OGH vom 17.09.2014, 6Ob38/14b

OGH vom 17.09.2014, 6Ob38/14b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Harald Beck und andere Rechtsanwälte in Eisenstadt, gegen die beklagte Partei Dr. G***** H*****, als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der W***** GesmbH (AZ ***** des Handelsgerichts Wien), und deren Nebenintervenientin S***** GmbH, *****, vertreten durch Gruböck Lentschig Rechtsanwälte OG in Baden, wegen 36.340 EUR sA, über die außerordentliche Revision der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 35/13h 42, mit dem das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom , GZ 27 Cg 194/10p 38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben .

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert , dass die Entscheidung nunmehr zu lauten hat:

„Das Klagebegehren, der Beklagte sei schuldig, der Klägerin 36.340 EUR samt 10 % Zinsen seit binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution in das der Beklagten zur Gänze gehörende Superädifikat, errichtet auf dem Grundstück Nr *****, inneliegend der EZ ***** Grundbuch *****, zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit 12.737,94 EUR (darin 2.122,99 EUR Umsatzsteuer) und der Nebenintervenientin die mit 18.078,30 EUR (darin 2.537,67 EUR Umsatzsteuer und 2.852,30 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die Klägerin ist schuldig, der Nebenintervenientin die mit 6.820,88 EUR (darin 780,23 EUR Umsatzsteuer und 2.139,50 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mag. S***** S***** (kurz: Gesellschafterin) ist Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin der W***** GesmbH, vormals W***** GesmbH (kurz: Schuldnerin), über deren Vermögen am das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Beklagte wurde zum Insolvenzverwalter bestellt (AZ ***** des Handelsgerichts Wien). Darüber hinaus war die Gesellschafterin ursprünglich Eigentümerin der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ********** (kurz: Liegenschaft). Diese Liegenschaft verkaufte die Gesellschafterin samt darauf mit festem Fundament erbautem Gebäude am an die Nebenintervenientin.

Bereits am hatte die Gesellschafterin mit der Schuldnerin (diese vertreten durch die Gesellschafterin) betreffend die Liegenschaft einen Mietvertrag auf die Dauer von 50 Jahren abgeschlossen, der (unter anderem) vorsah, dass die Vermietung zum Zweck der Errichtung eines Miet , Wohn und Geschäftsbaus durch die Schuldnerin erfolge. Die Schuldnerin sei berechtigt, auf dem Mietobjekt auf ihre Kosten und Gefahr ein Haus zu errichten, welches der Vermietung dienen soll. Die auf der Liegenschaft errichteten Bauwerke würden in der Absicht aufgeführt, dass sie nicht stets darauf stehen bleiben. Die Anlagen würden als Superädifikate iSd § 435 ABGB gelten. Eine Eintragung des Superädifikats im Grundbuch ist allerdings nicht erfolgt.

Zur Errichtung des Wohn und Geschäftshauses auf der Liegenschaft hatte die klagende Bank der Schuldnerin im Juni 2002 Kredit gewährt, wobei die Bank den Mietvertrag gekannt hatte und davon ausgegangen war, dass es sich bei dem Gebäude auf der Liegenschaft um ein Superädifikat handeln würde. Zur Sicherstellung hatte einerseits die Gesellschafterin eine Wechselbürgschaft übernommen; andererseits hatte die Schuldnerin der Bank ein Pfandrecht am als Superädifikat bezeichneten Gebäude auf der Liegenschaft eingeräumt, wobei die Pfandbestellungsurkunde am bei Gericht hinterlegt wurde.

Die klagende Bank begehrt unter Berufung auf das ihr eingeräumte Pfandrecht Zahlung von 36.340 EUR bei sonstiger Exekution in das Superädifikat; die Gesellschafterin habe dieses aufgrund seiner Sonderrechtsfähigkeit nicht zusammen mit der Liegenschaft an die Nebenintervenientin verkaufen können. Die Bank habe das Pfandrecht am Superädifikat jedenfalls gemäß § 456 ABGB gutgläubig erworben.

Der Beklagte und die Nebenintervenientin wendeten ein, beim Mietvertrag habe es sich um ein Scheingeschäft gehandelt; jedenfalls habe es nie an der Absicht gemangelt, das Gebäude auf der Liegenschaft zu belassen, weshalb ein Superädifikat nicht begründet worden, sondern das Gebäude Zugehör der Liegenschaft sei. Die Nebenintervenientin habe daran guten Glaubens Eigentum erworben.

Nachdem der Oberste Gerichtshof zu 6 Ob 108/12v die Entscheidungen der Vorinstanzen im ersten Rechtsgang aufgehoben (das Berufungsgericht hatte klagsstattgebend entschieden) und dem Erstgericht aufgetragen hatte, Feststellungen zum tatsächlichen Baubeginn zu treffen, ist es im zweiten Rechtsgang nicht mehr strittig, dass der Mietvertrag vor dem tatsächlichen Baubeginn abgeschlossen worden war.

