zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 04.09.2007, 4Ob55/07b

OGH vom 04.09.2007, 4Ob55/07b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hermine P*****, vertreten durch Dr. Elisabeth Constanze Schaller, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Friedrich P*****, vertreten durch Dr. Johann Gelbmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalt, infolge Revisionsrekurses der Klägerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 42 R 475/06y-16, mit welchem der Beschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom , GZ 29 C 83/06h-10, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten binnen 14 Tagen die mit 266,69 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin 44,45 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die 1939 geborene Klägerin und der 1926 geborene Beklagte sind seit 1985 verheiratet. Bis 2004 bewohnten sie gemeinsam eine Mietwohnung, wobei der Beklagte die Miete von zuletzt 441,13 EUR und Nebenkosten (Strom, Gas, Telefon, Rundfunk, Versicherung) von zuletzt 165 EUR zahlte. Die Klägerin führte den Haushalt.

Nachdem der Beklagte einen Urlaub mit einer anderen Frau verbracht hatte, verweigerte ihm die Klägerin im Oktober 2004 die Übernachtung im gemeinsamen Schlafzimmer. Daraufhin kam es zu einer tätlichen Auseinandersetzung, in deren Folge der Beklagte die Wohnung verließ. Seitdem leben die Streitteile getrennt. Miete und Nebenkosten der Wohnung zahlte der Beklagte zunächst weiter. Eine von ihm eingebrachte Scheidungsklage wurde Ende 2005 rechtskräftig abgewiesen.

Mit April 2006 stellte der Beklagte die Zahlungen ein. Er bezieht eine Nettopension von rund 1.281 EUR (14 x) sowie Pflegegeld von rund 273 EUR (12 x). Die Klägerin bezieht eine Nettopension von rund 664 EUR (14 x).

Die Klägerin begehrte mit Klage und Sicherungsantrag eine monatliche Zahlung von 606,43 EUR (Miete und Nebenkosten). Die Streitteile hätten die Wohnung im Hinblick darauf „angeschafft", dass Miete und Nebenkosten aus dem Einkommen des Beklagten finanziert werden könnten. Ihr eigenes Einkommen hätte dafür nicht ausgereicht. Sie habe vielmehr vereinbarungsgemäß den Haushalt geführt, während der Beklagte die Wohnkosten getragen habe. Ihr drohe der Verlust der Wohnung, da sie mit ihrem Einkommen von durchschnittlich 800 EUR monatlich nicht die Kosten von über 600 EUR monatlich tragen könne. Eine andere Wohnmöglichkeit habe sie nicht. Der Beklagte sei daher nach den §§ 94 und 97 verpflichtet, die Wohnkosten weiterhin zu tragen.

Der Beklagte beantragte Abweisung der Klage und des Sicherungsantrags. In erster Instanz brachte er dazu, noch unvertreten, lediglich vor, sein Anwalt habe ihm mitgeteilt, dass er nach seinem Auszug zu viel gezahlt habe. Daher habe er die Zahlungen eingestellt.

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten mit einstweiliger Verfügung zur Zahlung von 436 EUR monatlich und wies das Mehrbegehren ab. Aus dem Einkommen der Streitteile ergebe sich ein prozentuell bemessener Unterhalt von 133 EUR monatlich. Dabei sei das Pflegegeld nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Weiters gebühre der Klägerin ein „Sonderbedarf" für die Wohnungskosten, der ausgehend von den Einkommensverhältnissen mit der Hälfte der Wohnungserhaltungs- und Wohnungsbenutzungskosten (zusammen 606 EUR, davon die Hälfte 303 EUR) anzusetzen sei. Auf die bisherige Übung, wonach der Beklagte die gesamten Wohnkosten gezahlt habe, könne sich die Klägerin nicht berufen. Die Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft sei ein wichtiger Grund für ein Abgehen davon gewesen.

