OGH 28.01.2002, 2Ob5/02b
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon.Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Rene Alexander P*****, vertreten durch die Mutter Marianne P*****, diese vertreten durch Dr. Karl Wagner, Rechtsanwalt in Schärding, im Verfahren über die Revisionsrekurse des Kindes und des Vaters Walter G*****, vertreten durch Dr. Günter Tews und Mag. Christian Fischer, Rechtsanwälte in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom , GZ 6 R 236/01z-33, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Schärding vom , GZ 1 P 1847/95f-27, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Oberste Gerichtshof stellt gemäß § 89 Abs 2 B-VG (Art 114 B-VG) an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, § 12a Familienlastenausgleichsgesetz 1967 idF BGBl Nr 646/1977 als verfassungswidrig aufzuheben.
Mit der Fortführung des Revisionsrekursverfahrens wird gemäß § 62 Abs 3 VfGG bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes innegehalten.
Text
Begründung:
Der außereheliche Vater des Kindes, das im Haushalt der obsorgeberechtigten Mutter betreut wird, war aufgrund des Beschlusses vom (ON 12) zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 3.500 verpflichtet. Am stellte der Unterhaltssachwalter den Antrag, die Unterhaltsverpflichtung des Vaters beginnend ab auf S 6.300 monatlich zu erhöhen. Ausgehend von einem monatlichen Durchschnittsnettoeinkommen des Vaters von S 35.000 stehe dem Kind ein Unterhaltsanspruch von 18 % der Bemessungsgrundlage zu, woraus sich der begehrte Betrag ergebe. Darüber hinaus sei der Vater verpflichtet, während der zehnmonatigen Schulzeit von September bis Juni das Schulgeld des Kindes sowie die Internatskosten im Gesamtbetrag von S 3.700 zu tragen.
Der Vater erklärte sich lediglich bereit, seine laufende Unterhaltsverpflichtung auf S 5.500 einschließlich der geforderten Ausbildungskosten zu erhöhen.
Das Erstgericht verpflichtete den Vater zur Leistung eines monatlichen Unterhalts für das Kind ab von S 6.300 und sprach (mit Berichtigungsbeschluss vom ON 32) aus, dass vom Vater vom bis und im gleichen Zeitraum in den Folgejahren für die Dauer der Schul- und Internatszeit des Minderjährigen (zusätzlich) S 3.700 zu zahlen seien. Der Entscheidung lag zugrunde, dass der Unterhaltsberechtigte seit September 2000 ein Gymnasium besucht und in einem Internat untergebracht sei, wofür jährlich insgesamt S 37.000 zu zahlen seien. Das Nettoeinkommen des Vaters betrage S 47.593, woraus sich der Unterhaltsbeitrag errechnen lasse. Der nach der Prozentsatzmethode errechnete Unterhaltsbeitrag liege zwar über dem Regelbedarf des Minderjährigen, entspreche aber der Leistungsfähigkeit des Vaters. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters teilweise Folge und bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung hinsichtlich der monatlichen Unterhaltsverpflichtung des Vaters von S 6.300 und wies das Mehrbegehren auf Bezahlung der Schul- und Internatskosten ab. Das Kind wurde mit seinem Rekurs (der sich nur gegen den unterlassenen Ausspruch hinsichtlich der Zahlungsverpflichtung über Schul- und Internatskosten richtete) auf den Berichtigungsbeschluss (mit welchem die Zahlungsverpflichtung ausgesprochen wurde) verwiesen. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.
Es erörterte rechtlich, dass aus der vom Erstgericht festgestellten Unterhaltsbemessungsgrundlage von S 47.593 die Kaufkraftausgleichszulage auszuscheiden sei. Die Auslandsverwendungszulage sei mangels Nachweises eines darüber hinausgehenden tatsächlichen Mehraufwandes zur Hälfte in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen. Ausgehend von einem Einkommen von S 31.466,36 sei das Unterhaltserhöhungsbegehren auf S 6.300 monatlich gedeckt. Aufgrund dieses tatsächlich zu leistenden, über dem Regelbedarf liegenden Unterhaltsbeitrages sei das Begehren auf Leistung der Schul- und Internatskosten durch den Vater nicht mehr gedeckt, weshalb der Beschluss in diesem Umfang abzuändern gewesen sei.
Dem Hinweis des Vaters, dass die bisherige ständige Judikatur, wonach § 12a FLAG die auch nur teilweise Anrechnung der Familienbeihilfe auf den Unterhaltsanspruch verbiete, aufgrund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 27. 6. 2001 B 1285/00 nicht mehr aufrechterhalten werden könne, hielt das Rekursgericht entgegen:
Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes gehe zwar davon aus, die Kinderabsetzbeträge und die Familienbeihilfe seien in jenem Ausmaß auf den Unterhaltsanspruch anzurechnen, das erforderlich sei, um unter Berücksichtigung des Unterhaltsabsetzbetrages eine Freistellung von zumindest der Hälfte des gesetzlich geschuldeten Unterhaltes zu erreichen. § 12a FLAG sei teleologisch dahin reduziert worden, dass die Familienbeihilfe nur insoweit den Unterhalt des Kindes nicht mindere, als sie nicht zum Ausgleich der erhöhten Steuerbelastung des Unterhaltspflichtigen benötigt werde. Durch die Neufassung des § 12a FLAG (BGBl 1977/646) habe der Gesetzgeber allerdings zu erkennen gegeben, dass die Haushaltszugehörigkeit des Kindes für die Anspruchsberechtigung zum Bezug der Familienbeihilfe entscheidend sei und eindeutig angeordnet, dass die Familienbeihilfe nicht als eigenes Einkommen des Kindes gewertet werden dürfe und dessen Unterhaltsanspruch auch nicht mindere. Eine dieser klaren und eindeutigen Anordnung des Gesetzgebers widersprechende Rechtsanwendung könne daher nicht erfolgen, weshalb für eine teleologische Reduktion kein Raum bleibe.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil noch keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege, ob im Hinblick auf das zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes die dem haushaltsführenden Elternteil zustehende Familienbeihilfe zu einer Schmälerung des Geldunterhaltsanspruches des Kindes gegenüber dem anderen Elternteil führen könne.
