OGH vom 02.12.1993, 6Ob650/93
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat in der Rechtssache der gefährdeten Partei Gertrude S*****, wider den Gegner der gefährdeten Partei Günther S*****, vertreten durch Dr.Erwin Fidler, Rechtsanwalt in Pöllau, wegen Sicherung gemäß § 382 Abs 1 Z 8 b EO, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Gegners der gefährdeten Partei gegen den zur einstweiligen Verfügung des Bezirksgerichtes Hartberg vom , GZ F 2/93-6, ergangenen rekursgerichtlichen Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom , AZ 1 R 202/93(ON 13),
1. durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Klinger, Dr.Kellner und Dr.Schwarz als weitere Richter am den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Eine Verneinung der Verfahrensrechtsfrage nach der Zulässigkeit einer von der erstinstanzlichen Würdigung abweichenden Würdigung der in erster Instanz unmittelbar vom erkennenden Richter aufgenommenen Aussagen durch das Rekursgericht im Sicherungsverfahren würde ein Abgehen von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bedeuten. Der Senat ist daher gemäß § 8 Abs 1 Z 1 OGH zu verstärken; und hierauf 2. durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl, HonProf. Dr.Griehsler, Dr.Melber, Dr.Hofmann und Dr.Kropfitsch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Klinger, Dr.Kellner und Dr.Schwarz als weitere Richter am folgenden
Beschluß
gefaßt:
Dem Revisionsrekurs wird nicht stattgegeben.
Der Rechtsmittelwerber hat die Kosten seines Revisionsrekurses selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Parteien sind seit September 1974 miteinander verheiratet und führten ihren gemeinsamen Haushalt seit Jahren in einem bungalowartigen Einfamilienhaus. In dem über eine Holzstiege vom Vorraum aus erreichbaren Kellergeschoß befinden sich neben Heiz- und Vorratsräumen auch ein vom Ehemann als einem selbständigen Installateurmeister im Rahmen seines Gewerbes genutzter Büroraum und ein größerer Raum, in dem Werkzeug und Installationsmaterial gelagert sind.
Ende Oktober 1992 brachte die Frau eine auf § 49 EheG gestützte Scheidungsklage an. Als schwere Eheverfehlungen des Mannes machte sie vor allem Alkoholexzesse, Lieblosigkeiten, Verächtlichmachung ihrer Person vor anderen Leuten und Psychoterror geltend sowie als auslösendes Moment, daß der Mann am in dem gemeinsam benützten Eigenheim sie mit einem aus kurzer Entfernung auf sie angelegten Flobertgewehr bedroht habe.
Dies, sowie weitere Gewalttätigkeiten nahm die Frau auch zum Anlaß, die Ehewohnung zu verlassen und bei ihrer im selben Ort wohnhaften Schwester Aufenthalt zu nehmen.
Der beklagte Ehemann widersetzt sich dem Scheidungsbegehren; er bestreitet die ihm zur Last gelegten Eheverfehlungen und dabei insbesondere den von der Klägerin behaupteten Vorfall vom .
Auf diesen gründete die Frau einen Anfang Dezember 1992 gestellten Antrag gemäß § 92 Abs 2 ABGB. Der Mann leugnete zwar auch in diesem Verfahren den von der Frau behaupteten Vorfall vom , dessetwegen gegen ihn in der Zwischenzeit ein Strafantrag wegen versuchter Nötigung gestellt worden war, stimmte aber der vorläufigen gesonderten Wohnungsnahme der Frau zu. Das Gericht erkannte daraufhin mit Beschluß vom , F 12/92-2, daß die vorübergehende gesonderte Wohnungnahme der Frau gerechtfertigt sei. Das Scheidungsverfahren ist nach wie vor in erster Instanz anhängig. Der Beklagte war der Ladung zu der für zu seiner Vernehmung anberaumten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung nicht nachgekommen und hatte sich mit einem ärztlich bescheinigten "akuten exogenen depressiven Zustandsbild" entschuldigt. Daraufhin erklärte die Klägerin einen Sicherungsantrag im Sinne des § 382 Abs 1 Z 8 b EO zu gerichtlichem Protokoll. Diesen Antrag nahm das Prozeßgericht nicht zu den Akten des anhängigen Scheidungsverfahrens, sondern bildete unter einer F-Zahl einen neuen Aktenband, führte eine mündliche Verhandlung durch und vernahm dabei beide Parteien sowie die Schwester der gefährdeten Partei, nahm auch in die Akten des Scheidungsverfahrens, des Strafverfahrens und zwei weiterer Verfahren Einsicht und unterzog das als Ehewohnung gewidmete Einfamilienhaus einem Ortsaugenschein.
Der Antragsgegner bestritt auch in diesem Verfahren den Vorfall vom und legte dazu eine im Widerspruch zur Aussage der Antragstellerin stehende Aussage ab.
