OGH vom 25.08.1993, 1Ob539/93
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Verlassenschaftssahe nach dem ***** verstorbenen Otto Erwin M*****, infolge Revisionsrekurses des erbserklärten Erbanwärters Matthias E***** (früher Matthias St*****), ***** vertreten durch Dr. Manfred Lirk, DDr. Karl Robert Hiebl, Rechtsanwälte in Braunau, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Rekursgerichtes vom , GZ R 14/93-23, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Braunau am Inn vom , GZ A 1049/92 (A 172/92)-16, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Otto Erwin M***** verstarb ohne Hinterlassung einer letztwilligen Anordnung. Im Verlassenschaftsverfahren gaben fünf Nachkommen der mütterlichen Großeltern des Erblassers zu je 1/5 des Nachlasses und der Revisionsrekurswerber zum gesamten Nachlaß bedingte Erbserklärungen ab. Zum Beweis ihrer Abstammung legten die erstgenannten Erbansprecher Geburts- bzw. Heiratsurkunden vor. Der Revisionsrekurswerber erklärte, der unehelich geborene Sohn des Vaters des Verstorbenen und somit dessen Halbbruder zu sein und legte eine Ausfertigung des Beschlusses des Bezirksgerichtes W***** vom , P *****, womit Theodor M***** zu einer Unterhaltsleistung für Matthias St***** von S 30,-- verpflichtet wurde und eine Parte des Theodor M***** vor, auf welcher als Söhne Otto M***** und Mattias E***** bezeichnet wurden.
Das Erstgericht nahm die widersprechenden Erbserklärungen zu Gericht an und verwies die fünf Nachkommen der mütterlichen Großeltern des Erblassers mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg, wobei es ihnen die Klagserhebung binnen einer Frist von sechs Wochen auftrug. Gemäß § 730 Abs. 1 ABGB in der seit geltenden Fassung werde nicht mehr zwischen ehelicher und unehelicher Abstammung unterschieden, sodaß in Ermangelung von Kindern und eines Ehegatten auch ein außer der Ehe geborener Halbbruder erbberechtigt sei. Gemäß Abs. 2 der genannten Gesetzesstelle müsse die Abstammung zu Lebzeiten des Erblassers und der die Verwandtschaft vermittelnden Person feststehen oder zumindest gerichtlich geltend gemacht worden sein. Hiezu sei nicht erforderlich, daß ein gerichtliches Anerkenntnis oder ein Feststellungsurteil vorliege, sondern könne die Vaterschaft auch auf andere Weise nachgewiesen werden. Die Abstammung des Revisionsrekurswerbers vom Vater des Verstorbenen sei durch die vorgelegten Urkunden in tauglicher Weise glaubhaft gemacht, weshalb ihm in einem möglichen Erbrechtsstreit die günstigere Beklagtenrolle zuzuweisen gewesen sei.
Das Gericht zweiter Instanz gab dem gegen die Zuweisung der Klägerrolle erhobenen Rekurs der fünf Erbansprecher Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß der Revisionsrekurswerber mit seinen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen und ihm zur Klagserhebung eine Frist von sechs Wochen eingeräumt wurde. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es nach § 14 Abs. 1 AußStrG für zulässig. Schwerpunkt des Erbrechtsänderungsgesetzes 1989 sei die vollkommene Gleichstellung ehelicher und unehelicher Kinder im gesetzlichen Erbrecht gewesen. Die nunmehr im § 730 Abs. 2 ABGB verwendete Formulierung, daß die Abstammung feststehen müsse, nehme lediglich darauf Bedacht, daß bei ehelicher Geburt die Vermutung des § 138 ABGB Platz greife. Für die Feststellung der unehelichen Vaterschaft sei jedoch unverändert zur alten Rechtslage das Anerkenntnis oder die gerichtliche Feststellung durch Klage erforderlich. Für eine beabsichtigte Erleichterung der Feststellung der Vaterschaft zu einem unehelichen Kind ergeben sich aus dem Gesetz keinerlei Anhaltspunkte. In Anbetracht des Umstandes, daß der Revisionsrekurswerber im Jahre 1915 geboren sei, müsse von der Rechtslage nach der 1.Teilnovellierung des ABGB vom ausgegangen werden. Gemäß § 16 dieser Teilnovelle habe es zwar keiner Formvorschriften für ein Vaterschaftsanerkenntnis gegeben, doch sei bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Erweiterung des Wirkungskreises der Berufsvormundschaften (BGBl. 194/1928) ausschließlich einem gerichtlichen Anerkenntnis vor dem Außerstreitrichter oder einer gerichtlichen Entscheidung die Feststellungswirkung im Sinne der Bestimmung des ehemaligen § 754 Abs. 2 ABGB zugekommen. Ein damals ebenfalls mögliches Anerkenntnis vor dem Jugendamt habe diese Wirkung nicht entfalten können. Der Revisionsrekurswerber habe aber weder ein Feststellungsurteil noch ein gerichtliches Anerkenntnis beibringen können, sodaß ihm die Klägerrolle zuzuweisen gewesen sei.
