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OGH vom 16.03.2007, 6Ob38/07t

OGH vom 16.03.2007, 6Ob38/07t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der (wider-)klagenden Partei M*****gmbH, *****, vertreten durch Dr. Christian Boyer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die (wider-)beklagte Partei T***** GmbH, *****, Deutschland, vertreten durch BLS Rechtsanwälte Boller Langhammer Schubert KEG in Wien, wegen 32.211,98 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der (wider-)klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 2 R 225/06z-10, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die (Wider-)Klägerin meint zunächst, sie könne sich auf den Gerichtsstand der Widerklage nach Art 6 Nr 3 EuGVVO stützen, weil sowohl im Haupt- als auch im Widerklageverfahren ein zwischen den Parteien bestehender Vertragshändlervertrag zu beurteilen sei; dieser entspreche einem Rahmenvertrag, der Konnexität begründe.

Nach Art 6 Nr 3 EuGVVO kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, auch vor dem Gericht verklagt werden, bei dem die Klage selbst anhängig ist, wenn es sich um eine Widerklage handelt, die auf denselben Vertrag oder Sachverhalt wie die Klage selbst gestützt wird. Die Bestimmung verlangt somit Konnexität zwischen Klage und Widerklage; dieses Erfordernis ist eng auszulegen und bei bloßem Sachzusammenhang nicht gegeben (4 Ob 34/98y = ZfRV 1998/41; Mayr in Rechberger, ZPO³ [2006] § 96 JN Rz 6). Es ist auch nicht erfüllt, wenn sich die Widerklage auf einen anderen Vertrag stützt als die Klage, es sei denn, es läge ein einheitlicher Sachverhalt zugrunde; dass beide Verträge in einem Zusammenhang stehen, genügt nicht (4 Ob 34/98y; 2 Ob 74/00x; 9 Ob 110/04y; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht8 [2005] Art 6 EuGVÜ Rz 38). Ob Konnexität gegeben ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab; eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO wird damit regelmäßig nicht berührt.

Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, dass den beiden Verfahren weder ein einheitlicher Vertrag zugrundeliegt noch die Sachverhalte in irgendeinem Zusammenhang stehen. Da im Hauptklageverfahren Ansprüche aus diversen Warenlieferungen, im Widerklageverfahren jedoch Ausgleichs- und Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden, ist diese Auffassung nicht zu beanstanden. Die (Wider-)klägerin, die sich im außerordentlichen Revisionsrekurs auf einen „übergeordneten Vertragshändlervertrag" beruft, verweist auf eine Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofs (NJW 2002, 2182; zum Rahmenvertrag vgl auch Czernich in Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht² [2003] Art 6 EuGVÜ Rz 21). Sie übersieht dabei, dass dort § 33 dZPO entscheidungsgegenständlich war, der Begriff der Konnexität („derselbe Vertrag oder Sachverhalt") in Art 6 Nr 3 EuGVVO jedoch konventionsimmanent zu definieren ist (4 Ob 34/98y; Burgstaller/Neumayr, Internationales Zivilverfahrensrecht [2002] Art 6 EuGVÜ Rz 17; Kropholler, aaO; Mayr, aaO). Demgegenüber hat der Oberste Gerichtshof bereits entschieden, dass zwischen bestellungsgemäß durchgeführten Warenlieferungen und Ansprüchen aus einem Gesellschaftsvertrag (Gewinnanteile) lediglich ein bloßer Sachzusammenhang gegeben ist (4 Ob 34/98y).

2. Die Klägerin führt weiters aus, sie habe nicht nur Widerklage erhoben, sondern dem Hauptklagebegehren auch Gegenforderungen aufrechnungsweise entgegengestellt. Es entspräche daher den nach Art 6 Nr 3 EuGVVO „wesentlichen" Grundsätzen von Prozessökonomie und Vermeidung von einander widersprechenden Gerichtsentscheidungen, über sämtliche Forderungen der Parteien gegeneinander in einem Verfahren abzusprechen.

Nach der jüngeren Rechtsprechung des EuGH (Rs C-341/93, Danvaern/Otterbeck, Slg 1995, I-2053 = ZER 1996/117 = NJW 1996, 42) gilt Art 6 Nr 3 EuGVÜ (nunmehr: EuGVVO) nur für eine Klage des Beklagten auf gesonderte Verurteilung, nicht jedoch für den Fall, dass ein Beklagter eine Forderung gegenüber dem Kläger als bloßes Verteidigungsmittel geltend macht (dem folgend etwa auch Burgstaller/Neumayr, Internationales Zivilverfahrensrecht [2002] Art 6 EuGVO Rz 18 mwN; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßssrecht8 [2005] Art 6 EuGVÜ Rz 42; ebenso Leipold, ZZP 1994, 223; BGH [Deutschland] NJW 2002, 2182; aA hingegen Cour de cassation [Frankreich] JABl 2001, 142). Der Beklagte kann daher sowohl mit konnexen als auch mit inkonnexen Gegenforderungen im Hauptklageverfahren aufrechnen (Kropholler, aaO Rz 42; Mayr in Rechberger, ZPO³ [2006] § 96 JN Rz 6).

Es ist nun zwar richtig, dass es im Falle inkonnexer, die Klagsforderung übersteigender Gegenforderungen, die (auch) zum Gegenstand einer Widerklage gemacht wurden, prozessökonomisch und der Vermeidung von einander widersprechenden Gerichtsentscheidungen zuträglich (vgl dazu 4 Ob 34/98y) wäre, das Gericht des Hauptklageverfahrens nicht nur über jenen Teil der Gegenforderungen, die das Hauptklagebegehren nicht übersteigen, entscheiden zu lassen, sondern auch über den darüber hinausgehenden Teil. Diese Sichtweise würde aber die ausdrückliche Regelung des Art 6 Nr 3 EuGVVO, der ja Konnexität verlangt, jedenfalls in den Fällen von das Hauptklagebegehren übersteigenden Gegenforderungen unterlaufen.

3. Schließlich weist die Klägerin noch daraufhin, dass sie im Verfahren erster Instanz behauptete, Erfüllungsort des Vertragshändlervertrags sei Villach; die Zuständigkeit des Erstgerichts für die Widerklage ergebe sich daher auch aus Art 5 EuGVVO. Sie übersieht damit aber, dass das Erstgericht auch diesen Zuständigkeitstatbestand geprüft und verneint, die Klägerin dies in ihrem Rekurs jedoch nicht bekämpft hat. Es ist ihr daher verwehrt, diesen Umstand im Revisionsrekursverfahren wieder aufzugreifen.