Das nur vom Beklagten angerufene Rekursgericht behielt diese Berechnungsmethode im Grunde bei, bemaß den „Sonderbedarf" aber nur mit der halben Miete (rund 441 EUR, davon die Hälfte rund 220 EUR). Dementsprechend reduzierte es den Zuspruch auf (gerundet) 355 EUR. Seine Entscheidung stützte es auf die §§ 94 und 97 ABGB, ohne diese Anspruchsgrundlagen streng voneinander abzugrenzen. Dem unterhaltspflichtigen Ehegatten könnten Zahlungen zur Erhaltung der Ehewohnung selbst dann auferlegt werden, wenn sich nach der von der Judikatur entwickelten Prozentregel kein Geldunterhaltsanspruch ergebe. Die vom Beklagten „zu leistenden Mietzinszahlungen" seien „nur zur Hälfte als Naturalleistungen auf den Geldunterhaltsanspruch der Klägerin anzurechnen". Die Klägerin habe daher die halben Wohnungskosten aus dem prozentuell bemessenen Unterhalt und ihrem Eigeneinkommen zu tragen, die andere Hälfte müsse jedoch der grundlos aus der Ehewohnung ausgezogene Beklagte zahlen, und zwar zusätzlich zum rein prozentuell bemessenen Unterhalt. Das gelte allerdings, anders als vom Erstgericht angenommen, nur für Kosten der Wohnungsbeschaffung und Wohnungserhaltung, dh konkret für die Miete, nicht aber für verbrauchsabhängige Kosten wie Strom, Gas oder Telefon.

Den dagegen von der Klägerin erhobenen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht nachträglich zu. Der Obersten Gerichtshof nehme in den zu RIS-Justiz RS0047242 indizierten Entscheidungen an, dass ein Ehegatte im Rahmen des Unterhaltsanspruchs nach § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB auch für die Zeit nach Aufhebung des gemeinsamen Haushalts die Bestreitung der Kosten der Ehewohnung im gleichen Ausmaß wie bisher zur Sicherung dieser Wohngelegenheit verlangen könne. Das stehe zwar in einem Spannungsverhältnis zur Entscheidung 1 Ob 288/98d, wonach die Aufhebung der Lebensgemeinschaft ein wichtiger Grund für das Abgehen von der bisherigen Übung sei. Im konkreten Fall habe der Beklagte die Wohnkosten allerdings eineinhalb Jahre nach seinem Auszug aus der Ehewohnung weitergezahlt, weswegen die letztgenannte Entscheidung zu keinem anderen Ergebnis führen könne.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

1. Die Klägerin beruft sich auch im Revisionsrekurs darauf, dass zwischen ihr und dem Beklagten eine konkludente Unterhaltsvereinbarung bestanden habe, von der sich der Beklagte nun nicht einseitig lösen könne. Aus § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB folge, dass diese Vereinbarung auch nach Aufhebung der Lebensgemeinschaft weiter gelte.

1.1. Es trifft zu, dass der Oberste Gerichtshof in 1 Ob 514/94 ausgesprochen hat, ein Ehegatte könne im Rahmen seines Unterhaltsanspruchs nach § 94 Abs 2 zweiter Satz ABGB - also auch für die Zeit nach Aufhebung des gemeinsamen Haushalts - vom Unterhaltspflichtigen die Bestreitung der Kosten einer von ihm als Ehewohnung zur Verfügung gestellten (Eigentums-)Wohnung im gleichen Ausmaß wie bisher zur Sicherung dieser Wohngelegenheit verlangen. Diese Entscheidung haben andere Senate des Obersten Gerichtshofs mehrfach zustimmend zitiert (RIS-Justiz RS0047242). Eine genauere Überprüfung der jeweiligen Entscheidungsgründe ergibt jedoch ein differenziertes Bild:

(a) In 1 Ob 514/94 wurde der Anspruch auf die Wohnungskosten tatsächlich auf § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB gestützt und zusätzlich zu jenem Unterhalt gewährt, der sich aus der Prozentsatzmethode ergab. Für dessen Bemessung verminderte der Oberste Gerichtshof jedoch die Bemessungsgrundlage um die Wohnkosten. Diese Vorgangsweise steht im Widerspruch zur aktuellen Rechtsprechung, wonach Leistungen zur Wohnversorgung nicht bei der Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen, sondern (angemessen) auf den Geldunterhaltsanspruch anzurechnen sind (RIS-Justiz RS0047254, zuletzt etwa 9 Ob 64/05k = FamZ 2007/49 [Deixler-Hübner] und 10 Ob 75/06m).