Rechtliche Beurteilung
Dem dagegen erhobenen Revisionsrekurs kommt keine Berechtigung zu.
Durch das Erbrechtsänderungsgesetz 1989 BGBl. 656/1989 wurde unter anderem § 754 ABGB über das gesetzliche Erbrecht unehelicher Kinder aufgehoben. Dessen Abs. 2 lautete im ersten Satz: „Zum Nachlaß des Vaters, dessen Vaterschaft festgestellt ist, hat ein uneheliches Kind vorbehaltlich der Bestimmungen über das gesetzliche Erbrecht der Witwe (§ 757 Abs. 2 1.Satz), ein gesetzliches Erbrecht wie ein eheliches Kind, doch gehen ihm die ehelichen Nachkommen und die diesem erbrechlich Gleichgestellten vor.“ Anstelle dieser Gesetzesbestimmung wurde § 730 über die gesetzlichen Erben abgeändert und ihm insbesondere als Abs. 2 folgende Bestimmung angefügt: „Die Abstammung muß zu Lebzeiten des Erblassers und der die Verwandtschaft vermittelnden Person feststehen oder zumindest gerichtlich geltend gemacht worden sein. Bei Ungeborenen genügt es, daß die Abstammung binnen Jahresfrist nach ihrer Geburt feststeht oder gerichtlich geltend gemacht wird.“
Dem Gericht zweiter Instanz ist darin beizupflichten, daß die nunmehrige Fassung des § 730 Abs 2 ABGB darauf Bedacht nimmt, daß sich die Regelung auch auf eheliche Kinder bezieht, für welche die Vermutung des § 138 ABGB streitet. Dem Bericht des Justizausschusses ist unzweifelhaft zu entnehmen, daß der Gesetzgeber eine Lockerung des Erfordernisses der Vaterschaftsfeststellung nicht im Auge hatte. Es wird ausgeführt, daß die gesicherte Verwandtschaft und damit die Feststellung der Abstammung für das gesetzliche Verwandtenerbrecht von zentraler Bedeutung, aber eine gesicherte, auf derzeit angewandten naturwissenschaftlichen Methoden beruhende Feststellung der Abstammung nach dem Tod einer die Verwandtschaft vermittelnden Person nicht mehr möglich sei, weshalb die gesetzliche Verwandtenerbfolge voraussetze, daß die Verwandtschaft zu Lebzeiten der jeweiligen Verwandten festgestellt worden ist. Nach dem Tod eines von ihnen hinge das Erbrecht im Fall unehelicher Abstammung allein von der Würdigung der Beweise über die Beiwohnung ab (die die Vermutung der Abstammung nach sich zieht). Mißbräuchlichen Abstammungsklagen gegen den ruhenden Nachlaß, die gleichsam als Glücksspiel erhoben werden könnten, wären Tür und Tor geöffnet (1158 BlgNR 17. GP, 2). Die Verwandtschaft stehe fest, wenn die Vaterschaft mit Anerkenntnis oder mit Urteil festgestellt oder das Kind unbestritten (aufgrund der Ehelichkeitsvermutung) ehelich sei. Die Abstammung müsse zu Lebzeiten des Erblassers und der Verwandten feststehen, da es nicht angebracht wäre, die Feststellung der Abstammung mit erbrechtlicher Wirkung erst nach dem Tod zuzulassen, wenn die derzeit angewendeten naturwissenschaftlichen Beweise in aller Regel nicht zur Verfügung stünden (aaO 3). Auch die Lehre hat bisher bei Behandlung der Erbrechtsreform 1989 einhellig die Ansicht vertreten, daß die Abstammung eines unehelichen Kindes dann feststehe, wenn diese mit Anerkenntnis oder Urteil im Sinne des § 163b festgestellt sei (Eccher in Schwimann, ABGB, Ergänzung zu Bd. 3 § 730 Rdz 7 ff; Welser, Die Erbrechtsreform 1989, NZ 1990, 137 f; Adensamer, Erbrechtsänderungsgesetz 1989, ÖAV 1991, 6).
Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung aus den dargestellten zutreffenden Erwägungen an und fügt hinzu, daß der Text des § 730 Abs. 2 ABGB selbst jede andere Auslegung verbieten würde. Das Erfordernis, die Abstammung müsse zu Lebzeiten des Erblassers und der die Verwandtschaft vermittelnden Personen „zumindest gerichtlich geltend gemacht worden sein“, zeigt klar, daß etwa das bloße Zugestehen der Vaterschaft gegenüber Personen oder Behörden, die nach dem Gesetz zur Entgegennahme von Vaterschaftsanerkenntnissen mit Feststellungswirkung nicht befugt sind, nicht die Wirkung entfalten kann, daß die Vaterschaft „feststeht“.