Gegen diesen Beschluss richten sich die Revisionsrekurse des Kindes mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Begehren auf Zahlung eines Sonderbedarfes von S 3.700 vom bis und den gleichen Zeitraum für die jeweilige Dauer der Schul- und Internatszeit stattgegeben werde. Der Vater beantragt mit seinem Rechtsmittel die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, in eventu den Unterhaltserhöhungsantrag, soweit er den Betrag von S 5.500 monatlich übersteigt, abzuweisen. Der Vater macht geltend, der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 27. 6. 2001 B 1285/00 entsprechend seien in verfassungskonformer Auslegung des § 12a FLAG die dem Haushalt der Mutter zufließenden Transferleistungen (Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag) auf die Unterhaltsleistung anzurechnen. Er habe insgesamt jene Entlastung zu erfahren, die erforderlich sei, um die Steuermehrbelastung abzugelten, die nach der einkommensteuerrechtlichen Judikatur durch die Nichtabsetzbarkeit der Hälfte des Unterhalts entstehe.
Rechtliche Beurteilung
Der 6. Senat des Obersten Gerichtshofes hatte sich in den Entscheidungen 6 Ob 243/01f und 6 Ob 262/01z mit dem Revisionsrekurs eines geldunterhaltspflichtigen Vaters zu beschäftigen und dazu Folgendes ausgeführt:
"Der Verfassungsgerichtshof hatte sich aus Anlass einer gegen einen Einkommensteuerbescheid gerichteten Beschwerde mit der dort behaupteten Verfassungswidrigkeit der §§ 20 Abs 1 Z 1, 33 Abs 4 Z 3 lit b und 34 Abs 7 Z 2 und 4 EStG 1988 zu befassen. Der Beschwerdeführer - ein unterhaltspflichtiger Vater - hatte geltend gemacht, die einkommensteuerrechtlichen Regelungen zur Berücksichtigung von Unterhaltslasten gegenüber den dem Haushalt des Geldunterhaltspflichtigen nicht zugehörigen Kindern erfüllten nicht jene Anforderungen, die der VfGH in seiner bisherigen Judikatur zur Familienbesteuerung aufgestellt habe. Als getrennt lebender Elternteil könne der Geldunterhaltspflichtige lediglich den bereits als ungenügend beurteilten Unterhaltsabsetzbetrag geltend machen; er partizipiere jedoch wegen § 12a FLAG nicht an der - den Familienlastenausgleich bezweckenden - Familienbeihilfe und erhalte daher auch nicht die verfassungsrechtlich gebotene steuerrechtliche Entlastung.
Der VfGH teilte diese Bedenken nicht. Das von der Beschwerde aufgeworfene Problem reduziere sich auf die Frage, ob und gegebenenfalls wie der Gesetzgeber die bei gemeinsamer Haushaltsführung im Ergebnis eintretende Entlastung des einkommensbeziehenden Elternteils auch im Falle des Geldunterhalts sicherzustellen habe. Dabei sei zu beachten, dass die Funktion der Familienbeihilfe von Einkommenshöhe und Steuerprogression abhängig sei: Während sie in unteren Einkommensstufen als Förderung des Kindes wirke, diene sie bei höheren Einkommen zunehmend der notwendigen steuerlichen Entlastung des Unterhaltspflichtigen. Der im Einzelfall nötige Ausgleich könne nicht im Steuerrecht und nicht im Zuge der Transferleistungen hergestellt werden. Die den konkreten Verhältnissen gerecht werdende, im gemeinsamen Haushalt sich praktisch erübrigende Zuordnung der Transferleistungen sei daher im Fall getrennter Haushaltsführung der Eltern eine Frage der Bemessung des anstelle des Naturalunterhalts zu leistenden Geldunterhalts. Wenn der Gesetzgeber die Transferleistungen auch bei getrennten Haushalten grundsätzlich dem das Kind betreuenden Elternteil zukommen lasse und in § 12a FLAG eine Anrechnung auf den Unterhalt verbiete, so müsse das im Lichte der verfassungsrechtlich gebotenen steuerlichen Entlastung so verstanden werden, dass die für das Kind zu verwendenden Transferleistungen zwar in der Regel (soweit als möglich) den Unterhalt des Kindes fördern und nicht den Unterhaltspflichtigen entlasten sollten, dass aber der im Einzelfall doch nötige Ausgleich für die überhöhte Steuerbelastung ebensowenig behindert werde wie im gemeinsamen Haushalt. Ziehe der Gesetzgeber nämlich die zunächst als bloße Förderung gedachten Transferleistungen angesichts der ihm durch die Verfassung auferlegten Schranken bei gehobenem Einkommen als Mittel zum verfassungsrechtlich gebotenen Ausgleich der überhöhten Steuerbelastung heran - wovon jedenfalls seit dem auf die einschlägigen Entscheidungen des VfGH folgenden Fassungen des Gesetzes auszugehen sei -, müsse der normative Gehalt des § 12a FLAG teleologisch auf jenen Bereich reduziert werden, in dem die Transferleistungen nicht zum Ausgleich der überhöhten Steuerbelastung benötigt werden. Ob und in welchem