(b) In 7 Ob 629/94 und 6 Ob 611/95 (= RZ 1996/70) wurde der Anspruch des in der Wohnung verbliebenen Ehegatten mit § 97 ABGB begründet. Die bisherige Übung bei der Zahlung der Wohnkosten zog der Oberste Gerichtshof (nur) als Kriterium für die Höhe der (insofern) zu leistenden Zahlungen heran. Die „bisherige Übung" bezog sich zudem nicht auf konkret festgestellte Zahlungsflüsse. Vielmehr unterstellte der Oberste Gerichtshof, dass die Wohnkosten jeweils im Verhältnis der Einkommen getragen worden seien. In 6 Ob 611/95 führte er zudem aus, dass ein hohes Eigeneinkommen des Klägers die für eine einstweilige Verfügung zur Sicherung des Anspruchs nach § 97 ABGB erforderliche Gefährdung ausschließen könnte.

(c) 9 Ob 49/04b und 7 Ob 191/05x (= FamZ 2006/21) betrafen die Anrechnung von Naturalunterhalt auf den nach der Prozentsatzmethode berechneten Geldunterhalt. Eine zusätzliche Leistungspflicht wurde dem Unterhaltspflichtigen dort nicht auferlegt. Die Bezugnahme auf 1 Ob 514/94 war somit ein ein bloßes obiter dictum.

1.2. Der Standpunkt der Klägerin, eine während aufrechter ehelicher Gemeinschaft gepflogene Übung begründe nach Auflösung der Gemeinschaft - unabhängig von § 97 ABGB und von den Einkommensverhältnissen der Beteiligten - einen Geldunterhaltsanspruch in gleicher Höhe, könnte somit, wenn überhaupt, nur auf 1 Ob 514/94 gestützt werden.

Sollte diese Entscheidung tatsächlich in diesem Sinn zu verstehen sein, kann sich der Senat ihr nicht anschließen: Vereinbarungen über das Tragen der gemeinsamen Lebenshaltungskosten stehen bis zum Beweis des Gegenteils unter der Bedingung des gemeinsamen Wirtschaftens (1 Ob 288/98d = SZ 72/74 = JBl 1999, 725). Mit der Annahme, dass die bisher von einem Gatten allein getragenen Wohnungskosten jedenfalls von diesem weiter zu zahlen seien, würde ein Teilbereich der einvernehmlichen Lebensgestaltung verselbständigt, ohne dass im Gegenzug berücksichtigt würde, von wem der restliche eheliche Aufwand getragen wurde. Anders gewendet: Es kann im erörterten Punkt nicht darauf ankommen, von wessen Konto welche Kosten gezahlt wurden. Auch eine langjährige Zahlung von Wohnkosten kann daher nicht isoliert dahin gedeutet werden, dass insofern (und nur insofern) eine Unterhaltsvereinbarung bestünde. Vielmehr handelt es sich dabei um die Gewährung von Naturalunterhalt in einem Teilbereich. Daraus kann - außer bei Vorliegen besonderer Umstände, die hier nicht behauptet wurden - nicht abgeleitet werden, dass nach Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft allein wegen der bisherigen Übung und unabhängig von Leistungsfähigkeit und Bedarf der Gatten ein Geldunterhaltsanspruch in dieser Höhe bestehe. Vielmehr entsteht durch Aufhebung der Gemeinschaft ein Geldunterhaltsanspruch (Koch in KBB2 § 94 Rz 23 mwN; RIS-Justiz RS0009414), der nach allgemeinen Grundsätzen zu bemessen ist.

1.3. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Unterhaltspflichtige - wie hier - die Zahlungen nach Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft fortsetzt. Zwar kann bei Dauerschuldverhältnissen ein Verhalten durch längere Zeit Schlüsse auf einen besonderen Willen der Parteien erlauben (3 Ob 124/03m = MietSlg 55.075; RIS-Justiz RS0082191 T 3). Voraussetzung ist aber, dass der Zahlungsempfänger die Zahlung bei objektiver Betrachtung als Willenserklärung des Zahlenden verstehen konnte, eine vom gesetzlichen Unterhaltsanspruch unabhängige Verpflichtung zu begründen. Das wäre etwa der Fall, wenn die Zahlungspflicht strittig war und der Empfänger die (vorbehaltlose) Zahlung aus diesem Grund als konstitutives Anerkenntnis (oder als Vergleichsangebot) werten konnte (vgl im Einzelnen 4 Ob 173/06d mwN). Ein solches Vorbringen hat die Klägerin aber nicht erstattet. Vielmehr geht sie auch noch im Revisionsrekurs davon aus, dass schon die langjährige Übung während aufrechter Ehe ihren Anspruch begründet habe. Auf dieser Grundlage konnte sie die Weiterzahlung durch den Beklagten aber gerade nicht dahin deuten, dass er damit eine neue Verpflichtung schaffen wollte.

