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OGH vom 28.03.2017, 4Ob52/17a

OGH vom 28.03.2017, 4Ob52/17a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des H***** M*****, vertreten durch die Sachwalterin Dr. Christiane Bobek, Rechtsanwältin, *****, über den Revisionsrekurs der Sachwalterin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 45 R 174/16w-103, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom , GZ 26 P 104/14t-88, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass Punkt 1. des erstgerichtlichen Beschlusses zu lauten hat:

„Das zu 1 A 76/14w des Bezirksgerichts Donaustadt am abgeschlossene Erbteilungsübereinkommen wird in Ansehung des Betroffenen pflegschaftsgerichtlich nicht genehmigt.“

Text

Begründung:

Nach dem Tod des Vaters wurde die Mutter des Betroffenen zu seiner Sachwalterin bestellt. Aufgrund des schlechten Gesundheitszustands der Mutter übertrug das Erstgericht am die Sachwalterschaft auf die ältere Schwester des Betroffenen.

Die Mutter des Betroffenen verstarb am . Sie hinterließ ein Testament zugunsten ihrer drei Kinder, also des Betroffenen, seiner älteren Schwester/Sachwalterin und seiner jüngeren Schwester zu gleichen Teilen.

Im Verlassenschaftsverfahren nach der Mutter gaben die Schwester/Sachwalterin sowohl im eigenen Namen als auch namens des Betroffenen ebenso wie die jüngere Schwester aufgrund des Gesetzes je zu einem Drittel des Nachlasses bedingte Erbserklärungen ab. Erst am bestellte das Verlassenschaftsgericht im Hinblick auf die Interessenkollision zwischen dem Pflegebefohlenen und seiner gesetzlichen Vertreterin eine (nicht rechtskundige) Kollisionskuratorin für den Betroffenen. Dieser Beschluss wurde zwar dem Gerichtskommissär, der Sachwalterin sowie der Kollisionskuratorin zugestellt, nicht jedoch dem Betroffenen selbst.

Am schlossen beide Töchter der Erblasserin sowie die Kollisionskuratorin vor dem Gerichtskommissär ein Erbteilungsübereinkommen, wobei „festgestellt“ wurde, dass dem Betroffenen ein Schenkungspflichtteil zustehe, dieser sei im Pflegschaftsverfahren zu ermitteln. Der dem Betroffenen zustehende Betrag von 2.592,63 EUR (sein Erbteil) sollte der Sachwalterin zur rechnungsfreien Verwendung überlassen werden.

Das genehmigte dieses Erbteilungsübereinkommen in Ansehung des Betroffenen pflegschaftsgerichtlich und überließ den ihm zustehenden Betrag von 2.592,63 EUR der Sachwalterin zur freien Verwendung für den Betroffenen. Darüber hinaus bestellte das Erstgericht die in weiterer Folge auch zur Sachwalterin bestellte Rechtsanwältin zur (neuen) Kollisionskuratorin für den Betroffenen zur Prüfung und allfälligen Geltendmachung eines Schenkungspflichtteils. Das Erbteilungsübereinkommen entspreche dem Wohl des Betroffenen.

Das bestätigte über Rekurs des (von der mittlerweile zur Sachwalterin bestellten Rechtsanwältin vertretenen) Betroffenen die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, in welcher Form dem Anspruch auf Sicherstellung nach § 176 Abs 2 AußStrG im Fall von behaupteten Ansprüchen aus dem Schenkungspflichtteil Genüge getan werden könnte. Die rechtskräftig bestellte Vertreterin des Betroffenen habe im Verlassenschaftsverfahren eine Erbantrittserklärung abgegeben und nicht den Pflichtteil geltend gemacht. Dass es für den Betroffenen vorteilhafter gewesen wäre, sich im Verlassenschaftsverfahren auf das Pflichtteilsrecht und nicht auf das Recht aus der gesetzlichen Erbfolge zu berufen, stehe der Genehmigung des Erbteilungsübereinkommens daher nicht entgegen.