Aufgrund seiner Beweisaufnahmen legte das Gericht erster Instanz als bescheinigt zugrunde, daß der Antragsgegner seit Jahren übermäßig dem Alkohol zuspreche, seit etwa Anfang des Jahres 1992 im alkoholisierten Zustand zunehmend seine Frau als "Drecksau", "Hure" oder ähnlich beschimpfte und körperlich bedrohte und am Abend des zu Hause im Verlaufe eines Streites ein aus dem Keller geholtes Flobertgewehr aus 1 bis 2 m Entfernung gegen die Antragstellerin anlegte, um seiner Forderung nach Herausgabe einer von dieser dem Zugriff des Mannes entzogenen Pistole Nachdruck zu verleihen. Das Gericht erster Instanz nahm weiters als bescheinigt an, daß die Antragstellerin nach diesem Vorfall aus dem Haus flüchtete, erst nach Stunden zurückkehrte, auf Anraten ihrer Geschwister die im Hause aufbewahrten Schußwaffen ihres Mannes außer Haus brachte, selbst aber im Eigenheim verblieb, solange darin auch der erwachsene Sohn der Parteien wohnte, daß der Antragsgegner Anfang Oktober 1992 im betrunkenen Zustand von der Antragstellerin einen Geschlechtsverkehr erzwang, worauf diese in der Folge ihren Schlafraum versperrt gehalten habe, zu dem der Antragsgegner aber am die Türe eingetreten habe. Schließlich nahm das Gericht erster Instanz als bescheinigt an, daß die Antragstellerin aus Furcht vor weiteren Gewalttätigkeiten des Antragsgegners Anfang November 1992 zu ihrer Schwester gezogen sei, die sie in der Erwartung eines nur wenige Wochen währenden Scheidungsverfahrens bei sich in ihrem Haus aufgenommen habe, die aber nunmehr die Antragstellerin nicht länger in ihrem Haus wohnen lassen wolle. Das Gericht erster Instanz führte dazu ausdrücklich aus, daß es die Aussage der Antragstellerin für glaubhaft erachte, weil es der Aussage des Antragsgegners, der offensichtlich bemüht gewesen wäre, seinen Verfahrensstandpunkt auch auf Kosten der Wahrhaftigkeit zu bekräftigen und der bei sämtlichen Verhandlungen einen bemerkenswert hohen Emotionsstand gezeigt habe, nur teilweise zu folgen vermocht habe.
Das Gericht erster Instanz folgerte aus dem von ihm als bescheinigt angenommenen Sachverhalt, daß die Antragstellerin zur weiteren Befriedigung ihres Wohnbedürfnisses auf die Unterbringung in ihrem Eigenheim angewiesen sei, für sie aber ein weiteres Zusammenleben mit dem Antragsgegner unter einem Dach unerträglich wäre; da die vom Antragsgegner im Rahmen seines Gewerbebetriebes genutzten Räume im Keller des Einfamilienhauses von den Wohnbereichen nicht abzutrennen seien, habe sich die Ausweisung auf das gesamte Haus zu erstrecken. Das Gericht erster Instanz erließ aus diesen Erwägungen die beantragte einstweilige Verfügung, verpflichtete den Antragsgegner dabei, das Haus "von seinen Fahrnissen geräumt" zu verlassen und befristete die Wirkungsdauer der einstweiligen Verfügung mit der rechtskräftigen Erledigung des anhängigen Scheidungsverfahrens "und eines allenfalls anschließenden Aufteilungsverfahrens". In seinem gegen diese einstweilige Verfügung erhobenen Rekurs rügte der Antragsgegner nicht nur als Nichtigkeiten im Sinne des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO, daß das Erstgericht in einer nicht nachvollziehbaren Weise Verfahrensregelungen nach der Exekutionsordnung und dem Außerstreitgesetz vermischt angewandt hätte, sondern auch, daß für eine Regelungs- oder Sicherungsanordnung im Sinne des § 382 Abs 1 Z 8 c EO die Voraussetzungen fehlten und der Antragsgegner nicht zur Räumung des als Ehewohnung benützten Einfamilienhauses verpflichtet hätte werden dürfen; die Rechtssache wäre zu Unrecht im Außerstreitverfahren verhandelt und entschieden worden (§ 477 Abs 1 Z 6 ZPO); die Rechtssache sei keine Familienrechtssache, sondern eine allgemeine Streitsache; die Verhandlung und Entscheidung durch den Richter, dem geschäftsverteilungsmäßig die Familienrechtssachen zugewiesen seien, stellten eine Verletzung der Geschäftsverteilung dar (§ 477 Abs 1 Z 3 ZPO). Überdies erachtete der Antragsgegner in der Entscheidung über den Sicherungsantrag einen Verstoß gegen die Rechtskraft der Entscheidung über die Rechtmäßigerklärung der vorübergehend gesonderten Wohnungsnahme.
Der Antragsgegner bekämpfte mit seinem Rekurs aber auch die erstinstanzlichen Sachverhaltsannahmen als Ergebnis unrichtiger Beweiswürdigung zu seinem Alkoholismus, zur Bedrohung seiner Frau mit einer Schußwaffe, zur ehelichen Vergewaltigung und zum Wohnbedarf der gefährdeten Partei.
Als Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens rügte der Antragsgegner, daß die von ihm namhaft gemachten Personen zu Ereignissen am 21., 23. und nicht vernommen worden seien, ebenso nicht die Schwester der gefährdeten Partei zur weiteren Wohnmöglichkeit der Antragstellerin im Haus dieser Zeugin. Mit seiner Rechtsrüge wandte sich der Antragsgegner gegen die Annahme der Unerträglichkeit weiteren Zusammenlebens der gefährdeten Partei mit ihm sowie gegen die Ausweisung auch aus den seinem Gewerbebetrieb gewidmeten Kellerräumlichkeiten, gegen die ihm auferlegte Räumungsverpflichtung sowie gegen die Wirkungsdauer der einstweiligen Verfügung bis zur Beendigung eines dem anhängigen Scheidungsverfahren etwa nachfolgenden Aufteilungsverfahrens.
Das Rekursgericht bestätigte die einstweilige Verfügung insoweit, als der Antragsgegner das Einfamilienhaus zu verlassen und nicht mehr zu betreten habe, wies aber das Räumungsbegehren ab und beschränkte die Wirkungsdauer der einstweiligen Verfügung mit der rechtskräftigen Beendigung des anhängigen Scheidungsverfahrens. Dazu sprach das Rekursgericht aus, daß eine Revisionsrekurszulässigkeitsvoraussetzung im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO nicht vorläge.
