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OGH 12.07.2016, 4Ob53/16x

OGH 12.07.2016, 4Ob53/16x

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. M***** B*****, 2. Dr. H***** F*****, beide vertreten durch PALLAS Rechtsanwältepartnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, St. Pölten, Kremser Landstraße 3, vertreten durch Preslmayer Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 30.500 EUR), im Verfahren über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom , GZ 1 R 174/15p-60, mit welchem infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Handelsgericht vom , GZ 40 Cg 60/13h-41, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Verfahren über den Revisionsrekurs wird bis zur Erledigung des von den klagenden Parteien erhobenen Parteiantrags auf Normenkontrolle (VfGH G 435/2015 und V 124/2015) unterbrochen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Wien als Rekursgericht dem Rekurs gegen die Aufhebung der vom Senat zu 4 Ob 234/14m bestätigten einstweiligen Verfügung nicht Folge und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei. Gleichzeitig hielt es als Berufungsgericht nach § 57a Abs 6 und § 62a Abs 6 VfGG mit dem Verfahren über die Berufung der Kläger bis zur Entscheidung über den von diesen erhobenen Parteiantrag auf Normenkontrolle inne.

Der Antrag an den Verfassungsgerichtshof betrifft § 31 Abs 3 der Satzung der Beklagten idF der 8. und der 9. Änderung dieser Satzung, Anhang 3 dieser Satzung, hilfsweise eine Wortfolge dieses Anhangs, und die Wortfolge „... die nicht Gegenstand des Gesamtvertrags oder der Satzung waren ...“ in § 153 Abs 3 ASVG. Diese Bestimmungen sind auch für die Entscheidung im Sicherungsverfahren präjudiziell: Die einstweilige Verfügung war nur deswegen aufzuheben, weil die der Beklagten verbotenen Leistungen nun in ihrer Satzung vorgesehen sind, sodass das beanstandete Verhalten – anders als bei Erlassung der einstweiligen Verfügung – nicht mehr gegen § 153 Abs 3 ASVG verstößt.

Wegen Präjudizialität der angefochtenen Normen war das Verfahren über den Revisionsrekurs bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs zu unterbrechen. Es wird nach Vorliegen dieser Entscheidung von Amts wegen fortgesetzt werden.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. M***** B*****, 2. Dr. H***** F*****, beide vertreten durch PALLAS Rechtsanwältepartnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, St. Pölten, Kremser Landstraße 3, vertreten durch Preslmayer Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 30.500 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 1 R 174/15p-60, mit welchem der Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Handelsgericht vom , GZ 40 Cg 60/13h-41, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Das Verfahren über den Revisionsrekurs wird nach Ergehen des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs über den von den klagenden Parteien gestellten Parteiantrag auf Normenkontrolle fortgesetzt.

2. Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 2.157,76 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin 359,63 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Erstkläger ist Zahnarzt, der Zweitkläger Anästhesist. Zwischen dem Erstkläger und der beklagten Gebietskrankenkasse besteht aufgrund des Zahnärzte-Gesamtvertrags ein Einzelvertrag („Kassenvertrag“) zur Erbringung von Zahnarztleistungen. Der Erstkläger bietet in seiner Ordination zusammen mit dem Zweitkläger Zahnbehandlungen unter Vollnarkose an. Diese Leistung ist vom Zahnärzte-Gesamtvertrag nicht erfasst; die Patienten müssen diese Leistung daher bezahlen, die Beklagte leistet keinen anteiligen Rückersatz. Sie bietet jedoch selbst in einem eigenen Ambulatorium Zahnbehandlungen unter Vollnarkose an, allerdings nur für Kinder unter 14 Jahren und für Erwachsene, denen aufgrund geistiger oder psychischer Einschränkungen die Notwendigkeit einer Zahnbehandlung nicht vermittelt werden kann oder die an einer Zahnarztphobie leiden. Einen Kostenbeitrag hebt sie dafür nicht ein.

Die Kläger erhoben Unterlassungsklage nach § 1 UWG, weil die Beklagte durch das Nichteinheben von Kostenbeiträgen gegen § 153 Abs 3 ASVG verstoße. Aufgrund des mit der Klage verbundenen Sicherungsantrags wurde der Beklagten – zuletzt mit Entscheidung des Senats vom , 4 Ob 234/14m – bis zur Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

a. in ihrem Ambulatorium Vollnarkosen zur Zahnbehandlung von versicherten Patienten anzubieten und/oder zu verabreichen, ohne dafür kostendeckende Beiträge der Versicherten zu veröffentlichen und einzuheben;

b. betreffend ihr Ambulatorium Informationsblätter, Aufklärungsbögen, Einwilligungs-erklärungen und Inhalte auf ihrer Website zur „Zahnbehandlung in Vollnarkose“ ohne Hinweis auf die Zahlung von Kostenbeiträgen für das Verabreichen von Vollnarkosen herauszugeben, zu verbreiten oder sonst zu veröffentlichen;

c. auf sonstige Weise, insbesondere durch persönliche oder telefonische Informationen, den Anschein zu erwecken, als würden in ihrem Zahnambulatorium in St. Pölten Vollnarkosen zur Zahnbehandlung ohne Einhebung und Zahlung von Kostenbeiträgen verabreicht werden.