1.4. Die Auffassung der Klägerin, die bisherige Übung begründe schon als solche einen entsprechenden Geldunterhaltsanspruch, trifft daher nicht zu. Ein über den rechtskräftigen Zuspruch hinausgehender Anspruch der Klägerin könnte sich daher nur aus der gesetzlichen Regel des § 94 Abs 2 ABGB oder aus § 97 ABGB ergeben.

2. Die Höhe des Geldunterhaltsanspruchs nach § 94 Abs 2 ABGB hängt von der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten und dem Bedarf des Unterhaltsberechtigten ab. Als Orientierungshilfe für die Bemessung ist dabei grundsätzlich die vom Obersten Gerichtshof gebilligte Prozentsatzmethode heranzuziehen (RIS-Justiz RS0012492, RS0009571). Danach gebührten der Klägerin nach der richtigen Rechnung der Vorinstanzen (nur) rund 133 EUR. Das Pflegegeld ist als pauschalierter Aufwandersatz nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen (6 Ob 97/00h = ÖA 2000, 215).

2.1. Einen allgemeinen Grundsatz, dass der Unterhaltspflichtige zusätzlich zum Prozentunterhalt einen bestimmten Anteil an den Wohnkosten zahlen müsse, gibt es nicht. Kosten der Wohnversorgung sind Teil der allgemeinen Lebenshaltungskosten und begründen daher gewöhnlich keinen Sonderbedarf, den der Unterhaltsschuldner - neben dem nach allgemeinen Gesichtspunkten der Leistungsfähigkeit und des Bedarfs bemessenen Unterhalt - zusätzlich zahlen müsste (1 Ob 123/04a = SZ 2004/121).

2.2. Eine solche Regel lässt sich auch nicht aus der vom Rekursgericht angeführten Rechtsprechung zur Anrechnung von Naturalunterhalt bei grundlosem Verlassen der Ehewohnung ableiten. Danach ist zwar der Unterhaltspflichtige so zu behandeln, als wäre er in der Wohnung geblieben, weshalb von ihm (allein) geleistete Mietzinszahlungen nur zur Hälfte als Naturalleistung auf den Geldunterhaltsanspruch des anderen Ehegatten anzurechnen sind (RIS-Justiz RS0114742). Der Oberste Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang aber ausdrücklich festgehalten, dass es sich dabei um keine Erhöhung des Geldunterhaltsanspruchs handle. Dieser Anspruch sei zwar bei einem positiven Saldo der Wohnkosten (also bei Tragen von mehr als der Hälfte dieser Kosten durch den Unterhaltspflichtigen) zu mindern, im Fall eines negativen Saldos sei er aber nicht zu erhöhen (2 Ob 180/05t = Zak 2005/116, vgl auch 7 Ob 95/05d).

2.3. Im Einzelfall kann zwar ein besonderer Bedarf des Unterhaltsberechtigten einen höheren Anspruch rechtfertigen. Das kann unter Umständen auch für überdurchschnittlich hohe Wohnkosten gelten, die durch besondere Umstände auf Seiten des Unterhaltsberechtigten (etwa eine Behinderung) bedingt sind. Hier sind solche Umstände aber nicht ersichtlich. Unterhaltsrechtlich steht der Klägerin daher nur der nach der Prozentsatzmethode bemessene Unterhalt von etwa 133 EUR zu.

3. Die Klägerin stützt ihren Anspruch auch auf § 97 ABGB. Diese Bestimmung kann grundsätzlich weitere Zahlungen rechtfertigen.

3.1. Nach § 97 ABGB hat ein Ehegatte, der über die zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des andern Gatten dienende Wohnung verfügungsberechtigt ist, alles zu unterlassen und vorzukehren, damit der auf die Wohnung angewiesene Gatte diese nicht verliere. Auf dieser Grundlage kann ihm auch die Zahlung von Wohnungserhaltungskosten (insbesondere der Miete) aufgetragen werden (RIS-Justiz RS0111673). Das gilt auch bei Nichtbestehen eines Geldunterhaltsanspruchs nach der Prozentsatzmethode, wenn der andere Ehegatte nicht in der Lage ist, diese Kosten ohne Gefährdung seiner über den Wohnbedarf hinausgehenden übrigen Unterhaltsbedürfnisse zu tragen (6 Ob 611/95; RIS-Justiz RS0085176).

