OGH vom 04.11.1981, 6Ob668/81
Norm
EisbG § 19;
Kopf
SZ 54/158
Spruch
§ 19 EisbG schließt einen Ausgleichsanspruch wegen Lärmeinwirkungen der Eisenbahn nicht aus
Einwirkungen, die der Betrieb einer Eisenbahn üblicherweise mit sich bringt, gehören zu den Umständen, die den Charakter der Landschaft formen, und sind daher als ortsüblich anzusehen; dazu gehören auch Verschubarbeiten in einem durch Bahnanlagen geprägten Gebiet
(OLG Innsbruck 1 R 64/81; LG Innsbruck 10 Cg 231/78)
Text
Der Kläger und seine Gattin sind Eigentümer der Liegenschaft EZ 1283 II KG H, auf der sich ein Einfamilienhaus befindet. Unmittelbar an diese Liegenschaft grenzen Grundstücke, auf denen der Verschubbahnhof H errichtet wurde.
Der Kläger brachte vor, durch den Betrieb des Verschubbahnhofes seien er und seine Familie sowohl am Tage als auch insbesondere in der Nacht einem betäubenden, nervenzermürbenden und gesundheitsschädlichen Lärm ausgesetzt und zwar besonders durch das Zusammenprallen der Waggons und das diesem vorangehende Bremsgekreisch. Hiedurch werde die ortsübliche Benützung des Grundstückes des Klägers und seiner Gattin wesentlich beeinträchtigt. Die ortsübliche Benützung diene hauptsächlich Wohnzwecken. Dem Kläger seien von seiner Gattin deren Ansprüche abgetreten worden. Es werde ein Ausgleichsanspruch im Sinne des § 364a ABGB im Betrag von 491 200 S begehrt.
Die Beklagte, die Österreichischen Bundesbahnen, beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Sie führte aus, § 19 Abs. 2 EisbG schließe einen Ausgleichsanspruch für Beeinträchtigungen durch Lärm aus. Außerdem gingen vom Betrieb der Eisenbahn keine Einwirkungen auf das Grundstück des Klägers, durch die die ortsübliche Benützung wesentlich beeinträchtigt werde, aus. Der von den bereits mehr als hundert Jahren bestehenden Bahnanlagen in H ausgehende Betriebslärm habe durch die Neuerrichtung des Verschubbahnhofes nicht zugenommen. Die Lärmentwicklung im gegenständlichen Bereich habe ihre Ursache keinesfalls ausschließlich im Bahnbetrieb, sondern sei auch auf andere Betriebe zurückzuführen. Dieses Gebiet sei als Industriegelände anzusehen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf folgende Feststellung: Das zirka 1.4 km lange Areal des Verschubbahnhofes H ist im Bereich der breitesten Auffächerung (31 Gleise) zirka 160 m breit. Die Liegenschaft des Klägers und seiner Gattin befindet sich im Bereich des westlichen Endes des Verschubbahnhofes. Die Entfernung von der Grundstücksgrenze zum nächstgelegenen Gleis beträgt zirka 30 m, zum Stellwerk des Verschubbahnhofes zirka 60 m. An die Liegenschaft des Klägers und seiner Gattin grenzt im Osten Bahngrund, im Westen das Betriebsgebäude einer Kartonagenfabrik, im Norden ein Grundstück der T-Werke, welches zur Ablagerung von Materialien verwendet wird und im Süden ein großes Lagerhaus. Zwischen der nördlichen Wand dieses Lagerhauses und dem 15 m entfernten Haus des Klägers und seiner Gattin befindet sich ein Zufahrtsgleis. Zirka 300 m von der Liegenschaft des Klägers und seiner Gattin entfernt befindet sich ein Lagerhaus der Firma E und etwa gleichweit entfernt in Richtung Südosten eine Autoverwertungsanlage. Nördlich des Bahngeländes, in einer Entfernung von zirka 120 m von der Liegenschaft des Klägers und seiner Gattin entfernt, befindet sich das viele hundert