Zur Begründung führte der Senat aus, dass die Beklagte offenkundig gegen § 153 Abs 3 ASVG verstoße. Danach seien kostendeckende Beiträge der Versicherten vorzusehen, wenn in Zahnambulatorien Leistungen erbracht würden, „die nicht Gegenstand des Gesamtvertrages oder der Satzung sind oder waren“. Dies sei gegenwärtig der Fall, weil weder Satzung noch Gesamtvertrag die strittigen Leistungen vorsähen. Es genüge, wenn die Beklagte die strittigen Leistungen in ihre Satzung aufnehme; dann könne sie sie auch in ihrem Ambulatorium kostenlos anbieten.

Die Beklagte änderte daraufhin ihre Satzung. Die Änderungen wurden vom Bundesministerium für Gesundheit genehmigt; die geänderte Fassung wurde auf der Website der Beklagten kundgemacht. Die Vollnarkose wird nun in Z 14 und Z 15 von Anhang 3 der Satzung angeführt. Dieser Anhang enthält jene Behandlungen, die nach § 32 Abs 3 der Satzung (nur) in Vertragseinrichtungen der Beklagten als Sachleistungen gewährt werden. Das hat zur Folge, dass die Vollnarkose weiterhin nicht als Sachleistung durch Vertragszahnärzte gewährt wird (§ 32 Abs 1 iVm Anhang 1) und dass ein Patient keinen Rechtsanspruch auf einen Zuschuss hat, wenn er diese Behandlung bei einem niedergelassenen Zahnarzt in Anspruch nimmt (§ 32 Abs 2 iVm Anhang 2). Vielmehr ist die Behandlung in Vertragseinrichtungen der Beklagten unter den im jeweiligen Vertrag genannten Voraussetzungen als Sachleistung zu erbringen; bei Behandlung in einer Wahleinrichtung (selbständiges Ambulatorium iSv § 2 Abs 1 Z 5 KAKuG) erstattet die Beklagte nach § 32 Abs 3 der Satzung bei gleichen Qualitätsstandards 80 % des Tarifs.

Auf dieser Grundlage beantragt die Beklagte die Aufhebung der einstweiligen Verfügung. Sie beabsichtige, die Vollnarkose nunmehr in Vertragseinrichtungen (nicht aber bei Vertragszahnärzten) und in eigenen Ambulatorien anzubieten; dies sei nun wegen der Änderung der Satzung jedenfalls zulässig. Dadurch hätten sich die Verhältnisse geändert, was nach § 399 Abs 1 Z 2 EO zur Aufhebung der einstweiligen Verfügung führe.

Die Kläger wenden ein, die Beklagte verstieße mit dem angekündigten Verhalten gegen das Gebot gleicher Bedingungen bei der Leistungserbringung. Die Änderung der Satzung sei rechtsmissbräuchlich erfolgt, weil sie nur dazu diene, der Beklagten die Fortsetzung des beanstandeten Verhaltens zu ermöglichen. Die Beklagte treffe die Verpflichtung, niedergelassene Ärzte in Bezug auf das Erbringen der strittigen Leistungen gleich zu behandeln wie Vertragseinrichtungen und ihre eigenen Ambulatorien.

Das Erstgericht hob die einstweilige Verfügung auf und wies die Klage in der Hauptsache ab. Aufgrund der Änderung der Satzung dürfe die Beklagte die Behandlung auch in ihrem eigenen Ambulatorium anbieten.

Die Kläger bekämpften das Urteil mit Berufung und verbanden damit einen Parteiantrag auf Normenkontrolle. Gegen den Beschluss auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung erhoben sie Rekurs.

Mit dem nun angefochtenen Beschluss bestätigte das Oberlandesgericht Wien als Rekursgericht die Aufhebung der einstweiligen Verfügung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei.

Zufolge Änderung der Rechtslage sei der Unterlassungsanspruch der Kläger weggefallen. Dies führe nach 17 Ob 11/08d zur Aufhebung der einstweiligen Verfügung nach § 399 Abs 1 Z 2 EO, und zwar entgegen König (Einstweilige Verfügungen4 [2012] Rz 8/18) auch dann, wenn die Verfügung nach § 24 UWG auch ohne Gefahrenbescheinigung erlassen werden konnte. Entgegen der Auffassung der Kläger sei die Formulierung in § 153 Abs 3 ASVG, wonach kostendeckende Beiträge für Leistungen vorzuschreiben sind, „die nicht Gegenstand des Gesamtvertrags sind oder waren“, dahin zu verstehen, dass das Vorsehen der Leistung in der aktuellen Fassung der Satzung ausreiche, um die Beitragspflicht entfallen zu lassen. Zwar könne eine sachlich nicht gerechtfertigte Satzung gegen Art 7 B-VG verstoßen und daher über Antrag vom Verfassungsgerichtshof aufzuheben sein. Das Rekursgericht sehe sich aber nicht veranlasst, im konkreten Fall einen solchen Antrag zu stellen. Denn es sei nicht unsachlich, wenn die Beklagte eine Vollnarkose aus Lenkungsgründen nur in einer Krankenanstalt oder einem selbständigen Ambulatorium für den Patienten kostenfrei stelle, nicht hingegen bei niedergelassenen Ärzten; dies insbesondere angesichts des Umstands, dass bei Komplikationen notfallmedizinische Maßnahmen erforderlich sein könnten und deren Durchführbarkeit in gewöhnlichen Ordinationen fraglich erscheine. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil keine Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob im Anwendungsbereich von § 24 UWG der Aufhebungsgrund nach § 399 Abs 1 Z 2 ASVG ausscheide.