Ausmaß bei gegebenen Einkommensverhältnissen und angesichts der durch die getrennte Haushaltsführung verwirklichten Risken und in Kauf genommenen Nachteile die Transferleistungen über den Unterhaltsabsetzbetrag hinaus zur Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen berücksichtigt werden müssten, hätten die Gerichte bei der Unterhaltsbemessung im Einzelfall zu entscheiden. Sie hätten dabei jenes Maß an Entlastung herbeizuführen, das - unter Außerachtlassung der die Belastung des Unterhaltspflichtigen erhöhenden Folgen der getrennten Haushaltsführung - den Kriterien entspreche, die von der Rechtsprechung des VfGH zur Unterhaltsleistung für haushaltszugehörige Kinder entwickelt worden seien. Nach diesen Kriterien müsse steuerlich (zumindest) die Hälfte des gesetzlich geschuldeten Unterhalts berücksichtigt werden. Gleiches gelte daher auch im Fall getrennter Haushaltsführung. Das verfassungskonforme Ergebnis werde dadurch erreicht, dass der Geldunterhaltspflichtige einerseits durch eine Kürzung seiner Unterhaltspflicht durch teilweise Anrechnung der Transferleistungen und andererseits durch die Gewährung des Unterhaltsabsetzbetrages insgesamt jene Entlastung erfahre, die erforderlich sei, um die Steuermehrbelastung abzugelten, die im jeweiligen Fall durch die Nichtabzugsfähigkeit der Hälfte des Unterhalts entstehe. Zusammengefasst bedeutet dies, dass - nach Auffassung des VfGH - die für die Unterhaltsbemessung zuständigen Zivilgerichte im Wege einer teleologischen Reduktion des § 12a FLAG die dem haushaltsführenden Elternteil zukommende Familienbeihilfe in jenem Ausmaß auf die Unterhaltsleistung des geldunterhaltspflichtigen (und nicht haushaltszugehörigen) Elternteils anzurechnen haben, das erforderlich ist, um - zusammen mit dem Unterhaltsabsetzbetrag - die Hälfte des geschuldeten Unterhalts von der Einkommensteuer freizustellen. Im Ergebnis führt dies zu einer Reduktion der Unterhaltsverpflichtung, die sich nach den der Entscheidung des VfGH zugrunde liegenden Berechnungen bereits bei Unterhaltsverpflichtungen von 40.000 S jährlich und einem Einkommen des geldunterhaltspflichtigen Elternteils von unter 200.000 S jährlich auswirkt, somit auch durchschnittliche Einkommen betrifft.
Ob die aus verfassungsrechtlichen Gründen (Vermeidung einer Ungleichbehandlung der nicht haushaltszugehörigen Geldunterhaltspflichtigen) vorgeschlagene teleologische Reduktion des § 12a FLAG zulässig ist (eine Bindung der Zivilgerichte an die Auffassung des VfGH besteht nicht, siehe Zorn, Kindesunterhalt und Verfassungsrecht, SWK 2001 Heft 33 S 799 [S 806]; Barth, Ist die Familienbeihilfe bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen?, RZ 2001, 248 [250]), richtet sich nach den zivilrechtlichen Auslegungsgrundsätzen (Bydlinski in Rummel ABGB3 § 6 Rz 21 mwN). Gemäß § 2 Abs 2 erster Satz FLAG 1967 idF BGBl I 1998/79 hat Anspruch auf Familienbeihilfe die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach Satz 1 anspruchsberechtigt ist.
Gemäß § 12a FLAG idgF gilt die Familienbeihilfe nicht als eigenes Einkommen des Kindes und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist die Familienbeihilfe ihrem Wesen nach Betreuungshilfe. Sie soll deshalb die Pflege und Erziehung des Kindes als Zuschuss erleichtern und die mit der Betreuung verbundenen Mehrbelastungen zumindest zum Teil ausgleichen. Sie ist als Sozialbeihilfe des öffentlichen Rechts eine besondere Form der Drittzuwendung. Der Staat verfolgt mit ihr einen doppelten Zweck: Den Mindestunterhalt des Kindes zu gewährleisten und gleichzeitig die Eltern von ihrer Unterhaltspflicht zu entlasten ("Familienlastenausgleich"; RZ 1992/69 uva, RIS-Justiz RS0058747 und RS0047582). Die Materialien zu § 12a FLAG idF BGBl 1977/646 machen deutlich, dass die Familienbeihilfe - im Unterschied zur Fassung des § 12a FLAG vor dieser Novelle - zur Gänze dem Haushalt zukommen soll, in dem das Kind betreut wird und nicht jene Person zu entlasten hat, die zwar dem Kind zum Unterhalt verpflichtet ist, deren Haushalt es aber nicht teilt (RV 636 BlgNR 14. GP, 11; zur historischen Entwicklung dieser Bestimmung siehe Barth, RZ 2001, 248). Die Familienbeihilfe gehört demnach nicht zu den den Unterhaltsanspruch nach § 140 Abs 3 ABGB (bzw den Bedarf des Kindes, siehe Stabentheiner in Rummel ABGB3 § 140 Rz 11) verringernden Einkünften (ÖA 1991, 78; EvBl 1992/73; RIS-Justiz RS0047498; Schwimann Unterhaltsrecht2, 47; Schwimann in Schwimann ABGB2 § 140 Rz 83; Purtscheller/Salzmann Unterhaltsbemessung Rz 229).
