OGH vom 27.05.2020, 7Ob41/20k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte Hon.Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** N***** A*****, vertreten durch Dr. Günther Clementschitsch, Rechtsanwalt in Villach, gegen die beklagte Partei D***** F***** GmbH, *****, vertreten durch Anwälte Mandl Mitterbauer GmbH in Altheim, wegen 20.514,22 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Berufungsgericht vom , GZ 14 R 78/19z23, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Braunau am Inn vom , GZ 5 C 808/18i19, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Klägerin begehrte von der Beklagten für die Durchführung von Transportaufträgen den Gesamtbetrag von 20.514,22 EUR sA, der sich aus folgenden Rechnungen ergibt:
Rechnung Nr 1700173 vom mit dem Gesamtrechnungsbetrag von 20.558,72 EUR (Beilage ./E). Diese Rechnung betrifft mehrere Fahrten, wobei das Entgelt für keine einzelne Fahrt 5.000 EUR überstieg und die Klägerin einen offenen Restbetrag von 129 EUR geltend machte.
Rechnung Nr 1800065 vom mit dem Gesamtrechnungsbetrag von 17.850 EUR (Beilage ./A). Diese Rechnung betrifft mehrere Fahrten, wobei das Entgelt für keine einzelne Fahrt 5.000 EUR überstieg und die Klägerin einen offenen Restbetrag von 2.824,22 EUR geltend machte.
Rechnung Nr 1800073 vom mit dem Gesamtrechnungsbetrag von 11.030,69 EUR (Beilage ./B). Diese Rechnung betrifft mehrere Fahrten bzw Positionen, wobei das Entgelt für keine einzelne Fahrt (Position) 5.000 EUR überstieg und die Klägerin einen offenen Restbetrag von 3.329 EUR geltend machte.
Rechnung Nr 1800091 vom mit dem Gesamtrechnungsbetrag von 12.700 EUR (Beilage ./C). Diese Rechnung betrifft mehrere Fahrten, wobei das Entgelt für keine einzelne Fahrt 5.000 EUR überstieg und die Klägerin einen offenen Restbetrag von 11.932 EUR geltend machte.
Rechnung Nr 1800099 vom mit dem Gesamtrechnungsbetrag von 2.300 EUR (Beilage ./D). Diese Rechnung betraf nur eine Fahrt.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren in der Hauptsache statt und wies nur ein Zinsenmehrbegehren ab.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil in einer näher bezeichneten Entscheidung des Bundesgerichtshofs die Auffassung vertreten werde, der Frachtführer habe bei Schäden aufgrund zu hoher Temperaturen beim Transport von Kühl- oder Gefriergut eine mangelhafte Vorkühlung zu beweisen. Ob diese Ansicht rechtlich zutreffend sei, habe der Oberste Gerichtshof bislang noch nicht erörtert.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist – entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts – gemäß § 502 Abs 2 ZPO absolut unzulässig:
1. Mehrere in einer Klage geltend gemachte Forderungen bilden nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN erfüllt sind. Die Regelung des § 55 Abs 1 JN gilt auch für das Rechtsmittelverfahren (§ 55 Abs 4 JN) und damit für den Entscheidungsgegenstand (RS0053096; RS0037838 [T38]).
2. Demnach sind mehrere in einer Klage geltend gemachte Forderungen zusammenzurechnen, wenn sie von einer einzelnen Partei gegen eine einzelne Partei erhoben werden und in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (§ 55 Abs 1 Z 1 JN) oder von mehreren Parteien gegen mehrere Parteien geltend gemacht werden, die materielle Streitgenossen nach § 11 Z 1 ZPO sind (§ 55 Abs 1 Z 2 JN).
3. Mehrere Ansprüche stehen in einem tatsächlichen Zusammenhang, wenn sie aus demselben Klagssachverhalt abgeleitet werden können, wenn also das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über die anderen geltend gemachten Ansprüche entscheiden zu können, ohne dass noch ein ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre (RS0042766). Ein rechtlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus einem einheitlichen Rechtsgeschäft oder aus einer Gesetzesvorschrift abgeleitet werden und miteinander in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (RS0037648). Dieser Zusammenhang besteht dann nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann; in einem solchen Fall ist jeder Anspruch gesondert zu beurteilen, ohne dass eine Zusammenrechnung stattfindet (RS0037648 [T18]; RS0037899).
4. Bei der Prüfung der Frage, ob die geltend gemachten Ansprüche in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen, ist vom Vorbringen der Klägerin auszugehen (RS0042741; RS0106759).
5. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass Ansprüche aus verschiedenen Verträgen betreffend verschiedene Rechtsgüter auch bei Gleichartigkeit nicht in einem sachlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (RS0037926 [T26]; 7 Ob 37/13m mwN). Einen solchen Zusammenhang hat der erkennende Senat auch schon bei mehreren gleichartigen Transportaufträgen verneint, wenn kein Hinweis für einen rechtlichen oder tatsächlichen Zusammenhang der mehreren Transportaufträge vorlag (7 Ob 145/16y; 7 Ob 28/20y).
6. Hier behauptete die Klägerin keinen rechtlichen oder tatsächlichen Zusammenhang zwischen jenen Transportaufträgen, deren Entgelte sie mit der vorliegenden Klage geltend machte. Auch sonst liegen auf der Grundlage des vom Erstgericht festgestellten Sachverhalts keine für eine Zusammenrechnung sprechenden Hinweise, etwa in Richtung eines alle Transporte umfassenden, einheitlichen Rechtsgeschäfts, vor. Geht es demnach um Ansprüche, die in keinem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen, liegen mehrere Entscheidungsgegenstände vor, die im Hinblick auf die Zulässigkeit der Revision gesondert zu beurteilen sind (7 Ob 145/16y; vgl RS0042741 [T11]).
7. Keine der mehreren Klagsforderungen übersteigt für sich genommen den Betrag von 5.000 EUR. Die Revision ist aber jedenfalls unzulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat (Entscheidungsgegenstand) 5.000 EUR nicht übersteigt (§ 502 Abs 2 ZPO). Die Revision ist daher zufolge § 502 Abs 2 ZPO als absolut unzulässig zurückzuweisen.
8. Die Kostenentscheidung beruht auf den § 40, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die absolute Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen (7 Ob 145/16y; 7 Ob 125/14d).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2020:0070OB00041.20K.0527.000 |
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Fundstelle(n):
JAAAD-60107