Mit dem Verfahren über die Berufung der Kläger hielt das Oberlandesgericht Wien nach § 57a Abs 6 und § 62a Abs 6 VfGG bis zur Entscheidung über den von diesen erhobenen Parteiantrag auf Normenkontrolle inne.

Der Oberste Gerichtshof unterbrach das Verfahren über den Revisionsrekurs bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über den im Hauptverfahren erhobenen Parteiantrag auf Normenkontrolle. Darin hatten die Kläger die Aufhebung folgender Normen begehrt:

- des § 31 Abs 3 der Satzung 2011 der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse, idF der 8. Änderung der Satzung, 45/2015, und der 9. Änderung der Satzung, 103/2015,

- des Anhangs 3 der Satzung, in eventu der Wortfolge „14. Narkose/1 Stunde und 15. Narkose/weitere Stunde“, in Anhang 3 der Satzung,

- der Wortfolge „die nicht Gegenstand des Gesamtvertrages oder der Satzung sind oder waren“ in § 153 Abs 3 vierter Satz ASVG idF BGBl I 118/2015, in eventu der Wortfolge „oder der Satzung“ in § 153 Abs 3 vierter Satz ASVG idF BGBl I 118/2015,

- des § 84 ASVG idF BGBl I 118/2015, in eventu des § 84 Abs 6 ASVG idF BGBl I 118/2015.

Der Verfassungsgerichtshof wies mit Erkenntnis vom , AZ G 435/2015, V 124/2015, den Antrag in Bezug auf die Satzung und in Bezug auf § 84 ASVG zurück und in Bezug auf die Wortfolgen in § 153 Abs 3 ASVG ab.

§ 84 ASVG sei nicht präjudiziell für die gerichtliche Entscheidung. In Bezug auf die Satzung gehe aus dem Antrag nicht hervor, „in welchem Umfang und aus welchen Gründen die angegriffenen Satzungsbestimmungen gesetzwidrig sein sollen“; der Antrag unterlasse es auch, „konkrete verfassungsrechtliche Bedenken einzelnen Satzungsbestimmungen oder Teilen davon nachvollziehbar zuzuordnen“. In Bezug auf § 153 Abs 3 ASVG sei der Antrag zwar zulässig, aber nicht begründet. Die Antragsteller erblickten die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Wortfolge darin, dass sie es der Gebietskrankenkasse ermögliche, einerseits Leistungen willkürlich nicht in die Honorarordnung des Gesamtvertrags aufzunehmen, sie aber andererseits durch Aufnahme in die Satzung zu Vertragsleistungen zu machen und dadurch die Antragsteller und andere selbständig tätige niedergelassene Zahnärzte und Anästhesisten von der Leistungserbringung zu gleichen Bedingungen iSv § 153 Abs 3 zweiter Satz und „§ 153 Abs 2 erster und zweiter Satz ASVG“ (gemeint: § 135 Abs 2 erster und zweiter Satz ASVG) auszuschließen. Diese Prämisse treffe aber nicht zu:

„4.4.1. Leistungen, die im Gesamtvertrag nicht enthalten sind, dürfen von Vertragszahnärzten nicht auf Kassenkosten sondern nur als privat zu honorierende Leistungen erbracht werden. Nach der bis zum SVÄG 2012 geltenden Rechtslage sah § 153 Abs 3 ASVG insoweit einen absoluten Konkurrenzschutz zugunsten der niedergelassenen Zahnärzte vor: In Ambulatorien von Krankenversicherungsträgern durften solche Leistungen nicht erbracht werden.

4.4.2. Mit der Änderung des § 153 Abs 3 ASVG durch das SVÄG 2012 wurde dieser Konkurrenzschutz beseitigt: Seither dürfen auch Leistungen in Ambulatorien der Versicherungsträger erbracht werden, die im Gesamtvertrag nicht enthalten sind. Gemäß § 153 Abs 3 vierter Satz ASVG idF des 3. SRÄG 2009 lässt das Gesetz die Erbringung solcher Leistungen durch Ambulatorien der Versicherungsträger allerdings nur unter der Voraussetzung zu, dass vom Krankenversicherungsträger dafür kostendeckende Kostenbeiträge der Versicherten eingehoben werden, und zwar zu dem Zweck, dass es durch die Aufhebung des Konkurrenzschutzes zu keiner zusätzlichen finanziellen Belastung der Krankenversicherungsträger kommt (siehe dazu oben unter Pkt. II.5.1.: RV 2001 BlgNR 24. GP, 5).

4.4.3. Die antragstellenden Parteien vertreten nun die Auffassung, dass die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse zur Vermeidung dieser Verpflichtung zur Einhebung kostendeckender Honorare bei der Leistung der Narkose bei Zahnbehandlungen diese mittels der angefochtenen Satzungsbestimmung als satzungsgemäße Sachleistung geregelt hat. Diese Wirkung kommt der Satzung allein aber nicht zu:

4.4.3.1. Nach dem insoweit klaren Gesetzeswortlaut führt nämlich schon der Umstand, dass eine Leistung nicht Gegenstand des Gesamtvertrages ist, im kasseneigenen Ambulatorium zur Verpflichtung der Einhebung von Kostenbeiträgen. Das Entstehen dieser Verpflichtung setzt hingegen nicht voraus, dass die Leistung (gleichsam kumulativ) 'nicht Inhalt des Gesamtvertrages und nicht Inhalt der Satzung' ist. Nur in diesem Fall würde die Aufnahme der Leistung in die Satzung allein zur Vermeidung der Kostenbeitragspflicht ausreichen. Es verhält sich aber (arg. des Wortlautes 'oder der Satzung') gerade nicht so: Zur Sachleistungsgewährung durch Einrichtungen des Versicherungsträgers ohne Kostenbeitrag wäre vielmehr erforderlich, dass die Leistung Inhalt des Gesamtvertrages und der Satzung geworden wäre.