Meter lange Betriebsgelände der T-Werke. Daran schließen in östlicher Richtung Liegenschaften anderer Betriebe an. Auch ein Umspannwerk und ein E-Werk befinden sich nördlich des Bahngeländes. Die Liegenschaft des Klägers und seiner Gattin ist die dem Bahngelände zunächst gelegene, Wohnzwecken dienende Liegenschaft. In einer Entfernung von zirka 30 bzw. 110 m westlich davon befinden sich zwei Wohnhäuser mit Unterkünften für Arbeiter der T-Werke. In einer Entfernung von 160 m befindet sich ebenfalls ein Wohnhaus und noch weiter entfernt stehen weitere Wohnhäuser. Weiter westlich befinden sich zunächst keine gewerblich genutzten Grundstücke mehr, diese liegen mehr als 500 m westlich der Liegenschaft des Klägers und seiner Gattin. In einer Entfernung von 1.2 km in westlicher Richtung beginnt eine größere Industriezone. Der Kläger und seine Gattin erhielten am die Bewilligung zur Errichtung ihres Einfamilienhauses. Damals war die Gegend auf Grund des Bebauungsplanes vom als "gemischtes Wohn- und Gewerbegebiet" gewidmet. Das Gelände nördlich der Bahn war damals "kaum anders genutzt" als jetzt. Im Bereich östlich der Liegenschaft des Klägers befanden sich aber praktisch nur unverbaute Wiesen. Für den Verschub standen damals nur 17 Gleise zur Verfügung, außerdem befand sich der Bereich der breitesten Auffächerung der Verschubgeleise weiter in Richtung Osten. Es bestand bereits damals der Plan zur Erweiterung des Verschubbahnhofes, weshalb die Bahn 45 000 m2 Grund erworben hatte, auf denen dann die erweiterte Verschubanlage errichtet wurde. Dem Kläger war dies damals nicht bekannt. Im Jahre 1967 erklärte die Stadt H "das gesamte Gebiet der Industriezone südlich der Bundesbahn" zum Bausperrgebiet, um bis zur einwandfreien gebietsweisen Erschließung durch Verkehrs-, Wasserversorgungs- und Abwasserbeseitigungsanlagen weitere Bauten zu verhindern. Darunter fiel auch die Liegenschaft des Klägers und seiner Gattin. Der Ausbau des Verschubbahnhofes erfolgte in den Jahren 1970 bis 1975. Dadurch rückte der Bereich, in welchem die Hemmschuhe gesetzt werden, um 300 m näher an die Liegenschaft des Klägers und seiner Gattin heran. Trotz des Ausbaues des Verschubbahnhofes war die Anzahl der verschubmäßig behandelten Wagen in den Jahren 1962 und 1963 um etwa 11% höher als im Jahre 1978. Der mit dem Verschub verbundene Lärm ist durch technische Verbesserungen geringer geworden. Der auf das Grundstück des Klägers und seiner Gattin einwirkende Lärm ist jedoch durch das Näherrücken insbesondere des Bereiches, auf dem die Hemmschuhe gesetzt werden, gestiegen. Das Ausmaß der Steigerung der Lärmeinwirkung kann mangels von Meßergebnissen vor dem Ausbau nicht festgestellt werden. Grundsätzlich kann aber für eine punktförmig ausgehende Lärmentwicklung im Abstand von 100 m eine Lärmpegelabnahme von etwa 10 dB gegenüber einer ebensolchen Lärmentwicklung im Abstand von 30 m angenommen werden. Außer der Lärmentwicklung beim Befahren des Abrollhügels (Motorengeräusch und Schienenbremse) erzeugt der Verschubbetrieb insbesondere Lärm in dem Bereich, in dem die Hemmschuhe gesetzt werden. Anschließend entstehen die Aufprallgeräusche. Der Kläger und seine Familie empfinden die Lärmbeeinträchtigung (das Erstgericht stellte das Ausmaß und die Ursachen der von verschiedenen Meßpunkten aus gemessenen Lärmeinwirkung auf Grund des Sachverständigengutachtens im einzelnen fest) als sehr störend. Die Kinder haben wegen dieser Belästigung bereits das Haus verlassen. Für die Gattin des Klägers sind wegen fortschreitender Innenohrschwerhörigkeit Schalltraumen jeder Art unbedingt zu vermeiden. Der Kläger, der von Beruf Lehrer ist, wird durch den Lärm bei seiner Arbeit für die Schule, die er zum Teil zu Hause erledigt, beeinträchtigt.