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OGH vom 07.12.1976, 5Ob20/76

OGH vom 07.12.1976, 5Ob20/76

Norm

Liegenschaftsteilungsgesetz § 15;

Kopf

SZ 49/152

Spruch

Das vereinfachte Verfahren für die Verbücherung von Straßenanlagen auf Grund von Anmeldungsbogen des Vermessungsamles ist nur zulässig, wenn bereits vollendete Anlagen zu verbüchern sind, nicht aber, wenn nur rechtliche Veränderungen eingetreten sind

(KG Wiener Neustadt R 169/76; BG Wiener Neustadt TZ 2103/76)

Text

Das Erstgericht ordnete mit seinem Beschlusse vom auf Grund des mit der Amtsbestätigung nach § 16 LTG versehenen Anmeldungsbogens des Vermessungsamtes Wiener Neustadt vom 11. Feber 1976 gemäß §§ 15 ff. LTG in EZ 82 KG F (Miteigentümer: Dr. Franz Martin K und Tatjana K) von Amts wegen die lastenfreie Abschreibung des Grundstückes Nr. 239/2 Weg, die Eröffnung der neuen EZ 129 KG F hiefür und ob dieser neuen EZ 129 in der Aufschrift der Einlage die Bezeichnung "Öffentliche Verkehrsfläche" und im Eigentunisblatt die Bezeichnung dieser Einlage als "Öffentliches Gut" und die Einverleibung des Eigentumsrechtes für die Marktgemeinde P an. Dieser Anmeldungsbogen behandle die durch die Übertragung eines Grundstückes in das öffentliche Gut herbeigeführte Besitzänderung. Durch die zu 4 Nc 30/76 des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt vorgenommene Wertermittlung sei festgestellt, daß der Wert des abzuschreibenden Grundstückes den Betrag von 30 000 S nicht übersteige, so daß die Sonderbestimmungen der §§ 15 f. LTG anzuwenden seien.

Das Rekursgericht gab dem Rekurse der Liegenschaftsmiteigentümer Dr. Franz Martin und Tatjana K nicht Folge.

Die Rekurswerber verwiesen zunächst darauf, daß die vom Vermessungsamt dem Erstgericht mitgeteilten Besitzänderungen sich auf einen Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde P vom stützten, mit dem ausgesprochen werde, daß dem Weggrundstück Nr. 239/2 KG F Merkmale der Öffentlichkeit für einen beschränkten Verkehr zukämen. Dieser Bescheid sei gegenüber der Miteigentümerin Tatjana K noch nicht rechtskräftig. Außerdem ziehe die Öffentlicherklärung keinen Eigentumsübergang nach sich. Das Rekursgericht erachtete diese Einwendungen für das gerichtliche Verfahren nach den Sonderbestimmungen des § 15 LTG für die Verbücherung von Weg- und Straßenanlagen nicht beachtlich. Der Vermessungsbehörde allein obliege die Aufgabe, die Besitzänderungen, denen die verschiedensten Rechtstitel zugrunde liegen könnten, der bestehenden Rechtslage gemäß im Anmeldungsbogen mitzuteilen. Entgegen der Auffassung der Rekurswerber habe die vorgeschriebene Amtsbestätigung des Vermessungsamtes im Sinne des § 16 LTG keine Aussage über einen Eigentumsübergang zu enthalten, sondern nur nach Maßgabe der tatsächlichen Verhältnisse zu bestätigen, daß es sich um eine Straßen-, Weg-, Eisenbahn- oder Wasserbauanlage handle. Eine Verwendung der Grundstücke durch die öffentliche Hand für eine der im § 15 LTG bezeichnete Anlagen sei entgegen der Auffassung der Rekurswerber seit der Novelle BGBl. 166/1961 nicht erforderlich. Im übrigen sei allen Voraussetzungen für die Anwendung der Sonderbestimmungen für die Verbücherung von Straßen- und Weganlagen im Sinne des § 15 LTG Genüge getan.

Über den Revisionsrekurs der Liegenschaftseigentümer Dr. Franz Martin und Tatjana K änderte der Oberste Gerichtshof den Beschluß des Rekursgerichtes dahin ab, daß der erstgerichtliche Beschluß aufgehoben wurde.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Gemäß § 32 LTG bestimmt sich nur die Anfechtung von Beschlüssen, die sich auf Ersuchen einer Partei um Bewilligung einer grundbücherlichen Eintragung beziehen, nach den §§ 122 ff. GBG, während für die Anfechtung sonstiger im Liegenschaftsteilungsgesetz geregelter Angelegenheiten die Grundsätze des Außerstreitverfahrens gelten. Bei der amtswegigen Verbücherung der Mitteilungen eines Anmeldungsbogens im Rahmen des Verfahrens nach den §§ 15 ff. LTG ist sohin eine Anfechtung des bestätigenden Beschlusses zweiter Instanz gemäß § 16 AußStrG nur wegen Nichtigkeit sowie wegen offenbarer Gesetz- oder Aktenwidrigkeit zulässig (vgl. SZ 39/101; EvBl. 1969/270, u. v. a.).

