OGH vom 15.12.1998, 5Ob247/98d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann, Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Mietrechtssache des Antragstellers Dr. Christian B*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Jeannee, Dr. Peter Lösch und Dr. Wolfgang Richter, Rechtsanwälte in Wien, wider die Antragsgegner 1.) Framarz F***** und 2.) Eva F*****, beide vertreten durch Dr. Roland Kassowitz, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 1,500.000,-- s. A. (§ 37 Abs 1 Z 14 MRG) infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragsgegner gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 41 R 316/98v-37, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom , GZ 48 Msch 12/97s-31, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben, soweit die Antragsgegner schuldig erkannt wurden, dem Antragsteller je S 403.892,50 samt Zinsen und Kosten zu zahlen (Punkte 1 und 2 der erstinstanzlichen Entscheidung).
In diesem Umfang wird die Mietrechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen.
Text
Begründung:
Die Antragsgegner waren Hauptmieter einer Wohnung in einem Haus des Erzbistums Wien. Sie hatten sich im Mietvertrag ein Weitergaberecht ausbedungen und übten dieses am durch eine Abtretung der Mietrechte an den Antragsteller aus. Dieser zahlte den Antragsgegnern für die in der Wohnung getätigten Investitionen sowie zurückgelassene Möbel, Antiquitäten, Teppiche und sonstige Gegenstände eine Ablöse von S 2,000.000,--.
Mit der Behauptung, der tatsächliche Wert der abgelösten Investitionen und Einrichtungsgegenstände habe lediglich S 500.000,-- betragen, hat der Antragsteller von den Antragsgegnern zunächst bei der zuständigen Schlichtungsstelle, dann gemäß § 40 Abs 2 MRG bei Gericht die Zurückzahlung von S 1,500.000,-- verlangt. Die Antragsgegner haben die Abweisung dieses Begehrens im wesentlichen mit dem Argument beantragt, daß der Wert der abgelösten Investitionen und Einrichtungsgegenstände der Ablösesumme entspreche.
Das Erstgericht stellte den Wert der abgelösten Investitionen und Einrichtungsgegenstände mit insgesamt S 1,192.215,-- fest und gab dem Zurückzahlungsbegehren des Antragstellers im Umfang von S 807.785,-- statt (die Abweisung des Mehrbegehrens ist rechtskräftig geworden). Auf Details seiner Feststellungen, vor allem auf die umfangreiche Liste der abgelösten und jeweils einzeln bewerteten Gegenstände, kann verwiesen werden (Seite 3 - 6 der ON 31). Strittig ist nämlich allein die vom Erstgericht aus den vorliegenden Sachverständigengutachten übernommene Bewertung der Teppiche sowie von "gehobenen Altwaren und Dekorationsgegenständen". Dazu enthält der erstinstanzliche Sachbeschluß folgende Feststellungen:
Hinsichtlich der übergebenen Teppiche sind die festgestellten Wiederbeschaffungswerte Verkehrswerte zwischen Privaten, welche bei einem Ankauf von Privat zu Privat erzielbar sind. Dieser bemißt sich aus dem europäischen Großhandels(abgabe)preis (sogenannter "Hamburger Preis") inklusive aller Importabgaben und der Einfuhrumsatzsteuer.
Hinsichtlich der gehobenen Altwaren und Dekorationsgegenstände handelt es sich ebenfalls um Wiederbeschaffungswerte in Form von Verkehrswerten von Privat zu Privat.