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die Ansicht der Beklagten, die Bestimmung des § 19 Abs. 2 EisbG stunde dem Anspruch des Klägers entgegen, sei nicht richtig. Der Anspruch des Klägers könnte bei Vorhandensein entsprechender Lärmimmissionen auf die §§ 364 Abs. 2 bzw. 364 a ABGB gestützt werden. Der Ausgleichsanspruch nach diesen Gesetzesstellen setze allerdings voraus, daß die Immissionen das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreite und die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtige. Die vom Verschubbahnhof ausgehenden, auf das Grundstück des Klägers und seiner Gattin einwirkenden Lärmimmissionen überschritten das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche, also ortsübliche Maß aber nicht. Um die Ortsüblichkeit zu prüfen, sei nicht nur auf die unmittelbare Umgebung der Liegenschaft des Klägers und seiner Gattin abzustellen. Es müsse vielmehr die gesamte in den Feststellungen beschriebene Gegend herangezogen werden. Nach den derzeitigen tatsächlichen Verhältnissen liege die Liegenschaft des Klägers und seiner Gattin "in einem gemischten Gewerbe- und Wohngebiet", das in seinem Charakter besonders durch den Verschubbahnhof geprägt sei. Abgesehen davon, daß der Jetztzustand und nicht der bei Beginn des Hausbaues im Jahre 1962 zu berücksichtigen sei, habe sich dieser Charakter seit 1962 nicht wesentlich geändert. Richtig sei lediglich, daß 1962 noch die Grundstücke östlich des Hauses des Klägers und seiner Gattin und südlich der Bahnanlage unbebaut gewesen seien (wobei allerdings die angrenzenden Liegenschaften bereits von der Bahn für den Erweiterungsbau gekauft gewesen seien), was aber jedermann, der in einem gemischten Wohn- und Gewerbegebiet ein Wohnhaus baue, nicht die Garantie geben könne, daß auf den unverbauten Grundstücken ausgerechnet Wohnhäuser an die Stelle von gewerblichen Betrieben errichtet werden. Entscheidend dafür, ob das durch die Ortsüblichkeit gesetzte Maß durch Veränderungen überschritten werde oder ob sich diese Veränderungen im Rahmen der Ortsüblichkeit hielten, sei, ob die Veränderungen in den bestehenden Charakter des Raumes paßten. Was sich in den nachbarschaftlichen Raum nicht einfüge, sondern seinen Charakter störe, sei ortsunüblich. Im vorliegenden Fall sei zu berücksichtigen, daß das einzige, was sich im in Frage kommenden Raum seit 1962 verändert habe, das Näherrücken des Verschublärms an die Liegenschaft des Klägers und seiner Gattin infolge des Ausbaues des Verschubbahnhofes sei. Der mit dem Verschub verbundene Lärm habe sich nicht verändert und insbesondere auch nicht das Verkehrsaufkommen im Bereich des Verschubbahnhofes. Allein durch eine Verlagerung eines im in Frage kommenden Raum bereits vorhandenen Betriebes trete eine Änderung des Charakters und damit ein Übersteigen des ortsüblichen Ausmaßes des nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnlichen Maßes der Lärmentwicklung auf Nachbargrundstücke nicht ein. Der Kläger und seine Gattin müßten daher das Näherrücken des Verschublärmes hinnehmen, ohne einen nachbarschaftsrechtlichen Ausgleichsanspruch geltend machen zu können.