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren im zweiten Rechtsgang statt, das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nicht zu. Die Vorinstanzen verneinten das Vorliegen eines Scheingeschäfts bei Abschluss des Mietvertrags ebenso wie eine Belassungsabsicht hinsichtlich des auf der Liegenschaft errichteten Gebäudes und bejahten damit neuerlich dessen Superädifikatseigenschaft.

Rechtliche Beurteilung

Die fristgerecht erhobene (1 Ob 145/02h [verstärkter Senat]) außerordentliche Revision der Nebenintervenientin ist zulässig; sie ist auch berechtigt.

1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in seinem Aufhebungsbeschluss 6 Ob 108/12v klargestellt, dass Superädifikate (Überbauten) Bauwerke sind, die auf fremdem Grund in der Absicht aufgeführt sind, dass sie nicht stets darauf bleiben sollen (sofern sie nicht Zugehör eines Baurechts sind). Sie sind damit nicht Bestandteil der Liegenschaft, auf der sie errichtet wurden, sondern sonderrechtsfähig. Das Fehlen dieser Belassungsabsicht muss zwar grundsätzlich äußerlich erkennbar sein, also durch das äußere Erscheinungsbild des Bauwerks, was im vorliegenden Fall nicht gegeben ist; die fehlende Belassungsabsicht kann aber auch aus anderen Umständen erschlossen werden, so etwa aus den Rechtsverhältnissen, die zwischen dem Liegenschaftseigentümer und dem Erbauer bestehen. Es kann daher auch durch Parteieneinigung sonderrechtsfähige Bauwerke geben. Diese Parteieneinigung muss aber jedenfalls vor Entstehung des Bauwerks, also vor Baubeginn, erfolgt sein, wird doch das Bauwerk mit Baubeginn individualisiert. Eine nachträgliche Vereinbarung ist somit nicht mehr geeignet, aus einer rechtlich unselbstständigen eine rechtlich selbstständige Sache zu machen. Sind Bauwerke durch ihre Aufführung bereits Bestandteil des Grundstücks geworden, können sie später auch nicht einvernehmlich zu sonderrechtsfähigen Superädifikaten gemacht werden; maßgeblicher Zeitpunkt ist der Beginn der Arbeiten am Bauwerk. Die Beweislast für die fehlende Belassungsabsicht trifft denjenigen, der sich auf die Superädifikatseigenschaft eines in fester und solider Bauweise ausgeführten Gebäudes beruft; dies ist im vorliegenden Verfahren die Klägerin als Pfandgläubigerin der Schuldnerin.

Die im ersten Rechtsgang offen gebliebene Frage der Reihenfolge von Mietvertragsabschluss und Baubeginn ist nun dahin geklärt, dass der Baubeginn erst nach Abschluss des Mietvertrags stattfand. Dies würde für eine Superädifikatseigenschaft des errichteten Gebäudes sprechen, womit dem Klagebegehren tatsächlich stattzugeben wäre.

2. Im zweiten Rechtsgang hat sich der Fokus der rechtlichen Beurteilung allerdings auf den Umstand verlagert, dass bei Abschluss des Mietvertrags insofern Personenidentität von Vermieterin und Mieterin vorlag, als die Gesellschafterin zum einen Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin der Mieterin und zum anderen Vermieterin war, und dass sich diese Personenidentität auch auf die Frage der (fehlenden) Belassungsabsicht auswirken müsse. Die Vorinstanzen nahmen zu dieser Frage zwar nicht ausdrücklich Stellung, die Nebenintervenientin berief sich aber darauf, dass „betreffend das Vorliegen der fehlenden Belassungsabsicht nicht auf die (unkontrollierbare) innere Absicht des Erbauers abzustellen [ sei ], sondern [ dass ] es auf die objektiv erkennbaren Umstände an[ komme ]“. Dem ist zu folgen:

2.1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung 2 Ob 242/05k darauf abgestellt, dass „Gesellschafter- beziehungsweise Geschäftsführeridentität bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des [ dort abgeschlossenen ] Pachtvertrags und der Einräumung der Möglichkeit der Errichtung von Superädifikaten auf der Liegenschaft bestand“; daher sei „die fehlende Belassungsabsicht deshalb zu verneinen, weil die Eigentümerin allfälliger Superädifikate aufgrund der Personenidentität quasi ‚sich selbst‘ das Grundbenutzungsverhältnis hätte verlängern können beziehungsweise beenden müssen“.