Der Oberste Gerichtshof meint, an dieser Auslegung in Anbetracht der klaren und eindeutigen Formulierung des § 12a FLAG im Zusammenhang mit der in den Gesetzesmaterialien (RV 636 BlgNR 14. GP, 11) zum Ausdruck kommenden Absicht des Gesetzgebers festhalten zu müssen. Nach der hier vertretenen Auffassung fehlen die Voraussetzungen für die vom Verfassungsgerichtshof angeregte ergänzende Rechtsfortbildung. Eine teleologische Reduktion des normativen Gehalts von § 12a FLAG auf jenen Bereich, in dem die Familienbeihilfe nicht zum Ausgleich der überhöhten Steuerbelastung benötigt wird, ist danach mit den zivilrechtlichen Auslegungsgrundsätzen nicht im Einklang. Die teleologische Reduktion verschafft der "ratio legis" nicht gegen einen engen, sondern gegen einen überschießend weiten Gesetzeswortlaut Durchsetzung. Die (verdeckte) Lücke besteht hier im Fehlen einer nach der "ratio legis" notwendigen Ausnahmeregel. Vorausgesetzt ist stets der Nachweis, dass eine abstrakt umschriebene Fallgruppe von den Grundwerten oder Zwecken des Gesetzes entgegen seinem Wortlaut gar nicht getroffen wird und dass sie sich von den "eigentlich gemeinten" Fallgruppen soweit unterscheidet, dass die Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt und willkürlich wäre (Bydlinski in Rummel ABGB3 § 7 Rz 7). Die teleologische Reduktion erfordert den klaren Nachweis des Gesetzeszwecks, an dem sich die (den Gesetzeswortlaut letztlich) korrigierende Auslegung orientieren soll (F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff2 480; Koziol/Welser, BürgR I11, 31; SZ 67/119; SZ 69/181; RIS-Justiz RS0008979 und RS0106113).
Zweck der Neufassung des § 12a FLAG durch BGBl 1977/646 war es, die Familienbeihilfe ungeschmälert jenem Haushalt zukommen zu lassen, in dem das Kind betreut wird. Die Regierungsvorlage (RV 636 BlgNR 14. GP, 11) weist ausdrücklich darauf hin, dass in den Fällen, in denen ein Elternteil ein nicht zu seinem Haushalt gehöriges Kind alimentiert (für welches er auch nicht Familienbeihilfe bezieht), der nach der alten Rechtslage (vor BGBl 1977/646) bestehende Vorteil des Kinderabsetzbetrags für ihn verloren geht. Dieser Vorteil komme jedoch in Form der höheren Familienbeihilfe unmittelbar dem anderen Elternteil zu, in dessen Haushalt das Kind betreut werde und der die Last der Betreuung trage. Von diesem insoweit eindeutigen Willen des historischen Gesetzgebers ausgehend hat die ständige Rechtsprechung die Familienbeihilfe bisher stets ihrem Wesen nach als Betreuungshilfe beurteilt, die die Pflege und Erziehung des Kindes erleichtern und die mit seiner Betreuung verbundenen Mehrbelastungen ausgleichen soll.
Vom eindeutigen Willen des historischen Gesetzgebers wäre nur dann abzugehen, wenn dieser von bestimmten sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten ausgegangen wäre, die sich seither geändert haben (Koziol/Welser I11, 25) oder sein Wille in Widerspruch zu den Absichten des gegenwärtigen Gesetzgebers stünde und diese Ausdruck im positiven Recht gefunden hätten (Barth, RZ 2001, 248 [252]). Beides ist hier nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes nicht der Fall. Schon der Gesetzgeber des Jahres 1977 war sich der Situation getrennt lebender Elternteile bewusst und hat gerade in diesem Bewusstsein die Familienbeihilfe jenem Haushalt ungeschmälert zugeordnet, der die Last der Betreuung trägt.
