OGH vom 23.05.2001, 3Ob273/00v

OGH vom 23.05.2001, 3Ob273/00v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Julia P*****, geboren am , über die außerordentlichen Revisionsrekurse der Mutter Andrea P*****, "als alleinig Obsorgeberechtigte der minderjährigen Julia", vertreten durch Rechtsanwälte Partnerschaft Beck & Krist in Mödling, und des Vaters Dr. Reinald P*****, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 45 R 434/99b-268, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentlichen Revisionsrekurse der Eltern werden zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Regelung des Besuchsrechts des ehelichen Vaters der am geborenen Minderjährigen ist seit Jahren Gegenstand des gerichtlichen Pflegschaftsverfahrens. Nach dem Vergleich vom (ON 95) steht dem Vater ein Besuchsrecht an jedem zweiten Samstag von 9 Uhr bis 18 Uhr und für den Fall, dass dessen Ausübung aus in der Person der Minderjährigen gelegenen Gründen entfällt, ein Ersatzbesuchsrecht an dem dem Besuchssamstag folgenden Samstag zu.

Nachdem der erkennende Senat mit dem Beschluss ON 181 vom , 3 Ob 83/98x, die Entscheidungen der Vorinstanzen teilweise aufgehoben hatte, regelte das Erstgericht das schon bisher nach dem Beschluss des Rekursgerichtes ON 184 bestehend sonntägige Besuchsrecht des Vaters näher, wies aber den Antrag auf Ausdehnung auf die Zeit von Freitag zwischen 14 und 16.30 Uhr bis zum darauffolgenden Montag um 7.50 Uhr (14-tägig) und von Donnerstag zwischen 15.30 Uhr und 17 Uhr bis Freitag 7.50 Uhr (14-tägig) ab (Punkt 1.). Weiters erkannte es dem Vater ein Ferienbesuchsrecht im Ausmaß von je einer Woche während der Sommer- und Weihnachtsferien zu (Punkt 2.) und wies ein darüber hinausgehendes Begehren ab (Punkt 3.). Schließlich wies es die Anträge des Vaters auf Verhängung von Zwangsmaßnahmen gegen die Mutter ab (Punkt 4.).

Mit dem angefochtenen Beschluss bestätigte das Rekursgericht über Rekurs des Vaters den angefochtenen Beschluss in seinen Punkten 3. und 4. und änderte ihn in seinem Punkt 1. dahin ab, dass das 14-tägige Wochenendbesuchsrecht auf die Zeit vom Samstag nach dem Unterricht bis Sonntag 19 Uhr ausgedehnt wurde.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung richten sich die außerordentlichen Revisionsrekurse des Vaters und der Mutter "als alleiniger Obsorgeberechtigter der minderjährigen Julia".

Die Revisionsrekurse sind jedoch mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Soweit die Mutter in ihrem Rechtsmittel geltend macht, es fehle an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dazu, ob es sich bei der Altersgrenze von 14 Jahren, unter der es auf den Willen des Kindes nach der Entscheidung EFSlg 74.998 nicht ankomme, um eine absolute Grenze handle oder ob bei der Entscheidung auf die konkreten Umstände des Einzelfalles abzustellen sei. Insbesondere fehle auch eine Rechtsprechung dazu, ob eine nahezu 12 1/2 Jahre alte Minderjährige, bei der im konkreten Fall gleich einer über 14-Jährigen Einsicht und Urteilsfähigkeit gegeben sei, den persönlichen Verkehr mit dem nicht obsorgeberechtigten Elternteil (allenfalls auch unbegründet) ablehnen könne.

Berücksichtigt man, dass die mj Julia zur Zeit der Entscheidung der ersten Instanz am noch nicht einmal das 12. Lebensjahr vollendet hatte und es nicht Sache des Obersten Gerichtshofs ist, rein theoretische Rechtsfragen zu beantworten, liegen hinsichtlich der zweiten der dargestellten Rechtsfragen die Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG keinesfalls vor. Was die andere Frage angeht, ergibt sich inzwischen aus der Entscheidung 6 Ob 173/00k vom , dass die Mündigkeit keine starre Grenze für die Beachtlichkeit der Verweigerung des persönlichen Verkehrs durch Minderjährige darstellt (in diesem Sinn nunmehr auch Stabentheiner in Rummel, ABGB3 Rz 3 zu § 148). Ob die Weigerung einer bei ihrer Befragung noch nicht 11 1/2 Jahre alten Unmündigen zu beachten ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, weshalb dieser Frage, ebenso wie generell jener, inwieweit einem Elternteil unter Bedachtnahme auf Persönlichkeit, Eigenschaften und Lebensumstände das Besuchsrecht eingeräumt werden soll, keine Bedeutung im Sinn des § 14 Abs 1 AußStrG zukommt (RIS-Justiz RS0097114).

Im Hinblick auf die zuletzt zitierten Entscheidungen kann auch dem außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters nicht dahin gefolgt werden, dass die Entscheidung des Rekursgerichts über das Ausmaß des väterlichen Besuchsrechts von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abweicht. Gerade auch die vom Vater zitierte Entscheidung 9 Ob 2024/96d (insoweit nicht veröffentlicht in EF 80.977) folgt der zitierten Rechtsprechung über die entscheidende Bedeutung des Einzelfalls. Darüber hinaus wird ihr Leitsatz vom Vater insofern unrichtig wiedergegeben, als die von ihm genannten Besuchszeiten nach dieser Entscheidung nicht als dem Kindeswohl "entsprechend" bezeichnet werden. Vielmehr wird ausgesprochen, dass ein Besuchsrecht in diesem Ausmaß jedenfalls zur Aufrechterhaltung der auf der Blutsverwandtschaft beruhenden Verbindung ausreiche. Dass ein Besuchsrecht eines im 12. Lebensjahr stehenden Kindes jedenfalls dieses Ausmaß erreichen müsse, ergibt sich aus der Entscheidung keineswegs.

Zu den Grundsätzen der Verhängung von Beugestrafen wegen Vereitelung des Besuchsrechts hat der Oberste Gerichtshof unter anderem in der Entscheidung EFSlg 42.404/4 = EvBl 1982/78 ausführlich Stellung genommen. Darin wird auch dargestellt, dass im Einzelfall ein Widerstreit der grundsätzlichen Interessen an einem unmittelbaren, raschen Vollzug einerseits und an der tunlichsten Vermeidung materiell unangemessener Vollzugsakte andererseits bestehen kann, welchen das Gericht mangels näherer Ausnormung des Verfahrens nach richterlichem Ermessen zu lösen hat. Demnach kommt in der Regel auch der Frage, ob im Einzelfall eine Zwangsmaßnahme zu verhängen ist, keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und damit auch nicht die Qualität einer Rechtsfrage nach § 14 Abs 1 AußStrG zu.

Die Revisionsrekurse waren somit zurückzuweisen.