Damit wird im Rahmen des § 97 ABGB ein Zahlungsanspruch begründet,

der getrennt vom eigentlichen Unterhaltsanspruch zu sehen ist. Seit

dem Eherechts-Änderungsgesetz 1999 kann dieser Anspruch nach § 382e

EO gesichert werden (1 Ob 162/00f, 9 Ob 226/02d = SZ 2002/179, 3 Ob

231/04y = SZ 2004/150). Ein Rückgriff auf (erhöhten) einstweiligen

Unterhalt nach § 382 Z 8 lit a EO (so noch 3 Ob 520/87 = SZ 60/97)

ist daher nicht mehr erforderlich. Der in 9 Ob 226/02d unter Hinweis auf SZ 60/97 aufrecht erhaltene Vorrang des einstweiligen Unterhalts vor einer einstweiligen Verfügung nach § 382e EO ist dahin zu verstehen, dass - im Sinn einer klaren Trennung der Anspruchsgrundlagen - ein Geldanspruch nach § 97 ABGB nicht bestehen kann, wenn die Erhaltung der Wohnung ohnehin mit jenen Mitteln möglich ist, die dem auf die Wohnung angewiesenen Ehegatten unabhängig davon zur Verfügung stehen (eigenes Einkommen zuzüglich Unterhalt).

3.2. Bei der Anwendung von § 97 ABGB kann ein Leistungsanspruch idR nur die Wohnungserhaltungskosten im eigentlichen Sinn erfassen, dh insbesondere die Miete, nicht aber die Kosten der Wohnungsbenutzung

wie Strom, Gas oder Telefon (3 Ob 231/04y, 1 Ob 65/05y = immolex

2005/109 [Prader]). In 3 Ob 367/97k (= wobl 1998/207 [Prader]) hat

der Oberste Gerichtshof zwar ausgesprochen, dass Stromkosten ein Teil des Mietzinses seien, wenn der Vermieter selbst den Strombezugsvertrag abgeschlossen habe und mehreren Mietern elektrische Energie gegen gesondertes Entgelt zur Verfügung stelle. Darauf und auf die dagegen erhobenen Einwände (Prader, wobl 1998/207) kommt es hier aber nicht an, da die Klägerin kein in diese Richtung weisendes Vorbringen erstattet hat.

Dass das Rekursgericht in seiner Entscheidung die Kosten der Wohnungsbenutzung nicht berücksichtigte, ist somit durch ständige Rsp gedeckt. Davon getrennt zu sehen ist aber die Frage, in welchem Ausmaß die eigentlichen Wohnkosten bei Anwendung von § 97 ABGB weiterzuzahlen sind.

3.3. Das Rekursgericht nimmt an, dass der Anspruch grundsätzlich in Höhe der halben Miete bestehe (vgl auch die Rekursentscheidung in 1 Ob 65/05y). Diese Auffassung bedarf einer näheren Überprüfung. Denn eine einheitliche Rsp des Obersten Gerichtshofs liegt dazu nicht vor:

Nach 6 Ob 611/95 und 7 Ob 629/94 sind die Kosten nach der vor der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft bestehenden - in concreto jeweils unterstellten - Übung zu tragen, was in diesen Fällen zur Aufteilung im Verhältnis der Einkommen führte. In 3 Ob 321/04y hatten die Vorinstanzen demgegenüber die volle Miete zugesprochen, was mangels eines Rechtsmittels des Beklagten nicht zu überprüfen war. In 1 Ob 65/05y ließ der Oberste Gerichtshof ausdrücklich offen, ob der unterhaltspflichtige Ehegatte zusätzlich zum rein prozentuell bemessenen Unterhalt nach § 97 ABGB jedenfalls die Hälfte der Erhaltungskosten der ehemaligen Ehewohnung tragen müsse. Aus Entscheidungen zur Anrechnung von Naturalunterhalt (RIS-Justiz RS0114742) scheint sich zu ergeben, dass aufgrund von § 97 ABGB regelmäßig die halben Wohnkosten geschuldet würden.