Das Gesetz über die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes (BGBl. 342/1970) regelt in seinen §§ 163 ff die Vaterschaft zu einem unehelichen Kinde und normiert in seinem § 163b, daß die Vaterschaft durch Urteil oder durch Anerkenntnis festgestellt wird. Gemäß § 2 Abs. 2 der Übergangsbestimmungen des mit in Kraft getretenen Bundesgesetzes bestimmen sich die Voraussetzungen und das Verfahren für die Anerkennung der Vaterschaft zu einem unehelichen Kind und für die Anfechtung des Anerkenntnisses nach dem bisher geltenden Recht, wenn die Vaterschaft vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes anerkannt worden ist. Der Revisionsrekurswerber ist am geboren. Ab diesem Jahr wurde auch das ihn betreffende Pflegschaftsverfahren ***** des Bezirksgerichtes W***** geführt. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Anerkennung und Feststellung der Vaterschaft durch die 1.Teilnovelle zum ABGB (kundgemacht am ) geregelt. Gemäß deren § 16 hatte das Gericht, wenn es zur Wahrung der Rechte des Kindes nötig war, dafür Sorge zu tragen, daß die Vaterschaft im Wege der freiwilligen Gerichtsbarkeit anerkannt oder im Prozeßweg festgestellt werde. Erst aufgrund des Gesetzes vom über die Erweiterung des Wirkungskreises der Berufsvormundschaften (BGBl. 194/1928) hatte die Erklärung über die Anerkennung der Vaterschaft, die vor einer von einem Land oder einer Gemeinde errichteten Berufsvormundschaft, der die erweiterte Vormundschaft übertragen wurde, abgegeben und von ihr beurkundet wurde, die gleiche Wirkung, wie wenn sie vor Gericht abgegeben worden wäre. Bis dahin kam außergerichtlichen Vaterschaftsanerkenntnisses nicht die Feststellungswirkung des § 16 der 1.Teilnovelle zum ABGB zu (SZ 51/179).
Gemäß § 126 Abs. 2 AußStrG hat das Gericht, wenn Erbserklärungen gesetzlicher Erben untereinander im Widerspruche stehen, nach Vernehmung beider Teile denjenigen der streitenden Erben zur Überreichung der Klage anzuweisen, welcher, um sein Erbrecht geltend machen zu können, den stärkeren Erbrechtstitel seines Gegners vorerst entkräften müßte. Aus dieser Bestimmung ergibt sich das leitende Prinzip, daß der Außerstreitrichter demjenigen Erbanwärter die Beklagtenrolle zuzuweisen hat, für den die größere Wahrscheinlichkeit des Erbrechtes spricht (SZ 32/23, JBl. 1969, 42). Entgegen der Ansicht des Revisionsrekurswerbers indiziert der vorgelegte Unterhaltserhöhungsbeschluß keinesfalls zwingend eine gerichtliche Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft, da nach dem bereits zitierten § 16 der 1.Teilnovelle zum ABGB das Gericht nur dann für ein derartiges Vorgehen Sorge zu tragen hatte, wenn es zur Wahrung der Rechte des Kindes nötig erschien und eine - vorerst einvernehmliche - Unterhaltsbemessung durchaus auch aufgrund eines außergerichtlichen Anerkenntnisses, etwa vor dem Jugendamt, denkbar ist. Mangelt es aber an einem gerichtlichen Anerkenntnis oder einem Feststellungsurteil (oder nach dem Jahre 1928 einem Anerkenntnis vor der Berufsvormundschaft im Sinne des § 3 des Gesetzes vom über die Erweiterung des Wirkungskreises der Berufsvormundschaften), kommt dem Revisionsrekurswerber mangels dem Gesetz entsprechender Feststellung der Vaterschaft kein gesetzliches Erbrecht zu (SZ 51/179). Das Erbrecht der fünf weiteren Erbansprecher, welche jeweils unbedenkliche Standesurkunden vorlegen konnten, ist daher wahrscheinlicher als jenes des Revisionsrekurswerbers. Diese Verteilung der Parteirollen entspricht zudem auch den Beweislastregeln, da es Sache des Klägers ist, den Beweis der Vaterschaftsfeststellung zu führen.
Der Einwand des Revisionsrekurswerbers, es sei bei Prüfung der Voraussetzungen der Vaterschaftsfeststellung auf den Zeitpunkt des Erbanfalls abzustellen, schlägt fehl, da gemäß § 730 Abs. 2 ABGB die Abstammung zu Lebzeiten des Erblassers und der die Verwandtschaft vermittelnden Person feststehen muß, weshalb die Erbenstellung nur durch ein der jeweiligen Gesetzeslage entsprechendes Anerkenntnis oder ein Feststellungsurteil bis zum Zeitpunkt des Todes des außerehelichen Vaters des Revisionsrekurswerbers erlangt werden könnte.
Es war daher dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.