OGH vom 12.03.2015, 7Ob41/15b

OGH vom 12.03.2015, 7Ob41/15b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Hofrätin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** P*****, vertreten durch Mag. Dr. Hans Spohn, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S***** KG, *****, vertreten durch Mag. Wolfgang Friedl, Rechtsanwalt in Wien, wegen „Räumung“, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 38 R 140/14s 14, womit das Urteil des Bezirksgerichts Floridsdorf vom , GZ 26 C 418/13d 10, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Berufungsgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Zwischen den Parteien ist unstrittig, dass das jeweils von ihren Rechtsvorgängern vereinbarte Bestandverhältnis seit 2012 beendet ist. Die Bestandliegenschaft befindet sich in Innehabung und Verfügungsmacht der Klägerin (vormalige Bestandgeberin). Strittig ist zwischen den Parteien (nur) mehr, ob die Beklagte (vormalige Bestandnehmerin) bestimmte, auf der Liegenschaft zurückgebliebene Baulichkeiten, insbesondere eine Transformatorstation, zu entfernen hat.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte, „die auf der Liegenschaft … befindlichen und auf dem Foto (Beilage ./A) ersichtlichen Baulichkeiten sowie die darin befindliche Transformatorstation samt Kabeleinbauten zu entfernen“.

Das Berufungsgericht gab der von der Beklagten erhobenen Berufung nicht Folge. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Einen Bewertungsausspruch enthält die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Abweisung des Klagebegehrens; hilfsweise stellt die Beklagte auch einen Aufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof ist zur Entscheidung in der Sache derzeit nicht berufen:

1. Nach § 502 Abs 5 Z 2 ZPO gelten die Revisionsbeschränkungen nach § 502 Abs 2 und 3 ZPO nicht „für die unter § 49 Abs 2 Z 5 JN fallenden Streitigkeiten, wenn dabei über eine Kündigung, über eine Räumung oder über das Bestehen oder Nichtbestehen des Vertrags entschieden wird“. § 49 Abs 2 Z 5 JN erfasst „alle Streitigkeiten aus Bestandverträgen über die im § 560 ZPO bezeichneten Sachen und mit ihnen in Bestand genommene bewegliche Sachen sowie aus genossenschaftlichen Nutzungsverträgen (§ 1 Abs 1 Mietrechtsgesetz) und aus dem im § 1103 ABGB bezeichneten Vertrag über solche Sachen einschließlich der Streitigkeiten über die Eingehung, das Bestehen und die Auflösung solcher Verträge, die Nachwirkungen hieraus und wegen Zurückhaltung der vom Mieter oder Pächter eingebrachten oder der sonstigen dem Verpächter zur Sicherstellung des Pachtzinses haftenden Fahrnisse, schließlich Streitigkeiten zwischen wem immer über verbotene Ablösen (§ 27 Mietrechtsgesetz)“.

2. Zweck der Sonderregelung über die Zulässigkeit der Revision gemäß § 502 Abs 5 Z 2 ZPO ist es, die in Streitigkeiten nach § 49 Abs 2 Z 5 JN gefällten Entscheidungen in Fällen, in denen der Verlust des Bestandobjekts droht, unabhängig von Bewertungsfragen revisibel zu machen. Zur Lösung von Abgrenzungsfragen ist darauf abzustellen, ob ein Anspruch mit der Frage der Auflösung des Bestandvertrags so eng zusammenhängt, dass ein getrenntes Schicksal in der Anfechtbarkeit unbefriedigend wäre (RIS Justiz RS0120190). Die Ausnahme von der Beschränkung der Revisionszulässigkeit durch die Wertgrenze ist im Räumungsstreit nur dann anwendbar, wenn über das Bestandsverhältnis selbst und seine wirksame Beendigung (und sei es auch bloß als Vorfrage, wie zum Beispiel in den Fällen des § 1118 ABGB) zu entscheiden ist; aber nicht etwa, wenn Vertragsbeendigung und Räumungspflicht als solche unstrittig sind und bloß über die Vollständigkeit der Erfüllung der Räumungspflicht Streit herrscht (RIS Justiz RS0043261).

3. Im vorliegenden Fall ist zwischen den Parteien die bereits erfolgte Beendigung des Bestandverhältnisses unstrittig und auch die Rückstellung der Liegenschaft ist längst erfolgt. Strittig und alleiniger Entscheidungsgegenstand ist die fragliche Pflicht der Beklagten zur Entfernung bestimmter, auf der Liegenschaft verbliebener Baulichkeiten. Der vorliegende Rechtsstreit dient somit nicht der Durchsetzung eines Räumungsbegehrens unter Berufung auf die (strittige) Beendigung eines Schuldverhältnisses nach § 49 Abs 2 Z 5 JN, sondern allein der Klärung der Frage, ob die Beklagte ihrer Räumungsverpflichtung vollständig nachgekommen ist. Daher steht hier keine nach § 502 Abs 5 Z 2 ZPO privilegierte Bestandstreitigkeit zur Entscheidung an (7 Ob 47/10b).

4. Da der Entscheidungsgegenstand wie hier -nicht (ausschließlich) in einem Geldbetrag besteht, hätte es eines Ausspruchs des Berufungsgerichts über den Wert des Entscheidungsgegenstands bedurft (§ 500 Abs 2 ZPO). Dieser wird vom Berufungsgericht nachzuholen sein. Erst nach einer solchen Bewertung wird sich beurteilen lassen, ob über das von der Beklagten gegen das in zweiter Instanz ergangene Urteil erhobene Rechtsmittel vom Obersten Gerichtshof zu entscheiden ist.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:0070OB00041.15B.0312.000