OGH vom 29.08.2017, 6Ob36/17p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Steyr zu FN ***** eingetragenen H***** Privatstiftung mit dem Sitz in *****, wegen Eintragung von Änderungen der Stiftungsurkunde über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Privatstiftung sowie der Vorstandsmitglieder Univ.-Prof. Dr. R***** S*****, Dr. U***** S*****, sowie Dr. W***** M*****, alle vertreten durch Prof. Haslinger & Partner, Rechtsanwälte in Linz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 6 R 209/16x-8, womit der Beschluss des Landesgerichts Steyr vom , GZ 21 Fr 2693/16z-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die mit Antrag vom angemeldete Änderung der Stiftungsurkunde in Punkt V. im Firmenbuch einzutragen ist.
Das Erstgericht hat die erforderlichen Veranlassungen vorzunehmen.
Text
Begründung:
Zuletzt war mit Notariatsakt vom die Stiftungsurkunde neu gefasst worden. Gemäß Punkt II. sind F***** und gestorben am *****, und R*****, Stifter. Gemäß V. sind Stiftungsorgane 1. der Stiftungsvorstand, 2. der Stiftungsprüfer und 3. der Familienbeirat. Nach VII. sind Stiftungsbegünstigte zunächst die Stifter. Nach dem Ableben eines Stifters geht seine Stellung als Stiftungsbegünstigter zunächst auf den überlebenden Stifter über. Die Regelung der Stellung der Stiftungsbegünstigten nach dem Ableben beider Stifter und die Regelung über Zuwendungen an Begünstigte erfolgen in der Stiftungszusatzurkunde.
Insbesondere kann gemäß V. jedes Mitglied des Stiftungsvorstands bei Vorliegen eines wichtigen Grundes vom Familienbeirat abberufen werden.
Solange der Stifter R***** lebt, bestellt dieser, wenn ein Mitglied des Stiftungsvorstands aus dem Stiftungsvorstand ausscheidet, das neue Mitglied des Stiftungsvorstands. Nach dem Ableben des Stifters R***** geht das Bestellungsrecht auf den Familienbeirat über.
Gemäß V. besteht der Familienbeirat zunächst aus dem Stifter R***** oder einer von ihm namhaft gemachten Person. Nach dem Ableben des Stifters steht gemäß V.3.4. und 3.5. der Ehegattin des Stifters und jedem Stamm nach R***** im Sinne des Parentelsystems (§§ 731 ff ABGB) das Recht zu, ein Mitglied des Stiftungsbeirats namhaft zu machen. […].
Gemäß V.1. durften näher beschriebene Rechtshandlungen, die in ihrer Gesamtheit weitgehend den Aufgaben des Aufsichtsrats nach § 25 Abs 1 PSG iVm § 95 Abs 5 Z 1 bis 6 AktG gleichkommen, nur nach Anhörung des Familienbeirats durchgeführt werden.
Allein diese Bestimmung wurde mit Notariatsakt vom geändert und beantragte die Privatstiftung die Eintragung dieser Änderung der Stiftungsurkunde. Der in Punkt V.1. geänderte Text lautet wie folgt:
„Nachfolgende Rechtshandlungen dürfen vom Stiftungsvorstand erst nach Anhörung des Familienbeirats durchgeführt werden, wobei auf Verlangen des Familienbeirats diesem eine sechswöchige Überlegungsfrist einzuräumen ist. Sofern sich der Beirat zumindest zur Hälfte aus externen Beiratsmitgliedern (Personen im Sinn des § 23 Abs 2 Satz 3 PSG gelten nicht als externe Beiratsmitglieder) zusammensetzt oder das Gesetz oder die Rechtsprechung eine Bindung des Stiftungsvorstands auch an einen mehrheitlich von Begünstigten besetzten Familienbeirat zulässt, bedürfen folgende Maßnahmen der Zustimmung des Familienbeirats:
a) Gründung, Erwerb und Veräußerung von Unternehmen und Beteiligungen sowie Erwerb, Veräußerung und Belastungen von Liegenschaften;
b) Gewährung oder Aufnahme von Krediten oder Darlehen, wenn der Betrag von EUR 500.000 überschritten wird (Betrag wertgesichert nach VPI 2010; Ausgangsbasis für die Berechnung ist die für März 2016 verlautbarte Indexzahl im Verhältnis zur Indexzahl bei Vornahme der durchzuführenden Rechtshandlungen), wobei wirtschaftlich
c) Übernahme, Pachtung oder Verpachtung, Stilllegung oder Liquidation von Unternehmen, Betrieben oder Teilbetrieben;
d) Übernahme von Haftungen und Belastungen des Stiftungsvermögens, wenn der Betrag von EUR 500.000 überschritten wird (wertgesichert gem. lit b).
Bei nachfolgenden Rechtshandlungen besteht generell nur ein Anhörungsrecht des Familienbeirats (auch dann, wenn sich der Familienbeirat zumindest zur Hälfte aus externen Beiratsmitgliedern zusammensetzt):
e) Erteilung von Steuerberatung/
f) Zur Ausübung der Gesellschafterrechte in Beteiligungsgesellschaften einschließlich der Ausübung des Weisungsrechts gegenüber den Geschäftsführern der Beteiligungsgesellschaft in allen Angelegenheiten gem. lit. a bis lit. e (ausgenommen bei Gefahr in Verzug wie etwa das Fehlen eines handlungsfähigen Vorstands oder Geschäftsführers).“
Das Erstgericht äußerte Bedenken gegen die Zulässigkeit der beantragten Änderung, die es in der Aufsichtsratsähnlichkeit und Vorstandsähnlichkeit des Beirats erblickte. Die Unabhängigkeit des Vorstands müsse bestehen bleiben und dürften die Unvereinbarkeitsbestimmungen nicht umgangen werden. Im Hinblick auf das Zustimmungsrecht des Beirats sei von einer unzulässigen Degradierung des Vorstands zu einem bloßen Vollzugsorgan auszugehen. Die Bezugnahme auf eine „geänderte Rechtsprechung“ sei zu unbestimmt und schon deswegen nicht eintragungsfähig.