Das Rekursgericht verneinte das Vorliegen der gerügten Nichtigkeitsgründe. Ungeachtet einer geschäftsordnungswidrigen Bildung selbständiger Akten unter einer in das F-Register eingetragenen Zahl sei über den Sicherungsantrag nach den Vorschriften der Exekutionsordnung (ZPO) zu verhandeln und zu entscheiden gewesen, was auch tatsächlich erfolgt wäre. Die Verhandlung und Entscheidung über den Sicherungsantrag im Sinne des § 382 Abs 1 Z 8 b EO sei dem Richter zugestanden, dem nach der Geschäftsverteilung die familienrechtlichen Streitigkeiten und außerstreitigen Angelegenheiten zugewiesen waren. Die in Rechtskraft erwachsene Entscheidung über die Rechtfertigung vorübergehend gesonderter Wohnungsnahme habe gegenüber dem Sicherungsantrag auf Wohnungsausweisung im Sinne des § 382 Abs 1 Z 8 b EO über einen völlig andersartigen Verfahrensgegenstand abgesprochen und habe daher die Verhandlung und Entscheidung über den Sicherungsantrag in keiner Weise gehindert.
Zur Beweis- und Feststellungsrüge führte das Rekursgericht aus, daß der festgestellte Sachverhalt in den Beweisergebnissen eine ausreichende Deckung fände, und fügte wörtlich hinzu: "Eine Überprüfung der Beweiswürdigung ist hiebei dem Rekursgericht verwehrt."
Das Rekursgericht teilte die erstrichterliche Beurteilung, daß die Antragstellerin nunmehr zur Befriedigung ihres dringenden Wohnbedürfnisses auf ihr Eigenheim angewiesen sei, daß der Antragsgegner aber durch sein als bescheinigt angenommenes Verhalten ihr das weitere Zusammenleben mit ihm unerträglich mache; eine inzwischen erfolgte gerichtliche Verwahrung der vom Antragsgegner besessenen Feuerwaffen ändere daran nichts. Der Sicherungszweck zwänge bei der praktischen Unmöglichkeit einer Trennung der gewerblich genutzten Kellerräumlichkeiten vom übrigen Wohnbereich des Einfamilienhauses, die Verweisung auf das gesamte Haus zu erstrecken. Der Antragsgegner ficht die Rekursentscheidung mit außerordentlichem Revisionsrekurs an. Er stellt die Rechtsmittelanträge auf Nichtigerklärung aller bisherigen Verfahrensschritte und auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer Antragsabweisung; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag. Die Zulassungsbeschwerde führt der Rechtsmittelwerber dahin aus, entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes sei es bedeutsam, ob das Sicherungsverfahren in ein streitiges oder außerstreitiges Verfahren "eingebettet" sei; die Ansicht des Rekursgerichtes, daß ihm die Überprüfung der Beweiswürdigung verwehrt wäre, stünde im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes; unternehmerisch genutzte Liegenschaftsteile seien von einer nachehelichen Aufteilung auszunehmen; dies müsse analog auch für einen Sicherungsantrag im Sinne des § 382 Abs 1 Z 8 b EO gelten. In Ausführung des Anfechtungsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung macht der Rechtsmittelwerber geltend, daß die Vorinstanzen zu Unrecht das Überschreiten der Unerträglichkeitsgrenze im Sinne des § 382 Abs 1 Z 8 b EO angenommen und zu Unrecht außer acht gelassen hätten, daß die gefährdete Partei durch Rücknahme eines gleichartigen Sicherungsantrages "die Antragsgründe konsumiert" hätte.
Die gefährdete Partei hat keine Revisionsrekursbeantwortung erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Das Rechtsmittel ist zulässig: Eine positive Zulässigkeitsvoraussetzung im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO (§§ 78, 402 Abs 2 EO) ist dadurch erfüllt, daß die rekursgerichtliche Ansicht über die Unzulässigkeit einer Überprüfung der erstinstanzlichen Beweiswürdigung im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes steht, wie sie zuletzt in der Entscheidung vom , 4 Ob 134/91, zusammengefaßt wurde. Andererseits ist aber auch keine negative Zulässigkeitsvoraussetzung erfüllt, da die angefochtene Rekursentscheidung eine vom Gericht erster Instanz erlassene einstweilige Verfügung zum Gegenstand hatte (§ 402 Abs 1 letzter Satz EO) und der Entscheidungsgegenstand einer Wohnungsausweisung nach § 382 Abs 1 Z 8 b EO zwar auch geldwerte Aspekte besitzt, jedoch der nicht geldwerte Gehalt, der in der Änderung der persönlichen Lebensgestaltung der Ehegatten gelegen ist, den Entscheidungsgegenstand charakterisiert, so daß auch § 528 Abs 2 Z 1 ZPO unanwendbar ist.
Für die wertende Beurteilung, ob der Antragsgegner seiner Frau das weitere Zusammenleben mit ihm in dem als Ehewohnung gewidmeten Haus unerträglich mache, ist der Umstand erheblich, ob er seine Frau am mit einem auf sie angelegten Flobertgewehr bedrohte oder nicht. Das Gericht erster Instanz hat diesen von der gefährdeten Partei behaupteten Tatumstand vor allem aufgrund ihrer mit der Aussage des Antragsgegners im Widerspruch stehenden Aussage als bescheinigt angenommen. Das Rekursgericht hat der vom Antragsgegner in seinem Rekurs ausgeführten Rüge unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger Tatsachenfeststellung entgegengehalten, daß der "festgestellte Sachverhalt in den Beweisergebnissen seine ausreichende Deckung" fände und "eine Überprüfung der Beweiswürdigung ... hiebei dem Rekursgericht verwehrt" sei. Diese Auffassung steht im Gegensatz zu einer seit nahezu drei Jahrzehnten einheitlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes. Die damit abgelehnte differenzierende Gegenansicht, wie sie in EvBl 1963/153 in Anknüpfung an SZ 22/40 und deren Folgeentscheidungen vertreten und von Helmut Pichler, JBl 1975, 356 ff unter Darlegung des damaligen Meinungsstandes in Lehre und Rechtsprechung dargelegt und begründet wurde, läßt im Zusammenhang mit der Lehrmeinung von Fasching, ZPR2 Rz 1988, die erwähnte herrschende Rechtsprechung einer kritischen Nachprüfung wert erscheinen.