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte zu den Rechtsfragen insbesondere aus: Das Erstgericht habe das für die Beurteilung des geltend gemachten Anspruches maßgebliche Gebiet (den Ort, für den eine gewisse Lärmerzeugung gewöhnlich, also typisch sei) richtig angenommen. Um bestimmen zu können, ob eine bestimmte Immission das den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreite, sei zu fragen, ob die Einwirkung für den zu beobachtenden Raum typisch sei, ob mit ihrem zeitweiligen oder ständigen Auftreten von vornherein gerechnet werden müsse und ob sie so beschaffen sei, wie dies nach der wirtschaftlichen Nutzung und bautechnischen Gestaltung der hier vorkommenden Anlagen erwartet werden müsse. Es könne nicht zweifelhaft sein, daß der maßgebliche Bereich, der als gemischtes Wohn- und Gewerbegebiet beschrieben worden sei, von den Anlagen des Bahnhofes geprägt worden sei und auch schon geprägt gewesen sei, als der Kläger sein Wohnhaus errichtet habe. Der Kläger werde nicht so sehr durch andere, von in der Nähe befindlichen gewerblichen Betrieben ausgehende Geräusche belastet, als von dem mit den Verschubvorgängen im Bahnhof verbundenen typischen Lärm. Es sei also zu fragen, ob dieser Lärm und nicht etwa der von den Gewerbebetrieben ausgehende für den Bereich, in dem die Liegenschaft des Klägers und seiner Gattin gelegen sei und für die nähere Umgebung derselben, das für die örtlichen Verhältnisse gewöhnliche Maß übersteige. Die Liegenschaft des Klägers habe sich auch schon vor der Erweiterung des Verschubbahnhofes in dessen näherer Umgebung befunden, wenngleich die Lärmquellen nunmehr näher an die Liegenschaft herangerückt worden seien und dadurch die Lärmeinwirkung auf die Liegenschaft des Klägers und seiner Gattin größer geworden sei. Die Lärmerzeugung im Bereich der Lärmquellen sei aber nicht verstärkt worden. Der Ansicht des Klägers, daß durch das Näherrücken der eigentlichen Lärmquellen eine neue Situation geschaffen und durch diese bewirkt worden sei, daß die Lärmeinwirkung das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreite, vermöge sich das Berufungsgericht nicht anzuschließen, desgleichen auch nicht der Ansicht, es handle sich im unmittelbaren Nachbarschaftsbereich um eine Wohngegend, nach der sich das ortsübliche Lärmbild bestimme. Daß der von der Beklagten verursachte Lärm über dasjenige hinausgehe, was gewöhnlich mit dem Betrieb des Verschubbahnhofes verbunden sei, sei nicht behauptet worden. Der Kläger habe von vornherein damit rechnen müssen, daß es im Zuge einer Intensivierung des Bahngüterverkehrs zu größerer Lärmentwicklung kommen werde. Der Kläger müsse eine technisch nicht vermeidbare, allmählich zunehmende Intensität der Lärmentwicklung des Bahnverkehrs hinnehmen, ohne sich darauf berufen zu können, daß diese das den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreite, wenngleich in früheren Zeiten nur ein geringerer Lärm auf seine Liegenschaft eingewirkt habe. Auch eine Verlagerung dieser Lärmquelle in die unmittelbare Nähe der Liegenschaft des Klägers bei sonst