3.4. Zweck von § 97 ABGB ist es, dem betroffenen Ehegatten jene Wohnmöglichkeit zu erhalten, die ihm bisher zur Deckung des den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Bedürfnisses gedient hat und die er weiterhin benötigt (RIS-Justiz RS0009570); er soll insofern vor Willkürakten des anderen Gatten geschützt werden (RIS-Justiz RS0009580). Dieser Regelungszweck begründet einen Zahlungsanspruch (nur) dann, wenn der in der Wohnung verbliebene Ehegatte die Zahlungen nicht aus Eigenem leisten kann (9 Ob 226/02d, ähnlich 6 Ob 151/97t; Hinteregger in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 97 Rz 17 mwN). Denn nur dann droht ein Verlust der Wohnung, den abzuwehren der verfügungsberechtigte Ehegatte nach § 97 ABGB „vorkehren" muss. Diese Auffassung hat der Oberste Gerichtshof grundsätzlich schon in 6 Ob 611/95 vertreten, sie dort allerdings als Frage der fehlenden (konkreten) Gefährdung iSv § 381 EO behandelt (die nun nach § 382e Abs 2 EO bei Anhängigkeit eines auf die Auflösung der Ehe gerichteten Verfahrens nicht mehr erforderlich ist). Richtigerweise besteht aber schon der Anspruch auf Zahlung der Wohnkosten nicht, wenn der in der Wohnung gebliebene Ehegatte die Kosten ohnehin ohne Gefährdung seiner sonstigen Bedürfnisse selbst tragen kann. Umgekehrt wird aber auch die - außerhalb von § 382e Abs 2 EO für eine einstweilige Verfügung erforderliche - konkrete Gefährdung idR vorliegen, wenn der in der Wohnung verbliebene Gatte dazu nicht in der Lage ist.

3.5. Maßgebend ist somit schon auf der Ebene des Anspruchs die finanzielle Lage des in der Wohnung verbliebenen Gatten. Diese Erwägung schließt jede starre Formel für die Bemessung der Anspruchshöhe aus; entscheidend ist vielmehr der konkrete Bedarf zur Erhaltung der Wohnung.

Dabei wird ein Ehegatte jedenfalls nicht mehr zahlen müssen, als es dem Verhältnis zwischen den Einkommen der Gatten entspricht (vgl 6 Ob 611/95, 7 Ob 629/94). Denn es kann unterstellt werden, dass die Gatten die Lebenserhaltungs- und damit insbesondere die Wohnkosten auch während aufrechter Ehe etwa in diesem Verhältnis getragen haben; die Auflösung der ehelichen Gemeinschaft kann idR nicht zu einer höheren Belastung einer Seite führen. Dass es bei Doppelverdienerehen nicht auf die Zufälligkeit ankommen kann, von wessen Konto welche Kosten beglichen wurden, hat der Senat bereits oben ausgeführt. Besteht ein Unterhaltsanspruch nach der Prozentsatzmethode, ist zudem zu beachten, dass schon dieser Anspruch zu einer grundsätzlich angemessenen Neuverteilung des Familieneinkommens führt. Dem Unterhaltspflichtigen steht aus diesem Grund nicht mehr sein gesamtes Einkommen für die Zahlung der Wohnkosten zur Verfügung. Ein Rückgriff auf das Verhältnis der Einkommen ist daher in Wahrheit nicht mehr angebracht. Vielmehr ist es nicht zu beanstanden, wenn der den Unterhalt ergänzende eigene Anspruch nach § 97 ABGB höchstens - wie im Ergebnis vom Rekursgericht - mit der Hälfte der unter 3.2. beschriebenen Wohnungserhaltungskosten ausgemessen wird. Ob dieser Rahmen ausgeschöpft (oder allenfalls sogar überschritten) wird, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgebend ist vor allem die finanzielle Leistungsfähigkeit beider Teile, weiters die Höhe der Wohnungserhaltungskosten im Verhältnis zu jenen Mitteln, die dem in der Wohnung verbliebenen Gatten (bereits einschließlich des ihm zustehenden Unterhalts) zur Verfügung stehen. Eine erhebliche Rechtsfrage wird allein damit idR nicht aufgeworfen werden.

3.5. Im vorliegenden Fall ist offenkundig, dass sich die Klägerin die Wohnung mit einem Eigeneinkommen von monatlich durchschnittlich 775 EUR und einem Prozentsatzunterhalt von etwa 133 EUR nicht leisten könnte. Der ergänzende Zahlungsanspruch nach § 97 ABGB besteht daher dem Grunde nach zurecht. Ein über den bereits zugesprochenen Betrag - Prozentsatzunterhalt zuzüglich Hälfte der Miete - hinausgehender Anspruch besteht allerdings nach den oben angestellten Erwägungen hier nicht. Der Revisionsrekurs der Klägerin muss daher scheitern.

4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf §§ 393 Abs 1 EO iVm 41, 50 ZPO.