Damit ist aber eine Voraussetzung nach § 8 Abs 1 Z 1 OGHG für eine Verstärkung des einfachen Senates erfüllt. Es war daher ein entsprechender Beschluß zu fassen (Punkt 1).
In der danach gebotenen Besetzung hat der Oberste Gerichtshof zu der verfahrensrechtlichen Frage nach der Beachtlichkeit einer Beweisrüge in Ansehung einer im Sicherungsverfahren vom Gericht erster Instanz unmittelbar als Zeugen oder Partei vernommenen Person erwogen:
Im Sicherungsverfahren hat die gefährdete Partei die ihren Antrag stützenden Tatumstände glaubhaft zu machen. Damit ist (§§ 78, 402 Abs 2 EO) auf die Regelungen des §§ 274 ZPO verwiesen. Die damit angeordnete Gewinnung der Sachverhaltsgrundlagen in einer von den Förmlichkeiten der Beweisaufnahme befreiten Weise und die Beschränkung auf sofort ausführbare Beweisaufnahmen birgt die Möglichkeit erweisbarer objektiver Unrichtigkeiten zwangsläufig in sich. Das nimmt der Verfahrensgesetzgeber offenbar der Dringlichkeit der Entscheidung wegen und im Hinblick auf die bloß zeitlich beschränkte Wirkungsdauer der zu erlassenden Anordnungen bewußt in Kauf. In Anlehnung an die Kategorien des Verfahrensrechtes des 19. Jahrhunderts wurde der Charakter dieses Sicherungsverfahrens auch mit "summarisch" bezeichnet. Als Steigerung dieses summarischen Charakters mag die Zulässigkeit einer Entscheidung über den Sicherungsantrag ohne vorherige Vernehmung des Antragsgegners angesehen werden, wobei der unverzichtbare Grundsatz des rechtlichen Gehörs erst in der Form des Widerspruches gewahrt wird, über den mündlich zu verhandeln ist. Soweit nicht im Widerspruchsverfahren oder auch in den Aufhebungs- und Einschränkungsfällen des § 399 EO die mündliche Verhandlung ausdrücklich vorgeschrieben ist, richtet sich das Beweisaufnahmeverfahren nach § 55 EO.§ 412 ZPO gilt nicht. Daraus folgerte der Oberste Gerichtshof beispielsweise in EvBl 1956/90 (unter Berufung auf ZBl 1925/126), der Unmittelbarkeitsgrundsatz hinderte zwar das Rekursgericht, die vom Gericht erster Instanz aufgenommenen Beweise anders zu würdigen als dieses; weil der Unmittelbarkeitsgrundsatz aber im Verfahren nach der Exekutionsordnung nicht gelte, stünde es dem Rekursgericht (im Sicherungsverfahren) frei, "unabhängig von der Beweiswürdigung des Erstrichters Feststellungen zu machen".
Entgegen dieser Ansicht hatte der Oberste Gerichtshof allerdings bereits in SZ 22/40 dargelegt, daß das Rekursgericht, das ohne vorhergehende mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung zu entscheiden habe, "aus den vom Erstgericht aufgenommenen Beweisen nur unter Verletzung des die Zivilprozeßordnung beherrschenden Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme andere tatsächliche Feststellungen ableiten könnte als das Erstgericht". Habe das Gericht erster Instanz - wie im dort entschiedenen Fall - ohne mündliche Verhandlung entschieden und "seine tatsächlichen Feststellungen nur aufgrund der vorliegenden Urkunden oder nur mittelbar aufgenommener Zeugenbeweise getroffen", wären die auf eine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes beruhenden Bedenken nicht gerechtfertigt. In einem solchen Fall dürfte das Rekursgericht die vorliegenden Beweise selbständig würdigen und aufgrund solcher Beweiswürdigung auch von den tatsächlichen Feststellungen des Gerichtes erster Instanz abgehen.
Die Ableitung, daß deshalb, weil "das Prinzip der Unmittelbarkeit für das Provisorialverfahren nicht vorgesehen ist, daher das Rekursgericht auch bei vernommenen Auskunftspersonen selbständig prüfen kann, welche Umstände bescheinigt sind oder nicht", hat der Oberste Gerichtshof im Anschluß an EvBl 1956/90 ohne neue Argumente aufrechterhalten (zB ÖBl 1958, 38).
Erst in EvBl 1963/153 untersuchte der Oberste Gerichtshof die Frage anhand der bis dahin veröffentlichten Rechtsprechung und Lehre neuerlich kritisch und gelangte zu folgenden Ableitungen:
Entscheidend sei nicht, ob der Unmittelbarkeitsgrundsatz gesetzlich angeordnet sei, sondern allein, "ob die erstgerichtlichen Feststellungen tatsächlich aufgrund eines unmittelbaren Verfahrens gewonnen wurden oder nicht. Nur im letztgenannten Fall ist eine Umwürdigung der Beweise durch das Rekursgericht zulässig, während es von Feststellungen, die das Erstgericht aufgrund freier Würdigung der von ihm selbst aufgenommenen Beweise gewonnen hat, nicht abgehen kann (...); denn eine aufgrund persönlichen Eindruckes gewonnene Beweiswürdigung kann nur durch eine auf demselben Weg gewonnene Beweiswürdigung überprüft und als unrichtig erkannt werden. Dafür ist aber dem Rekursgericht durch die Bestimmung des § 526 ZPO die Grundlage entzogen (...). Wenn das Erstgericht einen bestimmten von einem Zeugen geschilderten Sachverhalt nicht als bescheinigt annimmt, weil es den Zeugen aufgrund des von ihm gewonnenen persönlichen Eindruckes nicht für glaubwürdig hält, so ist es ausgeschlossen, daß das Rekursgericht, das nicht den Zeugen, sondern nur den Akt gesehen hat, im Gegensatz zum Erstgericht ausspricht, nach seiner Meinung sei der Zeuge doch glaubwürdig. Dies widerspricht den Grundsätzen der Prozeßordnung über das Beweisverfahren, welche gemäß § 78 EO auch für das Exekutionsverfahren gelten. Denn das Rekursgericht, das den Zeugen niemals gesehen hat, hat ja gar keine Grundlage zu einer von der Würdigung des Erstrichters abweichenden Würdigung der Persönlichkeit des Zeugen."