2.2. Diese Auffassung lässt sich durchaus mit der herrschenden Auffassung in Einklang bringen, wonach es bei der Belassungsabsicht nicht auf die unkontrollierbare innere Absicht des Erbauers, sondern auf objektiv erkennbare Umstände ankommt. Das Fehlen der Belassungsabsicht muss in äußerlich kundbarer Weise zutage treten, weil auch im Recht der Superädifikate ein Mindestmaß an Publizität gewahrt bleiben soll (vgl RIS Justiz RS0009865; Hinteregger in Schwimann/Kodek , ABGB 4 [2012] § 435 Rz 2; Mader in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.01 [2012] § 435 Rz 5; Rechberger/Oberhammer in Kletečka/Rechberger/Zitta , Bauten auf fremdem Grund² 93). Die erforderliche Absicht der nicht ständigen Belassung des Gebäudes muss sich objektivieren lassen, nämlich durch ein von vornherein zeitlich begrenztes, vom Grundeigentümer eingeräumtes Grundbenutzungsrecht (3 Ob 516/90 SZ 63/100). Entscheidend ist, dass das Gebäude nur so lange bleiben darf, wie der Grundstückseigentümer das Grundstück zur Verfügung stellt (5 Ob 98/90; Hinteregger aaO).

2.3. Gerade solche Umstände liegen hier aber nicht vor. Aufgrund der Personenidentität der Liegenschaftseigentümerin mit der Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin der Erbauerin kann nämlich das Grundbenutzungsrecht der Erbauerin allein durch deren Willensentschluss verlängert werden. Damit hängt nach den zugrundeliegenden Rechtsverhältnissen die Belassung des Gebäudes allein vom Willen einer natürlichen Person ab, die die erbauende Gesellschaft beherrscht und allein vertritt. Der Abschluss eines solchen, jederzeit durch die Erbauerin „mit sich selbst“ veränderbaren Mietvertrags macht ein Fehlen der Belassungsabsicht nach außen nicht erkennbar (so auch Eliskases , Kreditbesicherung durch Superädifikate, ecolex 2014, 74).

3. Auch wenn die Klägerin im Revisionsverfahren auf ihre Behauptung eines gutgläubigen Erwerbs des Pfandrechts am Bauwerk gemäß § 456 ABGB nicht mehr zurückkommt, ist der Vollständigkeit halber auf die Ausführungen des erkennenden Senats im Aufhebungsbeschluss zu verweisen. Dort wurde bereits klargestellt, dass die Annahme einer Gutgläubigkeit der klagenden Bank dahin, dass es sich beim Bauwerk tatsächlich um ein rechtswirksam begründetes Superädifikat handelte, „einer besonderen Begründung“ bedürfte, sei die Bank damals doch maßgeblich in die Ausgestaltung der konkreten rechtlichen Konstruktion, die offensichtlich der Steuerersparnis gedient haben dürfte, (zumindest) eingebunden gewesen. Eine solche besondere Begründung findet sich in den Ausführungen der Vorinstanzen nicht, abgesehen davon, dass der gute Glaube im Sachenrecht nur das Vorhandensein des Eigentums des Vormanns ersetzen, nicht aber sonstige rechtliche Defizite ausgleichen kann ( Klicka/Reidinger in Schwimann/Kodek , ABGB 4 [2012] § 367 Rz 1; Graf , Das nur scheinbare Superädifikat als Kreditsicherheit, ecolex 2014, 78). Liegt kein Superädifikat vor, ist weder ein derivativer noch ein gutgläubiger Pfandrechtserwerb möglich.

4. Damit war aber das Klagebegehren mangels Sonderrechtsfähigkeit des auf der Liegenschaft errichteten Gebäudes abzuweisen. Dem Akteninhalt und insbesondere den Ausführungen der Parteien im Revisionsverfahren lässt sich auch kein Hinweis darauf entnehmen, dass der von der Klägerin gewährte Kredit und/oder eine (lediglich) Superädifikatseigenschaft des Bauwerks zugunsten der Nebenintervenientin bei Ankauf der Liegenschaft preisgestaltend gewesen wäre.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz gründet sich auf § 41 ZPO, jene des Rechtsmittelverfahrens auf §§ 41, 50 ZPO . Im zweiten Rechtsgang stehen der Nebenintervenientin Kosten lediglich für einen Schriftsatz zu; es ist nicht ersichtlich, weshalb das Vorbringen nicht zusammengefasst hätte werden können (§ 41 ZPO). Da sowohl dem Beklagten als auch der Nebenintervenientin lediglich ein Gegner gegenüber gestanden ist, gebührt kein Streitgenossenzuschlag (§ 15 RATG). Nach TP 3 Anm 4 ist die Pauschalgebühr für die Revision von jedem Revisionswerber nur einmal zu entrichten.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0060OB00038.14B.0917.000