OGH vom 16.04.2020, 3Ob44/20x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Roch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Priv.-Doz. Dr. Rassi und Mag. Painsi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*****, vertreten durch die Eger/Gründl Rechtsanwälte OG in Graz, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Manuel Fähnrich, Rechtsanwalt in Graz, wegen 34.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 168/19x-28, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der Kläger stützt seinen gegen die Beklagte geltend gemachten Schadenersatzanspruch (Differenzanspruch wegen Abschluss eines Deckungsgeschäfts) auf einen im Jänner 2016 zwischen ihm als Verkäufer und der Beklagten als Käuferin abgeschlossenen Kaufvertrag über zwei Tonnen Kürbiskerne. Beide Vorinstanzen verneinten das Zustandekommen eines Vertrags und wiesen die Klage ab.
Rechtliche Beurteilung
Der Kläger zeigt in seiner außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf, weshalb diese als nicht zulässig zurückzuweisen ist. Das ist wie folgt kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO):
1.1 Wie eine Erklärung im Einzelfall aufzufassen ist, ist jeweils nur nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und bedeutet im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (RISJustiz RS0042555 [T2]). Auslegungen im Einzelfall begründen regelmäßig keine derartige Rechtsfrage, weil schon wegen ihrer Einzelfallbezogenheit ein Beitrag zur Rechtsentwicklung oder Rechtsvereinheitlichung nicht erwartet werden kann und dementsprechend ein Aufgreifen nur aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich sein könnte (RS0042555 [T9]). Das betrifft auch die Frage, ob zwischen zwei Parteien überhaupt ein Vertrag rechtswirksam zustandegekommen ist (10 Ob 48/15d; 9 ObA 18/17p; RS0042776 [T37] uvm). Die Auslegung von Willenserklärungen zur Prüfung des Zustandekommens eines Vertrags kann daher grundsätzlich nur bei unvertretbarer Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz die Zulässigkeit der Revision rechtfertigen (RS0042555 [T6, T 11, T 17, T 28]).
1.2 Eine vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung in Bezug auf die Frage, ob im Anlassfall bereits im Übermitteln eines Formulars („Vertragsmeldung“) durch die Beklagte an den Kläger ein endgültiger Bindungswille der Beklagten zum Ausdruck kommt, liegt nicht vor.
1.3 Das Berufungsgericht ging davon aus, dass das von der Beklagten verwendete und an den Kläger zum weiteren Ausfüllen übermittelte Formular erkennbar nur darauf abgezielt habe, dass der Kläger die von ihm (dann) genannte Erntemenge der Beklagten verbindlich zum Verkauf anbiete. Dieses Auslegungsergebnis ist im Hinblick auf den Umstand, dass dem Kläger das Formular ua ohne nähere Angaben zur konkreten Liefermenge und damit auch ohne bestimmbaren Gesamtkaufpreis übermittelt wurde, schon deshalb jedenfalls vertretbar, weil der konkrete Vertragsgegenstand zu diesem Zeitpunkt noch offen blieb. Zudem sieht das Formular nur eine Unterfertigung durch den Kläger, jedoch keine Rubrik für eine Annahmeerklärung der Beklagten vor und stellt deshalb schon nach dem äußeren Erscheinungsbild nur ein einseitiges Anbotsformular dar (vgl auch 1 Ob 547/86).
2. Die Bezugnahme auf die Verkehrssitte im Kürbiskernhandel kann die Zulässigkeit des Rechtsmittels ebenfalls nicht stützen. Ob eine Verkehrsübung oder ein Handelsgebrauch besteht, ist eine Tatfrage (RS0042274). Als branchenüblich wurde (nur) festgestellt, dass es bereits vor der Aussaat der Kürbisse zum Abschluss von Kaufverträgen kommt. Die angefochtene Entscheidung setzt sich entgegen den Ausführungen im Rechtsmittel nicht im Widerspruch zu dieser Verkehrssitte.
Vielmehr übersieht das Rechtsmittel, dass die Frage, wann es in einem konkreten Anlassfall zum Abschluss eines Kaufvertrags kommt, mit dieser Verkehrssitte noch nicht beantwortet wird. Insoweit der Kläger auch dazu eine Branchenüblichkeit unterstellt, dass sich ein (potentieller) Käufer von Kürbiskernen bereits zu jenem Zeitpunkt binden will, zu dem der (potentielle) Verkäufer das ihm übermittelte Formblatt zu den wesentlichen Vertragspunkten (insb zur Menge) noch gar nicht ausgefüllt hat, sodass auch der Gesamtpreis zu diesem Zeitpunkt unklar ist, entfernt er sich von den Tatsachengrundlagen. Die Tatsacheninstanzen sind nämlich für den Obersten Gerichtshof bindend davon ausgegangen, dass dem Kläger der entsprechende Nachweis einer solchen Branchenüblichkeit nicht gelungen ist (Erstgericht disloziert Seite 16).
3. Das Vorliegen einer Anscheinsvollmacht ist immer nur an Hand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen (RS0019609 [T9]) und erfüllt damit grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage. Die Ausführungen des Rechtsmittels zur angeblichen Anscheinsvollmacht des Vermittlers und die dazu aufgeworfenen Fragen zum dazu erforderlichen Rechtsschein müssen bereits wegen Verstoßes gegen das Neuerungsverbot unberücksichtigt bleiben (§ 482 ZPO). Der dazu behauptungs- und beweisbelastete (RS0053936 [T1]) Kläger erstattete im Verfahren erster Instanz kein Vorbringen zu den Voraussetzungen der Anscheinsvollmacht (= Vorliegen eines vom Geschäftsherrn veranlassten Vertrauenstatbestands, auf den ein gutgläubiger Dritter vertrauen kann, vgl etwa 5 Ob 28/17d mwN).
Im Übrigen ist durch die Feststellungen ohnedies widerlegt, dass der Kläger im Jänner 2016 auf eine Vollmacht des Vermittlers zum Abschluss des Vertrags (gutgläubig) vertrauen konnte. So wurde der Vermittler vom Kläger wegen der auf dem Formular noch nicht vorhandenen Unterschrift der Beklagten ausdrücklich angesprochen und erhielt die Erklärung, dass ein Vertreter der Beklagten die Meldungen erst unterfertigen – also die Annahme erklären – werde.
4. Ein bereits vom Berufungsgericht verneinter Verfahrensmangel erster Instanz kann vom Obersten Gerichtshof nicht mehr geprüft werden (RS0042963).
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2020:0030OB00044.20X.0416.000 |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.
Fundstelle(n):
BAAAD-60409