Knapp ein halbes Jahr später kehrte der Oberste Gerichtshof jedoch wieder zu seiner Auffassung zurück, daß im Sicherungsverfahren auch die vom Gericht erster Instanz unmittelbar aufgenommenen Beweise einer abweichenden Würdigung durch das Rekursgericht zugänglich wären (EvBl 1964/392). Der in EvBl 1963/153 veröffentlichten Entscheidung wurden dabei "beachtliche Gründe" zugestanden, die Entscheidung wurde aber als vereinzelt bezeichnet und die Meinung vertreten, für die als ständig bezeichnete gegenteilige Judikatur spräche die Einseitigkeit des Bescheinigungsverfahrens, in dem ein Gegenbeweis ausgeschlossen wäre, die Aufgabe, ohne weitläufige Erhebungen einen prima-facie-Beweis für eine bloß befristete Anordnung zu erheben; gegen die in EvBl 1963/153 vertretene Ansicht sprächen die Schwierigkeiten bei einer erstinstanzlichen Gewinnung der Tatsachengrundlagen teils aus unmittelbar und teils aus mittelbar aufgenommenen Beweisen sowie die praktische Folge, daß "das Rekursgericht gehalten wäre, sich jeder auch noch so abwegigen Beweiswürdigung des Erstgerichtes anzuschließen".
Im Anschluß an EvBl 1964/392 wurde die Ansicht, daß das Rekursgericht im Provisorialverfahren an die Beweiswürdigung des Erstgerichtes nicht gebunden wäre und daher zusätzliche oder andere Feststellungen als das Gericht erster Instanz treffen könnte (zB ÖBl 1973, 105 uva) als nicht mehr weiter erörterungswürdiger Leitsatz aufrechterhalten. Auch nach 1975 hielt die Rechtsprechung ohne ausdrückliche Auseinandersetzung mit dem oben erwähnten Artikel von H.Pichler an ihrem Entscheidungsstil fest (zuletzt: 4 Ob 134/91). Von der bereits erwähnten Lehrmeinung Faschings abgesehen fehlen ausdrückliche Stellungnahmen in der jüngeren Literatur zu der zu untersuchenden Verfahrensrechtsfrage. (Die herrschende Verfahrensrechtslehre folgert sonst nur allgemein und ohne Erörterung allfälliger Besonderheiten im Fall einer Anfechtung von Tatsachengrundlagen, die im erstinstanzlichen Sicherungsverfahren als glaubhaft angesehen wurden, aus der Unzulässigkeit einer mündlichen Rekursverhandlung eine inhaltliche Einschränkung der rekursgerichtlichen Prüfungsmöglichkeiten: vgl Bajons, Zivilverfahren Rz 207; Ballon, Streitverfahren3, 238; Holzhammer, Zivilprozeß2, 341; Rechberger-Simotta, Zivilprozeß3 Rz 737; aber auch Fasching selbst, ZPR2 Rz 1988, sieht im Ausschluß der mündlichen Rekursverhandlung einen wesentlichen argumentativen Ansatzpunkt. Kininger, Einstweilige Verfügungen zur Sicherung von Rechtsverhältnissen 107, geht offenbar aus gleichartigen Erwägungen von einer solchen Einschränkung der rekursgerichtlichen Prüfungsmöglichkeiten im Sicherungsverfahren aus.)
Die in EvBl 1963/153 ausgeführten und von der nachfolgenden gegenteiligen Rechtsprechung nicht widerlegten Argumente überzeugen. Ihre scheinbare Anfechtbarkeit beruht vornehmlich darauf, daß sie den nicht weiter offengelegten Grundsätzen der Prozeßordnung über das Beweisverfahren unterstellt wurde, wodurch die Vertreter der Gegenmeinung auf ihr altes Argument des im Sicherungsverfahren nicht geltenden Unmittelbarkeitsgrundsatzes zurückgreifen zu können vermeinten. Die zutreffenden und auch in EvBl 1964/392 als beachtlich anerkannten Gründe in EvBl 1963/153 sind der Sache nach letztlich auf die das Rechtsmittelverfahren nach der Zivilprozeßordnung (Exekutionsordnung) geltenden Grundsätze zurückzuführen:
Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist nicht unmittelbar der durch die Parteienanträge - oder ein amtswegiges Einschreiten - bestimmte vorinstanzliche Verfahrensgegenstand, sondern sind zunächst grundsätzlich (von den amtswegig wahrzunehmenden Umständen abgesehen) nur die vom Rechtsmittelwerber geltend gemachten Fehler der angefochtenen Entscheidung einschließlich der gerügten Mängel bei der Gewinnung ihrer Grundlagen.
Von den Nichtigkeitsgründen abgesehen typisiert oder beschränkt das auch für das Exekutions- und Sicherungsverfahren nach der Exekutionsordnung normierte Rechtsmittelsystem der Zivilprozeßordnung die bei der Anfechtung erstinstanzlicher Entscheidungen zulässigen Rechtsmittelgründe nicht.