Hierauf entgegneten die Privatstiftung und sämtliche Vorstandsmitglieder, angesichts der immer wieder geäußerten Kritik an der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs betreffend die Unzulässigkeit eines mehrheitlich vom Begünstigten besetzten Familienbeirats sei nicht auszuschließen, dass sich diese Rechtsprechung ändere und der Oberste Gerichtshof auch ohne Gesetzesänderung eine solche Bindung des Stiftungsvorstands zulassen werde. Andernfalls würde dem Stifter eine Anpassung seiner Stiftungsurkunde an eine geänderte Rechtsprechung nach seinem Ableben genommen werden. Sämtliche der Geschäfte, die einer Zustimmung des „fremdbesetzten“ Familienbeirats bedürften, seien außergewöhnliche Geschäfte. Dass ein Beirat nicht aufsichtsratsähnlich sein dürfe, gehe aus der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht hervor. Es sei lediglich wichtig, dass der Vorstand nicht zu einem bloßen Vollzugsorgan degradiert werden dürfe. Dies sei hier nicht der Fall.
Daraufhin wies das Erstgericht den Antrag auf Eintragung der Änderungen ab.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Schon nach der derzeit gültigen Stiftungsurkunde komme dem Beirat hinsichtlich der Bestellung und Abberufung des Vorstands und damit auf die Gestion der Privatstiftung ein maßgeblicher Einfluss zu. Während zu Lebzeiten des Stifters R***** dieser das neue Stiftungsvorstandsmitglied bestelle, gehe danach dieses Bestellungsrecht auf den Familienbeirat über. Darüber hinaus könne jedes Mitglied des Stiftungsvorstands bei Vorliegen eines wichtigen Grundes vom Stifter R*****, nach seinem Ableben vom Familienbeirat abberufen werden. Im Familienbeirat seien dann möglicherweise die Ehegattin des Stifters und Nachkommen des Stifters R***** persönlich vertreten. Damit sei in der Stiftungsurkunde aber schon bisher nicht dafür vorgesorgt, dass bei Entscheidungen über eine Abberufung aus anderen als den in § 27 Abs 2 Z 1 bis 3 PSG angeführten Gründen Begünstigten, Angehörigen von Begünstigten oder von Begünstigten oder Angehörigen mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragten Personen nicht mehr als die Hälfte der Stimmen zukomme. Dazu komme, dass die Abberufungsmöglichkeit des Vorstands durch den Beirat bei Vorliegen „wichtiger“ Gründe dem Beirat einen weiten Spielraum einräume. Die dadurch bereits geschwächte Stellung des Vorstands erfahre durch das durch die geänderte Stiftungsurkunde dem Familienbeirat zukommende Zustimmungsrecht hinsichtlich der dort näher umschriebenen Geschäfte eine weitere maßgebliche Einschränkung seiner Geschäftsführung. Das eröffne dem Familienbeirat im Zusammenhang mit dem weit gefassten Abberufungsrecht die Möglichkeit, den Stiftungsvorstand in seinen Entscheidungen zu lenken. Zwar sei entgegen der Ansicht des Erstgerichts der Stiftungsurkunde eine Befugnis des Beirats zur Bestimmung der Vergütung des Vorstands nicht zu entnehmen, doch gingen die Einflussmöglichkeiten des Beirats über eine bloße Kontroll und Beratungsfunktion hinaus. Durch die beabsichtigte Regelung sei der Beirat zwar nicht im Stande, jedes vom Vorstand beabsichtigte Rechtsgeschäft durch sein Zustimmungsrecht zu verhindern, in Zusammenschau mit dem ihm zukommenden Abberufungsrecht werde dennoch der vom Gesetzgeber beabsichtigten Unabhängigkeit des Vorstands nicht ausreichend Rechnung getragen.
Nicht korrekturbedürftig sei auch die Auffassung des Erstgerichts, wonach der Verweis auf eine „geänderte Rechtsprechung“ nicht ausreichend bestimmt sei. Wenngleich darunter von den Rekurswerbern eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs verstanden werde, gehe dies aus der Textierung der entsprechenden Klausel in der Stiftungsurkunde nicht hervor.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil die Umstände des Einzelfalls ausschlaggebend seien.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig; er ist auch berechtigt.
Der Oberste Gerichtshof hat jüngst in der Entscheidung 6 Ob 37/17k die Zulässigkeit einer Bestimmung in der Stiftungsurkunde, die wörtlich mit der hier zu beurteilenden übereinstimmt, bei vergleichbarem Sachverhalt mit ausführlicher Begründung bejaht. Da die Revisionsrekurswerber zu 2. bis 4. auch die Vorstandsmitglieder der zu 6 Ob 37/17k einschreitenden Privatstiftung sind und von derselben Rechtsanwaltskanzlei vertreten werden, genügt es auf diese – im RIS bereits veröffentlichte – Begründung zu verweisen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0060OB00036.17P.0829.000 |
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