4.4.3.2. Gegen diese am Wortlaut des § 153 Abs 3 ASVG orientierte Auslegung spricht auch nicht die von der beteiligten Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse dargelegte Entstehungsgeschichte des § 153 Abs 3 ASVG. Schon der seinerzeitige Gesetzestext des § 153 Abs 3 ASVG idF der 29. Novelle zum ASVG, welcher lautete: 'In den Satzungen und im Vertrag nicht vorgesehene Leistungen dürfen in den Zahnambulatorien nicht erbracht werden;' ordnete – positiv formuliert – an, dass Leistungen nur dann in Zahnambulatorien erbracht werden dürfen, wenn sie 'in der Satzung und im Gesamtvertrag' vorgesehen waren. Schon das Fehlen einer Leistung im Katalog des Gesamtvertrages oder der Satzung (ein für den Fall der Aufnahme in den Gesamtvertrag allerdings wohl theoretischer Fall) führte zum Verbot, eine solche Leistung in Zahnambulatorien der Gebietskrankenkasse (dh. auf Kassenkosten) zu erbringen. Dafür spricht auch die zwischenzeitig in Geltung gestandene Formulierung der 55. Novelle zum ASVG, die nur auf den Gesamtvertrag abgestellt hat und sich mit dem Satz 'In gesamtvertraglichen Vereinbarungen (§§ 341, 343c Abs 1 Z 1 ASVG) nicht vorgesehene Leistungen dürfen in den Zahnambulatorien nicht erbracht werden' begnügte.

4.4.3.3. Konsequenterweise wird daher in der – im Gegensatz zur Fassung der 29. Novelle zum ASVG nunmehr insoweit positiven – Formulierung des § 153 Abs 3 ASVG in der Fassung des SVÄG 2012, BGBl I 123/2012, die nunmehr wieder in den Text aufgenommene Nennung von Gesamtvertrag und Satzung, nicht mit einem konjunktiven 'und' sondern mit dem disjunktiven 'oder' verknüpft. Dies führt aber zu dem oben dargelegten Auslegungsergebnis.

4.4.3.4. Es sprechen im Übrigen auch die eingangs wiedergegebenen Materialien (RV 2001 BlgNR 24. GP, 5) dagegen, dass es der Gesetzgeber aus Anlass der Aufgabe des bisherigen Konkurrenzschutzes nunmehr in das Belieben des satzungsgebenden Organs der Krankenversicherungsträger hätte stellen wollen, allein durch Aufnahme einer zahnmedizinischen Leistung in den Leistungskatalog der Satzung die Befugnis der Krankenversicherungsträger zur Erbringung von Sachleistungen zahnmedizinischer Art ohne Einhebung kostendeckender Kostenbeiträge zuzulassen.

4.4.4. § 153 Abs 3 ASVG hat also nicht den von den Antragstellern behaupteten Inhalt, von dem sie die Behauptung der Verfassungswidrigkeit ableiten.“/

Rechtliche Beurteilung

Nach Vorliegen dieses Erkenntnisses ist das Verfahren über den Revisionsrekurs der Kläger fortzusetzen. Das Rechtsmittel erweist sich als nicht zulässig.

1. Die vom Rekursgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage ist durch Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs geklärt.

1.1. Der (damalige) 17. Senat des Obersten Gerichtshofs hat in 17 Ob 11/08d (BUZZ! II,SZ 2008/68 = ÖBl 2009, 44 = ecolex 2009, 58 [Tonninger]) mit ausführlicher Begründung ausgesprochen, dass das Erlöschen des Anspruchs zum Wegfall des Sicherungsbedürfnisses iSv § 399 Abs 1 Z 2 EO und damit zur Aufhebung der einstweiligen Verfügung führt. Dem ist der 4. Senat gefolgt (4 Ob 59/11x, Verfahrensunterbrechung: „Ein ganz oder teilweise erloschener Anspruch bedarf [insoweit] keiner Sicherung mehr“; 4 Ob 19/10p, Technologieführer). Auch der 3. Senat nahm an, dass bei Erlöschen des Anspruchs (jedenfalls auch) ein Aufhebungsantrag möglich sei (3 Ob 213/13i).

