OGH vom 04.02.1965, 5Ob249/64
Norm
Kopf
SZ 38/19
Spruch
Ein Belastungs- und Veräußerungsverbot hindert nicht die Einräumung eines Notweges
Entscheidung vom , 5 Ob 249/64
I. Instanz: Bezirksgericht Leoben; II. Instanz: Kreisgericht Leoben
Text
Das Erstgericht wies den Antrag des N. N., ihm für seine Liegenschaft EZ. X. einen Notweg über die Baufläche 85 der EZ. Y. einzuräumen und nach Rechtskraft des diesem Antrag stattgebenden Beschlusses das Notwegerecht grundbücherlich einzutragen, "derzeit" ab, weil zugunsten der Mutter einer Miteigentümerin der Liegenschaft EZ. Y. auf dieser ein Belastungs- und Veräußerungsverbot einverleibt sei und dieses die Einräumung eines Notweges hindere, solange die Verbotsberechtigte die Einwilligung dazu versage.
Das vom Antragsteller angerufene Rekursgericht vertrat demgegenüber die Auffassung, daß das Belastungs- und Veräußerungsverbot die Einräumung eines Notwegerechtes nicht grundsätzlich hindere, hob deshalb in Stattgebung des Rekurses den Beschluß des Erstrichters auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung nach Feststellung des Sachverhaltes auf.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Eigentümers der Liegenschaft EZ. Y. als Antragsgegners nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Was zunächst die Frage der Zulässigkeit des Revisionsrekurses gegen den Beschluß des Rekursgerichtes anlangt, so schließt sich der erkennende Senat der in der Entscheidung SZ. XXXIII 73 vertretenen Rechtsmeinung aus den dort unter Darstellung der früheren diesbezüglich uneinheitlichen Judikatur aufgezeigten Überlegungen an (ebenso EvBl. 1958, Nr. 362, S. 629, ferner 5 Ob 86/60, 2 Ob 179/60, 2 Ob 343/60, EvBl. 1964, Nr. 181, S. 270, ZVR. 1964, Nr. 205, S. 244).
Der somit zulässige Revisionsrekurs ist aber nicht begrundet.
Der Auffassung des Rekursgerichtes, daß ein durch Richterspruch eingeräumter Notweg auf einer gesetzlichen Eigentumsbeschränkung beruhe, kann nicht entgegengetreten werden. Die gegenteilige Meinung des Erstrichters, die sich auf die Unterscheidung zwischen einem gesetzlichen und einem richterlichen Pfandrecht stützt, übersieht, daß es sich bei der uralten, schon dem klassischen römischen Recht, aber auch dem Gemeinen Recht bekannten Einrichtung des Notweges nicht um eine dem richterlichen oder gesetzlichen Pfandrecht vergleichbare Institution handelt (vgl. Menzel in JBl. 1896, Nr. 19 - 22, insbesondere S. 253, Neugröschl NotZ. 1896, Nr. 4 - 7, Ofner GH. 1896, Nr. 24). In der Regierungsvorlage zum NotwegeG. wird der Notweg als Legalservitut bezeichnet. Nach Leo Geller, Komm. z. ABGB., S. 327 ff. ist der Notweg ein dinglicher Rechtsanspruch des Privatrechtes, darauf gerichtet, einer wegebedürftigen Liegenschaft fremde Liegenschaften dienstbar zu machen. Allerdings ist auch hier der Ausspruch des Richters, wenigstens was die Richtung und den Umfang des Notweges anlangt, rechtsbegrundend (Ehrenzweig I/2, S. 347, Klang in Klang[2], II 161). Das gleiche gilt auch für die auf Grund der Enteignungsgesetze erlassenen Erkenntnisse. Wenn auch die Bestellung eines Notweges kein Fall von Enteignung ist (Klang a. a. O.), weil die Enteignung im öffentlichen Interesse erfolgt, so besteht doch nach dem Schluß vom Größeren auf das Kleinere kein Hindernis, die Wirkungen eines Veräußerungs- und Belastungsverbotes auf die Möglichkeit der Einräumung eines Notweges in der gleichen Weise zu beurteilen, wie wenn auf Grund der Enteignungsgesetze das Eigentum an der mit dem Verbot belasteten Liegenschaft zur Gänze entzogen werden soll. Nun bezweifelt niemand, daß ein Belastungs- und Veräußerungsverbot die Einleitung und Durchführung eines Enteignungsverfahrens nicht zu hindern imstande ist.
Wie das Rekursgericht zutreffend aufzeigte, wurde schon wiederholt vom Obersten Gerichtshof ausgesprochen, daß ein Belastungs- und Veräußerungsverbot Eigentumsbeschränkungen durch Ersitzung nicht zu verhindern vermag. Es kommt daher auf den in den Enteignungsgesetzen zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers, das Allgemeinwohl dem Einzelinteresse voranzustellen, nicht an.
Daß die Geltendmachung des Anspruches auf Einräumung eines Notweges durch ein Belastungs- und Veräußerungsverbot der durch den Notweg zu belastenden Liegenschaft nicht gehindert wird, erhellt auch daraus, daß eine bücherliche Anmerkung der Einleitung des Verfahrens wegen Einräumung eines Notweges nicht stattfindet und in eigentümlicher Abweichung vom Publizitätsprinzip im Falle von Eigentumsänderungen nach Einleitung des Verfahrens dieses sogar gegen den gutgläubigen Erwerber fortzusetzen ist. Selbst beim Erwerb auf Grund einer gerichtlichen Versteigerung ist die durch die Entscheidung über die Einräumung eines Notweges geschaffene Rechtslage für den neuen Eigentümer der belasteten Liegenschaft verbindlich. Diese im § 18 NotwegeG. normierte Rechtsfolge findet ihre theoretische Erklärung in der Auffassung der Verbindlichkeit zur Einräumung eines Notweges als einer auf dem Gut selbst haftenden Grundschuld, welche jederzeit gegen den jeweiligen Eigentümer geltend gemacht werden kann (vgl. Bartsch, Das österreichische allgemeine Grundbuchsgesetz, S. 199 Anm 9 zu § 25).
Der vom Erstgericht herangezogene Abweisungsgrund ist daher nicht stichhältig.
Da aus dem Antrag selbst jedoch nicht mit Sicherheit zu erkennen ist, daß der begehrte Notweg nicht der ordentlichen Bewirtschaftung und Benützung der Liegenschaft des Antragstellers dienen soll (§ 1 NotwegeG.) und dem Vorbringen des Antragstellers auch sonst nicht entnommen werden kann, daß sein Begehren von vornherein aussichtslos ist, weil es etwa gegen die Vorschrift des § 4 (3) NotwegeG. verstoße oder der Antragsteller sich seinen Notstand selbst zuzuschreiben habe, erweist sich eine Prüfung und Feststellung des Sachverhaltes als notwendig, weshalb das Rekursgericht mit Recht die Entscheidung des Erstrichters aufhob und ihm die Fortsetzung des Verfahrens und neuerliche Beschlußfassung auftrug.