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OGH vom 15.05.2012, 2Ob5/12t

OGH vom 15.05.2012, 2Ob5/12t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** W***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Bernhard Hämmerle, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. F***** A*****, 2. V***** W***** A*****, und 3. D***** AG, *****, alle vertreten durch Dr. Kurt Bayr, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 7.431,60 EUR sA, über die Revision der beklagten Parteien (Revisionsinteresse 6.031,10 EUR) gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 30/11t 24, womit das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom , GZ 16 C 1046/09s 20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 642,69 EUR (darin enthalten 107,11 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am ereignete sich in Innsbruck an der ampelgeregelten Kreuzung zwischen der Blasius Hueber Straße und dem Fürstenweg bzw der Höttinger Au ein Verkehrsunfall, an dem das von der Klägerin gehaltene Taxifahrzeug und der vom Erstbeklagten gelenkte, von der Zweitbeklagten gehaltene und bei der Drittbeklagten haftpflichtversicherte Pkw beteiligt waren. Der Erstbeklagte befuhr auf dem Fürstenweg Richtung Osten den linken, dem öffentlichen Verkehr vorbehaltenen Fahrstreifen (Busspur) in der Absicht, die Kreuzung in gerader Richtung zu übersetzen (vom rechten Fahrstreifen darf der Individualverkehr nur nach rechts abbiegen). Er kollidierte dabei mit dem Klagsfahrzeug, das auf der Blasius Hueber Straße Richtung Norden fuhr. Der Erstbeklagte hätte die Kollision mit dem Klagsfahrzeug verhindern können, wenn er den Verkehrszeichen (§ 52b Z 15 StVO) entsprechend nach rechts abgebogen wäre.

Die Klägerin begehrte Schadenersatz in Höhe des Klagsbetrags (Reparaturkosten und Verdienstentgang wegen der reparaturbedingten Stehzeit). Den Erstbeklagten treffe das Alleinverschulden.

Die Beklagten wiesen das Alleinverschulden dem Lenker des Klagsfahrzeugs zu. Dieser sei nämlich bei Rotlicht in die Kreuzung eingefahren. Dass der Erstbeklagte die vorgeschriebene Fahrtrichtung nicht eingehalten habe, stehe in keinem Rechtswidrigkeitszusammenhang mit dem eingetretenen Unfall. Am Beklagtenfahrzeug sei ein Schaden in Höhe von 4.199 EUR eingetreten (Totalschaden), dazu kämen Ab und Anmeldekosten von 160 EUR und unfallkausale Spesen von 50 EUR sowie Schmerzengeld der im Beklagtenfahrzeug mitfahrenden Mutter der Zweitbeklagten in Höhe von 8.000 EUR und der Tochter der Erst und Zweitbeklagten in Höhe von 2.540 EUR, welche ihre Ansprüche an die Zweitbeklagte abgetreten hätten. Einer allenfalls zu Recht bestehenden Klagsforderung werde daher eine Gegenforderung in Höhe von insgesamt 14.949 EUR kompensando eingewendet.