1.2. Im Schrifttum wurde diese Rechtsprechung von König (Einstweilige Verfügungen4 [2012] Rz 8/17) ausdrücklich begrüßt. Hingegen äußerten sich Grünzweig (RdW 2008, 705) und E. Kodek (in Angst/Oberhammer, EO3 [2015] § 399 Rz 10)kritisch, weil damit § 399 Abs 1 Z 4 EO seinen Anwendungsbereich verliere. Der Senat sieht darin aber keinen Grund für ein Abgehen von 17 Ob 11/08d. Wie bereits in dieser Entscheidung ausgeführt, verstieße es gegen den Grundsatz der Waffengleichheit, wenn zwar der Kläger in einem Bescheinigungsverfahren eine einstweilige Verfügung erwirken kann, der Beklagte aber bei Erlöschen des Anspruchs (außer durch Erfüllung) auf die Oppositionsklage verwiesen wäre (ebenso König aaO). Zwar wird der Beklagte (auch) in diesem Fall über einen verschuldensunabhängigen Ersatzanspruch nach § 394 EO verfügen, wenn der Kläger weiterhin von der einstweiligen Verfügung Gebrauch macht. Insofern muss er jedoch einen Vermögensschaden nachweisen, sodass diese Möglichkeit wegen der damit verbundenen Beweisschwierigkeiten keinen vollständigen Ausgleich für das nach Grünzweig und E. Kodek erforderliche Bekämpfen der einstweiligen Verfügung mit Oppositionsklage bildet.

1.3. Grund für das (behauptete) Erlöschen des Anspruchs war in 17 Ob 11/08d der ungenutzte Ablauf einer Benutzungsschonfrist nach § 33a MSchG, also das nachträgliche Entstehen eines Einwands gegen den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch, wobei dieser Einwand auf neuen Tatsachen beruhte (Zeitablauf in Verbindung mit fehlenden Benutzungshandlungen). Der Wegfall der Unterlassungspflicht wegen einer Änderung der Rechtslage kann nicht anders beurteilt werden. Denn das Erlöschen des Anspruchs wegen einer Änderung der Rechtslage bildet bei Unterlassungsansprüchen ebenso wie das Erlöschen wegen neuer Tatsachen einen Oppositionsgrund (3 Ob 206/09d, Euroticket-Gewinnspiel, ecolex 2010, 271 [Woller]; RIS-Justiz RS0080961, vgl auch RIS-Justiz RS0047398 zur Änderung der Rechtslage bei Unterhaltsansprüchen). Mangels sachlicher Rechtfertigung für eine Unterscheidung folgt daraus, dass diese Gründe auch für die Anwendung von § 399 Abs 1 Z 2 EO gleich zu behandeln sind. Eine erhebliche Rechtsfrage stellt sich in diesem Zusammenhang nicht.

1.4. Als Zulassungsgrund nennt das Rekursgericht eine Formulierung von König (Einstweilige Verfügungen4 Rz 8/18), wonach „bei (Sonder-)Tatbeständen, die vom Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses absehen (§§ 382f, 382h EO; § 74 ASGG; § 24 UWG)“, die Aufhebung nach § 399 Abs 1 Z 2 EO „im engeren Anwendungsbereich“ wohl nicht in Betracht komme. Damit bezieht sich dieser Autor aber ganz offenkundig darauf, dass der Wegfall von Gefährdung oder Eilbedürftigkeit selbstverständlich dann nicht zur Aufhebung einer einstweiligen Verfügung führen kann, wenn aufgrund einer Sonderregelung schon deren Erlassung nicht von diesen Voraussetzungen abhängig war. Das nachträgliche Erlöschen des Anspruchs ist von dieser Argumentation nicht erfasst. Das ergibt sich einerseits aus Königs Hinweis auf den „engeren Anwendungsbereich“ der Bestimmung, womit er offenkundig auf den Wegfall des Sicherungsbedürfnisses wegen nicht mehr bestehender Anspruchsgefährdung Bezug nimmt, andererseits aus dessen Billigung der Entscheidung 17 Ob 11/08d, die ebenfalls eine ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 381 EO zu erlassende einstweilige Verfügung betraf (§ 56 Abs 3 MSchG). Zudem hat der Senat die Anwendung von § 399 Abs 1 Z 2 EO bei Erlöschen des Anspruchs ohnehin auch schon für einstweilige Verfügungen im Lauterkeitsrecht bejaht (4 Ob 19/10p). Auch insofern liegt daher keine erhebliche Rechtsfrage vor.

2. Die Auffassung des Rekursgerichts, die Unterlassungspflicht sei zufolge Änderung der Rechtslage erloschen, ist nicht zu beanstanden.

2.1. Die Kläger stützen ihren lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruch auf einen Verstoß der Beklagten gegen § 153 Abs 3 ASVG. Dieser Anspruch setzt nach der Rechtsprechung des Senats auch dann, wenn er sich gegen privatwirtschaftliches Handeln der öffentlichen Hand wendet, die Unvertretbarkeit der dem beanstandeten Verhalten zugrunde liegenden Rechtsansicht voraus (4 Ob 67/11y, Einzige Anbieterin für Konsumentenschutz II, RdW 2012, 89 [Kriwanek] = wbl 2012, 169 [Schuhmacher]). Die Kritik an dieser Rechtsprechung (Schuhmacher aaO) gründet sich – abgesehen von der grundsätzlichen Ablehnung des Vertretbarkeitsstandards – in erster Linie darauf, dass sich der Normsetzer nicht auf die Unklarheit seiner eigenen Norm berufen dürfe. Das mag erwägenswert sein, wenn der Normsetzer selbst auf Unterlassung in Anspruch genommen wird; bei der privatwirtschaftlichen Tätigkeit eines Selbstverwaltungskörpers, der nach dem Klagevorbringen gegen eine nicht von ihm selbst gesetzte Norm (§ 153 Abs 3 Satz 4 ASVG) verstößt, greift diese Argumentation aber nicht. Es besteht daher jedenfalls im vorliegenden Fall kein Anlass, vom Vertretbarkeitsstandard abzugehen.