Dass die Überlegungen des VfGH den Absichten des gegenwärtigen Gesetzgebers entsprächen und bereits Niederschlag im positiven Recht gefunden hätten, vermag der Oberste Gerichtshof nicht zu erkennen. Zorn (Kindesunterhalt und Verfassungsrecht, SWK 2001 Heft 33, S 799) meint zwar im Anschluss an das Erkenntnis des VfGH B 1285/00, die Familienbeihilfe beinhalte sowohl eine Art sozialer Förderung bzw Betreuungshilfe, wolle aber darüber hinaus auch die Lasten des Geldunterhalts abgelten; dies ergebe sich aus dem Ansteigen der Familienbeihilfe mit steigendem Alter des Kindes, während sich die Betreuungslasten indirekt proportional verhielten. Spätestens seit der Erhöhung der Familienbeihilfe durch das Budgetbegleitgesetz 1998 könne nicht mehr bezweifelt werden, dass der Gesetzgeber die Familienbeihilfe (zumindest soweit dies bei höherem Einkommen erforderlich sei) als Steuerrefundierung bzw Negativsteuer ansehe. Dieses Argument vermag den klaren Nachweis dafür, dass der Wille des gegenwärtigen Gesetzgebers den Überlegungen des VfGH entspricht, wonach die Familienbeihilfe bei Bemessung eines Geldunterhaltsanspruches nur dann nicht berücksichtigt werden sollte, wenn diese Transferleistung nicht zum Ausgleich der überhöhten Steuerbelastung benötigt werde, schon deshalb nicht überzeugend zu erbringen, weil der Gesetzgeber auch anlässlich der Erhöhung dieser Transferleistung durch das Budgetbegleitgesetz 1998 § 12a FLAG nicht geändert hat. Damit ist aber auch der für die gewünschte Reduktion erforderliche "Telos" im dargestellten Sinn nicht zu erkennen. Vielmehr ist der Regierungsvorlage zum Budgetbegleitgesetz 1998 (wie Barth aaO zutreffend aufzeigt) zu entnehmen, dass auch der gegenwärtige Gesetzgeber die mangelnde Entlastung des haushaltsfremden, geldunterhaltspflichtigen Elternteils bewusst in Kauf nimmt (RV 1099 BlgNR 20. GP, 16): Bei getrennt lebenden Ehegatten (bzw Eltern) sei es - so die Regierungsvorlage - "Sache privater Lebensgestaltung", dass ein Elternteil außerhalb des Kindeshaushalts lebe. Der Gesetzesentwurf gehe davon aus, dass die durch ein Kind verursachten Unterhaltslasten auf das Kind bezogen durch die vorgesehenen gesetzlichen Änderungen adäquat abgegolten seien. Der Umstand, dass die zur Abgeltung der Unterhaltslasten ausreichend vorgesehenen Transferleistungen nur deshalb nicht wirken würden, weil ein Elternteil außerhalb des Kindeshaushaltes lebe, sei letztlich eine Folge der privaten Lebensgestaltung. Die fehlende (ausreichende) Abgeltung der Unterhaltslasten müsse daher als in der privaten Lebensgestaltung begründet steuerlich nicht anderweitig abgedeckt werden.
Die vom VfGH vorgeschlagene teleologische Reduktion des normativen Gehalts des § 12a FLAG auf jenen Bereich, in dem die Transferleistungen nicht zum Ausgleich der überhöhten Mehrbelastung benötigt werden, ist aber und vor allem auch deshalb nicht vorzunehmen, weil die aus der Regelung des § 12a FLAG auszunehmende Fallgruppe die Mehrheit aller Geldunterhaltspflichtigen umfasst und damit nicht bloß "verdeckte" Ausnahmefälle betrifft, auf die eine sonst grundsätzlich anzuwendende Regelung ausnahmsweise nicht passt. Damit würde im Wege der angestrebten teleologischen Reduktion nicht eine fehlende Ausnahmevorschrift ersetzt, sondern der Bestimmung des § 12a FLAG ihr Hauptanwendungsbereich genommen. Nach den Berechnungen des VfGH wirkt sich die angestrebte Anrechnung der Transferzahlungen nämlich bereits bei Unterhaltsansprüchen von 40.000 S jährlich und einem (als durchschnittlich zu bewertenden) Einkommen des geldunterhaltspflichtigen Elternteils von unter 200.000 S aus. Wollte man daher im Wege der teleologischen Reduktion des § 12a FLAG eine Anrechnung der Familienbeihilfe bei der Bemessung von Geldunterhaltsleistungen nicht haushaltszugehöriger Elternteile immer dann zulassen, wenn diese zum Ausgleich einer überhöhten Steuerbelastung des geldunterhaltspflichtigen Elternteils benötigt werden, würde nicht eine zu weit gefasste Regel auf den ihr nach dem Zweck des Gesetzes zukommenden Anwendungsbereich zurückgeführt (Koziol/Welser I11, 31; Bydlinski Methodenlehre2 480; SZ 67/119; SZ 69/181), sondern vielmehr eine Gesetzesänderung verwirklicht. Die Korrektur einer als unbefriedigend empfundener Regelungen des Gesetzes ist aber nach herrschender Auffassung nicht Sache der Rechtsprechung, sondern Aufgabe des Gesetzgebers (Posch in Schwimann ABGB2 § 6 Rz 22; SZ 67/62; zu den Grenzen teleologischer Auslegung vgl auch Walter, Die Funktion der Höchstinstanzen im Rechtsstaat Österreich, RZ 1999, 58 [64]). Die - wie der VfGH meint - verfassungskonforme Auslegung im Wege einer teleologischen Reduktion scheitert also daran, dass diese dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufen würde, womit ein verfahrensrechtlich unhaltbarer Eingriff in die Kompetenz des Gesetzgebers verwirklicht würde (Säcker im Münchner Kommentar BGB4 Einleitung Rz 127 mwN).