Das Erstgericht erkannte, dass die Klagsforderung mit 6.031,10 EUR zu Recht und die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe. Die Beklagten wurden daher schuldig erkannt, der Klägerin 6.031,10 EUR sA zu zahlen, und das Mehrbegehren (an Verdienstentgang) von 1.400,50 EUR sA wurde abgewiesen. Das Erstgericht hielt zwar die Aussage des Lenkers des Klagsfahrzeugs, er sei bei Grünlicht in die Kreuzung eingefahren, für glaubwürdig, gelangte sodann aber dennoch - mit der Begründung, dass der beigezogene Sachverständige beide Varianten für möglich gehalten habe - zur Negativfeststellung, es könne nicht festgestellt werden, ob die Ampel Rot oder Grünlicht zeigte. Rechtlich beurteilte es den Sachverhalt dahingehend, dass der Erstbeklagte durch die Verletzung des Gebotszeichens „Vorgeschriebene Fahrtrichtung“ einen schweren Verstoß gegen § 52b Z 15 StVO begangen habe und dass dieser Verstoß ursächlich für die Kollision gewesen sei. Ein allfälliges Mitverschulden des Lenkers des Klagsfahrzeugs dahingehend, dass er bei Rotlicht in die Kreuzung eingefahren wäre, hätten die Beklagten nicht bewiesen. Somit sei von einem Alleinverschulden des Erstbeklagten auszugehen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Das Erstgericht habe schlüssig gewürdigt, warum die im Verfahren einzig strittige Frage, nämlich ob der Lenker des Klagsfahrzeugs einen Verstoß gegen die StVO durch Einfahren in die Kreuzung bei Rotlicht begangen habe, mangels objektiver Hinweise vom Sachverständigen nicht mit ausreichender Sicherheit beantwortet werden könne. Die Beweiswürdigung des Erstgerichts habe dem Berufungsgericht daher zu keinen Bedenken Anlass gegeben. Das Verhalten des Erstbeklagten sei unfallkausal und rechtswidrig gewesen, weil er sich nicht an die vorgeschriebene Fahrtrichtung gehalten habe, und schließlich auch schuldhaft, weil er keinen einleuchtenden Grund vorgebracht habe, weshalb ihm die Einhaltung dieses Gebots nicht möglich gewesen sei. Das Erstgericht sei zu Recht von einem Alleinverschulden des Erstbeklagten ausgegangen. Mangels Verschuldensteilung sei über die Gegenforderung nicht abzusprechen gewesen. Nachträglich ließ das Berufungsgericht jedoch die ordentliche Revision zu, weil „Ansprüchen der Beifahrer in einem Kraftfahrzeug das Verschulden des Lenkers nicht zur Last gelegt werden“ könne.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Klage zur Gänze abzuweisen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagten bestreiten neuerlich den Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem Befahren der Busspur durch den Erstbeklagten und der erfolgten Kollision. Im Übrigen rügen sie das Fehlen von Feststellungen über die eingewendeten Gegenforderungen. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach über die Gegenforderungen nur abzusprechen sei, wenn eine Verschuldensteilung erfolge, sei unrichtig. Tatsächlich stehe es einem Insassen eines Kraftfahrzeugs frei, seine Ansprüche entweder gegen den Lenker und Versicherer jenes Fahrzeugs, in welchem er Insasse gewesen sei, geltend zu machen oder aber beim gegnerischen Lenker bzw Halter und Versicherer. Diesbezüglich spiele ein Verschulden keine Rolle, sondern der Unfallgegner (hier die Klägerin) hafte allein aufgrund seiner Eigenschaft als Fahrzeughalter, es sei denn, es handle sich um ein unabwendbares Ereignis. Von einem solchen könne im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden, zumal das Erstgericht hinsichtlich der Frage, ob der Lenker des Klagsfahrzeugs bei Rot oder bei Grünlicht in die Kreuzung eingefahren sei, eine Negativfeststellung getroffen habe.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung , dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben. Sie führt insbesondere aus, dass die rechtsgeschäftliche Zession als kausales Verfügungsgeschäft ein gültiges Grundgeschäft voraussetze, sodass im Abtretungsvertrag auch der Rechtsgrund für die Abtretung genannt werden müsse, weil eine titellose Abtretung, wie im gegenständlichen Fall, unwirksam sei. Die Vorinstanzen hätten daher die Gegenforderungen zu Recht unberücksichtigt gelassen.

Die Revision ist zur Klarstellung der Haftung gegenüber dem Zessionar zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Die rechtswidrige Fahrweise des Erstbeklagten bestand darin, dass er an der Kreuzung nicht nach rechts abgebogen, sondern entgegen dem Rechtsabbiegegebot geradeaus gefahren ist, was für die Kollision mit dem Klagsfahrzeug ursächlich war. Die Frage nach dem Rechtswidrigkeitszusammenhang des Befahrens der Busspur stellt sich nicht. Im Übrigen gelten aber vom Schutzzweck des § 53 Z 25 StVO („Fahrstreifen für Omnibusse“) alle Gefahren als umfasst, die durch das Befahren dieses Fahrstreifens mit anderen Fahrzeugen verursacht und erhöht werden können (RIS Justiz RS0075331).