In rechtlicher Hinsicht begründete das Erstgericht die Maßgeblichkeit des Verkehrswertes "von Privat zu Privat" damit, daß die Antragsgegner als Private und nicht als zum Vertrieb von Teppichen oder Altwaren befugte Gewerbsleute mit dem Antragsteller eine Kaufvereinbarung über diverses Inventar getroffen hätten. Bei der Beurteilung der Äquivalenz der Gegenleistung des Antragstellers erscheine es daher richtiger, auf einen allenfalls vorhandenen vom Einzelhandelsverkaufspreis abweichenden Verkehrswert von Privat zu Privat abzustellen, zumal auch das zwischen den Streitteilen abgeschlossene Rechtsgeschäft ein Geschäft zwischen Privaten darstelle. Würde man auf den Wiederbeschaffungswert beim Kauf bei einem Einzelhändler abstellen, erhielten die Antragsgegner im Ergebnis mehr als sie als Private bei einem Verkauf erhalten könnten. Ein nur durch die gleichzeitige Weitergabe der Mietrechte erzielbarer Mehrerlös im Ausmaß der Differenz zwischen dem niedrigeren Verkehrswert von Privat zu Privat gegenüber dem Einzelhandelsverkaufspreis sei nicht als der privat geleisteten Ablöse äquivalent anzusehen. Damit habe sich auch die von den Antragsgegnern beantragte Ergänzung der betreffenden Sachverständigengutachten erübrigt.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung aus folgenden Erwägungen:
Gemäß § 27 Abs 1 Z 1 MRG seien Vereinbarungen ungültig und verboten, wonach der neue Mieter dafür, daß der frühere Mieter den Mietgegenstand aufgibt, oder sonst ohne gleichwertige Gegenleistung dem früheren Mieter etwas zu leisten hat. Der Zweck dieser Regelung liege darin, eine unzulässige Vermögensvermehrung des weichenden Mieters zu verhindern (MietSlg 44.399, 45.329, 47.300/31; Würth/Zingher, Miet- und WohnR20, Rz 10 zu § 27 MRG mwN). Der Vormieter dürfe sich jedoch, ohne Rücksicht auf die Beschränkungen des § 10 MRG (MietSlg 40.400/15), den bei Übergabe noch vorhandenen Wert sowohl von Investitionen als auch von Einrichtungs- und Ausstattungsgegenständen ersetzen lassen (MietSlg. 39.391, WoBl 1993/98, jeweils mwN).
Bei der Ermittlung des Werts von Einrichtungsgegenständen und Ausstattung sei vom Abschluß eines Kaufvertrages über diese Sachen auszugehen, sodaß der objektiv abstrakt berechnete Austauschwert im Zeitpunkt der Übergabe zu veranschlagen sei (WoBl 1988/24 [zust Würth]; WoBl 1988/80; MietSlg 47.300/31 ua). Besteht für die übernommenen Gegenstände, wie gerade hier für Teppiche, Altwaren und exquisite Dekorationselemente, ein Markt, so komme es bei der Bewertung auf den Wiederbeschaffungswert an, also auf denjenigen Betrag, den der neue Mieter hätte aufwenden müssen, um gleichwertige Gegenstände zu beschaffen (vgl MietSlg 47.294; Spielbüchler in Rummel2, Rz 3 zu § 305 ABGB mwN). Die Ansicht des Erstrichters, bei einem zwischen zwei Privatpersonen abgeschlossenen Kaufvertrag über derartige Einrichtungsgegenstände einer Wohnung komme es auf den Preis an, der bei solchen Geschäften zwischen Privaten üblicherweise gezahlt werde, sei daher zutreffend. Gerade hiedurch werde auf die Sphäre des Nachmieters abgestellt und geprüft, welchen Preis er bei Abschluß eines gleichartigen Kaufvertrages - ohne Verbindung mit der Erlangung von Mietrechten - zahlen müßte. Ein abweichendes Vorgehen wäre lediglich bei der Schätzung von Gegenständen anzuwenden, für die kein Marktpreis festgestellt werden kann (MietSlg 47.294 mwN).
Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil keine die Bedeutung des Einzelfalls übersteigende erhebliche Rechtsfragen zu lösen gewesen seien; die rekursgerichtliche Entscheidung befinde sich im Einklang mit der dargestellten ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofes.