2.2. Bei Beurteilung der lauterkeitsrechtlichen Vertretbarkeit einer Rechtsansicht durch den Obersten Gerichtshof sind zwei Prüfungsstufen zu unterscheiden: Schon auf der ersten – für die Beurteilung durch die Vorinstanzen nach § 1 UWG maßgebenden – Stufe geht es nur um die Frage nach einer vertretbaren Auslegung der angeblich übertretenen Norm. Auf der zweiten – für die zulässige Anfechtung einer Entscheidung nach § 502 Abs 1 oder § 528 Abs 1 ZPO hinzutretenden - Stufe geht es sodann nicht um die Frage, ob das Gericht zweiter Instanz die Vertretbarkeitsfrage richtig, sondern nur, ob es sie vertretbar, also ohne krasse Fehlbeurteilung gelöst hat (4 Ob 118/08v; RIS-Justiz RS0124004; zuletzt etwa 4 Ob 47/16i). Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Gericht zweiter Instanz – wie hier – das Vorliegen eines Unterlassungsanspruchs wegen Vertretbarkeit der zugrunde liegenden Rechtsansicht verneint hat (4 Ob 40/09z, Lademulden, ÖBl-LS 2009/239 [Mildner] = ecolex 2009, 881 [Tonninger]).

2.3. Im konkreten Fall hat das Rekursgericht die Auffassung der Beklagten, wegen Änderung der Satzung nach § 153 Abs 3 ASVG zur Leistungserbringung ohne Kostenbeitrag berechtigt zu sein, sogar als richtig bezeichnet. Das impliziert jedenfalls die Vertretbarkeit dieser Auffassung. Es ist daher zu prüfen, ob diese Rechtsansicht des Rekursgerichts ihrerseits vertretbar ist. Dass der Verfassungsgerichtshof die zugrunde liegende Bestimmung (§ 153 Abs 3 Satz 4 ASVG) anders auslegt als das Rekursgericht, das insofern den Ausführungen des Senats im Sicherungsverfahren folgte (4 Ob 234/14m), steht dieser Prüfung nicht entgegen:

(a) Einerseits ist Beurteilungsstandard im Lauterkeitsprozess, wie dargelegt, nicht die Richtigkeit, sondern bloß die Vertretbarkeit einer Rechtsansicht. Vertretbarkeit könnte auch dann vorliegen, wenn die gegenteilige Auslegung durch den Verfassungsgerichtshof die besseren Gründe für sich hätte. Denn der Vollzug des ASVG obliegt auf einfachgesetzlicher Ebene je nach Materie dem Obersten Gerichtshof und dem Verwaltungsgerichtshof; die Vertretbarkeit einer Rechtsansicht wäre daher – außer bei eindeutigem Wortlaut und Zweck der Norm (4 Ob 14/10b, Camelbase-Events, ÖBl 2010, 224; RIS-Justiz RS0123239 [T8]) – nur dann ausgeschlossen, wenn das für die Anwendung des einfachen Gesetzes jeweils zuständige Höchstgericht gegenteilig entschieden hätte.

(b) Andererseits sind die Gerichte nach Art 139 Abs 6 und Art 140 Abs 7 B-VG nur an den Spruch eines aufhebenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs gebunden. Eine Bindung an dessen Auslegung der bekämpften Norm ergibt sich daraus nicht (Rohregger in Korinek ua, Österreichisches Bundesverfassungsrecht Art 140 Rz 269; Schäffer/Kneihs in Rill-Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht Art 140 Rz 52 [FN 259] und Rz 87; speziell zum Parteiantrag auf Normenkontrolle Frank, Gesetzesbeschwerde [2015] 174 mwN in FN 700; vgl auch 6 Ob 243/01f). Selbst wenn es daher hier auf die Richtigkeit der dem beanstandeten Verhalten zugrunde liegenden Rechtsansicht ankäme, wäre diese von den ordentlichen Gerichten ohne Bindung an die Auffassung des Verfassungsgerichtshofs zu prüfen.

2.4. Im konkreten Fall ist die Rechtsansicht des Rekursgerichts jedenfalls vertretbar.

(a) § 153 Abs 3 Satz 4 ASVG lautet wie folgt:

Werden in Zahnambulatorien der Versicherungsträger Leistungen, die nicht Gegenstand des Gesamtvertrages oder der Satzung sind oder waren, sowie Maßnahmen zur Vorbeugung von Erkrankungen der Zähne, des Mundes und der Kiefer einschließlich der dazugehörigen Gewebe erbracht, so sind dafür Kostenbeiträge der Versicherten vorzusehen.