Unter diesem Gesichtspunkt sind Rekursausführungen, die die Festlegung des der angefochtenen Entscheidung zugrundegelegten Sachverhaltes und die Art seiner Gewinnung bemängeln, von vornherein weder unzulässig noch unbeachtlich. In diesem Sinne ist die Rüge, das Gericht erster Instanz hätte zur Begründung seines Spruches nicht von einer bestimmten Tatsachenannahme ausgehen dürfen, weil die hiezu als Erkenntnisquellen herangezogenen Beweismittel unzureichend gewesen wären, ein zulässiger Rekursgrund. Dazu zählt insbesondere auch der Vorwurf, das Gericht sei bei einander widersprechenden Beweisen inhaltlich dem falschen gefolgt. Der Rechtsmittelwerber muß allerdings zur schlüssigen Ausführung einer solchen Rüge darlegen, welche Regeln, die das Gesetz ausdrücklich aufstellt oder zwingend voraussetzt, seiner Ansicht nach mißachtet worden wären. Die Zulänglichkeit oder Unzulänglichkeit eines Beweismittels, als hinreichende Grundlage für eine bestimmte Tatsachenannahme zu dienen, richtet sich gemäß § 272 ZPO nach der zu begründenden freien Überzeugung des Gerichtes. Damit fordert das Gesetz vom Entscheidungsorgan eine zwar von formalen Regeln freie, aber eine nach Naturgesetzlichkeiten, Erfahrungen über menschliches Verhalten in vergleichbaren Lebenslagen, naheliegenden Motivationen des Handelnden, seinen individuellen Gewohnheiten und Verhaltensweisen und ähnlichem nachvollziehbare Begründung, letztlich dabei eine nach der einer aussagenden Person zuzugestehenden Fähigkeit und dem ihr zuzubilligenden Willen zur wahrheitsgemäßen Darstellung vorzunehmende Wertung über die Zuverlässigkeit des Beweismittels. Vom unterschiedlichen Grad der gesetzlich geforderten Richtigkeitsüberzeugung abgesehen (es muß oder es wird wohl so oder so gewesen sein), besteht für die Anforderungen an den richterlichen Meinungsbildungsvorgang in den Fällen des Beweises einerseits und denen der Glaubhaftmachung andererseits kein Unterschied. In beiden Fällen kann es letztlich insbesondere bei der Abwägung einander inhaltlich widersprechender Aussagen für die wertende Beurteilung, dem einen oder dem anderen Beweismittel die ausschlaggebende Überzeugungskraft zuzuerkennen, darauf ankommen, welche subjektiven Fähigkeiten und welcher Wille zur wahrheitsgemäßen Darstellung der einen oder der anderen vernommenen Person zugebilligt wird. Aus den Verfahrensvorschriften der §§ 276 und 412 ZPO, denen zufolge die Entscheidung (im Rechtsstreit) und damit auch die Beweiswürdigung im letzterwähnten Abwägungsfall von denjenigen Richtern vorgenommen werden soll, die an der mündlichen Verhandlung teilgenommen haben, ist zwingend abzuleiten, daß dem persönlich gewonnenen Eindruck des Entscheidungsorgans von den Personen, deren Aussage für die Überzeugung darüber zu werten ist, ob und wie sich ein entscheidungswesentlicher Vorgang tatsächlich zugetragen hat und in welchem tatsächlichen Zustand sich Personen oder Sachen befunden haben, ein entscheidender Wert zukommt.
Dieser Wert darf auch dann nicht vernachlässigt werden, wenn eine sogenannte unmittelbare Beweisaufnahme gesetzlich nicht vorgeschrieben war, tatsächlich aber stattgefunden hat. Das für die Streitfrage nach der sogenannten "Umwürdigung" von Aussagen, die vor dem vorinstanzlichen Entscheidungsorgan selbst abgelegt wurden, entscheidende Kriterium darf nicht einfach darin gesehen werden, ob die Vorinstanz zur unmittelbaren Beweisaufnahme verpflichtet gewesen ist oder nicht, sondern darin, ob von einer Rechtsmittelinstanz, der nach dem Verfahrenssystem die Möglichkeit genommen ist, die (auf eigener Beobachtung beruhenden) Erkenntnisquellen für die Beurteilung der einzelnen Beweismittel auf ihre Zuverlässigkeit in derselben Weise auszuschöpfen, wie dies dem unterinstanzlichen Organ offenstand, dessen Entscheidung angefochten ist, objektiv ein Überprüfungsergebnis (nämlich die Feststellung und Behebung eines gerügten Beweiswürdigungsfehlers) erwartet werden dürfte, dem nach der Aufgabe der Rechtsmittelentscheidung auch eine gegenüber der angefochtenen Entscheidung verstärkte Richtigkeitsgewähr zuzubilligen wäre.
Über den Rekurs ist gemäß § 526 Abs 1 ZPO (§§ 78, 402 Abs 4 EO) ohne vorhergehende mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung zu entscheiden. Damit wird eine mündliche Rekursverhandlung ausgeschlossen. Eine Vernehmung der in erster Instanz vom Entscheidungsorgan selbst vernommenen Personen durch nur ein Mitglied des Rekurssenates als dessen beauftragter Richter wäre unzureichend, um eine gleichwertige Beurteilungsgrundlage für die Abwägung der Beweismittel zu schaffen, wie sie für das Gericht erster Instanz gegeben war, weil hiezu sämtliche Mitglieder des Entscheidungsorgans die Möglichkeit des persönlichen Eindrucks von der zu vernehmenden Person haben müssen. Die Vernehmung durch alle Mitglieder des Rechtsmittelsenates stellte aber - zum Unterschied von Verfahren, nach deren gesetzlichen Ausformung die "schickliche Art" der Tatsachenerhebungen und insbesondere das Verfahren vor dem Rechtsmittelgericht nicht in bestimmter Weise festgeschrieben sind und demnach ein Spielraum für eine Auslegung im Sinne allgemeiner Verfahrensgrundsätze offen bleibt (vgl. zB zum zweiten Kunst- und Kulturbereinigungsgesetz die nichtveröffentlichte Entscheidung vom , 1 Ob 646/92) - eine unstatthafte Umgehung des Verbots einer mündlichen Rekursverhandlung dar.