Mangels einer Verletzung der Verkehrsvorschriften durch den Lenker des Klagsfahrzeugs sind die Vorinstanzen zutreffend vom Alleinverschulden des Erstbeklagten ausgegangen.

2. Gemäß § 8 EKHG kann der verletzte Insasse eines der beiden unfallbeteiligten Fahrzeuge seine Ansprüche in vollem Umfang gegen jeden der beiden Schädiger geltend machen (RIS Justiz RS0026726). Er muss sich das Verschulden des Lenkers nicht auf seine Ansprüche gegen den Unfallgegner anrechnen lassen (RIS Justiz RS0116644). Die Haftpflicht jedes einzelnen Haftpflichtigen ist so zu prüfen, als ob er den Schaden allein verursacht hätte ( Danzl , EKHG 8 § 8 Anm 3).

Im vorliegenden Fall stehen den beiden Fahrzeuginsassinnen somit grundsätzlich Ansprüche aus dem Titel der Gefährdungshaftung gegen die Klägerin als Halterin des Klagsfahrzeugs zu.

3. Es trifft zwar zu, dass die Abtretung als kausales Verfügungsgeschäft nur dann wirksam ist, wenn sie auf einem gültigen Grundgeschäft beruht (RIS Justiz RS0032510). Der Zessionar ist aber nicht von vornherein verpflichtet, den Rechtsgrund der Zession zu nennen, sondern hat dies erst im Falle der Bestreitung der Wirksamkeit der Abtretung zu tun (RIS Justiz RS0032652; RS0032584; 2 Ob 13/09i).

Die Klägerin hat in erster Instanz einen derartigen Einwand nicht erhoben, sodass für die Vorinstanzen kein Grund bestand, die Frage des Grundgeschäfts zu relevieren. Der nunmehrige Einwand der Klägerin ist als Neuerung zu werten.

4. Entgegen den Ausführungen der Revisionsbeantwortung ist daher auf die der Zweitbeklagten abgetretenen Forderungen der Insassinnen des Beklagtenfahrzeugs einzugehen. Dennoch besteht diese der Klagsforderung gegenüber kompensando eingewendete Gegenforderung der Zweitbeklagten nicht zu Recht. Der Schuldner einer abgetretenen Forderung hat nämlich nicht nur die Einwendungen, die sein Verhältnis zum Zedenten betreffen, sondern auch alle Einwendungen, die ihm aus seinem Verhältnis zum Zessionar zustehen ( Heidinger in Schwimann 3 § 1396 Rz 11; Neumayr in KBB 3 §§ 1395 1396 ABGB Rz 5; Ertl in Rummel 3 § 1396 ABGB Rz 1).

Die Klägerin hat daher gegenüber der Zweitbeklagten die Einwendungen aus ihrem persönlichen durch den Unfall geschaffenen Rechtsverhältnis zu dieser. In diesem Verhältnis ist aber das Alleinverschulden des Erstbeklagten für die Schadenstragung ausschlaggebend. Gemäß § 19 Abs 2 EKHG haftet der Halter (hier die Zweitbeklagte) für das Verschulden der Personen, die mit seinem Willen beim Betrieb des Kraftfahrzeugs tätig waren, soweit diese Tätigkeit für den Unfall ursächlich war.

Müsste somit die Klägerin an die Zweitbeklagte den Schaden der Insassinnen bezahlen, könnte sie die Zahlung gleich wieder zurückfordern, weshalb erst gar nicht bezahlt werden muss (vgl 2 Ob 82/97s).

Die Gegenforderung der Beklagten wurde daher von den Vorinstanzen zu Recht verneint.

Der Revision der Beklagten ist somit nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 41 und 50 ZPO.