Die Wortlautinterpretation ergibt Folgendes: Kostenbeiträge sind daher nicht für alle zahnärztlichen Leistungen einzuheben, sondern nur für solche, die unter den Gliedsatz fallen, somit für solche, die nicht Gegenstand der Satzung oder des Gesamtvertrags sind. Wird gefragt, für welche Leistungen keine Kostenbeiträge einzuheben sind, ist das logische Gegenteil dieser Anordnung zu formulieren, und zwar durch Verneinung sowohl des Haupt- als auch des Gliedsatzes: Kostenbeiträge sind nicht für Leistungen einzuheben, die nichtnicht (doppelte Negation) Gegenstand der Satzung oder des Gesamtvertrags sind. Da die doppelte Negation in sprachlogischer Sicht als Bejahung zu verstehen ist, kann dieser Satz umformuliert werden: Ein Kostenbeitrag ist nicht einzuheben für Leistungen, die Gegenstand der Satzung oder des Gesamtvertrags sind. Es genügt somit die Regelung dieser Leistungen in einer der genannten Rechtsquellen. Der Wortlaut der Bestimmung spricht daher – anders als vom Verfassungsgerichtshof angenommen, aber wie bereits der Entscheidung 4 Ob 234/14m zugrunde gelegt – eindeutig dafür, dass schon die Aufnahme einer Leistung nur in die Satzung zum Entfall der Kostenbeitragspflicht führt. Diese Auffassung wird dadurch gestützt, dass das zweite „oder“ im Gliedsatz („oder waren“) ohne jeden Zweifel dahin verstanden wird, dass alternativ das Vorsehen der Leistungen nach früherem oder aktuellem Recht zum Entfall der Beitragspflicht führt (Windisch-Grätz in Mosler/Müller/Pfeil, SV-Komm § 153 Rz 23). Ein Grund, weshalb das erste „oder“ anders zu verstehen wäre, ist nicht erkennbar.

(b) Auch frühere Fassungen der Bestimmung sprechen – anders als vom Verfassungsgerichtshof angenommen – nicht gegen diese Auslegung. Aus § 153 Abs 3 ASVG idF der 29. ASVG-Novelle („In den Satzungen und im Vertrag nicht vorgesehene Leistungen dürfen in den Zahnambulatorien nicht erbracht werden […]“) war zwar abzuleiten, dass Leistungen nur dann in Zahnambulatorien erbracht werden dürfen, wenn sie in der Satzung und im Gesamtvertrag vorgesehen waren; dies jedoch deswegen, weil der Gesetzgeber dort – anders als in der geltenden Fassung – die Konjunktion „und“ gewählt hatte. Die Formulierung des § 153 Abs 3 ASVG idF der 55. ASVG-Novelle stellte zwar tatsächlich nur auf den Gesamtvertrag ab. Wenn die nun geltende Fassung demgegenüber zusätzlich – mit „oder“ verknüpft – auch die Satzung nennt, kann dies aber nur dahin ausgelegt werden, dass nunmehr die Aufnahme der Leistung nur in die Satzung ausreicht.

(c) Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass der Zweck oder die historische Zielsetzung der Norm eine andere Auslegung ebenfalls als vertretbar erscheinen lässt. Aus den Materialien ist das jedoch nicht abzuleiten: In der Regierungsvorlage heißt es dazu lediglich, dass für jene Leistungen, die nun von den Ambulatorien erbracht werden dürften und die nicht durch Gesamtvertrag oder die Satzung geregelt seien, vom Versicherungsträger kostendeckende Kostenbeiträge der Versicherten vorzusehen seien, sodass die vorgesehenen Maßnahmen zu keiner Kostenbelastung der Zahnambulatorien und der sozialen Krankenversicherung führen (2001 BlgNR 24. GP, 5). Das vom Verfassungsgerichtshof angeführte Ziel eines Wettbewerbsschutzes zugunsten niedergelassener Ärzte, das offenkundig früheren Fassungen dieser Bestimmung zugrunde lag (vgl 1234 BlgNR 20. GP, 33), wird damit gerade nicht angesprochen. Vielmehr geht es um die Vermeidung zusätzlicher Kosten für die Sozialversicherungsträger; diese sollen nicht mehr Leistungen selbst (in Ambulatorien) unentgeltlich erbringen, als sie aufgrund von Gesamtvertrag oder Satzung durch ihre Vertragspartner erbringen lassen. Erweitert sich das Leistungsspektrum der Vertragspartner, so gilt das auch für die Möglichkeit eines unentgeltlichen Angebots durch die Sozialversicherungsträger selbst.

(d) § 153 Abs 3 Satz 4 ASVG verlangt freilich nicht, dass die strittigen Leistungen aufgrund von Satzung oder Gesamtvertrag auch von niedergelassenen Ärzten auf Kosten des Sozialversicherungsträgers erbracht werden könnten. Denn Vertragspartner der Kasse sind auch Vertragseinrichtungen iSv § 32 Abs 3 der Satzung, also insbesondere selbständige Ambulatorien iSv § 2 Abs 1 Z 5 KAKuG. Dabei handelt es sich trotz der typischerweise nur ambulanten Behandlung um Krankenanstalten. Es ist nicht von vornherein unsachlich, wenn die Satzung bestimmte Leistungen (bzw deren Finanzierung) aufgrund von deren Schwierigkeit und der damit verbundenen Gefährlichkeit Krankenanstalten vorbehält und daher – hier durch Aufnahme der Leistungen in Anhang 3 der Satzung – nur eine Sachleistung durch Vertragseinrichtungen, nicht aber durch niedergelassene Ärzte vorsieht. Dieses Konzept liegt § 32 Abs 3 der Satzung zugrunde, wonach es (zusammengefasst) Leistungen gibt, die als Sachleistungen ausschließlich in Vertragseinrichtungen erbracht werden und bei denen eine Erstattung von 80 % des Tarifs nur dann vorgesehen ist, wenn sie in gleichwertigen Wahleinrichtungen (also wiederum in Krankenanstalten) erbracht werden. Auch die Mustersatzung des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger (§ 455 Abs 2 ASVG) enthält in § 32 Abs 3 eine entsprechende Variante.