gleicher Lärmstärke könne nicht anders beurteilt werden, weil das für den Begriff "örtlich" maßgebliche Umland schon bisher von den Bahnanlagen geprägt gewesen sei und die mit dem Bahnbetrieb zwangsläufig verbundene Lärmimmission für diesen Ortsteil von H immer schon typisch, also ortsüblich gewesen sei. Mit Recht habe das Erstgericht ein die örtlichen Verhältnisse übersteigendes Maß an Lärmentwicklung auf die Liegenschaft des Klägers und seiner Gattin verneint, weshalb der geltend gemachte Anspruch abzuweisen sei, ohne daß es noch einer eingehenden Untersuchung der weiteren Frage bedürfte, ob hiedurch auch die ortsübliche Benutzung des Grundstücks des Klägers wesentlich beeinträchtigt werde (was nach den bisher vorliegenden Feststellungen allerdings wohl bejaht werden müßte) und in welcher Höhe die geforderte Entschädigung angemessen wäre. Die Vorschrift es § 19 Abs. 2 EisbG würde einen Anspruch des Klägers allerdings nicht ausschließen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Zunächst ist auf den von der Beklagten auch im Revisionsverfahren in erster Linie erhobenen Einwand einzugehen, schon die Vorschrift des § 19 Abs. 2 EisbG stunde dem geltend gemachten Anspruch entgegen. Diese Ansicht der Beklagten kann nicht geteilt werden. § 19 Abs. 2 EisbG regelt eine Haftung der Eisenbahn "unbeschadet der Haftung nach anderen gesetzlichen Vorschriften". Diese Formulierung läßt den Schluß zu, daß mit dieser Vorschrift die Haftung der Eisenbahn erweitert, keinesfalls aber eingeschränkt werden sollte. Selbst wenn man dieses Argument aber außer Acht ließe und aus den im zweiten Satz des § 19 Abs. 2 EisbG verwendeten Wort "an" den Schluß zöge, es seien nur Sachschäden zu ersetzen, würde diese Bestimmung einen Ausgleichsanspruch wegen Lärmeinwirkungen der Eisenbahn nicht ausschließen. Bei rein wörtlicher Auslegung, bei der der Verwendung des Wortes "an" so großes Gewicht zukäme, müßte auch darauf Bezug genommen werden, daß der erste 19 Abs. 2 EisbG "Bau, Bestand oder Betrieb" der Eisenbahn anführt, der zweite Satz hingegen nur "Bau oder Bestand". Daraus würde folgen, daß die Haftung "an" Liegenschaften - also für Sachschäden - nur für Schäden, die durch den Bau oder Bestand der Eisenbahn entstehen, geregelt ist, nicht aber eine Haftung für Schäden durch den Betrieb der Eisenbahn, weshalb die unberührt gebliebene Haftung nach anderen Vorschriften in Frage käme. Die in SZ 38/2 vertretene Ansicht, im Ausdruck "Bestand" sei auch der "Betrieb" enthalten, könnte bei rein wörtlicher Auslegung keinesfalls aufrecht erhalten werden. Wenn der Gesetzgeber im vorangehenden Satz den Betrieb neben dem Bestand anführt, müßte vielmehr angenommen werden, daß der Betrieb im Bestand nicht enthalten ist. Eine derartige Absicht des Gesetzgebers wäre durchaus damit zu erklären, daß er der Ansicht war, die Haftung für Schäden aus dem Betrieb bedürfe keiner eigenen Regelung, weil hier ausreichende "andere gesetzliche Vorschriften", insbesondere das Reichshaftpflichtgesetz, vorhanden seien und sich die Haftung für Schäden aus dem Betrieb nach den bestehenden gesetzlichen Vorschriften richte. Die von Koziol (österr. Haftpflichtrecht II, 254) vertretene Ansicht, die Beeinträchtigung durch Lärm der Eisenbahn berechtige nicht zur Erhebung eines Ersatzanspruches, kann daher nicht geteilt werden.