Hat das Gericht erster Instanz die Aussagen der von ihm vernommenen Personen nach deren Glaubwürdigkeit im Zuge der Beweiswürdigung gegeneinander abgewogen, bleibt dem Rekursgericht zufolge Ausschlusses einer mündlichen Berufungsverhandlung eine gleichartige Beweisaufnahme (zur Feststellung und Behebung eines diesbezüglich gerügten Beweiswürdigungsfehlers) verwehrt.
Wäre auch die verfahrensrechtliche Möglichkeit einer gleichwertigen Beweiswiederholung zu verneinen, müßte die Ersetzung der erstgerichtlichen, aufgrund unmittelbarer Beweisaufnahme erfolgten Beweiswürdigung durch eine bloß auf mittelbarer Beweisaufnahme beruhende, auf ein anderes inhaltliches Ergebnis hinauslaufende Beweiswürdigung durch die Rechtsmittelinstanz (sogenannte Umwürdigung) vom System her nicht als Verbesserung der Richtigkeitsgewähr der angefochtenen Entscheidung, sondern als deren Verschlechterung gewertet werden und damit nicht als Gewährleistung eines verbesserten Rechtsschutzes, sondern nur als eine bloß scheinbare Kontrolle.
In diesem Sinne bleibt nur zu prüfen, ob aus den im letzten Jahrzehnt erfolgten Abänderungen der Zivilprozeßordnung zu folgern wäre, daß der Gesetzgeber nunmehr in der unmittelbaren Beweisaufnahme durch den erkennenden Richter gegenüber der mittelbaren Beweisaufnahme durch bloße Verlesung der von einem anderen Richter aufgenommenen Protokolle über Zeugen- und Parteienaussagen keine ins Gewicht fallende höhere Richtigkeitsgewähr der zu fällenden Entscheidung mehr beimißt, der bloßen Verlesung der Beweisaufnahmeprotokolle also die oben erwähnte Gleichwertigkeit für die Überzeugungsbildung bei der Beweiswürdigung (und deren Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht) zukommt.
Dazu ist zu erwägen:
Die Funktion eines Rechtsmittels nach der Zivilprozeßordnung ist die Überprüfung der angefochtenen vorinstanzlichen Entscheidung im Rahmen ihrer Anfechtung. Dieser für die Berufung im § 462 Abs 1 ZPO ausgesprochene Grundsatz hat ungeachtet fehlender Verweisungsnorm mangels erkennbaren Unterschiedes in den Zwecken beider Verfahrensinstitutionen auch für den Rekurs zu gelten. Es gehört zum vorgesetzlichen, durch keine konkreten gesetzlichen Regelungen zu berichtigenden allgemeinen Begriffsverständnis einer Überprüfung, daß dem Überprüfungsvorgang mindestens alle diejenigen Grundlagen zur Verfügung stehen, die den zu überprüfenden Vorgang mitbestimmt haben.
Aus diesem Grund ist es dem Gesetzgeber nicht zu unterstellen, die Überprüfung einer gerichtlichen Entscheidung in einer bestimmten Richtung einer Instanz zu überantworten, der gegenüber der Vorinstanz nur eingeschränktere Beurteilungsgrundlagen zur Verfügung stünden. Das ist auch die Kernaussage der in EvBl 1963/134 veröffentlichten Entscheidung.
Hat nun die Vorinstanz Zeugen oder Parteien selbst vernommen und eine erhebliche Tatsachenannahme darauf gegründet, daß bei widersprechenden Aussagen letztlich der persönliche Eindruck von der Fähigkeit und dem Willen der einen oder anderen vernommenen Person zur objektiv wahrheitsgemäßen Wiedergabe von Zuständen oder Geschehensabläufen für die Richtigkeitsüberzeugung bei der Beweiswürdigung ausschlaggebend war, dann muß dem Rekursgericht, wenn es aufgrund der vom Rechtsmittelwerber in seiner Rechtsmittelschrift ausgeführten stichhältigen Argumentation Bedenken gegen eine solche Beweiswürdigung hegt, um diese auf die gerügte Fehlerhaftigkeit überprüfen zu können, die Möglichkeit gegeben sein, auch selbst den für die Beweiswürdigung angeführten persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit (nicht des bekundeten Zustandes oder Vorganges, sondern) der aussagenden Person zu gewinnen.
Dazu reicht die Verlesung der über die Aussage aufgenommenen Protokolle gerade nicht.
Daran vermag auch die Einfügung des § 281a ZPO durch die Zivilverfahrens-Novelle 1983 nichts zu ändern, die nur dem Ziel "einer wohlverstandenen Verfahrensökonomie" dienen sollte. Verfahrensvereinfachungen dürfen niemals auf Kosten der Richtigkeitsgewähr der Entscheidung gehen, weil die Richtigkeitsgewähr der Entscheidung entschieden höher zu werten ist, als die Beschleunigung oder Verbilligung des Verfahrens.Wohlverstanden ist eine Maßnahme der Verfahrensökonomie nur dann, wenn sie die Richtigkeitsgewähr der zu fällenden Entscheidung nicht beeinflußt.
