OGH vom 15.06.1976, 4Ob52/76
Norm
Entgeltfortzahlungsgesetz § 2;
Kopf
SZ 49/80
Spruch
Abgesehen von dem im § 2 Abs. 5 Satz 3 EFZG geregelten Ausnahmefall begrundet der Beginn eines neuen Arbeitsjahres keinen neuerlichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen Arbeitsverhinderung durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit
(LGZ Wien 44 Cg 43/76; ArbG Wien 2 Cr 336/75)
Text
Der Kläger ist seit bei der beklagten Partei als Maler beschäftigt.
Er erlitt am einen Arbeitsunfall und war dadurch bis an der Arbeitsleistung verhindert. Die beklagte Partei zahlte während dieser Arbeitsverhinderung des Klägers das Entgelt für acht Wochen. Der Kläger begehrt das Entgelt für weitere acht Wochen, weil er mit Beginn des neuen Arbeitsjahres () neuerlich Anspruch auf Fortzahlung des Entgeltes für die Dauer von acht Wochen habe.
Die beklagte Partei beantragte Abweisung dieses Begehrens, weil der Kläger für die durch den Arbeitsunfall bedingte Arbeitsverhinderung unabhängig von der Dauer des Arbeitsjahres nur einmal den Anspruch auf Fortzahlung des Entgeltes durch acht Wochen habe.
Das Erstgericht teilte diese Auffassung und wies das Klagebegehren ab. Die Berufung des Klägers blieb aus demselben Grund erfolglos. Das Berufungsgericht lehnte insbesondere eine analoge Anwendung der Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes über die Ansprüche des Dienstnehmers bei einer Dienstverhinderung durch Krankheit oder Unglücksfall auf den Fall einer Dienstverhinderung durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit ab, da dieser Fall im Gesetz ausdrücklich anders geregelt sei als der erstangeführte; diese ausdrückliche Regelung sei eine abschließende, so daß die die den erstgenannten Fall betreffenden Bestimmungen darauf nicht angewendet werden könnten.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revision vertritt im wesentlichen den Standpunkt, daß die Bestimmung des § 2 Abs. 4 EFZG, wonach bei wiederholter Arbeitsverhinderung durch Krankheit (Unglücksfall) innerhalb eines Arbeitsjahres ein Anspruch auf Fortzahlung des Entgeltes nur insoweit besteht, als die Dauer des Anspruches gemäß Abs. 1 noch nicht erschöpft ist und aus dem sich daher ergebe, daß der Dienstnehmer mit Beginn des neuen Arbeitsjahres neuerlich den vollen Anspruch nach Abs. 1 dieses Gesetzes habe, auch auf eine Arbeitsverhinderung durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit angewendet werden müsse, weil § 2 Abs. 5 Satz 3 EFZG eine gleiche Regelung für den Fall einer wiederholten Arbeitsverhinderung enthalte.
Dieser Auffassung stehen aber der Wortlaut des Gesetzes und die erkennbare Absicht des Gesetzgebers entgegen. § 2 des EFZG (BGBl. 399/1974) regelt zunächst im Abs. 1 den Anspruch des Arbeitnehmers auf Fortzahlung des Entgeltes bei Arbeitsverhinderung durch Krankheit (Unglücksfall) und bestimmt dazu im Abs. 4, daß dieser Anspruch bei wiederholter Arbeitsverhinderung durch Krankheit(Unglücksfall) innerhalb eines Arbeitsjahres nur soweit besteht, als die im Abs. 1 festgelegte Dauer noch nicht erschöpft ist. Dagegen wird der Anspruch des Arbeitnehmers bei einer Arbeitsverhinderung durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit im Sinn der Vorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung davon verschieden im Abs. 5 dieses Gesetzes geregelt und dabei hervorgehoben, daß dieser Anspruch ohne Rücksicht auf andere Zeiten einer Arbeitsverhinderung besteht. Im dritten Satz dieses Absatzes (der in der Regierungsvorlage - 1105 BlgNR, XIII. GP - noch nicht enthalten war) wird für den Fall wiederholter Arbeitsverhinderungen, die in unmittelbarem ursächlichem Zusammenhang mit einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit stehen, bestimmt, daß der Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts innerhalb eines Arbeitsjahres nur insoweit besteht, als dessen Dauer nach dem ersten und zweiten Satz dieses Absatzes noch nicht erschöpft ist. Zu diesen Bestimmungen betonen schon die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (13), daß für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten eine "Sonderregelung" bestehe, der Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung durch Krankheit oder Unglücksfall auf das Arbeitsjahr, der Anspruch bei Arbeitsunfall oder Berufskrankheit jedoch auf den jeweiligen (Arbeitsunfall