Die fehlende Möglichkeit, § 12a FLAG im Sinn des VfGH nach zivilrechtlichen Grundsätzen teleologisch zu reduzieren, führt zur Auslegung dieser Bestimmung im Sinn des Verständnisses der bisher ständigen Rechtsprechung.
Bei Entscheidung über das Rechtsmittel des geldunterhaltspflichtigen Vaters hat der Oberste Gerichtshof § 12a FLAG anzuwenden. Gegen seine Anwendung bestehen nun - anders als in früheren Verfahren - aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken. Unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien zur Neufassung des § 12a FLAG ab vertrat der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 10 Ob 537/94 (= JBl 1995, 372) die Auffassung, der offenbare Zweck dieser Bestimmung (nicht den Geldunterhaltsschuldner, sondern den das Kind betreuenden Teil zu entlasten) zerstreuten die verfassungsrechtlichen Bedenken, die damals insoweit geäußert wurden, als die Familienbeihilfe - anders als andere Beihilfen - nicht als eigenes Einkommen des Minderjährigen zu einer Unterhaltsverminderung führte. Auch die Entscheidung 1 Ob 218/00s verneinte in ihrer Kurzbegründung verfassungsrechtliche Bedenken.
Im Anschluss an die zur Frage der steuerlichen Entlastung von Unterhaltszahlungen ergangene Entscheidung des VfGH B 1285/00 und die durch nicht unwesentliche Erhöhung der Familienbeihilfe erfolgte Besserstellung des betreuenden Elternteils entstehen schließlich doch Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung. Wie bereits dargestellt, kommt die Familienbeihilfe bei getrennten Haushalten zur Gänze dem das Kind betreuenden Elternteil zu, wobei - nach der hier vorgenommenen Auslegung - eine - auch nur teilweise - Anrechnung auf den Geldunterhaltsanspruch gegen den nicht haushaltszugehörigen anderen Elternteil zu unterbleiben hat. Damit verhindert § 12a FLAG die verfassungsrechtlich gebotene, vom Gesetzgeber angestrebte und durch die Familienbeihilfe als Transferleistung auch erzielbare steuerliche Entlastung des geldunterhaltspflichtigen Elternteils. Er wird damit sowohl gegenüber Personen mit gleichem Einkommen aber ohne Geldunterhaltspflichten als auch gegenüber Unterhaltspflichtigen, deren Haushalt der Unterhaltsberechtigte angehört und gegenüber jenem Elternteil schlechter gestellt, in dessen Haushalt das Kind betreut wird (Art 7 Abs 1 B-VG). Die Ungleichbehandlung in Relation zum haushaltsführenden Elternteil liegt darin, dass die Transferleistungen, die der Gesetzgeber zur Erleichterung der Kinderlast vorgesehen hat (Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag), nach den zitierten Bestimmungen des FLAG dem haushaltsführenden Elternteil allein zustehen, während der geldunterhaltspflichtige Vater nur den Unterhaltsabsetzbetrag geltend machen kann, ohne dass ein Teil dieser Transferleistung angerechnet würde. Auch der Verfassungsgerichtshof hat aus Anlass des zur Prüfung von Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes eingeleiteten Verfahrens B 1285/00 Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 12a FLAG im Hinblick auf die schon früher geforderte steuerliche Entlastung von Geldunterhaltspflichten erkennen lassen. Er konnte § 12a FLAG jedoch nicht (auch nicht von Amts wegen) aufheben, weil dort ein Einkommensteuerbescheid bekämpft wurde, wofür § 12a FLAG nicht präjudiziell war (Zorn, S 807). Es wird nicht verkannt, dass der VfGH über bestimmt umschriebene Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes nur ein einziges Mal zu entscheiden hat. Im Hinblick auf die Rechtskraft einer solchen Entscheidung ist im Fall der Abweisung eines Normenprüfantrags eine abermalige Befassung des VfGH daher nur dann zulässig, wenn Bedenken geltend gemacht werden, über die der VfGH in seinem Erkenntnis noch nicht befunden hat (Hiesel, Die Rechtsprechung des VfGH zur Zulässigkeit gerichtlicher Verordnungs- und Gesetzesprüfungsanträge, ÖJZ 1997, 841 [842] mwN aus der Jud des VfGH). Der VfGH hat in dem hier in Rede stehenden Erkenntnis vom , B 1285/00, jedoch weder über einen Antrag auf Prüfung des § 12a FLAG entschieden noch diese Bestimmung einer formellen amtswegigen Gesetzesprüfung unterzogen. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs steht daher dieses Erkenntnis einer materiellen Entscheidung über den hier gestellten Gesetzesprüfungsantrag nicht entgegen."
Der erkennende Senat schließt sich diesen Ausführungen an. Da auch hier ein Sachverhalt zu beurteilen ist, der im Kernbereich der angefochtenen Norm liegt und der wegen der Einkommensverhältnisse des Vaters und der Höhe der zuerkannten Unterhaltsbeträge von den Ausführungen des VfGH in dem Erkenntnis vom unmittelbar betroffen ist, wird der Antrag gestellt, § 12a FLAG als verfassungswidrig aufzuheben.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Rene Alexander P*****, vertreten durch die Mutter Marianne P*****, diese vertreten durch Dr. Karl Wagner, Rechtsanwalt in Schärding, über die Revisionsrekurse des Kindes und des Vaters Walter G*****, vertreten durch Dr. Günter Tews und Mag. Christian Fischer, Rechtsanwälte in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Rekursgericht vom , GZ 6 R 236/02z-33, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Schärding vom , GZ 1 P 1847/95f-27, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs des Kindes wird zurückgewiesen.
