Eine nur im Kostenpunkt abändernde Entscheidung ist als (voll) bestätigend im Sinne des § 16 AußStrG anzusehen. Im Rechtsmittel wird geltend gemacht, daß der Betroffene in der mündlichen Verhandlung nur "kurz vernommen" worden sei, daß aber dem Protokoll der Inhalt der Einvernahme nicht entnommen werden könne. Der im Verfahren beigezogene Sachverständige habe entgegen der Bestimmung des § 241 Abs. 2 AußStrG sein Gutachten in der mündlichen Verhandlung nicht vorgetragen, sondern nur auf den Inhalt des erstatteten Gutachtens verwiesen. Die behaupteten Verfahrensmängel wären im Rahmen eines auf die Rechtsmittelgründe des § 16 AußStrG beschränkten Verfahrens nur relevant, wenn ihnen das Gewicht einer Nichtigkeit zukäme. In der Verletzung des rechtlichen Gehörs wird auch im Außerstreitverfahren ein Nichtigkeitsgrund erblickt (SZ 54/124; EFSlg. 37.151; EvBl. 1966/14 u.a.). Davon kann aber im vorliegenden Fall, abgesehen davon, daß eine Rüge im Rechtsmittel an die zweite Instanz nicht erfolgte, nicht gesprochen werden, weil der Betroffene Gelegenheit hatte, seinen Standpunkt im Verfahren darzulegen. Da im Rekurs ein Antrag auf Neudurchführung des Beweisverfahrens nicht gestellt wurde (§ 250 Abs. 1 AußStrG), hatte das Rekursgericht das Verfahren nur dann neu durchzuführen, wenn es dies für erforderlich erachtete. Das Rekursgericht setzte sich mit den im Verfahren erstatteten Gutachten, insbesondere dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Erich Z***, eingehend auseinander und gelangte zum Ergebnis, daß dieses Gutachten inhaltlich schlüssig sei und mit dem Gutachten des Dr. Otto S*** übereinstimme. Eine Neudurchführung bzw. Ergänzung des Verfahrens konnte unter diesen Umständen unterbleiben.

Der Rechtsmittelwerber rügt weiters, daß ungeprüft geblieben sei, ob er nicht durch andere Hilfe, insbesondere im Rahmen seiner Familie, in die Lage versetzt werden konnte, seine Angelegenheiten im erforderlichen Maße zu besorgen. Die Kinder des Betroffenen seien nicht befragt worden, ob sie bereit und in der Lage wären, ihrem Vater Hilfe zu gewähren. Gemäß § 273 Abs. 2 ABGB ist die Bestellung eines Sachwalters unzulässig, wenn der Betroffene durch andere Hilfe, besonders im Rahmen seiner Familie, in die Lage versetzt werden kann, seine Angelegenheiten im erforderlichen Ausmaß selbst zu besorgen. Damit normiert das Gestz ein strenges Subsidiaritätsprinzip; die Bestellung des Sachwalters soll letzter Ausweg sein, wenn keine andere Hilfe möglich ist (Maurer, Sachwalterrecht in der Praxis 56). Hilfe im Sinne dieser Gesetzesstelle kann aber nur ein Tätigwerden bedeuten, das dazu beiträgt, eine bestimmte Willensbildung des Betroffenen zu verwirklichen. Die behinderte Person muß zu einem eigenen Handeln fähig sein, was ein bestimmtes Maß an Einsicht und Urteilsfähigkeit voraussetzt (EvBl. 1986/25). Der Betroffene muß sich der Hilfe anderer daher auch in rechtlich einwandfreier Weise bedienen können, z. B. durch Vollmachtserteilung, Genehmigung einer Geschäftsführung u. dgl., was nur dann möglich ist, wenn er zumindest zeitweise nicht psychisch oder geistig behindert ist (Pichler in Rummel, ABGB 2. Band III XXX, Rdz 3 zu § 273). Im Hinblick auf die festgestellte Geisteskrankheit, die den Betroffenen außerstande setzt, die Tragweite der Prozeßführung zu beurteilen, kann die Sachwalterbestellung nicht durch Erteilung einer Prozeßvollmacht an Familienmitglieder ersetzt werden. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt demnach auch in dieser Richtung nicht vor. Da die Besorgung der Angelegenheit vorwiegend Rechtskenntnisse erfordert, entspricht die Bestellung eines Rechtsanwaltes der Bestimmung des § 281 Abs. 3 ABGB.

Demzufolge ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen.