OGH vom 25.06.2003, 3Ob46/03s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache Johann S*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Sachwalters Dr. Christian B*****, Rechtsanwalt, *****, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 44 R 646/02d-118, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der mit Beschluss vom zum Sachwalter des Betroffenen bestellte Rechtsanwalt beantragte am seine Enthebung von diesem Amt mit folgender wesentlicher Begründung:
Seit kurzem werde ihm von den Rechtspflegern des Erstgerichts kein Entschädigungsanspruch nach § 266 Abs 3 ABGB zur Deckung seiner hohen Personalkosten zuerkannt, wobei sogar weniger als die vom Gesetz genannte Mindestgrenze von 5 % der Einnahmen zuerkannt werde, ohne dass auch nur der Versuch gemacht werde zu begründen, warum er nicht einmal das verdient haben solle. Angesichts der großen Zahl von Sachwalterschaften könne er nicht alles selbst machen und die Betreuung nur dann gewährleisten, wenn er angemessene Entschädigungen erhalte. Offenbar werde beim Erstgericht der Wert seiner und von seinen Mitarbeitern geleisteten Arbeit sehr gering geschätzt. Sie benötigten bei ihrer Arbeit auch ein positives feed-back. Da er 20 % der Sachwalterschaften ohne jede Entschädigung führe, könne er keine weiteren Zugeständnisse machen.
Das Erstgericht wies den Antrag mit der wesentlichen Begründung ab, dem Sachwalter seien im vorliegenden Fall mehr als 5 % der reinen Einnahmen des Betroffenen als Entschädigung zuerkannt worden und er habe diesen Beschluss nicht einmal angefochten. § 266 ABGB biete die Möglichkeit, bei ausreichendem Vermögen des Betroffenen bis zu 10 % der Einkünfte als Entschädigung zuzuerkennen. Es sei nicht ersichtlich, aus welchem Grund gerade in dieser Sachwalterschaft die Enthebung beantragt werde. Da ein Wechsel in der Person des Sachwalters mit erheblichem Aufwand verbunden wäre und sich der Betroffene auf eine neue Person einstellen müsste, würde die Enthebung ohne hinreichenden Grund dem Wohle des Betroffenen widersprechen.
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Rekursgericht dem Rekurs des Sachwalters nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Da die Bestimmungen der §§ 195 und 254 ABGB durch das Kindschaftsrechtsänderungsgesetz [2001] aufgehoben worden seien, sei der Enthebungsantrag nur nach § 283 Abs 2 ABGB zu beurteilen. Darin werde auf die ebenfalls aufgehobenen Bestimmungen der §§ 254 und 257 ABGB verwiesen. Dies bedeute, dass ein Sachwalter nur enthoben werde dürfe, wenn die vorliegenden Umstände zur Wahrung des Wohls des Betroffenen die Enthebung erforderten. Es sei daher zu prüfen, ob die vom Sachwalter dargestellten Gründe geeignet seien, dieses Wohl zu beeinträchtigen. Das treffe nicht zu. Entgegen der Ansicht des Sachwalters gebe es weder nach der bis zum geltenden Fassung des § 266 ABGB noch nach der neuen Regelung eine Mindestgrenze von 5 % der Nettoeinkünfte des Betroffenen als Entschädigung. Daher sei die Unterschreitung dieses Prozentsatzes nicht grundsätzlich gesetzwidrig, sondern könne im Einzelfall durchaus angemessen sein. Wäre es das nicht, müssten ein dagegen erhobenes Rechtsmittel erfolgreich sein. Gründe iSd § 266 Abs 3 ABGB würden im Enthebungsantrag nicht geltend gemacht. Die enttäuschte Erwartung ausreichender Kostendeckung rechtfertige die Enthebung nicht. Wegen der Notwendigkeit einer Beurteilung jedes einzelnen Falls dürfe nicht auf im Rekurs behauptete unzureichende Kostendeckung im Allgemeinen abgestellt werden, sondern es sei nur zu prüfen, ob die gesetzlichen Bestimmungen über Belohnungs- oder Entschädigungsansprüche richtig angewandt werden. Die unzureichende Kostendeckung sei kein Enthebungsgrund, die gesetzlichen Belohnungs- oder Entschädigungsansprüche könnten bei Gericht durchgesetzt werden. Ob ein Rechtsanwalt Sachwalterschaften auf sich nehme, sei von ihm im Rahmen seiner wirtschaftlichen Dispositionen unter Berücksichtigung des Risikos von im Einzelfall nicht kostendeckenden Entschädigungen vorab zu prüfen. Eine nachträgliche Aussonderung unwirtschaftlicher Sachwalterschaften im Wege nachträglicher Enthebung von solchen sei im Gesetz nicht vorgesehen. Zwar scheine eine Enthebung in mehreren Fällen wegen Wegfall der wirtschaftlichen Grundlage des Sachwalters für die Finanzierung erforderlichen Personalaufwands nicht ausgeschlossen, dies setze aber eine Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse im Vergleich zur Zeit der Bestellung zum Sachwalter voraus. Ein Vorbringen, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Sachwalters in einem Maß verschlechtert hätten, dass ihm die Besorgung von Sachwalterschaften nicht mehr zumutbar und deshalb das Wohl des Betroffenen gefährdet wäre, sei nicht erstattet worden. Eine Enthebung des zum Sachwalter bestellten Rechtsanwalts erscheine nur in den Fällen möglich, in denen die Bestellung einer dem Betroffenen nahestehenden Person oder eines Vereinssachwalters dem Wohl des Betroffenen mehr diene als die Beistellung eines Rechtsanwalts. Auch dabei sei aber zu berücksichtigen, dass die Enthebung eines geeigneten Rechtsanwalts dem Wohl des Betroffenen nicht entspreche, wenn bereits ein besonderes Vertrauensverhältnis bestehe oder Angelegenheiten zu besorgen seien, die Rechtskenntnisse erfordern. In diesen Fällen bestehe aber neben dem Entschädigungsanspruch nach § 266 auch ein Anspruch auf angemessenes Entgelt gemäß § 267 Abs 1 ABGB.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs des Sachwalters ist nicht zulässig.
Die "Entlassung" von Sachwaltern und Kuratoren war bisher in § 283 Abs 2 zweiter Satz ABGB geregelt; ein Fall des ersten Satzes, dass der Pflegebefohlene nicht mehr der Hilfe des Sachwalters bedürfe, wird hier nicht geltend gemacht. Dies geschah durch die Anordnung, die §§ 254 und 257 ABGB sinngemäß anzuwenden. Wie schon das Rekursgericht hervorhob, sind aber diese beiden Gesetzesstellen durch Art I KindRÄG 2001 BGBl I 2000/135 aufgehoben worden, worauf auch bereits Schauer (Rechtssystematische Bemerkungen zum Sachwalterrecht idF KindRÄG 2001 in NZ 2001, 275 [284 FN 76]) hinwies. Insoweit liegt offenbar ein Versehen des Gesetzgebers vor. Welche Konsequenzen aus dem Verweis auf bereits aufgehobenen Bestimmungen zu ziehen sind, kann hier dahingestellt bleiben, weil der Sachwalter weder in seinem Antrag noch im ergänzenden Vorbringen im Rekurs Gründe geltend macht, die den bisherigen §§ 254, 257 ABGB unterstellt werden könnten. Zwar war unter den "freiwilligen Entschuldigungsgründen" des früheren - gleichfalls durch Art I des KindRÄG 2001 aufgehobenen - § 195 ABGB auch jener genannt, dass der Vormund schon eine mühsame Vormundschaft oder drei kleinere zu besorgen habe. Der Sachwalter macht hier aber gar nicht geltend, die von ihm ausgeübten Sachwalterschaften wären ihm zu viele oder mühsam iS des Gesetzes. Eine rechtliche Grundlage für die Enthebung des gegenwärtigen (und Neubestellung eines anderen) Sachwalters kann daher nur im § 282 Abs 1 ABGB gefunden werden, der nunmehr für die Rechte und Pflichten des Sachwalters auf die Bestimmungen des 3. und 4. Hauptstücks insgesamt verweist (zur Problematik vgl Schauer aaO). Nach § 253 ABGB (idFd KindRÄG 2001) hat nun das Gericht die Obsorge an eine andere Person zu übertragen, wenn es das Wohl des mj. Kindes erfordert, insbesondere wenn die mit der Obsorge betraute Person ihre Verpflichtungen aus § 145b ABGB nicht erfüllt, einer der Umstände des § 188 Abs 2 ABGB eintritt oder bekannt wird oder die Person, die bisher mit der Obsorge betraut war, stirbt. Abgesehen davon, dass keine Gründe iSd § 188 Abs 2 ABGB (Verlust der vollen Handlungsfähigkeit des Sachwalters, negative, besonders auch durch eine strafgerichtliche Verurteilung zutage getretene Veranlagung oder Eigenschaften) aktenkundig sind, bestätigt auch § 253 ABGB die - wenn auch anders begründete - Rechtsansicht des Rekursgerichts, wonach es bei der Umbestellung des Sachwalters im Grunde allein auf das Wohl des Betroffenen ankommt. Auf § 189 Abs 2 ABGB, der auch die Ablehnung der Obsorge durch besonders geeignete Personen bei Unzumutbarkeit vorsieht, verweist § 253 ABGB gerade nicht. Darauf, ob man tatsächlich darin eine abschließende Regelung sehen muss oder es auch, wie der Sachwalter geltend macht, Gründe in den Verhältnissen des Sachwalters geben kann, die ihm ein Recht auf Enthebung gewähren könnten, kommt es aber im konkreten Fall nicht an.
Der Sachwalter hat sich in erster Instanz allein darauf gestützt, dass ihm die Zuerkennung von zu geringen Entschädigungen nach § 266 ABGB die Betreuung einer großen Zahl von Sachwalterschaften nicht mehr möglich mache. Diese Vorbringen ist in keiner Weise konkretisiert, woran auch die Ergänzungen im Rekurs nichts geändert haben. Eine Überprüfung, ob tatsächlich eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit der Fortführung von Sachwalterschaften im bisherigen Ausmaß vorliegt, ist daher in keiner Weise möglich. Überdies lässt das Vorbringen des Sachwalters einen Konnex gerade mit der vorliegenden Sachwalterschaft, die nach der Aktenlage zuletzt in keiner Weise durch besondere Aktivitäten des Sachwalters gekennzeichnet war, vermissen. Rechtsausführungen zu den Grundsätzen der Enthebung eines Sachwalters nach der Rechtslage nach dem KindRÄG 2001 wären daher für den vorliegenden Fall rein theoretisch.
Erhebliche Rechtsfragen iSd § 14 Abs 1 AußStrG sind daher im konkreten Fall nicht zu lösen. Das Rechtsmittel muss daher zurückgewiesen werden.