Damit ist für den Kläger allerdings nichts gewonnen, weil den Vorinstanzen darin beizupflichten ist, daß ein Anspruch des Klägers im Sinne des § 364a ABGB nicht besteht. Dazu ist folgendes zu erwägen:
Voraussetzung für Ansprüche nach den §§ 364 und 364 a ABGB ist, daß die dort genannten Einwirkungen das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß übersteigen. Um die Frage der Ortsüblichkeit beurteilen zu können, ist zunächst zu klären, was unter "Ort" zu verstehen und daher als Vergleichsbezirk heranzuziehen ist. Hiebei ist nach herrschender Ansicht dieser Begriff nicht immer im Sinne einer politischen Gemeinde auszulegen. Vielmehr können je nach Lage des Falles auch bestimmte Teile einer Gemeinde darunter verstanden werden (Klang in seinem Komm.[2] II, 172; Koziol - Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts[5] II, 38; SZ 25/221; SZ 28/222; SZ 45/98 u. a.). Hiebei ist insbesondere auf die Lage des beeinträchtigten Grundstückes zu jenem, von dem die Störung ausgeht, sowie auf die Verhältnisse in der unmittelbaren Umgebung beider Liegenschaften abzustellen (SZ 45/98). Im vorliegenden Fall ist daher davon auszugehen, daß die Liegenschaft des Klägers und seiner Gattin unmittelbar an die Anlagen der Österreichischen Bundesbahnen grenzt. Richtig ist wohl, daß die Anlagen des Verschubbahnhofes vor dessen Ausbau wesentlich weiter von der gestörten Liegenschaft entfernt waren. Die Beklagte hatte die Grundstücke, von denen nunmehr die Störung ausgeht, aber schon erworben, als der Kläger und seine Gattin die Liegenschaft erwarben. Daß sie dies nicht wußten, ist ohne Bedeutung, zumal ihnen die Möglichkeit offen gestanden wäre, die Eigentumsverhältnisse aus dem Grundbuch festzustellen. Der Kläger und seine Gattin erwarben somit schon im Jahre 1962 ein unmittelbar neben Bahngrund gelegenes Grundstück und errichteten dort ein Wohnhaus. In unmittelbarer Nachbarschaft befinden sich keine anderen Wohnhäuser, sondern ausschließlich gewerblich genutzte Liegenschaften. In gewisser Entfernung vom Haus des Klägers und seiner Gattin befinden sich zwar noch andere Wohnhäuser. Im Hinblick auf die Anlagen der Österreichischen Bundesbahnen und die anderen gewerblich genutzten Grundstücke kommt dem Teil der Stadt H, in der sich das Haus des Klägers und seiner Gattin befindet, aber keinesfalls der Charakter eines Wohngebietes zu. Dieser Charakter wird vielmehr durch die Österreichischen Bundesbahnen geprägt und zwar nicht erst seit dem Umbau des Verschubbahnhofes, sondern schon vorher. Dies deshalb, weil ein sogar stärker frequentierter Verschubbahnhof in dem Teil der Stadt H, in der sich das Haus des Klägers und seiner Gattin befindet, schon früher bestand und der durch den Betrieb der Bahn hervorgerufene Spitzenschallpegel von 70 dB in den Abend- und Nachtstunden seine Ursache neben dem Verschubbetrieb auch im Vorbeifahren von Schnellzügen und im Ausstoßen von Pfeiftönen hat. Daß sich an den letztgenannten Lärmeinwirkungen durch den Verschubbetrieb etwas geändert hätte, wurde nicht behauptet und ist auch nicht hervorgekommen. Das Haus des Klägers und seiner Gattin befand sich daher schon vor dem Ausbau des Verschubbahnhofes in einem Gebiet, dessen Charakter durch den Betrieb der Österreichischen Bundesbahn geprägt wurde. Dafür, daß es sich dabei - wie der Kläger in der Revision meint - um ein mit dem Bahnbetrieb überhaupt in keinem Zusammenhang stehendes "Stadtviertel" gehandelt hätte, bietet der festgestellte und für die rechtliche Beurteilung maßgebliche Sachverhalt keinen Anhaltspunkt. Einwirkungen, die der Betrieb der Bahn üblicherweise mit sich bringt, gehören daher zu den Umständen, die den Charakter der Landschaft formen, weshalb sie als ortsüblich anzusehen sind (vgl. BGB-RGRK[12] III/1, § 906 RZ 42). Zum Bahnbetrieb gehören notwendigerweise auch Verschubarbeiten. Immissionen, die mit derartigen Arbeiten üblicherweise verbunden sind, müssen daher für ein durch Bahnanlagen geprägtes Gebiet ebenfalls als ortsüblich angesehen werden. Der durch den Verschubbetrieb verursachte, auf die Liegenschaft des Klägers und seiner Gattin einwirkende Lärm kann daher einen Ausgleichsanspruch im Sinne des § 364a ABGB nicht rechtfertigen.