Für das Berufungsverfahren wurde durch die Erweiterte Wertgrenzennovelle 1989 mit der Bestimmung des § 488 Abs 4 ZPO die Zulässigkeit der bloßen Verlesung von Beweisaufnahmeprotokollen davon abhängig gemacht, daß den Parteien nach der Bekanntgabe, daß das Berufungsgericht gegen die Beweiswürdigung Bedenken hege, Gelegenheit zur Beantragung einer neuerlichen Beweisaufnahme geboten werde. Wo eine derartige neuerliche Beweisaufnahme verfahrensrechtlich ausgeschlossen ist, ist die Voraussetzung nicht erfüllbar. Die von Fasching, Lehrbuch2 Rz 1988, erwogene Möglichkeit verkennt, daß es nicht darauf ankommt, wie der Rechtsmittelgegner in seiner Rechtsmittelgegenschrift zur Rüge unrichtiger Beweiswürdigung Stellung nimmt, sondern darauf, daß das Rekursgericht die Rüge zumindest insofern als schlüssig erachtet, daß ihm die in der angefochtenen Entscheidung ausgeführten Gründe für die freie Beweiswürdigung nicht überzeugend erscheinen und deshalb die Möglichkeit einer von der angefochtenen Entscheidung abweichende Würdigung nicht ausschließt, diese Beurteilung den Parteien zu dem Behufe mitteilt, allenfalls eine Beweiswiederholung vor dem Rechtsmittelgericht zu beantragen; ist eine Beweiswiederholung aber verfahrensrechtlich ausgeschlossen, wäre die Aufforderung mangels echter Wahlmöglichkeit für die Verfahrensgestaltung inhaltsleer, die Überprüfung der Beweiswürdigung nicht voll durchführbar. Aus diesen Erwägungen gelangt der verstärkte Senat zu folgendem Rechtssatz:
"Auch im Sicherungsverfahren ist die Überprüfung der Beweiswürdigung des erkennenden Richters durch das Rekursgericht insoweit ausgeschlossen, als dieser den Sachverhalt aufgrund vor ihm abgelegter Zeugen- oder Parteienaussagen als bescheinigt angenommen hat."
Das Rekursgericht hat daher ohne Verfahrensverstoß die im Rekurs gegen die erstinstanzliche einstweilige Verfügung ausgeführte Beweiswürdigungsrüge als unüberprüfbar erklärt.
Auch die sonstigen Revisionsrekursausführungen sind nicht stichhältig:
Das Rekursgericht hat die darauf gestützte Nichtigkeitsrüge des Rechtsmittelwerbers verworfen, daß der Sicherungsantrag vom Prozeßgericht unter Bildung einer selbständigen Akte entgegen § 390 GeO in das F-Register eingetragen und von dem Richter behandelt wurde, dem geschäftsverteilungsmäßig die familienrechtlichen Angelegenheiten zugewiesen waren. Das Gericht erster Instanz hat das Verfahren über den Sicherungsantrag nach den Verfahrensbestimmungen der Exekutionsordnung (ZPO) durchgeführt. Die gegenteilige Behauptung im Revisionsrekurs ist aktenwidrig; der Hinweis auf Seite 11 der erstinstanzlichen Entscheidung (= AS 55) ist unverständlich. Die Verneinung einer in einer Berufung gerügten Nichtigkeit ist nach dem Rechtsmittelsystem der Zivilprozeßordnung nicht weiter anfechtbar. Dies muß aus einem Größenschluß auch für das Rekursverfahren nach der Zivilprozeßordnung gelten. Abgesehen davon hat der Prozeßrichter als geschäftsverteilungsgemäß berufener Richter nach dem für das Sicherungsverfahren gesetzlich vorgesehene Verfahren der Exekutionsordnung (ZPO) verhandelt und entschieden, ohne dabei die Rechtskraft der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der vorübergehend abgesonderten Wohnungsnahme zu verletzen, weil jene Entscheidung einen vom hier anhängigen Sicherungsverfahren unterschiedlichen Entscheidungsgegenstand betraf. Das Rekursgericht hat nach dem als bescheinigt zugrundezulegenden Sachverhalt ohne Rechtsirrtum angenommen, daß der Antragsgegner seiner Frau das weitere Zusammenleben im gemeinsam als Ehewohnung benützten Haus unerträglich mache. Sein im alkoholisierten Zustand zunehmend angriffslustiges Verhalten gegenüber der Antragstellerin schreckte vor deren Bedrohung mit einer Schußwaffe nicht zurück und steigerte sich in einem vom Rechtsmittelwerber in tatsächlicher Hinsicht gar nicht bestrittenen Eintreten der Tür zum Schlafzimmer der Antragstellerin. Das Verhalten des Antragsgegners ist nicht in einzelne Akte zu zerlegen, sondern als Gesamtverhalten für die gefährdete Partei als unerträglich zu werten.
Die einstweilige Verfügung nach § 382 Abs 1 Z 8 b EO soll die gefährdete Partei in ihrem gewohnten häuslichen Bereich vor krassen Störungen durch den Ehepartner schützen. Dieser Zweck überwiegt gegenüber den Interessen des Antragsgegners an der Fortführung seines Gewerbebetriebes in der bisher geübten Form. Die gewerblich genutzten Kellerräumlichkeiten sind nach dem als bescheinigt zugrundezulegenden Sachverhalt vom Wohnbereich des Einfamilienhauses nicht abtrennbar. Die gemäß § 382 Abs 1 Z 8 b EO dem Antragsgegner auferlegten Verhaltensgebote stellen daher (auch in Ansehung der im Einfamilienhaus befindlichen betrieblich genutzten Kellerräumlichkeiten) keine unzulässige Überschreitung der richterlichen Befugnisse im Sicherungsverfahren nach der zitierten Gesetzesstelle dar (zumal es sich um keine Regelungs- oder Sicherungsanordnung nach § 382 Abs 1 Z 8 c EO handelt). Mit der Rückziehung des am eingebrachten und zu F 13/92 behandelten Antrages auf einstweilige Regelung der Benützung der Ehewohnung war kein Verzicht auf den dann mit dem Protokollarantrag vom geltend gemachten Sicherungsanspruch verbunden.
Der Revisionsrekurs erweist sich daher in keinem Punkte als stichhältig. Ihm war nicht stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO, §§ 78, 402 Abs 4 EO.