Gegen den die Rückzahlungsverpflichtung bestätigenden Teil der rekursgerichtlichen Entscheidung haben die Antragsgegner außerordentlichen Revisionsrekurs erhoben. Die darin vorgetragenen Argumente lassen sich im wesentlichen so zusammenfassen, daß die Vorinstanzen, indem sie der Schätzung der abgelösten Teppiche, gehobenen Altwaren und Dekorationsgegenstände "Verkehrswerte von Privat zu Privat" zugrundelegten, von der Judikatur abgewichen seien, wonach für die Ablöse marktgängiger Einrichtungsgegenstände der Wiederbeschaffungswert zu Einzelhandelspreisen anzusetzen sei (zB MietSlg 45.342, 43.235, 41.305, 33.305). Der Antrag auf Ergänzung der betreffenden Sachverständigengutachten hätte bei Beachtung dieser ständigen Judikatur nicht abgewiesen werden dürfen.
Der Revisionsrekursantrag geht dahin, die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und einer der Vorinstanzen die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung durch Einholung von Gutachtensergänzungen zum Verkehrswert der Teppiche sowie gehobenen Altwaren und Dekorationsgegenstände (gemäß der Auflistung im erstinstanzlichen Sachbeschluß) aufzutragen.
Dem Antragsteller wurde die Beantwortung dieses Rechtsmittels freigestellt. Er hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und mit dem Argument, daß nur der zwischen Privatpersonen erzielbare Preis für im Mietobjekt zurückgelassene Einrichtungsgegenstände eine durch § 27 Abs 1 Z 1 MRG mißbilligte Vermögensvermehrung beim weichenden Mieter ausschließen könne, die Bestätigung des zweitinstanzlichen Sachbeschlusses beantragt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs erweist sich aus den noch darzustellenden Gründen als zulässig und berechtigt.
Die Ablöse von im Mietgegenstand zurückgelassenen Investitionen und Einrichtungsgegenständen fällt dann nicht unter das Verbot des § 27 Abs 1 Z 1 MRG, wenn der Schätzwert der Einrichtungsgegenstände dem hierfür entrichteten Betrag entspricht. Bei der Schätzung ist dabei der gemeine Preis als Richtschnur zu nehmen (§ 306 ABGB), also objektiv-abstrakt zu ermitteln, wie hoch der dem neuen Mieter in Form von Einrichtungsgegenständen etc zugekommene Vermögenswert ist (vgl WoBl 1990, 101/61 ua). Bei marktgängigen Sachen bietet sich als Richtschnur der Wiederbeschaffungswert an (MietSlg 37/3; MietSlg 40/15; MietSlg 41.305; MietSlg 43.235; 5 Ob 57/97t = EWr I/27/138 ua). Sind abgelöste Gegenstände auf Grund ihres Alters oder ihrer Abnutzung nicht mehr im Handel, sind Neupreise anzusetzen und diese entsprechend ihrem Alter, ihrem Zustand und ihrer Restnutzungsdauer abzuwerten (MietSlg 41.305; WoBl 1990, 101/61; MietSlg 47.294; 6 Ob 592/95).
Ausgangspunkt der Schätzung hat demnach idR der übliche Einzelhandelspreis inkl USt zu sein. Dem widerspricht die von den Vorinstanzen gebilligte Vorgangsweise der SV Karl-Horst L***** und Erich T*****. Verkehrswerte "von Privat zu Privat" (im Fall der Teppiche gleichgesetzt mit Großhandelspreisen zuzüglich Einfuhrumsatzsteuer) könnten nur dann dem gemeinen Wert iSd § 306 ABGB entsprechen, wenn sich für die zu schätzenden Gegenstände (ob alt oder neu) unter Ausschluß des Einzelhandels ein privater Markt gebildet hätte. Für eine derartige Annahme fehlen Beweisergebnisse. Die von den Antragsgegnern beantragte Ergänzung der SV-Gutachten L***** und T***** wurde daher zu Unrecht abgelehnt. Die von ihnen ermittelten Schätzwerte werden nach Maßgabe der dargestellten Bewertungsgrundsätze zu korrigieren oder zu belegen sein.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.