Dem Revisionsrekurs des Vaters wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden in diesem Umfang aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung:
Der außereheliche Vater des Kindes, das im Haushalt der obsorgeberechtigten Mutter betreut wird, war auf Grund eines Beschlusses vom (ON 12) zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 3.500 verpflichtet. Am stellte der Unterhaltssachwalter den Antrag, die Unterhaltsverpflichtung des Vaters beginnend ab auf S 6.300 zu erhöhen und darüber hinaus den Vater zu verpflichten, jeweils von September bis Juni, sohin zehn Mal jährlich S 3.700 an Schul- und Internatskosten zu bezahlen.
Der Vater erklärte sich lediglich bereit, seine laufende Unterhaltsverpflichtung auf S 5.500 einschließlich der geforderten Ausbildungskosten zu erhöhen.
Das Erstgericht verpflichtete den Vater zur Leistung eines monatlichen Unterhalts für das Kind ab von S 6.300 und sprach (mit Berichtigungsbeschluss vom ON 32) aus, dass vom Vater vom bis und im gleichen Zeitraum in den Folgejahren für die Dauer der Schul- und Internatszeit des Minderjährigen (zusätzlich) S 3.700 zu zahlen seien.
Der Entscheidung lag zugrunde, dass der Unterhaltsberechtigte seit September 2000 ein Gymnasium besuche und in einem Internat untergebracht sei, wofür jährlich insgesamt S 37.000 zu zahlen seien. Das Nettoeinkommen des Vaters betrage S 47.593, woraus sich der Unterhaltsbeitrag errechnen lasse. Der nach der Prozentsatzmethode errechnete Unterhaltsbeitrag liege zwar über dem Regelbedarf des Minderjährigen, entspreche aber der Leistungsfähigkeit des Vaters.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters teilweise Folge und bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung hinsichtlich der monatlichen Unterhaltsverpflichtung des Vaters von S 6.300 und wies das Mehrbegehren auf Zahlung der Schul- und Internatskosten ab. Das Kind wurde mit seinem Rekurs (der sich nur gegen den unterlassenen Ausspruch hinsichtlich der Zahlungsverpflichtung über Schul- und Internatskosten richtete) auf den Berichtigungsbeschluss (mit welchem die Zahlungsverpflichtung ausgesprochen wurde) verwiesen. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.
Es erörterte rechtlich, dass aus der vom Erstgericht festgestellten Unterhaltsbemessungsgrundlage von S 47.593 die Kaufkraftausgleichszulage auszuscheiden sei. Die Auslandsverwendungszulage sei mangels Nachweises eines darüber hinausgehenden tatsächlichen Mehraufwandes zur Hälfte in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen. Ausgehend von dem Einkommen von S 31.466,36 sei das Unterhaltserhöhungsbegehren von S 6.300 monatlich gedeckt. Auf Grund dieses tatsächlich zu leistenden über dem Regelbedarf liegenden Unterhaltsbeitrages sei das Begehren auf Leistung der Schul- und Internatskosten durch den Vater nicht mehr gedeckt, weshalb der Beschluss in diesem Umfang abzuändern gewesen sei.
Dem Hinweis des Vaters, dass die bisherige ständige Judikatur, wonach § 12a FLAG die auch nur teilweise Anrechnung der Familienbeihilfe auf den Unterhaltsanspruch verbiete, auf Grund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 27. 6. 2001 B 1285/00 nicht mehr aufrecht erhalten werden könne, hielt es entgegen, dass nach der eindeutigen Gesetzesbestimmung die Familienbeihilfe nicht als eigenes Einkommen des Kindes gewertet werden dürfe und dessen Unterhaltsanspruch auch nicht mindere.
Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil zur Berücksichtigung der steuerlichen Belastung bei der Unterhaltsbemessung noch keine Judikatur des Obersten Gerichtshofes vorliege.
Das Kind begehrt mit seinem Revisionsrekurs die Abänderung des angefochtenen Beschlusses dahingehend, dass der Vater zur Zahlung eines Sonderbedarfes von S 3.700 vom bis und in den gleichen Zeiträumen in den Folgejahren verpflichtet werde.
Der Vater beantragt in seinem Revisionsrekurs die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Erstinstanz zurückzuverweisen. Hilfsweise wird beantragt, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der Unterhaltserhöhungsantrag, soweit er den Betrag von S 5.500 übersteigt, abgewiesen werde.
Der Vater hat sich zum Revisionsrekurs des Kindes geäußert und beantragt diesen mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.
Das Kind hat sich zum Revisionsrekurs des Vaters nicht geäußert.
Zum Revisionsrekurs des Kindes:
Das Kind macht geltend, dass die Schul- und Internatskosten in dem vom Vater bezahlten Unterhaltsbeitrag nicht gedeckt seien, obwohl dieser über dem Regelbedarf liege. Die Internatsunterbringung sei notwendig, weil die Mutter ganztägig berufstätig sei. Bei einem Schulbesuch in Schärding wäre das Kind der "gänzlichen Obsorge" durch die gesetzlichen Vertreterin entzogen; schließlich bestehe eine äußerst schlechte öffentliche Verbindung zwischen dem Wohnort des Kindes und dem von ihm besuchten Gymnasium Daxberg.
Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung liegt nicht vor. Mehrbedarf ist nur dann als Sonderbedarf anzuerkennen, wenn er gerechtfertigte Gründe hat (Nachweise bei Schwimann Unterhaltsrecht2 34). Ob derartige besondere Gründe den Zuspruch eines Mehrbedarfs des Kindes rechtfertigen ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Im Hinweis des Rekursgerichtes, dass dem Kind auch ein öffentlicher Schulbesuch in einem nähergelegenen Gymnasium zumutbar wäre, ist eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung nicht zu erkennen.
Zum Revisionsrekurs des Vaters:
Der Vater macht in seinem Rechtsmittel geltend, die Familienbeihilfe müsse bei Berechnung des Unterhaltsanspruches angerechnet werden.
Rechtliche Beurteilung
Dazu ist auszuführen:
Mit der Frage, wie die Bemessung des Unterhaltes nach Aufhebung der in § 12a FLAG enthaltenen Wortfolge "und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" als verfassungswidrig (Erkenntnis vom 19. 6. 2002 G 7/02) zu erfolgen hat, hat sich der Oberste Gerichtshof nunmehr schon mehrere Male auseinandergesetzt (4 Ob 52/02d; 2 Ob 37/02h). Auf eine einfache Formel gebracht lässt sich diese Berechnung wie folgt darzustellen:
Der (wie bisher nach der Prozentwertmethode berechnete) zu leistende Geldunterhalt dividiert durch 2 mal vermindertem Grenzsteuersatz des Geldunterhaltspflichtigen (höchstens 40 %) minus Unterhaltsabsetzbetrag, ergibt jenen (Teil-)Betrag der Transferleistungen, der auf die Geldunterhaltspflicht anzurechnen ist (es macht dabei keinen Unterschied, wenn die Halbierung statt beim Unterhalt erst beim abgesenkten Grenzsteuersatz vorgenommen, also zunächst der [ganze] Geldunterhalt mit dem halben Grenzsteuersatz [höchstens 20 %] multipliziert wird).
Der jeweilige Grenzsteuersatz ist jeweils um 20 % abzusenken, weil das Einkommen typischerweise auch steuerlich begünstigte oder steuerfreie Einkünfte umfasst und die steuerliche Entlastung die Leistungsfähigkeit des Geldunterhaltspflichtigen erhöht. Bei einem Grenzsteuersatz von 50 % gelangt man damit zu einem Steuersatz von 40 %; bei einem Grenzsteuersatz von 41 % zu einem solchen von 33 % und bei einem Grenzsteuersatz von 31 % zu einem solchen von 25 % (4 Ob 52/02d; 2 Ob 37/02h).
Hier erzielte der Vater nach den Ausführungen des Rekursgerichtes ein monatliches Nettoeinkommen von S 31.466,36; sein Bruttoeinkommen ist nicht festgestellt. Von diesem (ohne 13. und 14.) Gehalt (siehe Zorn, Kindesunterhalt und Verfassungsrecht SWK 2001, 1289 [1294) hängt aber ab, wie hoch der auf das Einkommen des Vaters angewendete Grenzsteuersatz ist. Die Einkommenssteuer beträgt nach § 33 Abs 1 EStG für die ersten 3.640 EUR 0 %, für die nächsten 3.630 EUR 21 %, für die nächsten 14.530 EUR 31 %, für die nächsten 29.070 EUR 41 % und für alle weiteren Beträge des Einkommens 50 %. Da der Kindesunterhalt jeweils den höchsten Einkommensteilen des Unterhaltspflichtigen zuzuordnen ist (siehe Zorn aaO 1294) muss bei der Berechnung der notwendigen steuerlichen Entlastung darauf Bedacht genommen werden, ob der Unterhaltsbeitrag im Wesentlichen zur Gänze im höchsten Einkommensteil Deckung findet oder ob für einen nicht unerheblichen Teilbetrag der nächstniedrigere Grenzsteuersatz maßgebend ist.
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat auch im vorliegenden Fall die Unterhaltsbemessung im Wege einer (teilweisen) Anrechnung der Familienbeihilfe zu erfolgen. In welchem Ausmaß dies zu geschehen hat, kann aber auf Grund der Feststellungen noch nicht abschließend beurteilt werden, weil lediglich das monatliche Nettoeinkommen festgestellt wurde. Nur in den Fällen, in denen schon auf Grund der bekannten Höhe des Nettoeinkommens die Höhe des Grenzsteuersatzes des Unterhaltspflichtigen und der Umstand, dass der Unterhaltsbeitrag zur Gänze am höchsten Einkommensteil Deckung findet, kann eine ausdrückliche Feststellung betreffend die Tatsache des anzuwendenden Grundgrenzsteuersatzes entbehrlich sein; ansonsten ist es dem Obersten Gerichtshof aber verwehrt, diesen Umstand zu erforschen und dementsprechend Feststellungen zu treffen. Diese sind dem Erstgericht aufzutragen. Danach werden Feststellungen über das Jahresbruttoeinkommens des Vaters ohne 13. und 14. Gehalt zu treffen sein, um die notwendige steuerliche Entlastung nach den oben wiedergegebenen Grundsätzen berechnen zu können.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2002:0020OB00005.02B.0128.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
IAAAD-60651