Eine offenbare Gesetzeswidrigkeit liegt dann vor, wenn die für die Entscheidung maßgebende Frage im Gesetz selbst ausdrücklich und so klar geregelt ist, daß an der Absicht des Gesetzgebers nicht gezweifelt werden kann und trotzdem anders entschieden wurde (vgl. SZ 21/131; SZ 25/185 u. v. a.).

Die Bedeutung der Sonderbestimmungen der §§ 15 ff. LTG, BGBl. 3/1930, i. d. F. des Bundesgesetzes vom 25. Feber 1976, BGBl. 91/1976, liegt vor allem darin, daß bei geringfügigen Besitzänderungen, die bereits in der Wirklichkeit vollzogen sind und auch schon im Grundkataster durchgeführt wurden, rasch und billig die Grundbuchsordnung ohne Rücksicht auf bücherliche Rechte der Eigentümer und Buchberechtigten hergestellt werden kann (vgl. EvBl. 1975/197). Die Grundlage für die Verbücherung bildet der Anmeldungsbogen der Vermessungsbehörde, in dem die Besitzänderungen nach dem § 15 LTG mitgeteilt wurden. Die Einführung des grundbücherlichen Bagatellverfahrens nach den Bestimmungen der §§ 15 bis 22 LTG und der damit verbundene Eingriff in die Rechte des Liegenschaftseigentümers wurde in den erläuternden Bemerkungen zu diesem Gesetz (376 BlgNR, III. GP, 8, 9) damit begrundet, daß das strenge Festhalten an den formalistischen Grundsätzen des Grundbuchsrechtes in diesem Falle nicht gerechtfertigt sein könne, weil es sich ausnahmslos um die Verbücherung bereits vollendeter Anlagen handle. Die Zurückführung in den früheren Zustand sei unmöglich. Die kostspieligen Straßen- oder Wasserbauanlagen könnten wegen des Widerstandes einer einzelnen Person nicht wieder zerstört werden, weil bei der Gründeinlösung oder beim Bau der Anlage ein unbedeutender Formfehler begangen wurde, obwohl der Eigentümer die Einbeziehung seines Streifens in die Anlage geduldet habe. Eine derartige "Enteignung" sei nicht durch die bücherliche Amtshandlung, sondern durch den Bau selbst vorgenommen worden. Demnach müßten formale Rechtsfragen vor dem Gewichte der Tatsachen zurücktreten. Dem Grundbuchsgerichte könne es nur obliegen, die tatsächlich eingetretenen Veränderungen, die ihm von der zuständigen Vermessungsbehörde im Wege des Anmeldungsbogens unter Anschluß einer Mappenpause zur Kenntnis gebracht wurden, auch im Grundbuche durchzuführen. Den Beteiligten, die sich durch irgendeinen Vorgang bei der Gründeinlösung oder bei dem Bau der Anlage benachteiligt fühlten, müsse es überlassen bleiben, von den Schuldtragenden Ersatz zu fordern. Dieser Standpunkt sei schon deshalb berechtigt, weil es sich bei derartigen Anlagen erfahrungsgemäß nur um Grundstreifen von geringem Wert handle. Die Bestimmungen der §§ 15 ff. LTG, die sich zunächst nur auf öffentliche Straßen bzw. im öffentlichen Interesse errichtete Anlagen bezogen, wurden durch die Novelle BGBl. 265/1961 auf alle nicht öffentlichen Straßen- und Weganlagen ausgedehnt (294 BlgNR, IX. GP).

Eingeleitet wird das vereinfachte Verfahren durch den Anmeldungsbogen, eine öffentliche Urkunde, die an die Stelle eines Eintragungsbegehrens tritt (Feil, LTG, Vermessungsgesetz und einschlägige Vorschriften, 17). Der Anmeldungsbogen und seine Beilagen (Flächenausweis, Mappenpause) sind die einzige urkundliche Grundlage für die Verbücherung der Anlage. Der Anmeldungsbogen enthält gemäß §§ 45 Abs. 1 VermG, 157 Abs. 1 GV Mitteilungen des Vermessungsamtes und die Verständigung des Grundbuchsgerichtes über Ergebnisse von Amtshandlungen des Vermessungsamtes, die Eintragungen im Grundbuch nach sich ziehen können (vgl. Bartsch, Österr. allgemeines Grundbuchsgesetz[7], 597). Es ist auf Grund dieses Anmeldungsbogens von Amts wegen zu ermitteln, ob das vereinfachte Verfahren nach den §§ 15 ff. LTG Platz greift oder ob nach den §§ 21, 28 LTG vorzugehen ist (SZ 39/101). Der Auffassung der Revisionsrekurswerber über den Bescheidcharakter des Anmeldungsbogens kam sohin nicht gefolgt werden (vgl. VfGH Slg. Nr. 5773, 6449).