oder Berufskrankheit) Fall - unabhängig vom Arbeitsjahr - abgestellt sei. Diese Absicht kommt auch im Wortlaut der angeführten Bestimmungen klar zum Ausdruck. Die getrennte Behandlung der Arbeitsverhinderung durch Krankheit (Unglücksfall) einerseits und durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit andererseits wird vor allem dadurch hervorgehoben, daß der Anspruch im letzten Fall "ohne Rücksicht auf andere Zeiten einer Arbeitsverhinderung" festgelegt wird und daß bei einer (im vorliegenden Fall nicht gegebenen) wiederholten Arbeitsverhinderung, die in unmittelbarem ursächlichem Zusammenhang mit einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit steht, der Anspruch auf Fortzahlung des Entgeltes innerhalb eines Arbeitsjahres nur soweit bestehen soll, als die Dauer des Anspruches nach dem ersten und zweiten Satz des Abs. 5 noch nicht erschöpft ist. Diese Bestimmung wäre nicht notwendig gewesen, wenn ohnehin die Bestimmung des Abs. 4 auch für den Anspruch auf Fortzahlung des Entgeltes bei Arbeitsverhinderung durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit allgemein anzuwenden wäre. Da dem die getrennte Behandlung das Fortzahlungsanspruches bei Arbeitsverhinderung durch Krankheit (Unglücksfall) einerseits und durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit andererseits entgegensteht (siehe auch Krejci, Kommentar zum EFZG, 56, 59; Stummvoll, Ind. 1974, Heft 7/8, 2 ff., Weißenberg, ÖGB-Schriftenreihe EFZG, 15, 19), kann der dritte Satz des Abs. 5 des § 2 EFZG nur als eine besondere Regelung des Anspruches auf Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit für den Fall angesehen werden, daß das betreffende Ereignis nicht eine ununterbrochene Arbeitsverhinderung, sondern wiederholte Arbeitsverhinderungen auslöst, die aber alle mit diesem Ereignis in einem unmittelbaren ursächlichen Zusammenhang stehen (so auch Stummvoll, 5). Es kann daher aus dieser Bestimmung nicht abgeleitet werden, daß der im ersten und zweiten Satz des Abs. 5 des § 2 EFZG festgelegte Umfang des Anspruches bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten im Sinne der Auffassung der Revision in der Weise erweitert würde, daß der Anspruch mit Beginn eines neuen Arbeitsjahres wieder voll zustunde. Dieser Anspruch ist vielmehr grundsätzlich auf das Ereignis abgestellt und wird dadurch, ob der Beginn eines neuen Arbeitsjahres in die Zeit der Dienstverhinderung fällt - ausgenommen den bereits erwähnten Satz 3 des Abs. 5 des § 2 EFZG - nicht beeinflußt. Der Beginn eines neuen Arbeitsjahres begrundet daher keinen neuerlichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen Arbeitsverhinderung durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit. Die in der Revision angestellten rechtspolitischen Überlegungen über die Zweckmäßigkeit der getroffenen Regelung ändern nichts daran, daß deren Inhalt im Gesetz klar festgelegt ist und nur dieser für die rechtliche Beurteilung maßgeblich ist. Zu bemerken ist dazu nur, daß die Frage, ob die Regelung bei Arbeitsverhinderung durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit gegenüber der Regelung bei Arbeitsverhinderung durch Krankheit (Unglücksfall) günstiger ist, nach der Bedeutung des gesamten Inhaltes und nicht darnach zu beurteilen ist, ob sich ein Fall konstruieren läßt, in welchem der Arbeitnehmer bei Krankheit besser gestellt werde als bei einem Arbeitsunfall. Wird dies berücksichtigt, kann nicht übersehen werden, daß die Regelung des Anspruches auf Fortzahlung des Entgeltes bei Arbeitsverhinderung durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit für den Arbeitnehmer sehr wesentliche und bedeutende Vorteile gegenüber jener bei Arbeitsverhinderung durch Krankheit (Unglücksfall) bietet, weil die Wartezeit von 14 Tagen entfällt, die Anspruchsdauer größer ist (8 bis 10 Wochen gegenüber 4 bis 10 Wochen) und der Anspruch bei jedem Ereignis (Arbeitsunfall oder Berufskrankheit) grundsätzlich unabhängig davon voll zusteht, ob der Dienstnehmer im betreffenden Arbeitsjahr schon Entgeltfortzahlungsansprüche verbrauchte. Die Auffassung der Revision, daß sozialpolitische Überlegungen eine analoge Anwendung der Bestimmung des § 2 Abs. 4 EFZG auf den Fall einer Arbeitsverhinderung durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit erforderten, ist daher auch sachlich nicht überzeugend.