Rechtliche Beurteilung

Der , mit dem er die Ablehnung der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung des Erbteilungsübereinkommens anstrebt, ist im Hinblick auf die unwirksame Vertretung des Betroffenen bei Abschluss des Erbteilungsübereinkommens zulässig und auch berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung darf ein Rechtsgeschäft durch das Pflegschaftsgericht nur genehmigt werden, wenn der Abschluss im Interesse des Pflegebefohlenen liegt und somit seinem Wohl entspricht. Dies ist der Fall, wenn das Vermögen des Pflegebefohlenen vermehrt wird. Die angeführte Voraussetzung ist aber nicht erfüllt, wenn eine Verminderung des Vermögens des Pflegebefohlenen nicht ausgeschlossen werden kann (zuletzt etwa 4 Ob 64/15p; RISJustiz RS0048176; Beck in Gitschthaler/Höllwerth AußStrG Rz 64 zu § 132 mwN). Zu prüfen ist auch, ob die gesetzlich vorgesehenen Zustimmungserklärungen der gesetzlichen Vertreter vorliegen (Beck aaO Rz 60). Die pflegschaftsbehördliche Genehmigung eines Vertrags sagt noch nichts über seine Verbindlichkeit aus, also ob er etwa nichtig oder anfechtbar ist. Lediglich dann, wenn ein Geschäft von vornherein als nichtig oder anfechtbar erkennbar ist, ist dieses nicht zu genehmigen (6 Ob 286/05k mwN). Die pflegschaftsbehördliche Genehmigung ersetzt auch nicht das Fehlen sonstiger gesetzlicher Erfordernisse, die die Ungültigkeit des Vertrags zur Folge haben (RISJustiz RS0049030), etwa die fehlende Zustimmung des Kollisionskurators (6 Ob 518/82 ua; RISJustiz RS0049030 [T2]), oder die fehlende Genehmigung eines Geschäfts durch den gesetzlichen Vertreter (10 Ob 117/07i).

Beim Beschluss über die Bestellung wie auch über die Enthebung eines Kurators handelt es sich um einen rechtsgestaltenden Beschluss, der ohne Zustellung nicht Wirksamkeit erlangen kann. Solange der Kuratorbestellungsbeschluss mangels ordnungsgemäßer Zustellung nicht wirksam geworden ist, kann der Kurator nicht rechtswirksam tätig werden (RISJustiz RS0006013).

Die Bestellung der Kollisionskuratorin für den Betroffenen hätte im vorliegenden Fall zur Wirksamkeit die Zustellung des Bestellungsbeschlusses auch an den Betroffenen erfordert. Diesem kommt nämlich im Sachwalterschaftsbetreuungsverfahren (also im Verfahren nach rechtskräftiger Sachwalterbestellung) Verfahrensfähigkeit zu (4 Ob 100/09y). Zu 2 Ob 41/07d sprach der Oberste Gerichtshof auch bereits ausdrücklich aus, dass dann, wenn es um die Bestellung eines Kollisionskurators geht, der den Betroffenen in einem Verfahren gegen den Sachwalter vertreten soll, der Betroffene selbst zur Stellung der erforderlichen Anträge und zur Rechtsmittelerhebung legitimiert ist.

Die seinerzeitige Kollisionskuratorin konnte den Betroffenen bei Abschluss des Erbteilungsübereinkommens daher nicht wirksam vertreten. Eine nachträgliche Heilung dieses Mangels durch Genehmigung der nunmehr bestellten Kollisionskuratorin, die inzwischen auch die Sachwalterin des Betroffenen ist, kommt nicht in Betracht, weil sich diese ausdrücklich gegen das Erbteilungsübereinkommen und seine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung ausgesprochen hat bzw diese bekämpft.

Infolge Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts, dessen pflegschaftsgerichtliche Genehmigung hier zu prüfen ist, kommt die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung nicht in Frage. Die vom Rekursgericht erörterte Frage einer allfälligen Sicherstellung der Ansprüche des Betroffenen aus dem Schenkungspflichtteil im Sinn des § 176 Abs 2 AußStrG ist hier ebenso wenig zu beantworten wie die nach der Auswirkung der unwirksamen Bestellung der seinerzeitigen Kollisionskuratorin sowie die Abgabe der Erbantrittserklärung durch die seinerzeitige Sachwalterin im Verlassenschaftsverfahren ungeachtet der (aufgrund ihrer eigenen Erbenstellung bestehenden) Interessenkollision.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00052.17A.0328.000

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