Wie sich aus dem Wortlaut des § 15 Z. 1 LTG ausdrücklich entnehmen läßt, ist es zunächst Voraussetzung für die Durchführung des vereinfachten Verfahrens, daß die zu verbüchernde Besitzänderung durch die dort bezeichnete Anlage herbeigeführt und in der Natur bereits durchgeführt ist.

Der erstgerichtliche Beschluß basiert auf einem Anmeldungsbogen des Vermessungsamtes, welcher als "Art und Zeit der Veränderung" die "Ab- und Zuschreibung nach § 15 LTG über Antrag der Marktgemeinde P vom ; Bescheid vom 25. Feber 1971" anführt. Den bereits im Rekursverfahren vorliegenden Urkunden ist zu entnehmen, daß mit dem Bescheid der Marktgemeinde P vom 25. Feber 1971 im Zusammenhang mit dem Berufungsbescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde P vom , AZ 1909/1972, gemäß § 2 Abs. 2 und 3 des Landesstraßengesetzes, LGBl. für NÖ 100/1956, i. d. F. des Landesgesetzblattes 379/1969, festgestellt wurde, daß dem Weggrundstück 239/2 der KG P, das ist der Verbindungsweg zwischen der Landesstraße 4060 und dem öffentlichen Weg Grundstück 410/1 die Merkmale der Öffentlichkeit zukommen. Der öffentliche Privatweg hat für den Fußgängerverkehr sowie für die Befahrung mit leichten Kraftfahrzeugen und Wirtschaftsfuhren zu dienen. Mit dem Schreiben der Marktgemeinde P an das Vermessungsamt Wiener Neustadt vom wurde unter Hinweis darauf, daß dem Weggrundstück 239/2 der KG F infolge des Bescheides vom 25. Feber 1971 das Merkmal der Öffentlichkeit zukommt, der Antrag gestellt, dieses Grundstück in das Verzeichnis über das öffentliche Gut für die KG F zu übertragen. Das Eigentum der Gebietskörperschaft an der zur Herstellung öffentlicher Wege erforderlichen Grundfläche wird nach Privatrechtlichen Grundsätzen erworben, doch besteht zur Erleichterung des Erwerbes ein weitgehendes Enteignungsrecht zugunsten der Gebietskörperschaft. Die Widmung einer Grundfläche zu Zwecken eines öffentlichen Weges erfolgt durch die Verwaltungsbehörde (vgl. Klang in Klang[2] II, 5). Es kann aber auch eine stillschweigende Widmung vorliegen, die dann im Sinne der im vorliegenden Falle maßgeblichen niederösterreichischen landesgesetzlichen Regelung zur Feststellung der Merkmale der Öffentlichkeit durch die Gemeinde führen kann.

Ein Eigentumserwerb kann zwar bei geringwertigen Trennstücken (§ 17 Abs. 1 LTG) auch durch die tatsächliche Errichtung der Straßen- oder Weganlage erfolgen und auf dieser Grundlage zur Verbücherung des Eigentumsrechtes nach den §§ 15 ff. LTG führen. Im vorliegenden Fall ergibt sich aber aus dem Anmeldungsbogen nicht, daß die zu verbüchernde Besitzänderung durch eine in der Natur bereits durchgeführte Straßenanlage herbeigeführt worden wäre. Tatsächlich ist eine Privatstraße vorhanden, der nach den im Bescheid zitierten Bestimmungen des niederösterreichischen Landesstraßengesetzes die Merkmale der Öffentlichkeit zuerkannt worden sind. Dadurch wird aber nur erreicht, daß der Eigentümer der Straße in Zukunft den Gemeingebrauch in beschränktem Umfang auf dieser Straße dulden muß. Eine weitere Rechtswirkung kommt einer solchen behördlichen Entscheidung nicht zu. Insbesondere wird auch ein Eigentumsübergang dadurch nicht bewirkt (vgl. Krzizek, Das Öffentliche Wegerecht, 105, 112, 201). Die Bestätigung der Vermessungsbehörde nach dem § 16 LTG sagt nur darüber aus, daß eine Straßen- oder Weganlage in der Natur vorhanden ist, nicht aber von wem sie errichtet wurde, so daß daraus nicht die durch die Anlage verursachten Änderungen im Anmeldungsbogen und seinen Beilagen ersichtlich sind (§ 18 Abs. 1 LTG).

Da demnach Veränderungen nur im rechtlichen, nicht aber im tatsächlichen Bereich vorliegen, wie dies § 15 Z. 1 LTG verlangt fehlt es, an den Voraussetzungen für das vereinfachte Verfahren. Dies kann als Rekursgrund geltend gemacht werden. Wenn das Gericht zweiter oder dritter Instanz zu dem Ergebnis gelangt, daß die Erfordernisse des vereinfachten Verfahrens nicht gegeben sind, ist der Verbücherungsbeschluß ersatzlos aufzuheben (vgl. SZ 39/101; RZ 1975, 103).