(e) Auf dieser Grundlage kann aber die dem beanstandeten (beabsichtigten) Verhalten zugrunde liegende Rechtsansicht jedenfalls als vertretbar angesehen werden (oben 2.2.). Eine erhebliche Rechtsfrage liegt daher auch in diesem Punkt nicht vor.

3. Präjudiziell für diese Entscheidung sind § 153 Abs 3 Satz 4 ASVG sowie § 32 Abs 3 iVm Z 14 und Z 15 Anhang 3 der Satzung. Der insofern von den Klägern erhobene Parteiantrag auf Normenkontrolle ist gescheitert. Der Senat sieht sich auch durch die Ausführungen im Revisionsrekurs nicht veranlasst, diese Bestimmungen (neuerlich) beim Verfassungsgerichtshof anzufechten.

3.1. Gegen die Gesetzmäßigkeit von § 32 Abs 3 der Satzung sowie des darauf beruhenden Anhangs 3 spricht zwar vordergründig § 135 Abs 2 ASVG. Diese Bestimmung lautet:

„In der Regel soll die Auswahl zwischen mindestens zwei zur Behandlung berufenen, für den Erkrankten in angemessener Zeit erreichbaren Ärzten oder Gruppenpraxen freigestellt sein. Bestehen bei einem Versicherungsträger eigene Einrichtungen für die Gewährung der ärztlichen Hilfe oder wird diese durch Vertragseinrichtungen gewährt, muss die Wahl der Behandlung zwischen einer dieser Einrichtungen und einem oder mehreren Vertragsärzten (Wahlärzten) bzw. einer oder mehreren Vertrags-Gruppenpraxen (Wahl-Gruppenpraxen) unter gleichen Bedingungen freigestellt sein. Insoweit Zuzahlungen zu den Leistungen vorgesehen sind, müssen diese in den Ambulatorien, bei den freiberuflich tätigen Vertragsärzten und in den Vertrags-Gruppenpraxen gleich hoch sein.“

Aus dem Wortlaut von Satz 1 und 2 dieser Bestimmung könnte zwar abgeleitet werden, dass Sachleistungen durch Vertragseinrichtungen nur zulässig sind, wenn Versicherte dieselben Sachleistungen auch bei Vertragsärzten in Anspruch nehmen können, ihnen also die „Wahl“ offen steht. Genau dieses Vorbringen haben die Kläger aber schon in ihrem Parteiantrag auf Normenkontrolle erstattet (vgl das Referat des Vorbringens in Punkt 2 des Erkenntnisses: „Dadurch verstößt die NÖGKK auch gegen die freie Arztwahl und Zahnbehandlung unter gleichen Bedingungen, die gesetzlich in § 153 Abs 3 idF SVÄG 2012, BGBl I Nr 123/2012 und in bzw. in Verbindung mit § 135 Abs 2 1. und 2. Satz leg cit geregelt ist“). Der Verfassungsgerichtshof war jedoch der Auffassung, dass damit nicht dargetan sei, aus welchem Grund die Satzung gegen ein Gesetz verstoße. Da der hier erkennende Senat über keine weiteren Argumente für eine allfällige Gesetzwidrigkeit verfügt, scheidet damit eine (neuerliche) Anfechtung einzelner Satzungsbestimmungen von vornherein aus.

3.2. Abgesehen davon bestehen auch in der Sache keine Bedenken in Bezug auf die Gesetzmäßigkeit der Satzung. Denn § 135 Abs 2 ASVG ist schon wegen seiner einleitenden Formulierung („In der Regel ...“), aber auch aus teleologischen Erwägungen dahin auszulegen, dass die darin vorgesehene Wahlmöglichkeit nur dann bestehen muss, wenn die strittigen Leistungen grundsätzlich in gleicher Weise und mit gleicher Sicherheit auch durch niedergelassene Ärzte erbracht werden können; soweit das nicht zutrifft, kann die Satzung daher für Vertragseinrichtungen – also für Krankenanstalten mit entsprechenden Sicherheits- und Behandlungsstandards – auch ein weitergehendes Leistungsspektrum vorsehen. Dieses Verständnis liegt offenkundig auch § 32 Abs 3 der Mustersatzung des Hauptverbands zugrunde. Die Auffassung, dass schwierige und daher komplikationsträchtige Behandlungen wie eine Allgemeinanästhesie unter diese Ausnahme fallen, überschreitet den insofern bestehenden Beurteilungsspielraum des Verordnungsgebers nicht.

3.3. § 153 Abs 3 Satz 4 ASVG ist als solcher unbedenklich, weil er letztlich – je nach Gestaltung der Satzung und/oder des Gesamtvertrags – zu einer Gleichbehandlung des Sozialversicherungsträgers mit Vertragsärzten oder Vertragseinrichtungen führt. Zu einem verfassungswidrigen Ergebnis könnte allenfalls eine Regelung in einer Satzung führen, die bestimmte Leistungen – anders als hier – ohne sachliche Rechtfertigung den Vertragseinrichtungen vorbehält. Sitz der Verfassungswidrigkeit wäre dann aber diese – dann auch gesetzwidrige (§ 135 Abs 2 ASVG) – Satzungsbestimmung, nicht § 153 Abs 3 Satz 4 ASVG als solcher.

4. Aus diesen Gründen ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 ZPO. Da die Beklagte auf die Unzulässigkeit hingewiesen hat, haben ihr die Kläger die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.

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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00053.16X.0712.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
YAAAD-60394